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Nr. 162 (R. 90). Leipzig, Dienstag den 16, Juli 1929, 96. Jahrgang. Redaktioneller TÄ Bekanntmachung. Nach Z 5 Ziffer S der Verkaufsordnung für den Verkehr des Deutschen Buchhandels mit dem Publikum ist zwar die Gewährung Von Bermittlerprovision auch an nicht gewerbsmäßige Vermittler gestattet. Unzulässig aber ist das öffentliche Angebot von Vermittlerprovision, da es dem öffentlichen Angebote von Rabatt gleichzuachten ist. Demgemäß ist es auch nicht erlaubt, gedruckte Zettel oder Rundschreiben zu verbreiten, auf denen für die Vermittlung von Bestellungen Provision angeboren wird, Provision darf auch nur solchen Vermittlern gewährt werden, die sich durch Revers verpflichten, die Provision für sich persönlich zu behalten nnd nicht an diejenigen, deren Aufträge sie vermitteln, oder an dritte von den Auftraggebern bezeichnet« , Personen weiterzugeben. Unzulässig lind auch Angebote von Vermittlerprovision an Stellen, die selbst für mehrere Exemplare Bedarf haben und nun i die Vermittlerprovision für ihre eigenen Bestellungen in Anspruch nehmen, Angebot und Gewährung von Provision an Abnehmer kreise für Bezüge zum eigenen Bedarf ist als eine Umgehung der Verkaufsordnung zu bettachten und wird wie ein unzulässiges Rabattangebot verfolgt, Leipzig, den 12. Juli 1929. Oer Gesamtvorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. Max Röder, Erster Vorsteher. Kritik am Buchhandel. Bericht über die Wochenendzusammenkunst des Buchhändlcr-Berbandes Hannovcr-Braunschwcig. (Schluß zu Nr, 189.) Dichter und Buchhändler in kenternder Zeit. Von Hans Friedrich Blunck. Die Lage der vier Fakultäten der Kunst ist zur Zeit nicht freundlich und es hat keinen Zweck, die Augen davor zu ver schließen, daß wir — ich will sagen eine Zeitspanne durchleben, in der die technischen Vorgänge in der Öffentlichkeit fast aus schließlich im Vordergrund stehen. Die Formulierung ist vor sichtig, sic will zugleich sagen, daß wir über die Dauer dieser Zeitspanne sehr unsicher sind, weil alle kulturgeschichtlichen Er fahrungen uns wissen lassen, daß solche Perioden, immer kurz oder lang in die kulturelle Entwicklung der Völker eingeschoben >— zu mindest solange die Völker noch i-m Wachsen sind —, wie tSturm und Sonne wechseln, nach Gesetzen, die wir nur selten 'finden, um die wir uns heute auch keine Sorgen zu machen brauchen. Dagegen haben wir alle die Pflicht, fürzusorgen, daß der Garten gut vorbereitet, daß die Saat eingelegt ist, wenn eine neue Jahreszeit kommt. Mein Bortrag ist also weniger Polemisch, als Sie, meine Herren, vielleicht erwarteten. Ich muß sogar noch weitergehen, ich enttäusche auch, wenn Sie bärenhafte Worte oder Klagen über dies Zeitalter der Technik von mir erwartet haben. Ich lebe in diesem Zeitalter, ich erlebe es mit, ich werde jung über das Wunder jedes Flugzeuges, das über mir kreist, ich »erfolge mit größter Spannung die Umwandlung von Kohle in flüssige Öle, die uns von Amerika unabhängig macht, und die Wand lung von Holz in Stärkemehl, von der ich eine völlige Um stellung der deutschen Wirtschaft erwarte. Aber ebenso scharf und reinlich wollen wir auch zwischen den beiden Schaffenswelten unterscheiden — das versäumt unsere Zeit so häufig —, müssen wir die Aufgaben der Dichtung, wie überhaupt des Kunstwerks von denen der technischen Entwicklung sondern. Selbst wenn beide, wie viele behaupten, aus einem ähn lichen Grund der Intuition aufspringen, ist ihr Ziel doch lief verschieden, ist ihr Wesen zu innerst anders gerichtet, ist eine Menschheit, die nicht beide harmonisch auszugleichen weiß, zu innerst verarmt. Ich sagte eben, daß beide aus derselben Erahnung auf springen. Sie wissen, wie sehr der Satz bestritten wird. Aber die Findung liegt vor der Erfindung, die Ahnung des Kunst werks vor der schöpferischen Gestaltung und jene Findung und Ahnung stammen aus dem gleichen Quell der auftreibenden Phantasie. Gleich nach der Geburtsstunde beginnt allerdings die Trennung. Denn der Techniker geht vom Ding und seinen Ge setzen aus, seine Erfindung schafft ihm die neue Form, die indes wieder unmittelbar auf die Maschine gerichtet ist. Der Künstler bleibt in der zunächst chaotisch erscheinenden Empfindungswelt, aus der sich dann, oft scheinbar ohne sein Zutun, der Satz, das Geschehen, Sturz und neuer Aufstieg herausbilden. Er träumt, um ein Bild zu gebrauchen, den Flug Wielands vor, er be schwingt den Menschen, aus einer Ebene zur andern hinüberzu drängen, geißelt ihn mit kühnen Vorstellungen, bis eines Tages der Erfinder das Flugzeug schafft, das 'der Dichter längst zur Sonne hat aufsteigen sehen. Um noch weiter in die Gegenwart cinzudringen: Ähnliche vorgeträumte Bilder liegen auch dem Werk von Bergius und seinen Mitarbeitern zugrunde, die unse ren Erdteil vom flüssigen Öl fremder Erdteile unabhängig mach ten und durch die Umwandlung von Holz in Zucker eines Tages den Wald, und zwar den Wildwald, wieder zum wichtigsten Be standteil unserer Landschaft wandeln werden. Weder Lilienthal noch Junkers noch Bergius wären ohne -den Vortraum anderer zu ihrem Werk gekommen, ohne die vorahnende Phantasie, die Mann wie Volk durchschwingt, die zum Werk hinreibt, die zuletzt die Bewegungen der Weltgeschichte leitet. Die unterlegene Stellung des Künstlers im praktischen Leben ist damit aber auch schon Umrissen. Er trennt sich, sagte ich schon, in der Geburt vom Finder. Er soll in dem verwirrten Drüber und Drunter der Gegenwart ihr Gewissen sein — Gewissen im Sinn der Ordnung der Gegenwart, Gewissen auch im lehrhaften