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Die Stätte des Berliner Einsiurzunglücks Einsatz von Ruhrlumpeis auf der UnglllMelle in der Sermann-Göring-Straße „Not über Pirmasens" Vorwürfe gegen den jüdischen Grotzhandel. — Beschlüsse der Vertrauensleute. Nachdem vor einigen Tagen Gauleiter Viirckel dazu auf gerufen hatte, Pirmasens, die „nationalsozialistische Hochburg der Pfalz", in ihrem Kampfe gegen den Iudenboykott zu unter stützen, veranstaltete die Kreisleitung der NSDAP am Mon tag eine Besprechung der Betriebszellenobleute, Vertrauens leute und Vcrtxauensräte sämtlicher Pirmasenser Firmen, in der, wie die NSZ-Rhcinfront berichtet, folgendes beschlossen wurde: „Der Jude versucht erneut seine Peitsche über uns zu schwingen. Er will das nationalsozialistische Pirmasens be zwingen. Wir aber erklären: Wer unsere Arbeitsstätten be droht, dem gilt unser Kampf bis aufs Messer. Ab heute be treten wir deinen jüdischen Laden mehr, nicht mehr das Warte zimmer eines jüdischen Arztes. Schlutz mit jedem Verkehr mit Juden! Wer uns in diesem Kampf in den Rüchen fällt, lst ein Volksverräter! Von unseren Betriebssichrer« verlan gen wir, das; solche Verräter sofort aus de» Betrieben ent fernt werden und einem anständigen Volksgenossen Platz machen." In einem Leitartikel des genannten Blattes mit der Ue- berschrist „Not iiber Pirmasens" wird über die Lage der Schuh industrie u. a. berichtet, durch eine Verkettung widriger Um stände, vor allem durch die ganz anormalen Witterungsverhäit- nisse seit Herbst 1V34, seien dreimal hintereinander die sonst starken Antrieb sichernden Saisongeschäste ausgefallen. Die zu lange anhaltende gute Witterung im „Herbst habe eine Absatz stockung der Winterartikel verursacht. Ebenso habe das Oster- geschäft nicht den Erwartungen entsprochen. Notgedrungen hätten die meisten Pirmasenser Betriebe Kurzarbeit cinfichren müssen. Bei der in grotzem Matze auf Modeartikel eingestellten einseitigen Industrie seien diese Schwankungen keine Neu erscheinungen. Der Ausgleich sei zuversichtlich im Hcrbstgeschäft erhofft worden. Die Aussichten dafür seien günstig erschienen. In der letzten Woche aber sei ein Stotz gegen die Pirmasenser Industrie geführt worden, der das ganze Wirtschaftsgesüge der Stadt in Mitleidensck^ ziehen werde, wenn es nicht gelinge, ihn rechtzeitig abzufangen. Innerhalb weniger Tage seien bei zahlreichen Fabriken Schreiben gleichen Inhalts cingelansen, die samt und sonders aus den jüdischen Handelsbetrieben ge kommen seien und sofortige Annullierung der erteilten Aufträge gefordert hätten, dies unter Berufung auf einen angeblichen Boykott jüdischer Geschäfte, der eine Absatzmöglichkeit der be stellten Ware unterbinde. In dem Artikel wird ferner ein ano nymer Brief ermähnt, den kürzlich ein führender Fabrikant in Pirmasens erhalten habe. Der Schreiber erklärt darin, datz er umgekehrt sei, als er bei der Einfahrt nach Pirmasens grotz angcschrieben gesehen habe: „Dieser Weg führt nicht nach Pa lästina!". Er habe seine Einkäufe in Hohenzollern actätigt. Fr. Ztg. SS-Mnn überfallen Magdeburg, 23. August. In den Abendstunden zwischen 21,30 und 22 Uhr wurde In Quedlinburg sBezirk Magdeburg) der in Zivil von seiner Arbeitsstätte im Gaswerk auf dem Nachhausewege befindliche SS-Mann Brüll von zwei maskierten Männern überfallen und durch Uebcrgietzcn mit Salzsäure verletzt. Die Täter hatten sich kurz vorher auf eine Mauer gelegt und lauer ten dem SS-Mann auf. Als der SS-Mann vorüberging, spran gen die beiden Wegelagerer auf Brüll herab. Während der eine dem SS-Mann an die Gurgel griff, Ubergotz ihn der andere mit Salzsäure. Der SS-Mann kam gar nicht dazu, sich zur Wehr zu setzen, da er völlig überrascht war und die durch ihre Masken un kenntlichen Täter gleich darauf die Flucht ergriffen, um im Dunkel zu verschwinden. Einer von ihnen hatte noch gerufen: „Du Hund machst keine Haussuchungen mehr!" Die Polizei hat alles in Bewegung gesetzt, um das Attentat auszuklären. Kommunistische Rowdys Hamburg, 22. August. Am Freitag betraten zwei als „Schläger" bekannte Brüder zusammen mit einigen anderen jungen Leuten mehrere Lokale am Dornbusch und belästigten ohne jeden Anlatz die anwesenden Gäste. Dabei wurde ein Mann im Gesicht schwer verletzt. Die randalierenden Burschen suchten auch das NS-Lokal von Fred Marcussen auf. Dieser hatte in den Fenstern seines Lokals Plakate mit der Aufschrift angebracht, datz Juden unerwünscht seien. Das schien den Rowdys Anlatz genug zu sein, den Ge schäftsbetrieb dadurch zu stören, datz sic abfällige Bemerkungen in das Lokal riefen. Sic wurden vom Wirt hinausgewiesen. Ein als Gast anwesender SA-Truppsührer, der hinter den Burschen herging, um nach ihrem Verbleib zu sehen, wurde von ihnen sofort überfallen und misshandelt. Marcussen, der den Vorfall von seinem Lokal aus beobachtete, befreite den Trnpp- siihrer und mutzte dabei von seinen Kräften Gebrauch machen, da er selbst angegriffen und verletzt wurde. -Die beiden Brüder, die als Staatsfcinde bekannt sind, sowie einer der anderen Burschen, der sich an der Schlägerei beteiligte, wurden fest genommen. Berlin, 22. August. Auf Grund einer Besprechung zwischen den maßgebenden Stellen an der Ungliicksstclle in der Hermann-Göring-Straße, an der Neichsminister Dr. Goebbels und der Leiter der Arbeitsfront. Dr. Ley, teil nahmen, hat Dr. Ley in Essen sofort eine Spezialrcttnngs- mannschaft von erfahrenen Nuhrbergleuten angefordert. Die aus zwölf erfahrenen Nuhrbergleuten bestehende Sonderretiungsmannschaft ist gestern um 11.34 Uhr unter Führung des stellvertretenden Leiters der Hauptstelle für das Krubcnrcttungswesen in Essen, von Hoff, in einem Sonderflugzeug der Lufthansa aus Essen abgeflogcn und gegen 16.45 Uhr im Tempelhofer Flughafen eingetrosfen. Die Bergleute sind sämtlich Mitglieder der Grubenwehren. Der Sonderauftrag traf sie mitten bei ihrer Arbeit im Schacht, bei den Stinncs-Zechen in Essen, bei den Nhein- Elbe-Schächten in Gelsenkirchen und bei den Prosper-Schäch ten in Bottrop. Sie haben eine ganz besondere Erfahrung in der Freilegung zusammengebrochener und verschütteter Stollen. Bei ihrer Ankunft in Berlin wurden die Berg leute von dem Pressechef Dr. Leys in Empfang genommen. In bereitsteheudcn Kraftwagen ging es dann unverzüglich nach der Unglücksstätte in der Hermann-Göring-Straßc. Unterwegs, am Leipziger Platz, stieg Dr. Ley in einen der Wagen, um sich ebenfalls nach der Einsturzstelle zu be geben. Die Bergleute haben Vergungsapparate, Sauer stoff- und andere Wiederbelebungsgeräte mitgebracht. Unmittelbar nach dem Eintreffen an der Unglücksstätte begaben sich die Ruhrknappen in den Garten der Wohnung des Reichsministers Dr. Goebbels und legten dort ihre Ar beitskleidung an. Währenddessen hatte der Leiter dieses Sondertrupps, von Hoff, ein erfahrener Fachmann im Berg bau-Rettungswesen, mit den maßgebenden Stellen eine Besprechung über den Einsatz seiner Kolonne, die zu folgen dem Ergebnis führte: Angesichts der Unmöglichkeit, aus andere Weise noch wirksame Rettungsversuche zu unternehmen, soll an der jenigen Stelle der Grube, an der man die Vermißten ver mutet, nach beiden Seiten hin unter Umgehung und gewis sermaßen auch im Schutz der Trümmer ein Schachtvor getrieben werden. In unmittelbarem Anschluß an diese Besprechungen begab sich der Sonderaktionsleiter von Hoff zu den Knap pen, um sie iiber die Art ihres Einsatzes zu unterrichten. Er wies dabei aus die besonderen Schmierigkeiten dieses Rettungsversuches hin und mahnte zu ganz besonderer Vor- (Presse-Illustrationen Heinrich Hojjinann, Ai.) ycyt, zumal hler wesentlich andere Verhältnisse als unter Tage im Bergwerk vorliegen. Die Ruhrkumpels werden nur für dieses bergmännische Verfahren eingesetzt. Die not wendigen Geräte — Grubenhölzer, Hacken, Beile, Schütten usw. — stellte die Feuerwehr bereit. Bald nach 18 Uhr begaben sich die Knappen an die Stelle ihres Einsatzes, wo ihnen der Plan nach einmal aus einandergesetzt wurde; dann ging es an das gefahrvoll« Rettungswerk. Zunächst konnten natürlich nur Borarbeiten vorgenommen und vorsichtige Versuche angestellt werden, die zusammen mit den Pionieren ausgesührl wurden, rind wobei es wiederum galt, Trümmer zu beseitigen, um eine kleine Fläche für den Ansatz des Stollens freizubekommen. Diese Stelle, die das Vorwärtstreiben des Stollens ermög lichen soll, befindet sich an der südlichen Schmalseite der Grube. Gegen Abend weilte Reichsminister Dr. Goebbels erneut einige Zeit an der Unglücksstätte. Fast gleichzeitig mit ihm trafen auch der Befehlshaber der deutschen Polizei, Generalleutnant Daluege, und Polizeipräsident Gras Hell dors ein. Der Reichsverkehrsminister brich« seinen Urlaub ab Nachdem der 'Vertreter des Reichsvcrkehrsministers und seine Sachbearbeiter sich wiederholt über den Fortgang der Bergungsarbeiten aus der Ungliicksstclle der Nord-Süd-Bahn örtlich unterrichtet haben, brach der Neichsminister von Eltz, der zur Zeit im Rheinland aus Urlaub weilt, seinen Urlaub ab, um sich nach Berlin zu begeben. Die O b e r st a a t s a n w a l t j ch a f t hat inzwischen unabhängige Sachverständige zur Untersuchung an die Un glücksstätte entsandt. Vorläufig lauen sich Feststellungen über die Ursache des Unglücks noch nicht treffen. Sie kgnn in der Konstruktion, aber auch in der Ausführung liegen. Es ist kaum anzunehmen, daß das Unglück auf Konstruk tionsmängel zurückzuführen ist, da die Bauart schon bei vielen Untergriindbahnbauten angewandt und von der Stadt Berlin und auch von der Neichsbahudireltion an viel schwierigeren Stellen benutzt wurde. Bei dem Durchein ander der Trümmer der Ungliicksstätte i't auch die Festste!- lung, ob die Bauaussühruug das Unglück verschuldete, sehr schwierig. Die Aufräumungsarbeiten werden noch längere Zeit andauern... Der Generaldirektor der Reichsbahn. Dr. Dorp müller, hat den durch den Unfall betroffenen Familien zur Linderung der Not einen Betrag von öü tkV Mark zur Verfügung gestellt. Das Befinden der im Krankenhaus befindlichen vier Perletzten ist erfreulicherweise gut. Der Staatssekretär des Neichsarbeitsministerinms, Dr. Krohn, besuchte wiederholt die Unglücksstäite in der Hermann-Göring Straße und ließ sich über den Stand der Nettungsarbeiten Bericht erstatten. * Ser Mrer We« Zvovo Mart Mr die von dem Einsturzunglllck beim 8-Bahnbau betrosscnen Familien. München, 21. August. Der Führer hat an Neichsminister Dr. Goebbels fol gendes Telegramm gerichtet: „Zn aufrichtiger Trauer bitte ich Sie, den betrosscnen Fa milienmitgliedern der bei der Einsturzkatastrophc Verunglückten mein« tiefe Teilnahmr zu übermitteln. Zch wage kaum Hoff nung zu haben, datz es vielleicht doch noch gelingen wird, bei den Bergungsarbeiten einige der Bcrschütteten zu retten. Bitte über geben Sie den unglücklichen Familien zunächst von mir ans die Summe von SüOVO Mark. — Adolf Hitler." Sie Untersuchung des Brandes aus der Funkausfleüung Berlin, 22. August, lieber die Ursache des Brandes aus der Großen Deutsck^n Rundsunliausstellung, dem die Halle 4 zum Opfer gefallen ist, wird mitgeteilt, datz dl« bisherige Un tersuchung Anhaltspunkte dafür, datz vorsätzlick)« Brandstiftung oder Sabotage vorliegen, nicht ergeben hat. Ein Luftbild der Brandstätte in den Berliner Ausstellungs hallen. Die Aufnahme zeigt deutlich, datz — abge sehen von dem Junk- turm-Restaurant nur eine einzige Halle dem Brande zum Op fer gefallen ist und datz der iveitaus über wiegende Teil der Ausstellungsgebäude unversehrt geblieben ist- (Freigegeben durch R. L. M. Nr. 28 207 vom 20. 8. 3b, Welt bild, M.)