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Nummer 207—34. Iahrg Sonnabend, 7. September 1933 Im Fall« von höherer Gewalt, «erbot, etntreleirder Vetrleb»- stSrunge» hat der Bezieher oder Werbunglrelbend« tel«e »* sprach«, saN» dl« Zeltuccg In beschränktem Umfange. oerlpöteh oder nicht erschein«. — ErsilNungsor« Dreien. SchrtsNettung: Dresden.«,, Pollerstr, 17, Fern rief «711 «.vor» Delchklstsstell«, Druck und verlas: Germania Buchdrucker«! und Verlag LH. nnd «. Winkel. P-llerstrah« 17, Fernruf rwir, Postscheck: Ar. Ivrs, Bank: Stadlbank VreÄxn Ar. «767 LachMhe volksMung Berlagsort Dresden, iln^lgenpreye: »le ypaltlge 74 mm breite Zell« « Ml sür FamMenanzeigen S Plg, Für Platzwüiijche können wir leine Gewähr leiste». Erscheint « mal wöchenlllch. Monatlicher Bezugsprei, durch Träger einschl S0 Pfg, bzw. «0 Pfg, Trögerlohn 1,70: durch dienst 1,7« elnschliegilch Postüberweisungsgebühr, zuzüglich »« Psg Posi-Bestellgeld. kinzelnummer l« Psg., die Sonnabend-, Eonnkag. und Festiagnuinmer r« Psg. Dars Gens de» Suez-Kanal Meßen? Oie Krage einer Sperrung -es Suezkanals Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit durch die Zurtsten Kairo, 6. Sept. Die ägyptische Negierung l>at drei Juristen, unter ihnen ein bekannter Genfer Jurist, beauftragt, die einschlägigen Verträge aus die Möglichkeit einer Sperrung des Suezkanals hin zu prüfen. Man glaubt hier, das, nach den Statuten der Kanalgescllschaft eine Sperrung ausge schlossen wäre, das) dagegen der Völkerb u n d das Necht hätte, eine Sperrung zu beschlichen, da die Satzungen der Kanalgeselljchast beim Völkerbund registriert seien. Die Veröffentlichung des Ergebnisses der juristischen Untersuchung wird für die nächsten Tage erwartet. Das arabische Blatt „Ahrain" meldet, in amtlichen englischen Kreisen würden die Berichte über eine Zusam menfassung der ägyptischen und der englischen Armee unter englischem Kommando als unzutreffend erklärt. Ebenso sei es unrichtig, datz England in einer Note Aegyp ¬ ten ausgcfordert habe, alle Verkehrswege, Häsen nnd Flug häfen den britischen Militärbehörden zur Verfügung zu stellen. Überredung Valdwins mtt Sir Samuel Hoare London. l>. Sept. Ministerpräsident Baldwin hatte am Donnerstag eine Unterredung mit dem Staatssekretär des Aenszern, Sir Samuel H oare, der noch bettlägerig ist und den er in seiner Wohnung aufsuchte. Baldwin wird am heutigen Freitag wieder in seiner Amtswohnung in Downing Street sein und weitere Beratungen mit Kabinettskollegen haben. Das Wochenende wird er wahrscheinlich auf dem Landsitz der englischen Ministerpräsidenten Cheaners verbringen — zum ersten Male, seitdem er im Sommer sein jetziges Amt übernommen hat. Sie Times zur SonnerStag-Sihimg des NiMrbundsrates London, 6. Sept. Der Genfer Sonderberichterstatter der Times bezeichnet das Verlassen des Sitzungssaales durch die italienischen Dele gierten als eine Demonstration italienischer Tal,- t i k, die einige Minuten lang Verblüffung hervorgerufen habe. Für den Freitag, fährt der Berichterstatter fort, hoffe man auf eine neue Sitzung des V ö l ki e r b u n d s r a t e s. Der Ernst der Lage sei nicht zu leugnen. Bis zum Abend Höllen die Bemühungen gedauert, einen Versöhnungsausschuh zu ernen nen. Die Italiener hätten sich einer Teilnahme Englands un- Frankreichs widersetzt; bis zum Abend habe nur ein Rats mitglied, nämlich der Spanier, sich bereiterblärt, in dem Aus schuh Platz zu nehmen. Aber leibst, wenn der Ausschuh zu- standeliomme, werde er, falls ihm jede Bezugnahme auf Arti- bel 1b der Salzung verwehrt sei, bäum imstande sein, mehr zu tun, als die bisherigen zwecklosen Erörterungen sorlzusetzen und somit eine weitere Verzögerung ohne dcutliclw Aussicht auf eine Vereinbarung zu verursacl>en. Vielleicht sei dies über haupt als Zweck des Ausschusses gemeint gewesen. — Das Beste, was sich von der gegenwärtigen Tagung sagen lasse, sei. datz der Völkerbundsrat bisher den von den Italienern verur ¬ sachten Stürmen standgehalten habe. Die Neigung der Ita liener. ihre Donnerkeile unverzüglich und ohne Ueberlegung zu schleudern, werde sich vielleicht letzten Endes weniger er giebig zeigen als die langsameren und weniger dramatiscipm Verhandlungen der Mächte, die die Italiener in Wahrln'it her ausforderten. Am Mittwoch fei bereits der Widerstand gegen die italienische Politik stärker und allgemeiner gewesen, als man erwartet hatte. Am Donnerstag habe er. veranlasst durch die italienische Halsstarrigkeit, ein gewaltiges Ausmah erreicht. — Der Korrespondent sagt weiter, die Italiener Hütten das ausgespielt, was sie für ihre Trumpskarte hielten. Ihre An klage gegen Akx'sfinicn, die nicht unbedingt überzeugend sei, habe den Zweck gehabt, den Gegnern den grösstmöglichen Schaden zuzusügen. Sie habe aber eine Versöhnung nahezu aussichtslos gemacht. Die italienische Weigerung, weiterhin et was mit Abessinien zu tun zu hoben, halw die wesentliche Grundlage eines Vorgehens des Völkerbundes zerstört, die ja gerade in freier nnd offener Aussprache bestehe. — lieber die Kundgebung der italienischen Delegierten bemerkt der Korre spondent noch: Die Wirkung war so dramatisch, wie sie ge meint war. Nachträglich wurde gesagt, das; die Italiener mit dieser Geste nicht jede Verbindung mit dem 'Völkerbund ab brechen wollten. Es war nur eine Kundgebung, das; sie zwar keine Behandlung für die Vertreter Abessiniens als zu ver ächtlich betrachteten, das; sie ober die leiseste Antwort der Abessinier daraus als eiue unerträgliche Beleidigung empsänden. pariser presse zur Genfer Spannung Entrüstung über Professor Itze. Paris, ü. Sept. Die in Genf stark gestiegene Spannung wird von der Pa riser Presse mit grotzem Bedauern besprochen. Darüber hinaus vermerken einige Blätter mit Mifstallen, das; gerade ein fran zösischer Universitätsprofcssor als Rechtsberater des Negus in Genf heftige Kritik an der italienischen Politik und sogar an der Herrschastsform in Italien geübt habe. — Das Echo de Paris schreibt zur Lage, der italienisch-abessinische Streit, der allmählich in einen italienisch-englischen Streit übergegangen sei, drohe jetzt zu einem Streit zwischen Italien und dem Bölker- bundsrat zu werden. Frankreich müsse natürlich das interna tionale Gesetz und die bestehenden Verträge verteidigen, aber wie weit könne es dabei gehen? Die Londoner Negierung wünsche gemeinsame Siihnematznahmen. Aber solche seien un möglich, da die erforderliche Einstimmigkeit hierfür nicht zu erreichen sei. Man müsse sich fragen, ob die englische Regierung nicht deshalb so nachdrücklich von gemeinsamen Sühnematznah- men spreche, weil sie allein nicht handeln, sich aber vor der öffentlichen Meinung Englands trotzdem den Schein des Han delns geben wolle — Oeuvre sagt, die Krisis sei in vollem Gange. Italien habe am Donnerstag den Völkerbundsrat zwingen lyollen, sich der Auffassung anzupassen, datz Abessinien ein minderwertiges Land se! Das werde Italien wohl schwer lich gelingen. Aber sicher sei, datz man aus grotze Verwickelungen zusteuere. Mehrere Blätter wenden sich vor allem gegen die Tatsache, das; ein französischer Professor im Namen A bes- iniensgegen Italien sprach. — Journal schreibt, ein ranzösischcr Professor der Rechte habe die Italiener in wahr est unmöglichen Ausdrücken angegriffen. Das Mindeste, was man erwarten könne, sei, das; Italien es ablehne, weiter an der Aussprache teilzunehmen, solange Abessinien von dem sran- zösischen Professor I-'-ze vertreten werde. — Nkatin erklärt, es sei bedauerlich, das; Abessinien durch einen französischen Professor vertreten werde, der am Donnerstag mittag in heftigen, mit unter beleidigenden Worten auf die italienische Anklagerede des Vortages geantwortet habe. — Noch deutlicher drückt sich die Iournöe Industrielle aus: Seltsamerweise vertrete ein fran zösischer Universitälsprosessor den abessinischen Standvnnkt m Genf. Jede Sache sei gut zu vertreten, und die abessinische Sache sei wahrlich rechtlich wie tatsächlich gut. es wäre aber doch zu wünschen, das; Professor I-ze sich seiner Eigenschaft als französischer Beamter erinnere und sein möglichstes tue, um nicht durch dramatische Umstände die Ausgabe seines eigenen Landes noch verwickelter zu gestalten. — In der Action Fran- caise heisst es: Alle Franzosen fragen sich, wie dieser Verrat des Professor Iöze möglich war. Wenn wir in Frankreich eine energische Regierung hätten, würde Professor Iöze noch am selben Abend nahegelcgt worden sein, sein Amt als falscher Ver treter Abessiniens niederzulegen. Das; 'Abessinien Lust hat, Ita lien sehr unangenehme Dinge zu sagen, ist wahr, das; diese Dinge aber von einem französischen Professor gesagt werden sollen, ist einfach unzulässig. Professor Iöze hat gestern nicht nur 30 Sil berlinge verdient, sondern viel mehr. Der Führer im Mnöver Celle, 6. Sepk. Der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehr macht, Adolf Hitler, traf am Freitag früh zur Teilnahme an den Herbstiibungen des 6. Armeekorps mit seinem Stabe in Munsterlager ein und begab sich sogleich zur Truppe in das Manövergclänüe. Ebenso wohnen den Uebnngen der Neichskriegsminister und Oberbefehlshaber der Wehr macht, Generaloberst von Blomberg, und der Oberbesehls haber des Heeres, General der Artillerie Frh. v. Fritsch, in Begleitung anderer höherer Offiziere bei. Abessinien und die chn'silichen Kirchen Der Erzbischof von Westminster über koloniale Revision nnd koloniale Aufgaben. Die Ansprache des Papstes vom 27. August an den inter nationalen Kongrctz der Krankenpflegerinnen, in welcher sich Pius XI. mit der abessinischen Kriegsgesahr beschäftigte, hat in der Weltpresse eine verschiedenartige Auslegung gesunden, und wir berichteten bereits, das; sich der „Osservatore Romano" zu einer offiziellen Kommentierung veranlagt sah. Nunmehr ergreift der Erzbischof von Westminster nochmals das Wort in einem Vries an die „Times", in dem er über die Haltung der Kirche gegenüber dem Friedcnsproblem und der kolonialen Treuhänderschast bemerkenswerte Anssührungen machte. In diesem Briefe heisst es u. a.: Der Papst sprach als ein Lehrer und nicht als ein Schieds richter. Er schützt sich selbst davor, die Rolle eines Schlichters einzelner weltlicher Streitigkeiten zu übernehmen. Leo Xlll. handelte als ein Schiedsrichter mit Zustimmung Spaniens und auf Verlangen Bismarcks in der Frage der Karolineninseln vor 5» Jahren. Aber im Geheimvertrag von London (1915) wurde der Papst von jeder Teilnahme und Verantwortung an der Ausstellung des Friedensvertrages ausgeschlossen. Und sogar, wenn er als Lehrer spricht, könnte er beschuldigt werden, die Führung in weltlichen Dingen zu suchen, bis man ganz den Vorurteilen seiner Kritik zustimmt. Jedoch Pius Xl. hat als Ausstich seiner Aufgabe als geistlicher Hirte seiner Herde gezeigt, datz er furchtlos und keineswegs der ge fangene Sklave des Herrn Mussolini ist, was auch der Bischof von Durham bestätigt, und sogar Mussolini hat be kannt, datz er den Papst nicht cinschiichtern könnte, selbst wenn er es wollte. Pius XI. erteilt eine Generallehre, allerdings in gemätzigten Ausdrücken. Er bittet darum, datz eine an sich schon schwierige Frage nicht noch durch Drohungen ernster gemacht . werden sollte, die nur die Aussassungen verwirren und die Lage erschweren; er bittet den allmächtigen Gott, die ernsten An strengungen jener klar blickenden Menschen zu segnen, die die dringende Not nach dem Wohlergehen des Volkes und der so zialen Gerechtigkeit verstehen, die als Friedensstister mit dem wahrhaftig einzigen Wunsch, den Krieg zu verhüten, tätig sind. Ich glaube dazu berechtigt zu sein, wenn ich die Worte des Papstes dahingehend auslege, datz er hierdurch an die Recht schaffenheit der zivilisierten Nationen im Hinblick aus die rück ständigeren Nassen appellieren will. Die moralische Rechtferti gung der „Kolonisation" liegt in der Behandlung dieser Nassen als einem geheiligten Vermächtnis in bezug auj ihre moralische und materielle Besserstellung und dicSorgesiir den all ste m e i n e n Fortschritt der Menschheit. Der Völker bund erklärte diesen Grundsatz als für die Mandatsgebiete matz gebend. England, nehme ich an. hat durch indirekte Herrschaft und milde Matznahmeir der Verwaltung sich loyal bemüht, die ses Ideal zu erreichen. So achtet England die Unabhängigkeit c>es Slllcuccs von vanpbar, des Königs von Uganda und der Oberhäupter des Westens. Und sein jüngstes Anerkenntnis des indischen 'Rechtes aus Selbstverwaltung ist ein beredtes Zeugnis sür den gleichen Geist. Vielleicht könnte die 'Annahme eines kollektiven Mandats mit der Zustimmung aller Beteiligten sicherer zur kollektiven Sicherheit sichren, als dies die Anwen dung von Sanktionen tun würde. Wenn sich England grotzzügig zeigen würde sowohl gegen über den befreundeten Nationen als auch gegenüber den Nationen, die nicht immer sreundlich gesinnt waren, indem es ihnen die Annahme einer Revision und Ausdehnung der Mandate anbietcn würde, so würde ihm aus einer solchen Mastnahme ein grotzes Anjehen erwachse» und der Welt vielleicht eine dauernde Sicherheit vor der fchrecklichen Möglichkeit eines Krie ges verschaffen. Diese Tatsachen wollen wir betrachten! England und Frankreich besitzen den Löwenanteil in Afrika. Zwei andere kleine Nationen, Belgien und Portugal, haben Gebiete, die um ein vieles grötzer sind als das Mutterland. Eine rechtzeitige Verständigung über Afrika — grotzziigigcr als der Berliner Vertrag von 1885 und der Vertrag von Brüssel 1890, die unter- zeichnet wurden „im Namen des allmächtigen Gottes" von allen Mächten, die bekannten, von der festen Absicht eines wirklichen Schutzes für die eingeborenen Völker Afrikas beseelt zu sein und diesem »rotzen Kontinent die Wohltaten des Friedens und der Zivilisation bringen zu wollen — wäre geeignet, das wachsende Misstrauen der eingeborenen Völker zu zerstören und schlief,lich auch den Zusammenschlutz der farbigen Völker gegen die wcitze Rasse unmöglich machen, der von General Smuls und Herrn Abe Bailey als so schwerwiegend erkannt wurde.