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»r. 11. - IS. 1. S5. Sächsische Bolkszeitung. Seite 10 V<rrg6886N6 Vre8dn6r Originale Um das Jahr 1810 lebte ln Kleinzschachwitz ein seltsamer Mann, der dort und auch Im benachbarten Dresden durch seine Absonderlichkeiten viel von sich reden machte. Der Spott traute sich aber nicht an Ihn heran. Er genoß vielmehr wegen seines Wohltuns »rohe Achtung. Es war das Fürst Nikolaus P u t j a t i n. Aus Kiew mar er eines Tages nach Dresden gekommen, nachdem er sich seiner freiheitlichen Gesinnung wegen in seiner alten Heimat mißliebig gemacht hatte. Seine Gestalt war klein, er trug eine blonde Lockenperücke, aber die Nase war das Auf fallendste an Ihm. Die Villa, die sich der Fürst nach eigenen Angaben in Zschachwitz bauen lieh, mag seltsam genug gewe sen sei». Sechzehn Balkons umgaben das Haus, auf dem Dach war eine große Esplanade und an der einen Seite befand sich ein minarctartiger Turm zur Beobachtung des Wetters. Ein Zimmer aber ließ sich durch eine besondere Erfindung des Für sten um ein Beträchtliches vor- und zurückleiern. Im Speise saal stand ein eiserner Ofen In Form einer Palme, deren Blät ter in der heißen Lust zitterten. An das Zimmer seiner lun genkranken Tochter war ein Kuhstall angcbaut, dessen Ausdün stung heilsam fein sollte. Der Garten war mit Tempelchen, Grotten, Vexierspiegeln und versteckten Wasserkünsten ausgestaltet, die den ahnungs losen Besucher unerwartet durchnäßten. Auch eine Schaukel für 80 Personen fehlte nicht sowie eine Rutsche, auf der sich der Fürst von oben in den Garten begeben konnte, denn er liebte das Rutschen und hatte sich dazu besondere lederbesetzte Beinkleider machen lassen. Der rechte Sonderling wurde Putjatin aber erst nach dem Tode seiner Gattin und seiner Tochter. Er trug jetzt immer einen großen grünen Regenschirm, dessen Dach mit kleinen Fenstern versehen war. Als Schutz gegen den Wind trug er eine Art Maske, im Winter aus Buchsbaum, Im Sommer aus Samt, beide mit kleinen Glasfenstern. Seine Equipage sowie sein Schlitten waren heizbar. Beide zeigten einen kleinen Schorn stein. aus dem bei kaltem Wetter der Rauch lustig emporstieg. Statt der Federn ruhte der Wogen auf Blasebälgen, die beim Umdrehcn der Räder Luft ins Wageninnere bliesen, oft so stark, daß dem Fürsten beinahe der Hut fortflog. Putjatin liebte die Hunde und besaß selbst zwei Möpse, die er mittels einer Schalmei zu rufen pflegte. Trotzdem fürch tete er die Tollwut und trug im Sommer zum Schutz gegen Huvdebisse blecherne Sticfelschäkte. Zwei Diener, mit großen eisernen Gabeln bewaffnet, mutzten Ibn ständig begleiten. Im Dresdner Theater machte sich Putjatin dadurch auffällig, daß er bei Arien, die ihm nicht gefielen, einfach unter seinen Sitz kroch und erst wieder zum Vorschein kam, wenn der betreffende Sänger geendet hatte. Aber der sonderbare Mann hatte ein warmes Herz und noch heute steht in Zschachwitz ein merkwürdiges Haus sin Stil schwedischer Bauernhäuser, das Putjatin als Schule hat er bauen lassen. Mancher berühmte Gast suchte den Fürsten in seiner Villa auf, sogar Napoleon verweilte dort und schrieb beim Abschied seinen Namen quer über die ganze Seite des Gästebuches. Fürst Putjatin war auch Gelehrter und Schriftsteller, aber ebenfalls in ganz besonderer Weise. Viele Ausrufungszeichen ergänzten flüchtig hingcworfene Gedanken, und für öfter wie derkehrende Sätze hatte er sich gleich Stempel ankertigen las sen. Im Januar 18t 3 starb Fürst Putjatin und wurde in sei nem Mausoleum In Dessau beigesetzt. In einem der kleinen Häuser der Holzhofgasse an der Prießnitzmündung lebte so um 1830 ein alter Herr, der wohl einst bessere Tage gesehen haben mochte. Der „alte Helzig" wurde er genannt und war einer der drolligsten und harm losesten Originale seiner Zeit. Er wohnte ganz allein, ließ auch nie jemand seine Wohnung betreten, am wenigsten ein Frauen zimmer. Alle häusliche Arbeit verrichtete er selbst. An jedem Markttag war der alte Helzig unter den Hö kerinnen zu sehen, doch kaufte er nur bei Männern. In eine kleine Holzmulde, dir er wie ein Fleischer über der Schulter trug, ließ er fick die von ihm erstandenen Waren schütten. Auch allerlei Abfälle aus dem Schlnckthof, die er selbst zube reitete, trug er auf diese Weise heim. Die Stufen, die zu seiner Wohnung führten, bestrich er am Sonnabend mit weißem Ton und bügelte jede einzeln mit dem beißen Plättcisen trocken. Und wehe den Jungs, die ihn bei dieser Beschäftigung störten! Auf der Straße schritt der alte Helzig gravitätisch einher, kam aber eine Frau des Weges, so bog er sich zur Seite und hielt sich die Nase zu. Denn er „verachtete die Weiber", wie er sich auszudrücken pflegte Ein besonderes Vergnügen berei tete es Ihm, im strengsten Winter In der Elbe zu baden. Da hackte er das Eis auf und ließ sich in das kalte Wasser hinab gleiten. Doch mit zunehmendem Alter hörte diese Absonder lichkeit auf und er verkam Immer mehr, so daß, als er starb, seine Behausung voll Schmutz und Unrat voraefunden wurde. Ein Gescheiterter, den irgend ein Unglück ans der Bahn geschleudert hatte... R. V. ich rettungslos verloren sei, durchgemacht habe, kann man mit Worten nicht wiedcrgeben. Sin Irrtum, der den Kops kostet... Der Landsmann zählte inzwischen immer weiter. Neben mir klaiite eine Lücke, da wo vorher mein Kamerad gestanden hatte, bevor er zum Abzählen besohlen worden war. Wenn die Nummer 10 aus die Lücke siel, dann sprach der Mann sich allo leibst dos Todesurteil. Wie er immer näher und näher herankam. merkte ich ihm auch an, daß er in dem gleichen Augen blick den gleichen Gedanken gehabt haben muß. Auch In seinen Bugen stand der Schrecken vor dem Tod geschrieben. In diesen entscheidenden Sekunden ereignete sich sener Zwi- ichensall. der Ihm den Kops kosten und mir das Leben retten sollte. Dem merikanijchen Unterossizier ging nämlich das Ab zählen zu langsam, und so brüllte er den Monn von neuem an, der dadurch so erschrak, daß er sich verzählte. Die 10 fiel aus die Lücke neben mir Mein unglücklicher Landsmann, der sich selbst zum Tode verurteilt hatte, wurde abgesükrt und genau wie alle anderen sofort erschossen. An leine Stelle trat ein anderer, bis endlich, endlich für uns llcberlebcnde die Erlösung winkte. Sin zweites Mat dem Tode entronnen. „Als ich meine 10 Monate Haft, zu der wir Uebcrlcbenden außerdem verurteilt worden waren, abgesesien hatte", so schloß Ludwig Schmidt seine Erzählung, „kehrte Ich Uber Hamburg nach der Heimat zurück Kaum tn meinem schwäbischen Vaterland angckommen, wurde ich jedoch wi'der verhaftet. Ich stand unter der Anklage der Desertion, weil ich während meiner Abwesen heit in Mexiko meiner Dienstpflicht nicht nachgekommen war. Aus Desertion stand der Tod. Ich wurde also ein zweites Mal zum Tode verurteilt Ein Gnadengesuch an den König von Württemberg ist dann allerdings von Erfolg gewesen. Der Landesvater interessierte sich sehr sür mein mexikanisches Aben teuer, ließ mich zu sich rusen und sich alle» erzählen. Dann wurde ich begnadigt." Polizei Kobold Als das Dienstmädchen in einem Hause in Zaragoza eines Morgens Feuer im Herd machen wollte, hörte es im Kamin un heimliche Klagelaute, so daß es entsetzt innehielt. Jetzt konnte die Magd deutlich eine jammernde Stimme vernehmen, die über den Rauch schimpfte und wie ein Meirsch hustete. Von Grauen geschüttelt, ries das Mädchen sämtliche Hausbewohner herbei, die offenen Mundes der Stimme zuhörten. Wie standen ihnen aber die Haare zu Berge, als das unsichtbare Mesen jeden ein zelnen beim Namen nannte und ihm eine längere Gardinen predigt hielt! Das konnte wahrhaftig nicht mit rechten Din gen zugehcn, und man holte schleunigst die Polizei. „Guten Morgen, Herr Inspektor!" begrüßte das Gespenst im Ofenrohr de» Schutzmann, um aber dann, als dieser über rascht seine Pistole zog. demütig zu bitten: „Nicht schießen!" Die Polizei ordnete nun an, daß ein Kaminkehrer den Schornstein untersuchte. Man fand nichts. Man räucherte den Kamin aus. Es geschah nichts. Man riß eine Wand ein. Nichts. Detektive schlichen in allen Zimmern umher, Haus und Bewohner wurden stark bewacht, Rundfunk-Sachverständige wur den bemüht — das Geheimnis um den Kobold im Osenrohr wurde nicht gelöst. Der Kobold ward zum Stadtgespräch Immer wieder durch brach die Menge der Neugierigen die Absperrkette der Poli zisten, um mit eigenen Ohren den merkwürdigen Geist zu ver nehmen, der keineswegs verstummte, sondern sich laut und kräf tig zu allen Vorkommnissen äußerte. Die Mieter zogen aus. zähneklappernd und mit einer Gänsehaut. Die Hausbesitzerin bekam einen Wutansall nach dem anderen. Schließlich sollte das Hau» eingerissen werden. Da sand man die Lösung. Das Küchenmädchen litt an „unbewußter hysterischer Vauchrednerei". Kurz zuvor hatte sie einen epileptischen Anfall gehabt. Außerdem war sie schon mehr fach betrossen worden, als sie nächtlich lchlascndcrweise Mond spaziergänge unternahm. Ohne etwas davon zu ahnen, mar sie die Urheberin der geheimnisvollen Stimme aus dem Osenrohr gewesen. So bekam der „Kobold von Zaragoza" eine medizinisch nüchterne Erklärung. nicht minder. Tas stanze Earlenglück von einst spricht aus diesen Anlasten. Im Gartenbau werden am leichteften die Grenzen des Zeilstils überwunden. Steht der Mensch der Natur stesteuiibcr wie einst Adam, der aus dem Garten Eden vertrieben mar: mit dem Willen, aus cistencr Kraft aus dieser Erde, die nur Tarnen und Disteln zu tragen gewillt schien einen neuen Garten Eden zu zaubern..." „In Sachsen ist in der Art viel geleistet worden", gab nun Kilian nicht ohne Stolz seine Weisheit zum Besten. „Denkt nur an den Großen Karten, an Großsedlitz, Sieben eichen oder Hermsdorf! Und was hat der Fürst Pückler aus einer Wüstenei sür wunderbare Gartenanlagen her- vorgczaubcrt!" „Das war immerhin in der preußischen Lausitz", meckerte ich nun meinerseits. „Aber du hast recht: Dieser Wille, der Landschaft den Stempel des eigenen Seins auszuprägen, hat etwas Großes und wirkt in die Zukunft fort. Und so wir- auch eine künftige Zeit das Urteil Uber unsere Ge genwart nicht zuletzt ablescn aus den Zügen, die unsere Zeit der deutschen Landschaft eingeschrieben hat: den Linien der Autobahnen, den Wällen und Gräben der Ein deichungen und Entwässerungen, den neuen Bildern, die einer großen Landschaft wie etwa dem Dresdner Stadtbild durck Anlagen wie die Umgestaltung des Königsusers oder die Schaffung des künftigen Adolf-Hitler-Platzcs vor dem Hygiene-Museum eingefügt werden." „Was ist denn das?" erstaunte Kilian, als wir nun auf die Gewächshäuser des Parkes Zuschriften. „Eine Hokz- bude mitten im Schloßparl? Und dazu mit einer Heizung wie irgendeine Baubude, mit einem malerischen Blcchrohr nach der Seite heraus! Ist das nun Barock oder eine Chi- noiserie?" „Nein", lachte Ehrysostomus, „aber eine Art Gewächs haus. Sozusagen eine Einzclzclle. Unter diesem schützen den, wenn auch nicht sehr dekorativen Dach ruht gesichert die einzige Kamelie, die mir in Europa im Freien gepflanzt haben. Und zugleich ist cs, wenn ich nicht irre, die größte von allen Kamelien in Europa. Eine Sehenswürdigkeit Idartnäokig Die meisten Filme, die wir aus Hollywood zu sehen be kommen, sind im Atelier gedreht worden. In diesen Riesen hallen gibt sich die ganze Welt ein Stelldichein, alle Landschaften sind dort ausgebaut, vom Urwald und von der Wüste an bis zum Nordpol. Auch die verschiedenen Völkerstämme werden, wenn sie nicht von maskierten Weißen dargestellt wurden, eigens aus ihrer Heimat nach der Filmmctropole transportiert. Angeregt von einigen guten Kulturfilmen europäischer Her kunft, durchbrachen Hollywooder Filmleute einmal die Sitte und zogen mit ihren Kameras nach Indien, um die Sitten Indiens in natur» sestzuhalten. Besonders sollte die Schönheit der in dischen Frauen gezeigt werden, vielleicht hoffte man, ein neues Schönheitsideal ausfindig zu machen, da die Mode wieder ein mal wechseln mußte. Welche Freude daher, als die indischen Damen keinerlei Schwierigkeiten verursachten, sondern sich willig vor den Auf nahmeapparat stellten. Soviel Entgegenkommen hatte man gar nicht erwartet, im Gegenteil. Nun, man mußte eben seine Vorstellung von der Inderin ein wenig revidieren. Als man nun eine Schar schöner einheimischer Frauen zusammcngctrom- melt hatte und mit den Ausnahmen beginnen wollte, da sand es sich, daß die Damen nicht eitel genug waren, um vor der Kamera das ständige Betelkauen zu unterlassen. Davon be kamen sie nämlich dunkelrote Zähne, und wenn man sie bei den Frauen selbst vielleicht ganz apart finden konnte, so verschwan den die Zähne auf der Photographie überhaupt, und das störte den Eesamteindruck doch ganz erheblich. Als die Filmlente es mit einem strengen Verbot versuchten, zogen die Schönen schmollend wieder ab. ungblässig Betel kauend. Dann verzich- erster Ordnung, Leute von weither kommen, sich das an zusehen. Aber du als alter Dresdner weißt nichts davon — das ist wieder einmal typisch..." „Aber natürlich weiß ich davon!" protestierte Kilian. „Ich habe mir die Kamelie sogar schon angesehen, im Sommer natürlich, wenn sie im Freien steht. Aber wie soll man denn einen solchen Baum wiedererkennen, wenn er solch einen komischen Hut aufhat?" „Erkennst du dann eigentlich deine Frau wieder, wenn sie sich einen neuen Winterhut gekauft hat?" fragte ich nicht ganz ohne Bosheit. „Winterhllte sind ja auch manchmal komisch." „Zumal dieses Jahr", gab Kilian zu. „Aber tröste dich — die Wintermode kann so verrückt sein, wie sie will, meine Alte erkenne ich in jedem Hute wieder. Sie braucht nur den Mund aufzutun..." Oben an der Parkmauer, hinter dem Nosengarten und dem Schwancnteich, liegt ein kleiner Pavillon in chinesi schem Stil. Hier geriet Ehrysostomus in Helles Entzücken. .Seht ihr die verschwiegenen Pforten hier an der Seite?" fragte er. „Die Fenster, die so sorgfältig geschlos- sen werden können? Sie haben vielleicht manches Geheim nis bewahrt... Seht, wie abgenutzt der zierliche Griff die ser Tür ist... An Besuch hat es dem Pavillon sicher nicht gefehlt. Würdet ihr euch wundern, wenn sich jetzt die Türe öffnete, und eine Dame in Reifrock und gepuderter Perücke erschiene an der Hand ihres nicht minder gepuderten Ka valiers ...?" „Du bist anscheinend auch gepudert", sagte Kilian grob, „aber mit dem Klammersack! Du hast ganz einfach eine verdorbene P hantasie. Da hast du irgendwo einen miserablen Schlager gekört, und nun siehst du Gespenster am hellichten Tage. Wie geht nun gleich der Schlager? Er sänat an: So war cs in Sanssouci..." „Leise klingt ein Flüstern aus dem dunklen Pavillon, Und der holde Mond verbirgt sich voller Diskretion ..." kam ich seinem mangelhaften Gedächtnis zu Hilfe. „Ganz richtig!" besann sich Kilian. Aber wir haben es hier nicht mit dem holden Mond, sondern mit der lie. Mtn sie eben darauf, berühmte Filmstars zu werden, und leider mußte dieser Vrrsuch der Filmexpedition al, mißlungen be zeichnet werden. Ki8endakn!atein An der Strecke der in den Schwarzwald führenden Murg talbahn steht bei der Station Hörden eine steinerne Säule, die Kunde davon gibt, wie vor säst 150 Jahren durch Fels sprengung ein Fahrweg durch den Felsen gelegt wurde. Die Inschrift aus der Säule lautet: Lx rupo kracta klaoo via kaela Diesen Felsen sprengte man Und legte einen Fahrweg an. Das geschah im Jahre 173». Die Urgroßväter hatten ein« dichterische Ader, sowohl im Lateinischen wie auch im Deut schen. Aber auch die Urenkel wußten sich auszudriicken, und als im Jahre 1869 die Murgtalbahn gebaut wurde, da kam eine zweite Inschrift hinzu, die lautete: /Vetata poracta llaeo kerroa tracta Doch später ging man wieder dran Und baute eine Eisenbahn. So enthält diese Säule in kürzester Formel eine Geschichte dieser Straße. ben Sonne zn tun, wir sind hier ferner nicht in Sans souci, sondern in Pillnitz, und wir leben nicht im Perücken zeitalter, sondern Anno Domini 1933. Die Saarabstim mung. das Eintopfgericht, die Steuerreform — das sind Tatsachen, mit denen man sich auseinanderletzen muß. Was kümmern uns tote Dinge in einem toten Park?" „Und warum gehen wir in diesem toten Park spazie ren?" fragte Chryfostomus nicht ohne Ironie. „Doch nicht, weil wir etwa aus dem Jahre 1935 flüchten wollen, das uns Tag für Tag seine Aufgaben stellt. Sondern weil wir uns Kräfte holen wollen sür das Ringen mit diesen Auf gaben. Nicht im Tageslärm wachsen diese Kräfte, sondern in der Stille, nicht in den lauten Straßen der Städte, son dern draußen in der freien Natur, unter Gottes Sonne, vielleicht in einem totgeglaubten Park..." * Aus Morgen und Mittag wurde eln früher Abend. In der Dämmerung warteten wir auf die Straßenbahn. „Es wird doch Kälte kommen!" murmelte Kilian. „Ich merke das an meiner rechten Zehe..." Mag schon sein!" sagte ich. Vielleicht war es der letzte freundliche Sonntag der milden Winterhälfte. „Um so besser, wenn wir ihn wohlangewandt haben. Droben im Gebirge liegt ja schon Schnee, und die Wintersportler kommen endlich auf ihre Kosten..." „Und wenn jetzt die Kälte von den Bergen herniedersteigt", lächelte Ehrysostomus. „dann wollen wir sie freundlich grüßen. In dem Angriff der Kälte bewährt und härtet sich die gesunde Natur. Grüßen wollen wlr den weißen Winter, wenn er endlich Einzug hält, wie es vor fünfzig Jahren ein deutscher Denker und Poet tat: „Der du mit dem Flammenspeere meiner Seele Eis zerteilt, das sie brausend nun zum Meere ihrer höchsten Hoffnung eilt: Heller stets und stets gesunder, frei im liebevollsten Muß: — also preist sie deine Wunder, schönster Januarius!"