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Ljörkö Oie Oesekiekte einer iVionÄrckenke^exsnunßs unä eine8 VertrsZes. Von L. Lekliekters <3. Jortsehung.) Der 24. Juki 1905 dämmert in leichtem Nebel herauf, den alsbald die gleißend« Sanne sieghaft zerstreut. Wilhelm der Zweite atmet hoch auf und besteigt hoffnungs freudig das Boot, das ihn hiniiberträgt zur Jacht des Zaren... den Vertragsentwurf aus dem Jahr« 1904 in der Tasci)e... Sogenannter „kleiner Empfang" auf hem „Polarstern"'; daran anfchliesiend ein intimes Frühstück als Revanche fiir das gestrige Abendessen auf der „Hohenzollern". Es ist ein Früh stück zu Dreien: nur der Kaiser, der Zar und des Zaren Bruder, der Eroßfilrst-Thronfolgcr Michael nehmen daran teil. Ganz selbstverständlich kommt es abermals zu einer poli tischen Debatte. Der Zar ist tief unglücklich über den Verlauf des Krieges und den für Rügland ungünstigen Frieden, den er, um weiteren Katastrophen zu entgehen, mit de» Japaner», mit dem Mikado schlielien must, welche» Landesherrn noch zwLt Jahre zuvor der Generalissimus Kuropatlrin in blinder Hybris einfach ins Meer zu jagen sich verschwor. . . . Sehr mtggestimmr zeigt sich Nikolaus II. auch über seinen Bundesgenossen Frank reich: „Es hat sich, weis; der Himmel, in der Doggerbank-Assäre nicht wie ein Bundesgenosse benommen — hat auf englischen Wunsch meinen Admiral sogar aus Cochinchina hinausgejagt — feiert jetzt in Brest de» englische» Flotteirbesnch einfach wie ein Verbriiderungssest ... 1" Er seufzt tief: „Ob da, bei Eduards Faible für „agroemonts", nicht wieder irgendeine geheime neue Abmachung herausgekommcn ist?" Jetzt ganz den Kopf hängen lassend: „Es ist schrecklich — was soll ich nun wieder tun in dieser prekären Situation?" Da hakt Wilhelm II. ein: „Jeht", so berichtet er unmittelbar danach in seinem langen Bries an de» Kanzler Bülow, „fühlte ich, war der Moment ge kommen!: Da der Alkis ohne Mitteilung und Anfrage beim Zaren sich die Politik der freien Hand und Rückversicherungen gewahrt habe, sei es ihm ja unbenommen, ohne Unrecht zu begehen, ein Gleiches zu tun: ,8uum cuiguel " „Wie wäre es, Nicky, wenn wir auch so ein ,Utile agreemeni' schlössen? Wir haben ja im Herbst schon mal eins beraten . . . es hat nur nicht geklappt . . . !" Aber jetzt sind die damaligen Schwierigkeiten ja behoben, jedes Hindernis fällt fort!" Der Zar nickt. „Jawohl, ganz recht, das ist sicher. Und ich erinnere mich wohl — aber ich habe den Inhalt der damalige» Abmachungs vorschläge vergessen . . . und was für ei» Pech: ich habe den Entwurf nicht hier . . ." Wilhelm II. ist besser gerüstet: „Schadet nichts!: ich habe zufällig eine Abschrift bet mir in der Tasche!" „Da faßte" — wir folgen hier der Darstellung des Kaisers — „mich der Zar beim Arm und zog mich aus dem Saale in seines Vaters Kajüte und schlag sofort alle Türen selbst. „Bitte, las; es mich noch einmal sehen!" „Ich )og das Couvert aus der Tasche, entfaltete das Blatt auf dem Schreibtisch Alexanders lll. vor dem Bilde der Kaiserin-Mutter, zwischen lauter Photos aus Jredensborg und Kopenhagen, und legte cs vor den Zaren hin." Gr lag einmal, zweimal, dreimal den Ihnen (Bülows be reits mitgeteilten Text. Ich betete ein Stoßgebet zum lieben Hott, er möge jetzt bei uns sein und den jungen Herrscher len ken .. . da sagte des Zaren Stimme neben mir: „Das ist wirklich ausgezeichnet! Damit bin ich einverstan- Mein Herz schlägt so laut, das; Ich es höre; ich raffe mich zusammen und sage so ganz nebenhin: „Hast du nicht Lust, es gleich zu unterschreiben? Nebenbei würde das eine schöne Erinnerung an unsre Entrevue sein!" Er überflog noch einmal das Blatt. Dann sagte er: „Ja, ich will!" Ich klappte das Tintenfaß auf, reichte ihm die Feder, und er schrieb mit fester Hand „Nikolaus", dann reichte er mir die Feder, ich unterschrieb. Und als ich ausstand, schloß er mich gerührt in seine Arme und sagte: „Ich danke Gott und danke Dir, denn das hier wird die segenvollstcn Folgen haben für mein und Dein Land. Du bist Rußlands einziger, wirklicher Freund in der ganzen Welt!" Mir stand das Helle Wasser der Freude in den Augen — allerdings rieselte es mir auch von der Stirn und dem Rücken herab. . . . Als ich den Zaren daraus aufmerksam machte, es werde sich empfehlen, vielleicht noch zwei Gegenzeichnungen zu haben, das sei so Sitte bei dergleichen Instrumenten, stimmte er zu, und wir befahlen sofort Tschirschky herüber und Admiral Biri- less herab. — Beiden teilten wir das Faktum des Vertrages mit, und der alte Seemann faßte stumm meine Hand mit seinen beiden Händen und küßte sie ehrerbietig. So ist der Morgen des 21. Juli l!>0.'> zu Björkö ein Wende punkt in der Geschichte Europas geworden, dank der Gnade Gottes; und eine große Erleichterung der Lage für mein teures Vaterland . . ." llm dem Zaren ebenfalls ein Exemplar des Vertrages zu lassen und gleichzeitig den eventuellen Throusolger, Großfürst Michael, in den Vertrag im Hinblick auf etwaige Negimeände ruugen in Rußland einzuweihen, schlug de: Kaiser vor, daß der Großfürst den Vertrag abschreiben solle. Und dies geschah denn auch. . . . Abschiedsmorte und ein neues Ehrenwort. Hochgestimmt nehmen die beiden Herrscher nach diesem histo rischen Akt von einander Abschied. Dabei schwor, wie Nowak in seinem Buch „Das dritte Kaiserreich" mitteilt, der Zar dem Kaiser dies: „Mein lieber Wilhelm, wenn Du jemals kriegerische Ver wicklungen mit einem andern Lande yajt, so werbe ich mich niemals feindlich gegen Dich stellen. Ich werde entweder neutral bleiben oder an Deiner Seite sein. Ich gebe Dir als Souverain und als Gentleman mein heiliges Ehrenwort, das; ich bestimmt niemals in meinem Leben den Engländern in einem Kriege gegen Dich helfen werde, den sie vielleicht eines Tages versuchen werden!" . . . wie dies Ehrenwort gehalten wurde, gehört längst der Geschichte an . . . ebenso die Art, wie der verheißungsvolle Vertrag von Björkö, veranlaßt durch deutsche Sorge um die Erhaltung des Weltfriedens, sabotiert worden ist. . . . Der Vertrag von Björkö. Dies ist, in genauer Ueberjetzung aus dem französischen Urtext, sein Inhalt — geschrieben aus einsaches Briefpapier mlt dem Zeichen der Zarenjacht „Polarstern": Björkö, 2>. Vll./ll. VII. 1905. Ihre Majestäten der Kaiser aller Neussen und der Deutsche Kaiser haben, mir die Aufrechterhaltung des Friedens in Europa zu sichern, die nachfolgenden Artikel eines Verteidi gungsbündnisses festgesetzt: Artikel I. Im Falle, daß eines der beiden Kaiserreiche von einer europäischen Macht angeglisjen werden jollle. wirb ilun lein Verbündeter in Europa mit allen seinen Land, und Cee- streilkräften beistehen. Artikeln. Die hohe» vertragschließenden Teile verpslichten sich, mit keinem gemeinsamen Gegner einen Sonderfrieden zu schließen. Artikel lll. Der vorliegende Vertrag wird in Kraft treten, sobald der Friede zwischen Rußland und Japan geschlossen fein wird, und wird gelten, solange er nicht ein Jahr vorher gekündigt werden wird. Artikel IV. Der Kaiser aller Rev» cn wird, nachdem dieser Vertrag in Kraft getreten, die nötigen Schritte tun, um Frankreich in dies» Abmachung einzuweihen und es auszusordcrn, ihr als Ver bündeter beizutreten. Wilhelm I. K. 'Nicolas. von Tschirschly und Vögcndorss. A. Birilosf. Von dem Vertragsentwurf aus dem VoZahr unterschied sich dieser Vertrag eigentlich im Kern nur durch zwei gewichtig« Worte in Artikel l, die wir gesperrt haben: „in Europa" und Uber diese beiden Worte erhob sich atsbolo ein wilder Mei nungsstreit. Am 21. Juli UM selbst aber schien des Kaisers Triumph vollkommen; mit aller Berechtigung schrieb er drei Tage später an den Zaren, daß dieser Tag „ein Eckstein d.Z- europäischen Politik" sei und „eü-e ».nie Seite in der Welt geschichte" eröffne — nämlich mit ter Blickrichtung auf den Weltfrieden! (Schluß folgt.) 6in68 Ein Beispiel von besonders rührender Anhänglichkeit gab dieser Tage der Hund eines umherziehenden, blinden Straßen musikanten in Neapel. Der Slraßenmusikani war mit einem anderen Blinden in Streit geraten Der eine behauptete von dem andern, er mache ihm Konkurrenz Da sie sich nicht einig werden konnten, grissen sie in ihrem Zorn z» den Stöcken und schlugen aufeinander ein. Trotzdem sich der Hund des blinden Stroßcnmusikanten wacker kür feinen Herrn einietjte, zog dieser den Kürzeren und mußte mit nick» unerheblichen Kopsvcrleßungen in die nächste Klinik eingeliesert werden. 'Nun zeigte sich die ganze Treue eines Blindenhundes. Das Tier ließ seinen Herrn nicht einen Augenblick aus dem Auge. Sogar bei der in aller Eile vorgenommenen Operation war der Hund zugegen, indem er alle Vorgänge genau beobachtete. Als dann der Patient in eine» der Krankeiüälc gebracht wurde, setzten allerdings unüberwindliche Schwierigkeiten ein. Denn nicht nur die Vorschriften des Krankenhauses verboten einen längeren Aufenthalt des Vierbeiners in dem Saal, in dem noch viele Kranke lagen, sondern mehrere Patienten be schwerten sich auch bei der Leitung. Einige Krankenwärter und Schwestern eilten daher herzu, uni das treue Tier, das auch neben dem Krankenbett seines Schutzbefohlenen die Wache übernommen hatte, aus dem Saat zu entfernen Der Hund wehrte sich jedoch verzweifelt, und lat'ächlich letzte er sei nen Willen durch — sie ließen ibn vorläufig in Ruhe Seinem blinden, kranken Herrn blieb unter diese» Um ständen nichts anderes übrig, als von -ei'-em Krantenlager auszustehen, sich anznkleiden und auf einem zur Beringung gestellten Wagen das treue Tier persönlich nun Tier'chutzvcr- ein zu fahren. Dort suchte ihm fein Herr eine beaueme Bor aus und zahlte das Verpfiegungsgeld für eine Woche im vor aus. Der Abschied soll beiden, sowohl dem 'Blinden als auch seinem anhänglichen Tier, recht ichwer gci'IIen sein nnd noch viele Stunden später hat der Hund nach feinem Herrn geheult. Kürzer, kükler, kürnmerlleker Plauderei sm ^ockenenäe Von /Nsrslru. Finden Sie nicht auch, daß es mit unseren Monats- nninen eine komische Sache ist? 'Nicht weil diese 'Namen Lehnwörter aus dem Lateinischen sind — „Fenster" ist schließlich auch ein Lehnwort aus dem Lateinisctzen, „Tür" ein Lehnwort aus dem Griechischen, und doch sind beide bei uns gut heimisch geworden. Aber schauen Sie einmal auf den Kalender: Wir schreiben heute den 4. 8. — der achte Monat ist der August an der zwölfgliedrigen Kette des Jahres. Auf lateinisch heißt aber „acht": „octo"; von Rechts ivegen also ziemte diesem Monat der Name: „Oktober." Im alten Nom mar das auch so, aber dann ist die julianische Kalenderreform gekommen und hat die Monate Juli und August zwischen Juni und Septem ber eingeschaltet. Eine folgenschwere Schiebung! Denn jetzt hat der 10. Monat den Namen, der dem 8. zukommt. Wenn freilich der August, den wir eben begonnen haben, in der Art der letzten Iulitage fortginge, dann verdiente er wahrhaftig den Namen Oktober. Im All gäu hat am Morgen des 1. August sogar Reif gelegen — ein gewiß ungewöhnlicher Anfang für einen Monat, der sonst als der heißeste gilt... sind wahrhaftig nur reichlich 5 Wochen gewesen, nicht 8 Wochen, wie ich es allen meinen Freunden so gerne ge gönnt hätte. Die sechste Ferienwoche beginnt heute, und in wenigen Tagen werden die „Zugvögel" in ihren Hei matnestern wieder eintresfen, während die wirklichen Zugvögel sich langsam auf die Reise gen Süden mach'». Braungebrannt, erholt, gesund — so kommen sie an. Aber doch auch ein wenig voll Wehmut, daß die schöne Ferienzeit wieder einmal vorüber ist.... Aber die oktoberähnlichen letzten Iulitage machen ihnen den Uebergang leicht. Bei solchem Wetter kann man doch nichts mehr draußen ansangen. Weder im Ge birge, noch an der See ist es bei kühlem Regenweiter schön. Und wenn man wochenlang mit Begeisterung.im Luftbad trainiert hat — bei solcher Temperatur beginnt man wieder einen warmen Ösen als poetisch zu empfin den. Und wenn man einen Sommer lang an herrlichen Sommertagen nur Apfelsaft genossen hat — in solcher Sommerkühle geht einem wieder die Nützlichkeit eines steifen Grogs auf.... Ein kühler Abschied von den Ferien! Aber „Kühle weckt die Tätigkeit". Arbeit macht warm. Also denn mai; wieder rin in die Sielen! Die Arbeit kann gleich im richtigen Tempo wieder beginnen. Da ist jede Un gunst des Wetters rasch wieder vergessen... Das war eine abkühlende Monatswende! Auch für die, so jetzt überall im Lande dabei sind, die Koffer zur Heim kehr zu packen. Die Ferien sind zu Ende, leider! Und es Kürzer, kühler und kümmerlicher sind die Tage ge worden. Ende Juni waren cs noch 17 Stunden zwisch.'n Sonnenauf- und -Untergang. Heule nur noch reichlich 15. Und wenn der August vorüber ist. werden es nur noch 11 sein. Der Tag nimmt ab, die Nachi wird «nieder mächtig... Da lernt man die 'Vorzüge eines behaglichen L>eims wieder schätzen. Fühlt sich wohl in seinen vier Wanden, aus denen man wochenlang für jede freie Stunde geflo hen ist, um draußen recht viel frische Lust. Sonne und Waldesgrün zu „tanken". Da dreht man wieder einmal sein Radio auf, ob der Nachbar darüber entzückt ist oder nicht. Holt ein Buch hervor und frönt der Empiindung, daß man wieder einmal etwas tun muß. nm seine Bil dung aufzudämpsen. Man liest sogar wieder einmal mit Sorgfalt die Zeitung... Das empsiehlt sich besonders. Denn wenn inan jetzt die Zeitung liest, da kann einem warm werden. Wir sind wieder einmal die große Mode. In den ausländischen Zeitungen nämlich, die über angebliche Pogrome m Deutschland jammern. Während drüben in Französisch- Algier wirkliche Pogrome siatlsinden. Wahrend in Schottland und 'Nordirland der Glaubenshaß Orgien feiert. Man schreit über Ausschreitungen im friedlichen Deutschland, während drüben in Newnork kommunisN- scher Mob die deutsche Flagge vom Bug der „Bremen" reißen darf... Da kann einem warm werden, wenn auch die Tage kühl sind. Die letzte Ferienstimmung verfliegt. Das Leben kennt keine Ferien. Das Leben ist Kamps, Kampf für jedes Balk, und jeder einzelne hat die Ehren pflicht. «vo immer er kann, mit allen seinen Fähigkeiten für sein Volk einzustehen. Anfang August... Wer gedenkt da nicht jenes Augujlanfangs 1!)14. der uns den Ausbruch des großen Völkerringens brachte! Wer ihn miter-