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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.05.1916
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1916-05-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19160512010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1916051201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1916051201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-05
- Tag 1916-05-12
-
Monat
1916-05
-
Jahr
1916
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Kunst * Wissenschaft. Leben Ae lebendiger die Gesamtheit etues Volkes Ihre Mitveranlworkung an den Handlungen de« ein- zelnen fühlt, um so höher und gesicherter lsi ihr sitt liches Niveau. Georg v. Oertzen. Max Reger -s- MaxRegeristtot. (Lin großer Künstler schied von uns. ?Vie um jede markante Persönlichkeit, so ist auch um ihn viel ge litten worden, bis sich endlich der ihm gebührende künstlerische Maßstab gefunden hatte. Gleich vielen seiner mitstrebcnden <tunstgenossen sah sich Neger anfangs durch mancherlei Wider wärtigkeiten beengt und gehemmt, bis sein schöpferisches Wirken endlich durchdrang und er den Weg fand, der ihn zu Erfolgen und Auszeichnungen mannigfaltigster Art führen sollte. Des Heimgegangenen Künstlers Lebenslauf gestaltete sich ziem lich einfach. Als Sohn des Lehrers 3oscf Neger zu Brand bei Melden am 19. März 1873 geboren, empfing er non feiner Mut ter den ersten Musikunterricht. Der Baier wurde spater Musik- lehrer an der Prüparandenanstalt in Weiden und machte den bochtalentierkcn Sohn schon sehr frühzeitig bekannt mit den An fängen des kirchlichen Orgelspiels. Bargs Merke vildeten das Fundament für Negers musikalische Ausbildung. Bestimm! für den Lehrberuf, besuchte Reger erst die Elementar- und Realschule und fand 1889 Aufnahme im Lehrerseminar. Verschiedene Ein flüsse jedoch führten ihn auf eine andere Lebensbahn. Der Unter richt des Organisten D. Lindner und der mehrmalige Besuch der Bayreuther Festspiele führten ihn zur Musik. Schon damals schrieb er mehrere, den Stempel Wagncrsckcr Kunst aufweiscnde Orchesterwerke. Auf Hugo Riemanns Rat siedelte er 1890 nach Sondershausen über, um am dortigen Konservatorium speziell unter Riemanns Anleitung Musik zu studieren. 3m gleichen 3ahre begleitete er seinen Lehrer nach Wiesbaden und ward hier in der Folge am Fuchsschen Konservatorium Lehrer der Theorie sowie des Klavier- und Orgelspiels. Andauernde schwere Krankheit veranlaßte ihn nach achtjähriger Tätigkeit nach Weiden zurückzu kehren. 3m Jahre 1898 wandte er sich nach München, bekleidete jin Lehramt an der Königlichen Akademie. 1907 folgte er dem Nuse als llniverfltätsmusikdirektor und Kompositionslehrer am Konservatorium nach Leiozig und wirkte, durch Titel und Orden geehrt, einige Jahre als Generalmusikdirektor in Meinigen, dann als Ilniverfltätsmuflkdirekkor in 3ena. Mährend seines Aufenthalts in Leipzig starb Reger plötzlich an Herzschlag. Mit Ausnahme der Oper war Reger auf allen Kompositions gebieten tätig. Sein Schaffen war von einer beinahe besorgnis erregenden Fruchtbarkeit. Eifrig angelegen sein ließ er sich die pflege der Kammermusik. Zu erwähnen sind hier die vier, durch aus Bachs Dorbilde folgenden Soloviolinsonaten, ferner eine Cello- und Dlolinsonate mit Klavier, die gleich den beiden Klarinet tensonaten und den zwei Streichquartetten des Op. 54 streng poly phon gehalten sind. Dagegen ist das Klavierquintett Op. 04 ein echter Reger, darin sich seine Eigenart der melodischen Bildung, des rhythmischen und modulatorifchen Gepräges und des musika lischen Satzbaues klar kundgibt. 3m D-Moll-Streichquartett, dem K-Dur-Streichtrio und der C-Dur-Klavier-Diolinsonate knüpft Neger unmittelbar an den letzten Beethoven an und bot damit nach diesem und Brahms wohl das Bedeutendste im Rahmen neu zeitlicher Kammermusik. Selbst ein ausgezeichneter, überaus fein empfindender Pianist, wandte sich Reger insbesondere auch der Klaviermusik zu. Zuerst u. a. zu nennen sind hier die Variationen über ein Beetho- vensches, sodann jene über ein Bachfches Thema. Reger benutzt hier häufig die Vorlage nur als Boden, darauf seine eigenen Ge danken emoorwachsen. Dann pflegte der Künstler insbesondere das musikalische Genrestück. Hierher gehören u. a. die Humores ken, Walzer und Scenes pittoresques. Viel Eigentümliches findet sich auch in den Silhouetten und 3ntermezzi. Leicht eingänglich sind dem allgemeinen Verständnis die Bunten Blätter, wogegen die (vierkändigen) Burlesken nach allen Seiten hin weit größere Ausgaben stellen. Auf rein technischem Gebiet finden wir Reger :n seinen Spezialstudien für die linke Hand allein und in den Chopin-Studien. Sie gelten der virtuosen Ausbildung des Spie lers. sind ungemein geistreich gearbeitet, bieten ausnahmslos sehr anziehende Probleme und nutzen die Eigenart und Leistungsfähig, keit des Klaviers bis aufs letzte aus. Von weitgehendster Bedeutung sind RegerS Orgelwerke, die in mehr als einer Hinsicht Neues bringen. Der Komponist knüpft unmittelbar an Sebastian Bach an, ist aber zugleich ein kühner Neuerer, führt vieles fort und gestaltete anderes weiter aus. Neu ist vor alleni seine konzertante, vollgriffige Behandlungsweise der Orgel, die Polyphonie mit ihrer überreichen motivischen Arbeit als auch die überraschenden harmonischen Kombinationen. Auch kultivierte Reger vornehmlich das Choralvorspiel und schuf in seinen Choralphantasten ausgezeichnete Vorbilder, zu deren Kenn zeichen persönliches Empfinden und tiefe Stimmung gehören. Auch die Sonaten und Orgelmonologe bezeugen dies. Negers Orgel werke trugen dazu bei, Ausdrucksfäylgkett und Technik des In struments einer neuen Vervollkommnungsphase cntgegenzuführen und dem Spieler durchaus neue Aufgaben zu stellen. Regers kirchliches Schaffen erstreckte sich auch aus die Chor komposition. Hierher gehören die Sammlungen «Kompositionen für den katholischen Kirchengebrauch' und .Der evangelische Kirchenchor*. ferner eine Reihe Gesänge ans dem 15. bis 17. Jahrhundert und der fünssNmmigc Chor „PalmsonnlagSmoigcn" nebst dem «Gesang der Verklärten". Mit zahlreichen Kom positionen trat Neger hervor für Männer- und gemischten Chor in vier- bis achtstimmigem Satz. 3n allen diesen Merken rer- einigt sich schrankenlose 'leberlegenbeik über alle Künste konlra- punktischcr Stimmführung mit dem eingehenden Ver> ündnis sür die poetische Vorlage und eigenart'ge klangliche Wirkung. AuS Regers Lyrik macht sich ebenfalls seine Eigenart klar. Die überaus Zahlreichen L'cder geben schon deshalb ein Bstd von des Künstlers Entwicklung, weil sich ihre Entstehung auf sein ge samtes Leben erstreckt. Vemerkcnsweu ist bei ihm bcsend cS die Behandlung der Singstimme und Klavierbegleitung. Durch gehend sind beide selbständig gehalten, und beide dienen mit ihrem gesamten Ausdrucksvermögen der Darstellung des dichteri schen Stimmungsgehalteck Der Harmonisier Neger kommt in allen seinen Liedern und Gesungen sehr in Betracht, und gerade dieser Umstand erschwerte eine Zeit hindurch ihre weitere Ver breitung. 3n den meisten Fällen geht die Pianosortestimme ihren eigenen Weg und dient häufig der charakteristischen, melodischen und harmonischen Ausgestaltung deS Ganzen. Auf einige Werke RegerS sei zum Beschlüsse noch hin gewiesen. 3e ein Konzert für Violine nud für Klgvier mit Orchester fand viele Gegner. Unter seinen Orchesterwerken leiden die Sinfonietta und die G-Dur Serenade an zn wenig lichtvoller 3nstrnmentierung. Neueren Datums sind die Brllellsuite, die drei Romantischen Stücke und die drei Sätze nach Böcklin. Am wertvollsten jedoch erwiesen sich die Orcheskervariationen über ein lustiges Thema 3oh. Ad. HillerS, die sich auszeichnen durch außer ordentlich großen Reichtum an eigenen Gedanken und höchst geist reiche Orchestrierung. Zweierlei, Regers Schaffen im allgemeinen betreffend, kann nicht in Abrede gestellt werben. Unglaublich leicht siel dem Künstler zu schreiben, so daß man im Hinblick auf die Zahl seiner Lebensjahre und seiner Werke beinahe non Ueberproduation zu reden geneigt ist. Ferner stand Neger unter dein Zwange des Willens zur Chromatik; - wie solches sein eigener Lehrer Hugo Riemann einmal richtig bezeichnet, daß er nämlich die letzten har monischen Wagnisse und modulatorifchen Willkürlichkeiten in einer Meise gern (und auch wohl bewußt) sich häufen ließ, die dem Hörer das Mikerleben zur Unmöglichkeit machte. Sein Bedeu tendstes vielleicht gab Reger immer, wenn ihn die bestimmt um grenzte Form gleichsam festhielt, wie solches der Choral, die Fuge und Variation tun. Die Orchesterdlchtung ..Prolog zu einer Tragödie" bewies hinlänglich die sür ihn fast unabwendbare Ge fahr, sich von jenen feststehenden Formen, die bei ihm freilich nie mals zu bloßem Formalismus wurden, doch einmal ollznwett zu entfernen. Uns hat Max Reger viel gegeben, auch wann wir ihm in letzter Zeit nicht immer bedingungslos zustimmen konnten. Nach allem reichlich geführten künstlerischen Prinzipienstreik wird, wie stets vorher schon, die Geschichte ihren 3nfallibilikLtsnachwels er bringen, und es wird sich erweisen, was in Max RegerS Schassen und Wirken als bleibendes Element sich darstellt. Luxeo Sexoitr. Gastspiel Bruno Deearli im Stadttheater Bruno Decarli, zurzeit am Deutschen Theater in Ber lin, wird in nächster Zeit dreimal am Etadttheater gastieren, und zwar als Benedikt in «Viel Lärm um Nichts" (Shakespeare-Ring VI), als Petrucchio in ..Der Widerspenstigen Zähmung" (Shakespeare-Ring VII) und als Florian Geyer. Dieses Gastspiel wird von vielen Seiten mit besonderer Freude begrüßt werden. Gastspiel der Berliner Lessing-Theaters im Schauspielhaus Der aufsehenerregende Erfolg -er «Troe rinnen' des Euripides in Franz Werfels deutscher Bearbeitung im Berliner Lessing-Theater hat die Direktion des Schauspielhauses veranlaßt, Direktor Barnowfky für ein zweimaliges Gesamkgas^ spiel mit dem Merke zu gewinnen. Die Ausführungen finden am Sonntag in acht Tagen, am 21. Mai, und am Montag, 22. Mat, statt. Der Vorverkauf beginnt an diesem Sonntag. Näheres wird noch bekanntgegeben. Maria Schultz-Birchs Heinz-Tiessen-Abend Leipzig, 12. Mar. Neue Werte wurden offenbar und einem musikalische» Talent die Wege geebnet. Mit Liedern und Klaviersachen sand Heinz Tiessen im AugusU-Achlmdt-Saal ein Verständnis und Beifall cnlgcgcnb.ingcndcc Publikum. Der Komponist ist ein Werdender, aber auch chiiich Strebender, dessen Kunst sich gewiß zuweilen noch im Kurz.n betätigen solllc, aber, was wichtiger ist, keinesfalls die Fabrikmarke dec Geh llschast trügt. Er sucht und findet seinen Weg. 3n den Kicnüerkomposilionen ist viel Leben, vornehmlich in der „Nalurtriloqie', einem Zyklus von drei Stimmunasbudern, die die See zur Folie haben. Darin hat alles große Linie und die Dacsieliullg verlangt ost nach Orchesterfarben. 3usiinuS KernerS „Scbmerz ist der Grundton der Natur" könnte den Grundton dieser Progrmnmdicbtungcn für das Klavier bilden. Weniger sprachen mir die fünf Stücke des Op. 20 an. Vieles er scheint zu gleichartig, in der C nzels'.immunq zu wenig dlfseren,ziert. Man wartet manchmal ins feinere Lustiönc, auf jene Art der Nuance, die kaum mehr sein will als eben Nuance. ES drängt sich beinahe überall zu viel Kraft empor, gegen die sich einmal eine mehr passive Scetenstimmung fein abheben würde. Als Lyriker zeigt Heinz Ties>ei> mehr Vielseitigkeit. Schon die Wahl der Dichter wie Rilke, Dehniel, Dautkendei, Wilde u. a. erweist Geschmack. Schöne Tiefe bat das «NcquieScat', außergewöhn liche Farbe «lind durch den Wald", etwas leichter wiegt ein Früh- lingsiicd, von barockem Humor erfüllt ist «Der Frühlingskaspar". Hier wie in anderen Gesängen (der Liebesode, den beiden Amsel liedern und «3ch lebe mein Leben' offenbart sich Heinz Tlessens Talent, in fremden Leben daS eigene zu finden und zu charakteri stischem Erulingen zu bringen, auch die ausführlich gearbeitete Pianosortcbcgleitung ein bedeutsames Wort mitredcn zu laßen. Ticssens Harmonik stekt nicht wie die mancher junger Autoren im Zeichen der musikalischen Hitzblattern; sie ist neuzeitlich und sehr interessant aber doch streng logischer und gemäßigter Art. Auch der Melodie als solcher gibt Tiessen ihr Recht. Frl. Maria Schultz-Birch, die immer für moderne Mustk eintrat, erwarb sich als Veranstalterin des Abends und verständ nisvolle, ungemein anregende Sängerin ein großes Verdienst und empfing mit Herrn Heinz Tiessen, der selbst begleitete, aber öfters zu stark aufkrug, die Ehren des Abends. 3n die Wieder gabe der beiden .Klavierwerke teilten sich Herr Eduard Erdmann und Frl. Else Grams. Merkwürdig, der Blülhner zeigte zweierlei Gesicht. Anscheinend kriegsdiensttaugliche Männer hände mochte er sehr ungern leiden, den zarten Mädchenfingern hielt er stand. 3edcnfallS waren musikalisches Wesen und feiner pointierter Vortrag diesmal ausschließlich der Dame Vorbehalten. Luxe» öegnitr. Kleine Mitteilungen Für die am Pfingstsonntag, den 11. Juni, von der Kommandantur von Berlin veranstaltete vaterländische Festvorstellung, bei welcher «W allen st elnsLager" und der Festwiesenakt aus den „Me ister- fingern von Nürnberg' mit über 2000 Mitwtrkenden aufgeführt werden, liegt die musikalische Leitung in den Händen des Herrn General musikdirektors Leo Blech, die Gesamtinszenierung besorgt Direktor Victor Barnowsky. Zu den Hauptrollen haben sich erste .Künstler zur Verfügung gestellt. Die Chöre werden vom Kgl. Professor Hugo Nübel einstudiert. Die Szer.enbilder sind von Leo Impekoven. Die Hauptversammlung der Goethe-Gesellschaft findet am 16. und 17. Juni in Weimar statt. Die künstlerische Ein leitung der Versammlung bildet am Freitag, den 16. Juni, eine Auf führung im Hoftheater, bei der das Duodrama ..Ariadne auf Naxos' von Johann Christian Brandes mit der Musik von Georg Benda, Goethes Lustspiel «Der Äürgergenerai' und „Iery und Bätely" mit der Musik von Johann Friedrich Neichardt zur Darstellung kommen. — Am Sonn abend, den 17. Juni, ist dann die Hauptversammlung im Saale der Er holung. Der Vorsitzende der Goethe-Gesellschaft Freiherr v. Nhein baben hält eine Begrüßungsansprache; dann folgt der Feskvorlrag des Geheimrats Professor Dr. Max Friedländer über das Thema «Goethe and di« Musik' (mit musikalischen Erläuterungen). Es folgen nach einer Paus« Jahresbericht, Vorstandswahl, dis Berichte über Museum, die Bibliothek und Archiv und die Erledigung der Anträge. Den Schluß macht abends ein gemeinschaftliches Essen im Saale der „Erholung". Dle erste Gabe der Goekhe - Gesellschaft, die von Erich Schmidt besorgte Auswahl von Goethes Merken in sechs Bänden, ist verteilt worden, und zwar diesmal an die höheren Lehranstalten Lei Provinzen Ost- und Westpreußen, Posen und des Grohhcrzoglums Sachsen. Deutsches Erbe 351 Roman aus dem Balkenlande von Lena Voß. bz- Urowlem L t.o. O. m. d. ti. t^rprlx 1818. Hellwig erschien mehrmals als ungebetener Gast im Schloß, und Lisa wußte ihn durch dringende Einladungen zu immer häufigeren Besuchen zu veranlassen. Die Sehnsucht des jungen Pastors nach 3da Neumann hatte ein schmerzliches Ende gefunden. 3da hatte sich verlobt. LS war eine sogenannte ..glänzende Partie", ein junger Gutsbesitzer in der Nachbarschaft von Behrsen, der Sohn eines reichen Rigaer Patriziers. Hellwig schalt sich blind und töricht, daß er gemeint hatte, dieses ungewöhnliche Mädchen würde warten, bis er es für an gemessen hielt, sich ihr gegenüber zu erklären. Hatte er doch keinen sicheren Beweis, daß sie feine Neigung erwiderte. Und wenn dieses der Fall war, so mußte seine lange Zurückhaltung sie an ihm irre werden lasten. Vielleicht ahnte fle, daß er an ihrem taktlosen Vater Anstoß nahm, es war also verständig von ihr, daß fie Zugriff, wo jemand ste so liebte, daß er um ihretwillen den Vater ertrug. Hellwig aber dünkte sein großes Pfarrhaus plötzlich öde und traurig. 3m Geist hatte er doch immer 3da al- künftige Pfarr frau um sich walten sehen. Diese unsichtbare Gesellschaft hatte ihn freundlich umgeben. Nun, wo fle daraus geschieden war, duldete es ihn abends nicht mehr allein in seinem Helm. Wie ein Wink des Himmels erschien es ihm, daß die heitere Emmy, Meißners Schwägerin, jetzt gerade im Schloß weilte. Es waren gemütliche, anregende Abende, die man jetzt dort zu vieren ver lebte. Kaum war Emmy nach Goldingen zurückgekehrt, als Hell wig zu Dr. Philippi kam und um ihre Hand anhlelt. Frau Katty war überglücklich, daß ihr langgehegter Wunsch sich er füllte. Di« Hochzeit fand im Frühling statt, und das Zusammen- leben zwischen Schloß und Pastorat gestaltete sich sehr angenehm. Als Lisa im Sommer einem kräftigen Knaben das Leben gab, erschien Bodo von Thurn sein Glück vollkommen. Lisa war im Anfang eine sehr zärtliche Mutter. Sie las dicke Bücher über Säuglingspflege und tat schr wichtig mit ihrer neuen Pflicht. Als aber diese Pflicht den Reiz der Neuheit verloren hatte, überließ ste den kleinen Edgar ganz der alten, lettischen Wär terin und tändelte nur hier und da mit ihm herum, ihre müßigen Stunden hinzubrlngen. 3a, diese müßigen Stunden! Lisa langweilte sich immer noch entsetzlich. Sie ritt, fuhr, spielte Tennis und ging mit ihrem Gatten zur 3agd, sic mochte Besuche auf den benachbarten Edel höfen, sie fertigte sich mit Hilfe ihrer geschickten 3unofer die modernsten Toiletten und schwatzte über all ihre unbefriedigte Sehnsucht nach der großen Welt mit ihrer Freundin Emmy, mit der ste täglich zusammenkam, aber ste langweilte sich trotzdem. Leonid hatte ste nie wiedergesehen, seit jenem Lage im WaldhäuSchen. Er studierte in Tharandt und brachte die Ferien regelmäßig bei seinen Pflegeeltern zu, dle sehr an ihm hingen. Die Thurns hotten ihr ständiges Heim in Berlin, der alte Baron kränkelte aber und hielt sich viel in Bädern auf, Alexander jedoch genoß daS Leben der Weltstadt in vollen Zügen. Er verkehrte in den höchsten Kreisen und bereitete sich zur diplomatischen Laufbahn vor. Wenn Alerandec und Leo sich wiederfahen, so gab es zwi schen ihnen nichts Gemeinsames als dle Erinnerung. Alerander war nie wieder In Kurland gewesen, im Trubel seines eleganten Lebens vergaß er die stille Heimat. Nach einigen 3ahren aber machten wichtige geschäftliche Be sprechungen dle Anwesenheit des Majoratsherrn nötig, und da der Vater leidend war, so raffte Alexander sich auf, einige Som- menoochen in Walgalen zu verbringen. Ein ganzer Stab von Dienerschaft zog mit ihm ein. Die verschlossenen Säle wurden geöffnet, und alle Gastzimmer instand gesetzt. «Donnerwetter, Lisa, hast du dich aber rausgemacht', sagte er bet der Begrüßung, «du bist ja ein ganz patentes Weib ge worden, ich sehe schon, ich werde das Kriegsbeil zwischen uns begraben müssen. Wir lebten nämlich als Kinder in beständiger Feindschaft", fügte er, zu seinem Detter gewendet, hinzu. Mit raschem, praktischem Blick hatte Alexander In kurzer Zeit alles Geschäftliche erledigt und brauchte nun auf nichts als auf Zerstreuung zu sinnen Ein Schwarm von Gästen traf ein. Eingedenk der Lange welle feiner Echülerferien batte Alexander dieses Mal gut vor gesorgt und eine Menge chm amüsanter Lenke eingelad«. Die verschiedensten Typen bunt zusammengewürfelt: Vertreter des Hochadels, bekannte Künstler, zwei schöne, ungeheuer flirtende Amerikanerinnen, ein junges Ehepaar au- der Finanzaristokratie, die auf sportlichem Gebiet glänzten. Dann erinnerte er sich seiner Jugendfreunde und einiger «erträglicher Menschen' aus dem Ver- wandkenkreise. Lisa war berauscht von diesem Luxus und Abwechslung. Der junge Finanzmann arrangierte sportliche Veranstaltungen, dir den Lag ausfüllten; abends fand im großen Spciscsaal stets ein feier liches Mahl statt, das der neueingezogene französische Koch be reitete. Die ganze Gesellschaft erschien in großer Toilette, später wurde getanzt, musiziert oder Hasard gespielt. Lisa genoß alle Ehren der Hausfrau und wurde von samt Uchen Herren umschwärmt. Sie war ohne Zweifel bei weitem die hübscheste der anwesenden Damen. 3hre Schönheit war so voll nommen und taufrisch, daß sie den verweichlichten Großstädtern wie eine Offenbarung des weiblichen Neals erschien. Mit un glaublicher Anpassungsfähigkeit hatte Lisa sich in das ungewohnte Treiben gefunden. Sie sah den Amerikanerinnen mit einem Blick alle Toiletkenknlffe ab und wußte mit wahrem Raffinement ihre Schönheit durch geschickte Kleidung zur Geltung zu bringen. Bodo kam nicht aus dem Staunen heraus, mit welcher Sicherheit seine junge Frau dle Gäste dirigierte, mit welch königlicher Gelassenheit sie die allgemeine Bewunderung entgegennahm wie einen selbst verständlichen Tribut. Als die Berliner Gesellschaft aber anfing im See zu baden, und später Zigaretten rauchend in der Sonne zu liegen in den ge wagtesten Kostümen, etwas Unerhörtes für baltische Begriffe, er hob Bodo energischen Einspruch. Lisa hatte sich ein kokettes schwarzseidenes Trikot und ein wahres Wunder von einem Bade mantel aus Riga kommen lassen. Nun war ihre Verzweiflung grenzenlos, daß ihr dies prickelnde Vergnügen versagt wurde. Alexander legte sich ins Mittel. «Mach' dich durch deine Eifersucht nicht lächerlich, Bodo; Lisas Benehmen ist tadellos, und keiner meiner Gäste wird es wogen, der Schloßfrau von Walgalen zu nahe zu treten. Du mußt der neuen Zett Rechnung tragen, erlaubt ist immer, was der all gemeinen Sitte entspricht.' Lisa war selig. Am anderen Tage schwamm sie in den klaren Fluten des Sees, der in der Sonne leuchtete. Nur Alexander folgte ihr, sonst traute sich niemand so weit heraus. „Du bist zum Verrücktwerden schön, Lisa,' flüsterte er ihr ins Ohr, als sie dicht nebeneinander durch die klaren Finken sich treiben Netzen. (Fortsetzung in der Abend-Ausgabe.)
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