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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.05.1915
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1915-05-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19150518025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1915051802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1915051802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-05
- Tag 1915-05-18
-
Monat
1915-05
-
Jahr
1915
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Sette 2. Nr. 249. Nvenü-Nusguve. lüg« für den Krieg. Edens« winde tn «tenua e,ne gewaltige Kundgebnna kür de» Krieg nnd die BslkSlreihett »ernnstaite». Tua üsteireiihisihk und dentichr Konsulat war Snrch starkes AOlttar- ausgedot gegen die »blichen (»ewaltatte geschützt. Iu Brindisi zöge» Taufende da» Menschen nach de« Hasen und judeltrn dem Aömtrals.chtss und der übrigen -laiic zu. Tamil,che FreiinaurcriOpen Italteu» hielten Lttznngeu ad nn» »eichlasteu eine Proklamation für sosoinqrs Losschlaqcn Italien» mit dem Trciveri'and. In Paler m o wuroe beim Ltnr,u aus das deutsche Kons»latetn Angestellter erschossen »»d diele ve» mundet. Um oas «rie„üs e iriniu noch mehr aiiznfachtn, brin gen Mailander Blatter iu Fettdruck die Liiqrn- nachricht, Triest sei im offenen Anlstand. han-fchreibrn -es Aaren an Sen König von Italien. tu. Lhiasso, 18. Mai. „Cvrriere della Tera" meldet aus Bukarest vom 12. Mai: Mestern abend ist der Hofmarschall Pezezdieces mit einem Handschreiben des Znren an den König von Italien aus der Reise von Peters burg nach Rom in Jassy eingctrofsen. Vie -Stampa" beschlagnahmt. dl.) Genf, l^. Mai. (Eigener Traht- be richt.) Gin P.iv illelratainin der „Tribüne" meldet ans Tn rin: L»e Tladt ist seit gestern nachmittag von allen Berbindnuncn ab geschnitten. Tie Grunde si d lishcr »och un bekannt. Tic „L kam pa" mn,0r wegen gcn'isfcr Artikel gegen Sen Krieg vo.i dcr Polizei be schlag u a l> m t. Vas ungarische Abgeor-netenhaus übe»' Sie italienische §rage. vvtb. Budapest, 1b. Mai. Im Abgeordneten haus richtete gestern der Oppositionelle Gras A n - drassy an den Ministerpräsidenten die Anfrage: Entspricht die Rachricht der Berliner Blätter den Tatsachen, dos; der gemeinsame Minister des Auswärtigen dem Königreich Italien ein terri toriales Anerbieten gemacht bat zur Tichrrung seiner endgültigen Rrutratitäl? In der Begründung seiner Anfrage hob Gras Andrassn hervor, da» er diesem Opfer nur insofern zustimmen könnte, als dies nicht bloß der Ausflug eines momentanen Bedürfnisses, sondern die frucht unserer zielbewussten Politik sei, daß wir jenen Gegensatz, der sich heule zeigt, in Zukunft ansschalten wollen, das; wir unser P e r h a l 1 n i s z u I t a l i e n auf eine gesündere, sicherere Basis stellen und die Grundlage zu eine m k ü n f- tigen Frieden legen wollen. (Lebhafte Zu stimmung.) Meiner Ansicht nach, sagte der Redner, würde ein Zwist zwischen Italien und der Monarchie beiden Staaten nachteilig »ein: nur ein lachender Dritter würde daraus Nutzen ziehen, nur dcr Panslawis m u s , stegen den wir jetzt einen blu tigen Kamps führen, würde von diesem Gegensatz Vor teil haben, und andere Faktoren würden die jetzige Gelegenheit dazu benutzen, um sich im Mittel- meere für ewige Zeiten eine Vorherrschaft zu sichern. Ministerpräsident Graf Tisza führte in seiner Erwiderung aus: Geehrtes Haus! Die Zeitnnas- mcldungen, die sich auf die seitens unserer Monarchie an Italien gemachten Vorschläge beziehen, sind selbst verständlich nicht authentisch, und ich kann mich jetzt nicht in die ins einzelne gehende Erörterung der Frage einlassen, wo nnd inwiefern sie sich mit der Wirklichkeit decken. Ich bemerke jedoch, das; sich ans ihnen im wesentlichen und in den Hauptziigen eine richtige Orientierung über die Pro positionen der Monarchie gewinnen lässt, nämlich darüber, was das Wichtigste an dcr Lache ist und woraus sich die Frage des Herrn Ab geordneten bezieht. Diese Mitteilungen entsprechen der Wirklichkeit in dem Sinuc, dasz die Monarchie in der Tat territoriale Anerbietun gen an Italien gemacht bat z um Zwecke der Sicherung der dauernden Neutrali tät Italien s. (Zustimmung.) Zu diesem Schritte sind wir, die wir für die auswärtige Politik dcr Mon orchie verantwortlich sind, durch die Ueberzcugung be wogen worden, dasz die ständige Freundschaft zwischen unserer Monarchie und Italien sowohl den dauernden grasten Lcbcnsintercssen der Monarchie, wie den jenigen Italiens entspricht. sSo ist es!) Diese dauernden grasten tkcbcnsinteressen erfordern es, dast wir, selbst um den Preis schwerer Opfer, die durch die Erschütterungen des gegenwärtigen Krieges emporgeworfeneu R e i b u n g s p n n k t e aus dem Wege des gemeinsamen guten freund schaftlichen Verhältnisses zu räumen krachten müssen. (Allgemeine Zustimmung.) Da "st, uns überzeugt haben, dast die Beseitigung der Reibungspnnkte, das Hervorrufen eines solchen Leipziger Tageblatt. Ccclenzustandes, der die Voraussetzung einer dauern den, aller Hintergedanken baren Freundschaft .. ist, lediglich um Sen Preis solcher territorialer Zugeständ nisse erreicht werden kann, haben wir auch diesen Weg betreten, im vollen Bewusstsein der Schwere des gebrachten Opfers, im vollen Bewusstsein der auf uns lastenden grasten Verantwortung, aber nicht zu tak tischen Zwecken, nicht zur Ucderwindnng augenblick licher Schwierigkeiten (allgemeine lebhafte Zustim inung), sondern von dcr Ueberzcugung durchdrungen, dadurch in Wahrheit den ständigen Interessen un seres Vaterlandes und damit der Monarchie zu dienen. (Zustimmung.) Ich gebe mich der Hoffnung hin, dast dieses Vorgehen der Regierung die Zustimmung der öffentlichen Meinung findet (so ist cs!), schon des halb, weil ich hoffe, dast auch die ungarische öffentliche Meinung unsere Interessen ebenso auffasst, wie sic zu meiner grasten Freude der Herr Interpellant in einer mit unserer Ueberzcugung völlig übereinstim inenden Weise zum Ausdruck gebracht hat: aber auch in der Ueberzeuaung, dast aus den Herzen der un garischen Nation die Gefühle der Symvatbie und Freundschaft nicht geschwunden sind, die dcr ita lienischen Nation gegenüber bei uns so lange Zeit hindurch bestanden haben. Ich bege die Ueberzcugung, dast, wenn cs gelingt, die vorhin erwähnten Rei bungspunkte zu beseitige» und sichere Grund lagen einer ständigen Freundschaft zwischen unserer Monarchie und Ita lien zu schassen, die Sympathie der Seelen und die Annäherung der Gefühle zu neuer Kraft ge deihen werden, die zwilchen der ungarischen und dcr italienischen Ration so geraume Zeit hindurch ge waltet haben. (So ist cs!) Ich bitte das geehrte Haus, diele Antwort zur stcnntnis zu nehmen. Nack; der Rede des Ministeroräsidenten erklärte Grar Andrassn, dast er sowohl als das ganze Ab geordnetenhnns und die Ration darin iibereinstim- men, dost wir. fad» der Kampf unvermeidlich sein sollte, unsere Pfl'cht männlich tun werden. lAllge- mcine Zustimmung.) Das Haus nahm hieraus einstimmig die Antwort des Grafen Tisza zur Kenntnis. Kri2ASzustanö über Trivolitanien. nutz. Mailand, 18. Mai. Dem „Corrjere della Sera" zufolge ist in T r i p o l i t a n i e n wegen der seit den jüngsten Ereignissen zunehmenden Tätig keit der Eingeborenen der Kriegs, z u st a n d proklamiert worden. Vie Kämpfe im Kaukasus. «td. Konstantinopel, 18. Mai. Nach neuen Nach richten aus privater, vertrauenswürdiger Quelle aus Erzerum haben die türkischen Truppen endgültig die Russen zum Stehen gebracht und zu rückgeworfen, die seit Tagen versuchten, von Olty ans vorzurückeu. In den letzten Tagen hat dcr Feind keine ernstliche Aktion mehr unternommen. Bei Tschenkerli hat ein Freiwilligeukorps der Tür ken unter grasten Verlusten für den Gegner einen Angriff von Kosaken zurückgcwicsen und eine Anzahl von Pferden erbeutet. rine Ministerium dementiert in der „Shogyo Shimpo" die Pariser Meldung von der AnSsahrt eines japanischen Geschwa- oers nach Europa. „Wrcmja" fügt hinzu, es sei sinnlos und verbrecherisch, die gute Sache der Verbündeten durch freierfundene Sensa tionsnachrichten bet den Neutralen und auch bei den befreundeten Mächten zu schädigen. Vie Türkei un- Japan. (z.) Kopenhagen, 18. Mai. Eigene Draht nachricht.) Die Petersburger Telegraphen, agcntur meldet, dast die verbündeten Mächte neue Schritte iu Tokio unternommen haben, um eine Erklärung des bisher nicht vor handel, en Kriegs zu st andes Japans milder Türkei herbeizusühren. Vie Lage in Portugal. vtl>. Lissabon, 18. Mai. Ein Manifest des Revolutionären Komitees besagt, dast Zivilpersonen, bei denen nach 7 Uhr abend» Waffen gefunden werden, verhaftet werden. Truppen durch, ziehen die Stadt und beschlagnahmen die von Zivi listen getragenen Waffen. Die meuternden Matrosen sandten der Regierung ein Ultimatum, in dem der Rücktritt der Negierung gefordert wurde. Die M a r i n e k a s e r n c wird von Artillerie be schossen. Aus der Provinz ist eine Division zur Unterstützung der Regierung unterwegs. Bis gestern abend waren 07 Personen getötet nnd 25V verwundet. In Santarcm betragt die Zahl der Opfer 7V Tote und 200 Berletzte. Carlos Olavo wurde zum Eou, verveur von Lissabon ernannt. Das „Amtsblatt" veröffentlicht einen Erlast, in dein die Bürger beglückwünscht werden, die an der Wiederherstellung der Gesetzmäßigkeit mitgearbeitet hätten, und der die Zivilbevölkerung auffordert, die Waffen wieder abzuliefern, die ihnen geliefert waren. iu. Lissabon. l8. Mai. „Hanas" meldet: Ar- riaga hat Belew verlassen. Die Infanterie trieb die Zivilisten in der Nähe der Ministerien dcr Marine und des Innern zurück. Um 8 Uhr war Waffenstill stand. In Snndarcm triumphierteil die Truppen über die Rebellen. Man zahlte 70 Tote und 200 Ver wundete. Alle Verbindungen sind unterbrochen. Carlo Ola so ist zum Gouverneur von Lissabon ernannt worden. (r.) s Gravenbagc, 18. Mal. (Eigener T ra h 1 b eri ch t.» Tic „G ntral News" melden, das; die Lage in Portugal noch wenig gellart sei. In P o r t o Alegre griff S t e P e v v l k e r » n g die britische Korkfabrik au. In San- t arc m bcsck osz ein Arttvcricrcgiment Las 24. In fanterieregiment. In Ovaria sanden Kämpfe zwischcn Scm Militär nnd derBürger schaft statt. Vie Kämpfe in -en Var-aneUen. vtb. Konstantinopel, 17. Mai. (7,10 Uhr abends.) Tas Hauptquartier teilt mit: An acr D a r d a n e l l c n f r o n t fand gestern bet Ari Burnu äusser schwachem Artillerie- und Infanteriefeuer keine wichtige Aktion statt. Gin kleiner Transport wurde durch unsere Gra naten beschädigt. Jin Lüden bei Seddil Bahr nahmen die Truppen unseres rechten F-IügelS eine Höhe wieder, die 200 Meter von unseren Ltellungcn entfernt liegt. — Gin f ra n z ösischer Kreuzer landete gestern bei Lars la le, westlich von Mclrt an der Süd küste von Smyrna, 60 Soldaten, die wieder die Flucht ergriffen, alS unsere Küstenposten ihr Feuer -'ränderten. Gin anderer Kreuzer landete etwa 100 Soldaten bei Scfat, westlich von Fenike. Unsere Truppen vertrieben den Feind, der etwa 10 Tote, resp. Verwundete hatte. Zn dcr Nacht vom 15. zum 16. Mai zogen sich zwei vor den Forts von Smyrna fahrende Kreuzer zurück, nachdem einer von ihnen durch das Feuer unserer Batterien beschädigt worden war. Von den andern Kriegsschauplätzen ist nichts Wichtiges zu melden. Vie Ausfahrt eines japanischen Gefchwa-ers nach Europa ein Märchen. (r.) Kopenhagen, 18. Mai. (Eigene Draht- Nachricht.) Tie Petersburger „Wrcmja" meldet zensiert aus Tokio: TaS japanische Ma MWonsnachrkchten aus Veutsch-Gftafrika. Die Berliner Mission hat aus dem Januar und Februar von dcr Küste Deutsch-Ostafrikas und von ihrer Station „Schlesien" bei Morogoro gute Nachricht erhalten. Ihre Station tn Dares salam ist trotz ihrer exponierten Lage auf dem Immanuelkap bcid er Beschiestung des Hafens und der Stadt Ende November ohne erheblichen Schaden davongekommen. Die Missionsangehöriaen sind wohlbehalten. Die politische Lage der Kolonie must recht günstig gewesen sein; in einer Karte von Ende Februar heisst es: „Wenn Ihr Eure Sache so gut gemacht habt, wie wir hier die unsrige, sehen wir uns mindestens im Juni wieder." Aus dcr hoch in den Bergen gesund gelegenen Station „Schlesien" hatten sich als Gäste des Missionars zahlreiche deutsche Familien aus Dares salam mit Kindern eingcfunden, um, nm Europa- Urlaub gehindert, hier während dcr hcisten, un gesunden Zeit den Gefahren des Tieflandes zu ent gehen. Missionar Nauhaus schreibt, daß es allen „sehr gut" gehe. Auch die Missionsarbeit in dem Seminar für eingeborene Lehrer und Pre diger und auf der Station wurde ruhig fortgesetzr. „Erbärmliche Lügen". >vtl>. Köln, 18 Mai. „Erbärmliche Lügen" nennt die „Kölnische Zeitung" die in dänischen Blättern verbreitete Nachricht, in Köln hätten Arbeiter Zettel an die Fenster angeschlagen mit der Inschrift: „Gebt uns Brot, gebt uns unsere Kinder zurück!" — Die „Kölnische Zeitung" bemerkt dazu: Wir können über diesen neuesten, aus dem Geiste des Dreiverbandes geborenen Schwindel mit Heiter keit zur Tagesordnung übergehen. vlenstsv, lS. Mai lSlS. Vettere Mel-ungen. * 2n der Holland ischenZweiten Kammer ist der „V. Z." zufolge «tn Antrag «ingegangen, der die Einführung der allgemein««! Dienst pflicht fordert. vte Ausländ« tn Zrankrrich. Ein angesehener Bürger eines neutralen Landes hat kürzlich einen Vortrag gehalten, in dem er von den Eindrücken Rechenschast ablegte, die er auf seinen Reisen durch Frankreich während der Kriegszeit ge sammelt hat. Er bringt wertvolle Kunde von der Lage dcr in Frankreich gefangen gehalte nen Deutschen, von der V o l k s st i m m u n g und dem Treiben der Pariser Kreise. Seine Ausführungen sind um so beachtenswerter, als hier ein offenbar scharfer Beobachter Las Wort er greift, zugleich ein Mann, dem keinerlei nationale Voreingenommenheit die Helle des Blickes trübt. Der Vortragende führte aus: „Als Ende August der große Krieg, an dem wir alle dem Herzen nach beteiligt sind, in gewaltiger Entwicklung war. befand ich mich gerade in der Schweiz. Geschäftliche Interessen führten mich bald nach Frankreich, wo ich vor allem Gelegenheit hatte, Beobachtungen über die Behandlung der Gefangenen zu machen. Im grasten ganzen bin ich persönlich der Heber zeugung, dast es den deutschen Gefangenen nicht jo gut geht, wie den französischen hier in Deutschland. Ich spreche dies nicht ganz grundlos aus. Ich habe durch viele Nachrichten, die ich bekommen habe, einen tiefen Einblick gewonnen. Schon die ganze Art und Weise, wie das französische Volk sich gebärdet, diese Ausbrüche des ungeheuerlichsten Hasses, kiesten einen mutmasten, dast nicht alles ganz m Ordnung sei und so habe ich von einigen Fallen erfahren, dast z. B. zwei Wehrpflichtige in Lyon derartig auf offener Straste misshandelt wurden, dast sie zugrunde gingen, und die Eingeweide auf dem Boden lagen. Ich be kam einen Brief, direkt nach Paris, auf eine Postart, die nicht „geöffnet" werden konnte; näheres will ich darüber nicht «»führen. Der Brief ist von einem jetzt noch in Frankreich lebenden Zivilgefangenen abgefastt: „Wir waren in Lyo n unseres Lebens nicht mehr sicher. Ich ging die letzte Nacht aus der Wohnung und sand Schutz bei einer besreundeten älteren Dame. Meine 'Wirtin wurde vedroht. Retten konnten wir uns nicht, da von Sonntag, dem ersten Tage der Mo bilmachung, kein Zug meyr ging, — statt dast man nns 24 bis Stilnden Zeit gegeben hätte. Bis Donnerstag hatten wir bei der Polizei die nötigen Schritte zu tun, um dann im Viehwagen ins Innere, ISO Personen, befördert zu werden. Die erste Nacht in einer Markthalle, nicht genügend Stroh. Die Männer für sich, Frauen und Kinder zusammen. Täglich gab es zwei klägliche Suppen, wie bei uns fürHunde und Schweine. Später wurde auch die Suppe besser, wir bekommen jetzt wöchentlich zwei- bis dreimal Fleisch, leben aber kann man nicht davon. Nachts liegen wir aus Stroh und haben eine Decke, viele Haven sich noch Decken da zu gekauft, Betten sind ein in unerreichbare Ferne gerückter Begriff. Rechte hat man garnicht, man darf nichts sagen. Wir leiden körperlich und moralisch. Wir sind regelrechte Gefangene und dabei nennt man uns Schutzbefohlene. Man versucht sehr ost, so viele wie möglich zur Fremdenlegion zu bereden, etwa 30 haben sich dazu verleiten lasten." Ich habe auch von vielen anderen davon gehört, sogar Kriegsgefangene werden dazu gepreßt, in die Fremdenlegion einzutretcn, um doch schließlich gegen die Verbündeten zu kämpfen, die da unten im Heili gen Kriege in Marokko stehen. Neulich war sogar ein Prozeß angestrengt gegen einen Elsässer, der sagte, er sei dazu gepreßt worden. Dast solche Fälle vorgekommen sind, ist eine bedauerliche Tatsache. „Liebe Eltern, wir hören täglich davon, wie gut es den Gefangenen in Deutschland, französi schen, englischen, geht. Viele werden krank durch Unterernährung hier, die Frauen sollen in einigen Tagen wegkommen, wir reisen wieder weiter." Wer die Desorganisation in Frankreich kennt, wer weiß, dast Frankreich nicht ein Land ist, wo Diszi plin herrscht, sondern in dem das, was Paris be fiehlt, der Kommandant in Lyon noch lange nicht ausführt, der weiß, was vorkommen kann. Daher ist es auch um manches Lager gut bestellt, in dem der Kommandant sich besten erinnert, dast viel mehr Franzosen in Deutschland sind als umgekehrt, aber manchmal ist der Kommandant auch anders geartet. Ucber die allgemeinen Eindrücke will ich einige kurze Streiflichter geben. Es ist mir aufgefallen bei Ausbruch des Krieges, dast mau Deutschland und deutsches Kulturgut gefasst hat, wo es am schwächsten gerüstet war. Deutschland war militärisch glänzend gerüstet, wirtschaftlich eben so glänzend; aber in einem Punkte war cs nicht so gut organisiert, in der Verteidigung seiner Kultur güter vor aller Welt. Man kann sich auf den Stand- H HM' rillen kruMilöen... j Roman ans unseren Tagen non A. von Panhuys. -'H (Nachdruck verboten.) Sie lächelte unsagbar weh. „Tas verstehe ich nicht. Ich weiß nur. du mußt in Tob und Gefahr, nnd ich soll hier Zurückbleiben in« behaglichen Hause. Tas kann ich nicht nnsbenken — es ist zu furchtbar. Tas Schicksal kgnn nns dock) nicht bloß zusammen geführt haben, nm uns so grausam rasch zu trennen." Schicksal! Wie klein und unbedeutend wurden die zwei inhaltsschweren Silben, da sic das Helle Zwit- scherstimmchen aussprach. Schicksal? Kleines Mädchen, dachte er, was weißt du vom Schicksal? Aber er schwieg. Sie würde ihn doch nickst verstehen. Frau Fränze nahm jetzt das Wort. „Mein lieber Werner, ich plante eine lustige Verlobungsfeier in großem Stile, doch nun müs sen »vir uns auf einen kleinen Kreis beschränken. Ich denke, da Sie schon übermorgen fort müssen, wir verabreden alles für morgen." Gr unterbrach sie. „Morgen habe ich zu. spielen. Sie wissen das, gnädige Frau. Von einer Feier kann überhaupt keine Rede sein. Ich hab« die gekauft, «d Sie »nn«» die Anzeige gleich drucken lassen nnd morgen verschicken. Weiter ist nichts zn tnn." „Nie nnd nimmer," begehrte Frau Fränze auf. „Mein Kind kann sich doch nicht verloben wie irgendein armes Ting, da? nichts zu nagen und zu beisien hat, was würden die Leute sagen!" Gr zog die Stirn kraus. „Natürlich: was würden die Leute sagen! Ich meine, in einer solchen Zeit wie der unseren müßte man über solche Kleinlichkeiten erhaben sein, ganz davon abgesehen, daß jetzt jeder mit sich selbst beschäftigt ist." Er sah zu Lotti hinüber nnd zog dann ein Kästchen ans dcr Tasche, das er öffnete. Zwei Goldringe blitzten auf. Wie ein Schwindel wollte es ihn umfangen. Was war er im Begriff zu tun? — O, wäre Susanne an Stelle dieses blonden Mädchens, die schlanke, stolze Susanne Hagen, die Freundin, die Kameradin — die Geliebte! Sollte ec jede Rücksicht beiseite werfen, sollte er ehrlich be kennen? Doch vte blanen, in Tränen schwimmenden Mädchenaugen, die in banger Scheu zn ihm aufblicktcn, nahmen ihm den Mut zn dem ge wagten Wort, das ihn frei machte. Gr schob Lotti den tleincren Reif an den Finger und sich dann den größeren, dazu sagte er, za Lotti- Mutter gewandt, einfach: „Nun find wir verlobt, gnädige Fran." Lotti schluchzte laut auf. „O, wie so völlig anders habe ich mir meine Verlobung mit dir vorgcstellt!" Gr fand keine zärtliche, beschwichtigende Er widerung, ihm war's, als sei ihm die Kehle zu geschnürt. Fran Stegcmann war empört. Ihr Kind, ihre Einzige, weinte, nnd dieser Mensch, der, wenn er auch eine ganze Menge Geld verdiente, dock« nur ein Schauspieler war, ließ sic weinen. Dachte gar nicht daran, ihren armen Liebling zu beruhigen. Tas vermochte sic als Mutter nicht zu leiden. Nach ein paar hastigen Atemzügen sprudelte cs über ihre Lippen: „Es hat fast den Anschein, als erwiesen Sie meinem Kinde eine große Gnade. Ich kann mir nickst helfen, aber ick) habe so das Gefühl, cs ist wie Zwang in allen Ihren Bewegungen, seit Sic heute hier cintraten. Lotti ist nicht die erstbeste, und ich meine, cs wäre von Ihrer Seite ein ganz anderer Ton am Platze." Lotti schrie auf. „Fränze, ich bitte dich, bitte dich um alle-: scknveige!" Werner stand mit einem lullen, abwartenden Lächeln da, das die in ihrem Mutterstolz ge kränkte Fran noch mehr reizte. „Nein, ich will und darf nicht schwelgen. Vou Anfang an hat sich Herr Marlow nicht be nommen, wie ein richtiger Verliebter, und mir sind seither in den paar Tagen schon so allerlei Gedanken aufgestiegen, die mich quälen, ob ich recht tat, diesen Bund überhaupt zuzngcbcn. Mich bewog ja besonders auch nur das eine dazu, Lottis 9t)«f, den Sie durch einen leichtsinnigen Abendspazicrgang in Gefahr brachten, zu retten, sonst . . „Sonst hätten Sie mir die .Hand Ihrer Tochter verweigert," fiel er ein. Sic nickte heftig. „Jedenfalls, so schnell hätte ich nicht nach gegeben, aber ich glaube, das sagte ich Ihnen auch." „Allerdings, gnädige Fran — in der Be ziehung waren Sie sehr offen, aber vielleicht kann noch Rat werden. Dieser Krieg brach trotz alles vorherigen politischen Wetterleuchtens so plötzlich los, daß er ungefähr wirkt wie ein Regenschauer, der alten Staub fortspült. Alles kleine Geklatsch wird unter dem mächtigen Ein druck des Kriegsausbruches beiseite gewirbelt und vergessen. Wer denkt heute noch an die zu Wichtigkeiten erhobenen Nichtigkeiten von neu lich, und niemand wird hinhören, wenn Baron Kirchenau es wirklich erzählen sollte, daß Lotti und ich, oder ich und Lotti einen kleinen Spazier gang durch dämmernde Wege untcrnonnnen." Die Frau stand wie eine Bildsäule. (Fortsetzung tu der Morgenau«gaL«.>
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