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12026 Börsenblatt f. d, Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 261, 10. November 1913. sollten. Die Möglichkeit liegt hier vor, daß mit der Zeit auch die Leistungsfähigkeit dieser Vereine sich weiter entwickeln wird. Bisher ist das im allgemeinen nicht der Fall, jeder neue Chor muß wieder mit derselben Mühseligkeit von Grund aus aufgebaut wer den, da bei den Vorbereitungen zum Wettstreit der Drill meist die Erziehung erdrückt. Einen weiteren großen übelstaud bilden beim Wettsingen in vielen Fällen die Vereine der festgebendeu Orte, wo der Sän gerkampf ausgesuchten werden soll. Nicht alle verfolgen dabei den Zweck, dem Gesänge, dem deutschen Lied zu dienen, sondern sie wollen, ohne eigene Opfer, sehr oft auch noch mit Überschüssen ihre Feste abhalten. Nicht geringe Kopfsteuer haben darum auch die beteiligten Vereine besonders bei den hohen Preisen für das Notenmaterial zu entrichten, die einem Musiksortimenter schwer lich bewilligt werden würden. Auch das ideale Streben der Sänger soll nicht in allen Fällen die Haupttriebfeder sein; die Preise, namentlich die in Bargeld bestehenden, sollen ganz wesent lichen Einfluß dabei haben. Nicht minder wissen die Komponisten, die im Aufträge des festgebenden Vereines die Chöre erfinden, Geschäft und Kunst geschickt zu vereinen. Für Vereine, mögen sie nun aus idealen oder materiellen Gründen sich am Wettkampf beteiligen, bedeutet jeder Wettstreit ein schweres Geldopfer, zumal wenn ihre Mitglieder geringeren Standes sind. Ein besonderes Kapitel bildet das Preiskompo nieren, das im großen und ganzen mit dem Wettbewerb bei anderen Künsten kaum etwas Gemeinsames aufzuweisen hat. Bei letzteren handelt es sich doch in der Hauptsache um Bedürfnisse, die in möglichst vollendeter künstlerischer Weise befriedigt wer den sollen (hervorragende Bauten, innere Ausschmückungen, Mo delle usw.), während die Musik alles in solcher Fülle und über fülle besitzt, und diese jeden Tag vermehrt, daß hierzu Anregung und Aufmunterung durchaus nicht nötig sind. Auszunehmen sind hiervon die von mir bereits zustimmend erwähnten Prämien für junge, vorwärtsstrebende Musiker, die ja auch in anderen Künsten, der Wissenschaft und der Technik, segensreich wirken können. Ich betone hierbei ausdrücklich das letzte Zeitwort, weil durchaus nicht alle Prämiierten nun wirklich die höchste Staffel in ihrem Berufe erklimmen. Eine Anzahl Namen, als Beweis führung, könnte ich auch hier anfügen, ich unterlasse es, da die Betreffenden damit Wohl kaum einverstanden sein würden. Die sonstigen Preisausschreiben sind mit wenigen Ausnah men durchaus berechtigte Verlagsunternehmungen, zumal die aus den letzten Jahren, die, soweit sie Erfolg hatten, auch mein Sortimenterherz befriedigten. Ich glaube nicht, daß eine Firma wie August Scherl in Berlin oder Moritz Schauenburg in Lahr und die anderen geschützten Kollegen ihre Preisausschreibungen aus rein idealen Gründen vornehmen, jedenfalls würden sie mit dem Gefühl eines vorher bestandenen Mangels, dem ihre Preis ausschreiben abhelfen sollten, ganz einsam dastehen. Wunderbar ist es nün, wie selten solchen Preiskompositionen dauernder Erfolg beschieden ist, wenigstens verläßt mich hier voll ständig mein Gedächtnis, obwohl nachhaltige Gangbarkeit doch einem alten Sortimenter in der Erinnerung geblieben sein müßte! Auch das Wenige, auf das ich mich besinnen kann, ist ebenfalls fast ganz der Vergessenheit anheimgefallen: Hugo Ullrich, »Symphonie triomphale«, 1853, von der Brüsseler Akademie preisgekrönt, wobei der berühmte Robert Schu mann mit seiner heute noch hochgeschätzten B-dur-Symphonie unterlag; dann Richard Wllests 2. Symphonie, Op. 21, die 1849 zu Cöln den Preis errang, Fr. Lux, der 1862 mit seinem Krö nungsmarsch als Sieger hervorging. 1846 erschien ein Lied von A. H. Sponholtz, »Es rauscht das rote Laub«, das den Titel »Preislied« trägt, mit welchem Recht und bei welcher Gelegenheit der Preis errungen wurde, kann ich leider nicht an geben. 1877 schrieben Siegesmund L Volkening, Leipzig, einen Wettbewerb für Klavierschulen aus, in dem Karl Friedr. Urbach den Meisterschuß tat; diese Preisklavierschule, die später in den Verlag von Max Hesse, Leipzig, überging, gehört noch heute zu den begehrteren. Wenn es nun auch ausgeschlossen ist, daß vor 40 Jahren ein Mangel an Klavierschulen und Symphonien vor handen gewesen sei, so ist es doch verständlich, wenn sich bei sol chen größeren Aufgaben auch namhafte Künstler als Mitbewerber beteiligten. Von den vorher genannten wäre da freilich Urbach auszunehmen, der vor 1877 Wohl in kleineren Kreisen als Lehrer und Kantor schätzenswerte Eigenschaften gehabt haben mag, der musikalischen Welt jedoch mehr oder weniger unbekannt war. Bei den meisten Preisausschreiben der letzten Jahre tritt indes eine ganz merkwürdige Erscheinung zutage; nur selten entdeckt man unter den Preisträgern bekanntere Namen, die Mehrzahl sind Komponisten, von denen bisher die Öffentlichkeit kaum eine Kennt nis hatte, und die dann sehr bald in das Dunkel zurücksanlen, aus dem sie unerwartet emporgestiegen waren. Nun heißt cs zwar im Sprichwort: Auch eine blinde Henne findet ein Gerstenkorn, der Hennen kamen aber zu viele, und Ausnahmen darf man nicht zur Regel gestalten. Da kann man denn wohl mit Recht annehmen, daß sich die namhaften Komponisten, wenigstens in den letzten Jahren, nicht mehr an solchen Preisausschreiben be teiligen. Von dem gleichen Gedanken ist wohl auch Musikdirektor Eugen Philippi ausgegangen, als er seine Umfrage: »Was halten Sie von musikalischen Wettausschreiben?« an bekannte Komponi sten richtete. Die befragten Herren, wenigstens soweit mir ihre Antworten bekannt geworden, sind Gegner solcher Preisausschrei ben und lehnen eine Beteiligung daran ab, so zlB. Wilhelm Kienzl- Graz, Xaver Scharwenka-Berlin, Josef Baier-Wien, Franz Lehar- Wien, Richard Eilenberg-Berlin. Der bekannte Hofballmusik direktor C. M. Ziehrer-Wien bekennt ganz trocken, daß er einmal bei einer Walzer-Konkurrenz mit seinem »Weana Madln«, von dem zurzeit schon über 100 000 Exemplare in die Welt gegangen sind, gründlich durchfiel, während ein gänzlich neuer Mann den Preis erhielt, aber gleich bei der ersten Aufführung nachdrück lich abgelehnt wurde. Professor Heinrich Grünfeld-Berlin, der be rühmte Cello-Virtuos, dessen gewaltige Schlagfertigkeit ebenso geschätzt wie gefürchtet ist, traf mit seiner kurzen Erwiderung, wie stets, den Nagel auf den Kopf. Er zitierte einen einst von Hans von Bülow gemachten Ausspruch: »Je preißer ein Werk, je durcher fällt es«, dem ich, um es nicht abzu schwächen, nichts mehr hinzufügen will. Benziger, Or. KarlI., Geschichte des Buchgewerbes im fürstlichen Benediktinerstiftc A L. F-v.Einsiedeln. Nebst einer bibliographischen Darstellung der schrift stellerischen Tätigkeit seiner Konventualen und einer Zusammenstellung des gesamten Buchverlages bis zum Jahre 1798. Mit 190 Abbildungen im Text und zlvei Einschaltbildern. Einsiedeln, Köln a. Rh., Waldshut, Verlagsanstalt Benziger 8- Co. A.-G. 1912. 4°. LVI, 303 S. Gebd. mit Goldschnitt 30.— ord. »Unter den schweizerischen graphischen Anstalten«, sagt Lorck in seiner Geschichte der Buchdruckerkunst (1883), »gibt es nur eine, die für den Weltmarkt arbeitet und auch einen Weltruf sich erwarben hat. Der Bergflecken Ein sie dein, berühmt durch sein Benediktiner- Kloster mit dem wundertätigen Muttergottesbilöe und deshalb jähr lich von Hunderttausenden von Wallfahrern besucht, ist in der typo graphischen Geschichte durch die großartige Anstalt der Gebr. Benziger merkwürdig geworden. In allen Erzeugnissen der Anstalt, auch den billigsten, ist das Streben sichtbar, nur Gutes zu liefern.« Die vor liegende schöne Publikation, auf mattem Kunstdruckpapier ausgezeichnet gedruckt und mit trefflichen Abbildungen, darunter einer farbigen Fak simile-Tafel, versehen, zeigt aufs beste, wie die Offizin bestrebt ist, ihrem alten Ruhm treu zu bleiben. Nicht oft werden Monographien in so vollendeter buchtechnischer Ausstattung dargeboten. Die Arbeit ist ebenso für die Geschichte des Buchhandels wie der Buchöruckcrkunst von Bedeutung. Wie liebevolle Heger literarischer Schätze gerade die Klöster schon vor Erfindung der Buchdruckerkunst waren, wie bücherfreudig die Klosterherren häufig gewesen sind, ist bekannt. Auch in der Meinradszelle war es nicht anders. Das Stift Einsiedeln bewahrt noch heute in seiner Bibliothek mancherlei Hand schriften und Inkunabeln. Zu den wertvollsten Drucken, die aus dem Stift hervorgegangen sind, gehören die beiden »Meinradslegenden«, Blockbllcher aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Ihnen widmet der Verfasser eingehende Untersuchungen, in denen die Fragen nach Be steller, Entstehungszeit, Verfasser, Druckort und Künstler erörtert wer den. Zur Bestimmung des künstlerischen Kreises, dem die Illustra tionen angehören, sind nicht nur die Holzschnitte der Legenden selbst, (Fortsetzung auf Seite 12079.)