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10176 Börsenblatt f. ». Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 206, 4 September 1S1L. Verlag f. Börsen- u. Finanzliteratur A.-G. in Berlin. 10204 llallddued 6er Lüä^eutsetien ^Kti6n-0686ll8etiaktvn. ^U8- Zade 1912/13. 12 „Perein der Bücherfreunde" in Berlin. 10198/99 *8and I der XXII. 8erie de8 „VersinZ der IZüekerlreunde". ^ed. 5 15 ^«;0Z6b. 18^.^ o Verlag „Deutsche Arbeit" in Prag. 10207 "„Deutsche Arbeit". Jahrg. XII. 1. Qu. (Okt.—Dez. 1912). 3 .^. Bernhard Popelins in Jena. 10202 ?i1tr: l'düriuAiLetie 8üudüut. 75 H. Verbotene Druckschriften. Die Messalinen an der Spree. Spannende Geschichten aus mehreren Zeitaltern der Reichshauptstadt. Weißensee- Berlin, E. Bartels. Borkenhagen, Hermann, Die öffentliche Frau oder ein Opfer der Verführung. Sittengeschichte aus dem Leben. Hamburg, Verlagshaus Digel. Neuester Katalog. EtnKatalog über unzüchtige Bücher u.Bilder. 7. Strafkammer des Kgl. Landgerichts I in Berlin. Unbrauchbarmachung. 38. I. Nr. 1060. 11. I »Deutsches Fahndungsblatt Stück 4090 vom 2. September 1912.) Nichtamtlicher Teil. Ein Ausnahmegesetz. Die nachstehenden Ausführungen wurden zuerst in den »Münchner Neuesten Nachr.« vom 13. Aug. 1912 veröffentlicht. Inzwischen hat das Bekannt werden des Falles Ilngewitter den Beweis geliefert, daß die verurteilende Stellungnahme der Gerichte gegenüber Werken, auf deren Unbrauchbarmachung in einem gegen Dritte anhängig gemachten Ver fahren nebenbei mit erkannt wurde, trotz späteren Freispruchs, sich nicht auf den von uns wieder holt erwähnten Hyanschen Roman »Die Ver führten« beschränkt. Die sich aus einer derartigen unhaltbaren Rechtslage ergebenden Konsequenzen für den Buchhandel rechtfertigen daher die von uns schon in Nr. 177 vom 1. Aug. ausgesprochene, hier auch von Herrn Justizrat De. Dispeker wiederholte Forderung einer Benachrichtigung des Verfassers und Verlegers bei allen gegen Werke ihrer Feder bzw. ihres Verlags schwebenden Verfahren und lassen eine baldige Änderung der bisherigen Praxis als unbedingt notwendig erscheinen. Red. Ausnahmebestimmungen haben stets etwas Aufreizendes, meist etwas Ungerechtes in sich. Wenn uns ein Bekannter erzählen würde, er sei soeben rechtskräftig zu zehn Mark Strafe verurteilt worden, ohne daß er vorher eine Ahnung von einer Anklage hatte, so würden wir diese Mitteilung nicht glauben. Denn ein Hauptgrundsatz jedes modernen Strafprozesses ist der des rechtlichen Gehörs. Nie mand soll verurteilt werden, ohne vorher gehört worden zu sein, ohne Gelegenheit gehabt zu haben, sich und seine Tat zu verteidigen. Unser deutsches Strafrecht hat dieses so wich tige, uns fast selbstverständlich dünkende Prinzip in einem wesentlichen Fall durchlöchert, es hat — und zwar nur für Kunst- und Schriftwerke — ein Ausnahmegesetz geschaffen. Ich spreche hier nicht von dem Verfahren gegen Abwesende, das nur in ganz bestimmten, genau umgrenzten Fällen zulässig ist. Auch nicht von dem sogenannten objektiven Verfahren, bei dem, wenn die Verfolgung einer bestimmten Person nicht ausführbar ist, die Einziehung oder Unbrauchbarmachung von Gegenständen ausgesprochen werden kann. Daneben gibt das Strafgesetzbuch noch die Möglichkeit, alle Exemplare einer Schrift, Abbildung oder Darstellung und die zu ihrer Herstel lung bestimmten Platten und Formen unbrauchbar zu machen, auch wenn der Verfasser, Drucker, Herausgeber, Verleger oder Buchhändler sich in Deutschland befinden, ihre Namen bekannt sind, ihre Verfolgung also ausführbar wäre, ohne daß einem von ihnen vor der rechtskräftigen Entscheidung auch nur ein Sterbenswörtchen von einem schwebenden Verfahren bekannt wird. Nicht nur dem Laien, auch dem Rechtskundigen er scheint dies auf den ersten Blick fast undenkbar. Wie, es sollte möglich sein, die ganze Auflage eines Romans, die gesamte Reproduktion eines Bildes mit Platten und Formen, die der Herstellung dienten, unbrauchbar zu machen, also unter Um ständen Vermögensobjekte im Wert von vielen Taufenden von Amts wegen zu vernichten, ohne daß der Autor, der Künstler, der Verleger auch nur Kenntnis von einer Anklage erhält, ohne daß ihm Gelegenheit gegeben wird, seine Gedanken dem Gericht darzulegen, auf große Vorbilder hinzuweisen, mit einem Wort, sich zu verteidigen? Das, was mit Recht jedem Schwerverbrecher und jedem, der eine Polizeivorschrift über Blumenpflücken Übertritt, in vollem Umfange gewährt ist, sollte dem Schriftsteller, dem Maler, dem Verleger und Buch händler verschlossen sein? Und doch ist es so. Zwar schreibt Z 478 Absatz 2 der Strafprozeßordnung vor, daß Personen, die einen rechtlichen Anspruch auf den Gegen stand der Vernichtung und Unbrauchbarmachung haben, soweit dies ausführbar erscheint, zu dem Termin zu laden sind. Allein — in der Juristerei gibt es stets ein Wenn und Aber - diese Vorschrift bezieht sich nur auf Fälle, in denen auf Einziehung von Gegenständen selbständig erkannt werden kann und, wie die Kommentare ausführen, wenn es sich um Ein ziehung einer Einzelsache handelt. Wenn es sich aber nicht um eine Einzelsache, sondern um die Unbrauchbarmachung aller Exemplare einer Schrift, Abbildung oder Darstellung (St.G.B. Z 41) handelt, dann ist es nicht erforderlich, die in erster Linie Betroffenen zuzuziehen oder diese auch nur zu ver ständigen. Erkläret mir, Graf Oerindur, —! Die Fälle der Anwendung des H 41 des Strafgesetzbuchs mehren sich in letzter Zeit. Ein Beispiel aus den letzten Wochen: Der kgl. Professor und Präsident der Sezession in Berlin, Lovis Corinth, hat ein Gemälde »Perseus und Andromeda« geschaffen. Ein — borribile üictu — allerdings unbe kleidetes Weib steht auf dem Körper eines erschlagenen Drachen, neben ihr befindet sich ein vollständig in einen Panzer gehüll ter Krieger, im Begriff, ihr von rückwärts einen Mantel über zuwerfen. Ein Prachtbild, von dem es auch in der künstlerisch ausgezeichneten Reproduktion des Verlags der »Jugend« ein fach unverständlich erscheint, wie es das Sittlichkeitsgefllhl irgendwie und bei irgendwer» verletzen kann. Im Jahre 1909 ist diese Reproduktion in der »Jugend« erschienen, lind im Jahre 1911 gab sie der Verlag der »Jugend« mit anderen künstlerischen Reproduktionen als farbige Postkarte heraus. Diese Jugendpostkarte befand sich mit einer Anzahl anderer Karten, von denen manche äußerst geschmacklos, manche auch im Sinn unserer derzeitigen Rechtsprechung unzüchtig waren, im Schaufenster eines kleinen Buchhändlers. Ein Schutzmann konfiszierte die Auslage, die Strafkammer verurteilt den Buch händler zu einer Strafe und spricht zugleich aus, daß sämtliche Exemplare der Vorgefundenen Karten, nicht nur der geschmack losen, nicht »nr der unzüchtigen, nein, auch der erwähnten Jugendpostkarte, und nicht nur bei dem angeklagten Buch-