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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.08.1915
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1915-08-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19150811027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1915081102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1915081102
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-08
- Tag 1915-08-11
-
Monat
1915-08
-
Jahr
1915
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Leipziger Tageblatt MtttwolN. N. LlUgUV l915 veile 2. nr. E Nveno-Nusgave vom italientfthen Kriegsschauplatz Dem „Berl. Tagebl." wird aus dem Kriegspresse, quartier Südwest berichtet: Die beiden extremsten Formen des Kampfes, schwerer Geschützkamps und der Indianerkrieg der Patrouillen, finden sich hier. Die Italiener beschicken die österreichi» scheu Sperrforts über Berge von 2000 Meter Höhe hinweg mit schweren Kalibern. Da ihre Ar- tilleriebeodachter gute Fernsicht haben, entbehrt ihr Feuer nicht einer gewissen Sicherheit. Dieser Vor teil wird wettgemacht durch die glückliche Lage der österreichischen Werke und durch die Unerschüt. terlichkeit der Besatzungen. von -er kaukafusfront vtd. Petersburg, 11. August. Kriegsbericht des Generalstabes der Kaukasusarmec. Am 8. August warfen wir im Passinetal die Angriffe auf der ganzen Front zurück. Ein erbitterter Kampf entspann sich um die Besetzung des Merg- hemier-Passes, den unsere Truppen trotz der wütenden Angriffe des Feindes sortnahmen, der in Unordnung nach Lüden -uriickging. In der Richtung des Euphrat bemächtigten sich unsere Truppen, die den zurückweichenden Türken auf den Fersen blie ben, nach Kampf der Stellungen non Palautcken und erebutcten zwei Geschütze mit Protzen, eine Menge Granaten, Wasien, eine Telcphonieanlage und einen Zug Kamele und machten Gefangene, darunter den Kommandanten eines Infanterie Regiments und vier Offiziere. Unsere Kolonnen, die die Türken ver folgen, machen unaufhörlich neue Gefangene. Englischer Erpresiungsverfuch «am. Bukarest, 11. August. sEig. Drahtnachricht.) Charakteristisch für die vom Bi er verband be folgte Methode ist der Umstand, das, in Athen einen Tag, bevor die Kollektivnoten überreicht wur den, die Nachricht verbreitet war, wenn das Kabi nett Eunaris seine deutschfreundliche Haltung beibe halte, werde England Mqtilene nicht mehr herausgeben. Gegen -ie Einführung -er Wehrpflicht in England ntk. London, 11. August. „Daily Ehronicle" er hebt in einem Leitartikel Einspruch dagegen, dag England wegen desFalles von Warschau die Wehrpflicht einführen müsse. Die Anwerbung schreite gut fort, das Heer bekomme soviel Leute, wie es ausrllsten und ausbilden könne. Es sei unrichtig, das, die Einführung der Wehrpflicht grossen Eindruck aus die Verbündeten machen werde. England sei eine Insel, die Flotte habe daher in erster Linie den Anspruch aus die Hilfsquellen an Menschen und Geld. Zur Lage in Portugal tu. Madrid, 11. August. Der „Imparcial", der über die politischen Verhältnisse Por tugals gewöhnlich gut unterrichtet ist, widmet seinen letzten Leitartikel der portugiesischen Präsidentenwahl. Er meint, im Gegensatz zu der letzten Präsidentenwahl habe cs diesmal einen freien Wahlkampf gegeben, was einen gewissen Fort schritt in der inneren Politik Portugals bedeutet. Der „Imparcial" ist der Ansicht, Machado sei als Anhänger des aktiven Eingreifens in den Krieg gewählt worden. Angriffe auf -en Präsidenten un- -ie Negierung -er vereinigten Staaten tu. Gens, 11. August. „Petit Parisien" meldet aus New Park, datz die deutsch-amerikanische Wochenschrift „Vaterland" eine sensationelle Nummer hat erscheinen lassen. Sie stellt die Politik von Prä sident und Regierung klotz und richtet einen Auf ruf an alle diejenigen, deren Inspirationsquellen nicht ausschließlich London sind. Der Aufruf warnt vor Krieg, nimmt Stellung gegen die nächsten Wahlen und greift den Minister, die Mitglieder der Regierung, die Senatoren an. Die Vereinig ten Staaten könnten keinen Krieg nach autzen führen, ohne den Bürgerkrieg zu entfesseln. ^apan un- Ehina tu. Paris, 11. August. Der „Eclair" meldet aus Peking, datz der japanische Gesandte bei der chinesischen Regierung gegen die antijapanische Bewegung die in China immer stärker werde, protestierte. Eine Ansprache -es Zürsien Sülow wtb. Hamburg, 11. August. Gestern nachmittag hielt Fürst Bülow beim Einzug in sein neues Heim an der Elbchaussee in Erwiderung auf den Willkommensgrutz einer zahlreichen Menschenmenge eine Rede, in der er n. a. sagte: „Unser aller Au^en sind auf unser Heer und unsere Flotte gerichtet: unsere treuesten Gedanken und heitzen Wünsche begleiten und umgeben unsere kämpfenden Brüder in Bewun derung für ihre heldenmütigen, unvergleichlichen Leistungen, mit felsenfestem Vertrauen und in voller Zuversicht auf den Endaus - gang. Niemals in seiner tausendjährigen Geschichte hat sich das deutsche Volk jo geschlossen und ent schlossen, so tüchtig und so grotz gezeigt wie in diesem Kriege. Wir neigen in Ehrfurcht das Haupt vor solcher Grütze, überzeugt, datz sol chen Eigenschaften, jo echter schlichter Grütze der Sieg nicht fehlen wird, und nach dem Siege e i n s i ch e r e r, stolzer Friede, würdig der heroischen An strengungen und der ungeheuren Aufgabe. Die Rede schloss mit einem Kaiscrhoch. Eise ne Kreuze Das Eiserne Kreuz zweiter Klasse erhielten ferner verliehen: der Hauptmann und Instruktions offizier des Ausbildungskommandos der Feldartil lerie in Jüterbog Karl Fleck, der Leutnant Walther Lohse, Mitinhaber der Firma Gustav Lohse in Berlin, der Leutnant in einem Feldartil- lerie-Negiment Dr. iur. Richard Seebach aus Berlin, der Assistenzarzt Dr. Emil Salomon aus Löcknitz i. Pomm., der Direktor der ostasiatischen Kunstabteilung der Königlichen Museen in Berlin Dr. Kümmel (er wurde gleichzeitig zum Haupt mann befördert), der Konteradmiral Holzhauer, der Fregattenkapitän z. D. Eercke, der Untcrsce- bootsmajchinist Ketelsen, der Obersteuermann Bauer aus Berlin, der Sergeant Hermann Nehrkorn aus Anderbeck im Harz, der Kriegs zahlmeister einer Feldtriegskasse Georg Tzer» linski aus Berlin-Steglitz, der Zahlmeister Kleinschmied aus Köln-Nippes, der Gefreite in einer Pionierkompanie Oberlehrer Dr. Hein rich Faßbender aus Köln, der Leutnant in der 3. Sanitätskompanie der 33. Infanteriedivision Hans Rob. Berndorff, Sohn des Amtsge richtsrats Berndorff in Ratingen, der Truppenarzt in einer Feldpionierkompanie Dr. Walther Red lich aus Breslau, der Offizierstellvertreter Hein rich Altmüller aus Erfurt, der Bataillonsarzt in einem Futzartillerie-Vataillon in der Champagne Spezialarzt Dr. Ball in aus Elberfeld, der Ma rineoberstabsingenieur Wadehn, der Korvetten kapitän Habedank, der Marinestabszahlmeister Kruse, der Kapitänleutnant der Res. d'O ttilie, der Oberleutnant zur See Rhode, der Marine- stabszahlmeister Koslowsky, der Leutnant und Bataillonsadjutant im Landwehr-Infanterie-Regi- ment 31 Urbach, Bruder des Oberingenieurs der Hann. Strassenbahn B. Urbach, der Felddioisions- pfarrer einer Neservedivision Oester! ey, bisher an der Luthcrkircbe in Hannover, der Gendarmerie wachtmeister Becker aus Burgdorf (er erhielt autzerdcm das Oldenburgische Verdienstkreuz). Kleine krieysnachrichten ' Das Munitionsgericht in Glasgow ver urteilte 28 Arbeiter wegen Streikens. 300 Glasarbeiter kündigten den Arbeitsver trag, weil die Arbeitgeber eine Zulage von 3 Schilling für die Woche verweigerten. Die meisten der beteiligten Firmen arbeiten für die Regierung. * Der rumänische Gesandte von Paris abgereist. Wie aus Paris gemeldet wird, ist der rumäni sche Gesandte abgcreist. Man nimmt an, datz die Abreise mit der endgültigen Entschei dung Rumäniens zusammenhängt. Nach Aeutzerungen der rumänischen Presse wird d'e herr schende unklare pc>kittfche "Stintmnn'q' nach'Herein-- brinaung der rumänischen Ernte entschieden werden. * Den amerikanischen Schlachtschiffen „New Hamp shire" und „Louisiana" ist befohlen worden, sofort nach Veracruz abzuflehen, wo Unruhen gegen die Fremden befürchtet werden. Kriegsbil-erbogen Von Leutnant d. L. Dr. Rudolf Dämmert. XXIV. der vierbeinige kriegskamera- (2.) Die Blutsbruderschaft zwischen dem Men schen und dem Pferde, die in den Schlachten früherer Kriege geschlossen wurde, ist in diesem Feld zug aufs neue besiegelt worden. Der Mobil machungsbefehl vom 1. August 1914 hatte auch die vierbeinigen Berlandsverteidiger unter die Fahnen gerufen und st« haben dt« Freuden und Leiden des Feldzuges zur Genüge zu kosten bekommen. Sie haben die schönen warmen Ställe zu Hause tauschen müssen mit dem Notquartier, das der Zufall bot, und manche lang« Nacht unter freiem Himmel in Kälte und Regen verbracht. E» gab hungrige Zeiten und Tage, wo die letzte Kraft von ihnen gefordert wurde. Aber manchmal war das Glück auch hold. Man kampierte in behaglichen Bauernstuben oder gar in städtischen Salons, fand Weiden mit aller hand Leckerbissen, wo man sich sielte und Purzel bäume schlug. Man schlotz sich mit der ganzen In brunst der Pferdejeele an vierbeinige Kameraden an, die einem sympathisch waren, nach denen man sich bangte, ote man mit Wiehergeheul begrützte, mit denen man sich neckend und beitzend die Zeit vertrieb. Aber manchmal schien es, als sei die ganze Mensch. . heil verrückt geworden. Da hietz es, mit schweren donnernden Wagen in Staub oder Schmutz wie die wilde Jagd durch Kolonnen rasen oder es ging mit' bebenden Sinnen in einen Höllenspuk von Lärm und Feuer dem Todesahnen entgegen. Alle Schrecknisse" der Vernichtung, Entbehrung und Nervenmarter, Verwundung und Tod müssen unsere vierbeinigen Kriegskameraden miterduldcn, ohne die erlösende Erkenntnis „wofür", ohne die Berheitzung des Sieges jubels. Nichts ist geeignter, ein kameradschaftliches Zu sammengehörigkeitsgefühl zu befestigen und zu ver innerlichen, als eine Schicksalsgemeinschaft in schweren und ernsten Tagen. Ick wohnte einmal einer schmerzensvollen Stunde bei, als ein Ober- ' leutnant, der in die Heimat reiste, sich von den Pferden seiner Abteilung verabschiedete. Die Tränen standen ihm in den Augen. Von jedem ein- zelnen wie von ans Herz gewachsenen Kindern nahm er Abschied. Er kannte sie alle mit ihren Schwächen und Vorzügen, ihr Wesen, ihre Launen, ihre Krank heiten, die ihm manchen Kummer bereitet. Sie waren mit seinen Kriogserinnerungcn verwoben, mit seinen tiefsten Erlebnissen. Schon der Selbst erhaltungstrieb veranlatzt die berittenen Truppen, . bei der Raft zunächst aus die Unterbringung, Fütte rung und Tränkung des Pferdes bedacht zu sein. Dann erst kommt die Sorge um das eigene Ich. Am liebsten schläft man bei seinem Pferde. Da ist es warm und da ist man vor Ungeziefer sicher, das be kanntlich den Pferdegeruch nicht verträgt. Da hat man auch Kewitzheit, datz dem getreuen Kameraden nichts zustötzt. Man kann im Felde täglich aller liebste Bilder dieses innigen Zusammenlebens sehen. Es ist selbstverständlich, datz auch die Heeres leitung der Pferdepflege ständig ihre grötzte Fürsorge zuwendet. Die Erfahrungen dieses Krieges haben vielfach neue Einrichtungen entstehen lassen, sanitäre Organisation nach dem Muster, wie sie im Kriege für den Menschen vorge sehen waren. Gleich die ersten Wochen des Feld zuges mit dem blitzartigen Vormarsch in Frankreich stellten an die Pferde die ungeheuerlichsten Anforde rungen. Es hat sich dabei gezeigt, datz die vermeint liche Verweichlichung des Pferdes durch übertriebene Pflege und Schonung, die im Frieden vielfach ge tadelt worden war. die Leistungsfähigkeit der Tiere nicht vermindert hatte. Die grötzere Abhärtung im Verlauf der langen Kriegsmonate ist ihnen freilich im allgemeinen recht gut bekommen. Die Truppen selbst haben ja die gleiche Erfahrunq gemacht. Als sich dann im Westen der Stellungskrieq entwickelte, traten auf den dortigen guten Straften an die Stelle der tierischen Zugkraft vielfach das Automobil und die Feldbahn. Auch die Kavallerie verschwand im Schützengraben. Gewaltige Aufgaben aber erwuchsen unseren Pferden auf dem östlichen Kriegsschauplatz. Hier lebte der frisch-fröhliche Reiterkrieg- in einem Kampfgebiet mit aewalstgen Entfernungen auf. Hier wurde das Pferd das haupt sächliche Bewegungsmittel. Die traurigen Wegever- bältnisse, der Mangel an Eisenbahnen machten den Munitions- und Verpflegnngsersatz von der Lei stungsfähigkeit unserer Pferde abhängig. Nur auf wenigen Straften war zur Regenzeit ein Autoverkehr möglich. Bestand der Truppen, die Fortführung der Operationen waren auf die Zuverlässigkeit unserer getreuen Kameraden angewiesen, die unter den grundlosen Straften, dem Mangel an Trinkwasscr und oft auch an genügendem Futter schwer genug litten. Man kann schon heute feststellen, datz sich unser Pferde material glänzend bewährt hat, sowohl das Warmblut für die Kavallerie als auch das 8>j M M Mm Helne... Roman von Erica Grupe-Lörcher. CXaLKnuk verboten) „Ja, wirklich wie im sturm. Es kam über mich wie ein Sturm, der mich fortriß und nicht zur Besinnung kommen lies). Er war mir ja vom ersten Tage an ganz besonders spmpathisch. Seine liebenswürdige verbindlich Art hak ja auch andere, z. B. Madame de Montelct, so ent zückt, das; sie ihn allmählich ganz als maiiro cke ploisir ins Haus zog." „Ja, ihr Frauen lasst euch ja zu leicht vou der höflichen nud liebenswürdigen Form bestechen. Wir Manner sind da unter Geschlechts genossen kühler und scl-ärser blickend. Auch ich habe Dr. Wegcrl» immer als einen sehr liebens würdigen Menschen betrachtet, der zugleich ein guter Gesellschafter ist Aber ich habe mir nie verhehlt, das; er etwas von einem Irrlicht in seinen Augen hat und durchaus kein unbedingt zuverlässiger noch ernster Charakter ist. Niemals hätte ich dir zngeraten. Ich hätte dich ja nicht ernstlich abhaltcn können, aber mit aller Ueber- zeugung hätte ich dich gewarnt Du bist eine viel zu tiefe und zu ernste und im Grunde «gediegene Natur, um dich eventuell in jeder Lebenslage mit einem so durchaus anders gearteten Cha rakter glücklich zu fühlen. Das hast du wohl gefühlt und deshalb hast du dich nicht mit mir verständigt." „Das stimmt, aber auch andere Gründe wa ren eS. Charlot hat mich inständig gebeten, niemanden cinzuweihen. Ich hatte ihn so lieb, daß ich alles, alles für ihn hätte tun können. Ich war wie berauscht von dem Bewußtsein, daß mich jemand so sehr liebte, wie er mich liebte. Ich l-atte solche Sehnsucht nach einem eigenen Glück und nach einem eigenen Heim —" „Das hätten auch andere dir bieten kön nen, Lilian. Charlot Wegerls wäre nicht der einzige gewesen," unterbrach er sie saft heftig, denn plötzlich tauchte der Gedanke an Ebeling in ihm auf. „Du kannst dir ja nicht denken, Albert, wie groß und wie tief die Liebe einer Frau wachsen rann! Anfangs hatte ich die Empfindung, daß Charlot mich stärker und heißblütiger liebte, als ich ihn. Ich war zuerst ganz befangen, fast bestürzt von dieser Leidenschaft, mit der er mir gegenüberstand. Aber dann hatte er meine Liebe zu erwecken verstanden. O Gott, wie habe ich ihn geliebt, und wie fürchterlich ist cs sür mich, daß auch mich nun das gleiche Schicksal wie manche andere Frau trifft: daß meine Liebe zu ihm die Wendung meines Lebens, der Inhalt meines Lebens wurde. Für ihn aber wurde cs nur eine Episode. Und siehst du, daran zer brechen so viele von uns Frauen." Er hörte, daß aus ihren Worten ein frischer Schmerz sprach, daß sic noch am Anfang eines schweren Kampfes stand. Da wollte er ihr ihre seelische Kraft nicht durch Vorwürfe schwächen. So ließ er sic ruhig wcitersprecheu, um Auf klärung zu erhalten und auch, um ihr in der Aussprache eine gewisse Erleichterung zu geben. „Kein Mensch sollte davon wissen, und wir haben den Plan in aller Heimlichkeit durchge führt. Auch er machte seinen Eltern keine Mit teilung, die damals in Algier waren Weil ich das deutliche Bewußtsein hatte, daß ich nie mandem ein Unrecht zufügte, wenn ich der inne ren Ucberzeugung folgte, bin ich seinem Wunsche gefolgt. Dazu kam die brohende politische Lage. Du weißt, wie sich damals das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland zuspitzte. Wie ernstlich man auf beiden Seiten an einen Kriegsfall dachte und wie wir gerade hier im Elsaß in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Im Kriegsfall hätte Charlot sofort mit ein- rücken müssen. Vielleicht wäre er mir für immer entrissen worden, ehe wir uns vereinigt hätten. Alles das stand droheno und schwarz vor uns. Ich sah ein, wie er mir das alles auseinander- setzte und weil ich so an ihn glaubte und ihn liebte, daß unsere Verbindung herauSzuschieben nicht nötig war. Als dann durch diese ganz überraschende Wendung die politische Lage sich besserte, waren wir bereits verheiratet. Auch stand ja seine Berufung an die Leitung dieser staatlichen Blindenanstalt unmittelbar bevor und dann hätten wir mcht gezögert, mit unserer Heirat als fertiger Tatsache herauSzutreten Wen ging es schließlich au, wen ich heirate und was ich tue"? Du weißt, daß der Be kanntenkreis unserer Eltern fast lauter alte Leute find, mit denen wir keine ernstliche Verbindung mehr haben. Meine nächsten Freundinnen haben sich nach auswärts verheiratet. Auch du wür dest ja, wenn du dich wirklich ernstlich verliebtest, dich nicht durch mich abhalten lassen und keinen Kampf scheuen." „Nein, das würde ich nicht, da hast du recht. Ich stehe schon im Kamps und Schwierigkeiten. Auch bei inir ist cs ja das Ringen um eine Elsässerin. Aber Uvette wird fest zu mir halten!" lieber sein Gesicht, das unter den langen ge senkten Wimpern immer etwas Ernstes, Nach- deuklichcs hatte, ging ein eigenes Leuchten, als er von Pvctte sprach. Aber im nächsten Moment wurde er wieder ernst. „Es ist sonderbar, daß wir Deutschen, die wir uns siegreich dieses Land nnd diesen Boden erobert haben, einzeln immer noch um eine Heimatberechtigung kämpfen müssen!" „Das ist es un Grnnde auch bei mir, ich bin fest überzeugt, daß unsere Ehe auch weiter eine durchaus glückliche und ruhige geworden wäre. Charlot war in den letzten Jahren ein Kind des heutigen Elsaß geworden, das heißt, er hatte sich die Anschauungen der jungen Gene ration im Elsaß angeeignet: Daß man sich, auch zum eigenen Vorteil, in gegebene Verhältnisse fügte, ohne als Elsässer seine Individualität ganz aufgeben zu müssen. In dieser Auffassung schloß er die Verbindung mit mir. Da stirbt plötzlich sein Onkel, mit dem er sich im ganzen gut gestanden, und seine Eltern kommen schleu nigst von Algier zurück, um sich ja nicht in der Erbschaft betrogen zu sehen. Der alte Onkel Ca mille, dessen du dich vielleicht noch als des Be- itzers des Pastetenaeschäfts erinnerst, war nicht ehr gut auf seinen Bruder, den Vater von Char- lot, zu sprechen. So hat er Charlot den größ- en Teil seines Vermögens vermacht. Ein Teil ist Charlots Eltern zugcfallen. Doch hat er in einer Klausel bestimmt, daß, wenn Charlot eine Deutsche heirate, er des ererbten Geldes ver lustig gehen würde und das Geld an entfernte Verwandte fallen solle, so daß es auch den Eltern von Charlot nicht znkommt." Albert erhob fick, plötzlich und begann un- ruhig im Zimmer auf und ab zu gehen „DaS ist eine ganz unglaubliche Klausel! Hatte denn der Onkel von Charlot Kenntnis von euren Beziehungen?" „Er scheint geahnt zu haben, daß Charlot sich für mich interessierte. Daß wir schon ver- heiratet seien, ahnte er natürlich nicht. Aber um dieser Möglichkeit vorzubeugen, setzte er noch zufällig wenige Tage vor seinem Tode diese Klausel ins Testament. Er glaubte seinen Nef fen zu kennen und er hat sich nicht in ihm ver rechnet." Während Albert langsam im Zimmer auf und ab ging, erzählte sie ihm die ganze Weiter entwickelung der Angelegenheit: Tie Einzelheiten des Testaments und der pekuniären Fragen, oas Auftauchen der Eltern von Charlot, ihren ersten Besuch bei Charlots Eltern. Die herzlose ab lehnende Art seines Vaters. Die eirmeschüchterte Unbehilflichkeit seiner Mutter. Tann den Ueberfall des Vaters in ihrer Wohnung, nach dem er in den Beziehungen seines Sohnes zu ihr Verdacht geschöpft und das Verlangen, daß sie seinen Sohn wieder freigeben solle. Ta blieb Albert plötzlich vor ihr stehen: „Aber das ist ja ein Unding. Ueberhaupt käme es darauf an, ob das ganze Testament nicht anznfechten wäre." „Gewiß, das ist auch mein Eindruck, über haupt wäre ja bei gutem Willen ein Ausweg zu fittdeu. Aber der Vater von Charlot hat ja einen so glühenden Haß gegen mich als Deutsche und gegen meine deutsche Art, daß ihm diese ganze Erbschaftssachc ein willkommenes Mittel zum Zweck ist und er mich unter allen Umständen aus der Familie geschafft haben will. Dazu kommt, daß er ein ungemein herrischer Charakter ist und unbedingte Unterwerfung verlangt. Es empört ihn, day Charlot, trotzdem er ihm in pekuniärer Hinsicht wahrhaftig nicht imponieren kann, sich ohne sein Wissen und ohne seine Hilfe eine Lebensgefährtin gesucht hat." „Tas Schicksal begegnet doch auch andern Eltern, und bei gutem Willen auf beiden Seiten endigt eS in den meisten Fällen mit Harmonie und gegenseitigem friedlichen Dulden." „Gewiß, dann ist aber auch der Mann ein Charakter, der es mit einem Kampf in einer guten Sache aufnimmt. Das ist Charlot jedoch nicht. Ich habe an ihm als Mensch eine so fürchterliche Enttäuschung erlebt, daß ich see lisch an dieser Enttäuschung um ihn fast ge storben bin." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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