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Nr. 255. — 8.11. 85 Nr. 255. — 3. 11. 35. Schreiben in seine Brusttasche und das Photo des Defraudanten in die link« Jackentasche, um es stets griffbereit zu haben. Zu keinem Menschen sprach der Generaldirektor von der Sache. Er schellt« nach den Zeitungen I Der Voy schleppte einen Stob Morgenblätter herein. Moeller durchflog die Setten. Hier: Die Echisfahrtslinien! Da stand es: „Morgen um 11 Uhr wird der „Leviathan", d«r eine gute Reise Uber den Ozean gemacht hat, im Neuyorker Hafen einlaufen." Am Kai standen viele Menschen. Es war das gewohnte Bild, wenn ein Ozeanriese aus Europa kam. Generaldirektor James A. Moeller Überflog den Strom der Ankommenden! Da, der grotze blonde Herr, das mußte Lefsert sein. Er hatte den Echlapphut tief ins Gesicht gezogen, was ihm bei seiner Gröhe wenig nutzte. Moeller trat näher. Wirk lich, es war der Defraudant! Unverkennbar dies« gewaltige Größe! Und da war auch der Schmitz! Der Generaldirektor Moeller trat an den Prokuristen heran. „Habe ich die Ehre mit Herrn Prokuristen Lessert aus Berlin?" fragte er leise. Der Direktor sah, wie der Defraudant zusammcnzuckte. Dann sagte er mit einer Hellen Stimme, die in seltsamem Widerspruch zu der gigantischen Körpererscheinung stand, eben so leise: „Jawohl! Womit kann ich Ihnen dienen?" „Würden Eie mit mir kommen, Herr Lessert?" fragte der Direktor. Der Prokurist sah fragend und argwöhnisch unter der Hut krempe hervor und auf Moeller hernieder, der trotz seiner Erötzs von ein Meter achtzig klein gegen den Riesen aus Berlin wirkte! „Zu welchem Zwecke? Sind Sie von der Polizei?" fragte Lefsert. Der Direktor lachte. „Nein! Im Gegenteil! Es ist zu Ihrem Besten, wenn Sie mitkommen I" „Gut!" sagte Lefsert mißtrauisch und folgte dem Direktor in das Auto. Nach kurzer Zeit saßen sich die beiden Herren im Arbeits zimmer des Generaldirektors gegenüber. Moeller begann: „Was würden Sie sagen, Herr Lefsert, wenn ich auf diesen Knopf hier auf meinem Schreibtisch drückte und durch jene Tür dort kämen zwei Neuyorker Kriminalbeamten, um Sie wegen Unterschlagung von dreihunderttausend Mark Effekten zu ver haften?" Lefsert fuhr auf. „Eine infame Fallet" zischte er. Der Direktor lachte: „Beruhigen Eie sich, lieber Freund, keine Falle, nur ein Geschäft!" „Was soll das heißen?" fragte Lefsert, „wollen wir etwa Halbpart machen?" „Keine üble Idee, mein Lieber, aber für mich zu gefährlich, da ich Rücksichten auf meine Position als Generaldirektor zu nehmen habe! Aber kommen wir zur Sache! Hier, lesen Sie diesen Brief Ihrer Firma!" Der Direktor gab dem Prokuristen das Schreiben aus Berlin. Der las langsam, Wort für Wort! Dann ließ er den Brief sinken und sagte: „Ein schlechtes Geschäft, dreihunderttausend zu zwanzigtausend Mark! Da ich aber in Ihrer Macht bin, muß ich schon akzeptieren!" „Brav, mein Lieber!" sagte Moeller, und reichte ihm seinen Füllfederhalter für den schon vorbereiteten Revers. Dann händigte der Prokurist dem Generaldirektor das Paket mit den Kalipapieren ein und empfing fünf Stück Tausend-Dollar-Scheine. „Kann ich keine kleinen Scheine bekommen?" fragte Lefsert. „Das ganze Geld?" „Wenn es geht, bitte ich darum!" „Schön!" Der Direktor klingelte nach einem Beamten und ließ sich die fünf großen Scheine in lauter kleines Geld Umtauschen, das der Prokurist in seiner Reisetasche verstaute. „Dann darf ich mich empfehlen?" fragte er und stand auf. „Es war mir eine Freude, Herr Lessert! Und alles Gute für die Zukunft!" sagte der Generaldirektor, sich gleichfalls er hebend. Als der Prokurist gegangen war, entwarf Moeller ein Kabeltelegramm: „Auftrag Prokurist Lessert soeben nach Wunsch ausgcführt! Wohin die dreihundert Mille senden? Debet-Konto mit zwanzig Mille auftragsgemäß belastet. Brief mit Einzelheiten folgt. Moeller." Am Nachmittage präsentierte der kleine Voy, der stets die Briefschaften in das Zimmer des Bankaewaltiaen trua und Bratens wohl das beste sei. Aber die Natur hat es sehr weise eingerichtet: damit sich nicht alle um dasselbe Stück streiten müssen, hat sie die Geschmäcker verschieden ge schaffen. Der eine liebt die Keule, deren hochragendes Bein wie ein Monument auf dem Teller steht, der andere verschmäht das Kuochenbeklauben und ergötzt sich an der zarten Brust mit ihrer knusperigen Schwarte. Manche halten für dis Krone aller Herrlichkeiten dieses Bratens den „Bürzel", den Achtersteven dieses angenehmen Tie res, der fettig, fest und knusperig zugleich die Zungen erfahrener Feinschmecker in einen Wonnetaumel ver setzt . .. Wenn die Gans richtig gebraten ist! Das ist die Voraussetzung für jeden Genuß am Gänsebraten. Man kann eine Gans „hart" lassen, so daß man die Knochen nicht auseinnnderkriegt. Man kann sie aber auch zum Zerfallen bringen . . . Kurzum: Jene boshaften Zungen haben Unrecht, die im Zusammenhang mit der Gans das weibliche Geschlecht in herabsetzender Weise erwähnen. Im Gegenteil: Gerade beim Gänsebraten erkennt man mit Hochachtung die Schwierigkeit und Bedeutung weib licher Künste .. . Für die Olympiade sollte man einen Wettkampf in Gänsebraten veranstalten! Das wäre doch einmal ein echt weiblicher Wettkampf! Oder will man behaupten, der IVO-Meter-Louf, der Speerwurf und das Turmsprin gen seien echt weibliche Wettkämpfe? Man schaue sich doch einmal die Muster weiblicher Schönheit an, die durch diese Sportarten erzeugt werden! Wie viel lieblicher als eine Sprinterin, die mit energieverzerrtem Gesicht durchs Ziel geht (und vor deren Leistung wir an sich vollste Hochachtung haben) wäre doch eine holde Fee in der Küchenschürze, die den Kampfrichtern zart errötend einen Gänsebraten präsentieren würde! Sächsische Volkszeitung Seite 10 Der blinde Neister / vo» «on dem Meistersinger Hans Sachs auf di« Kunstschätze in de, Sebalduskirche aufmerksam gemacht, erschien der junge Easteiner Martin Lodinger jeden Morgen in diesem Gotteshaus. Er ging in die Kirche wohl auch, um dort in Andacht zu ver weilen, am meisten hatte es ihm aber das Eebaldus-Erab an getan. Stundenlang verharrte er vor dem Meisterwerk Peter Bischer» und studierte alle Einzelheiten des Grabmals. Jedes mal verließ er voll der tiefsten Eindrücke die Kirche, ohne je doch die übrigen zahlreichen Kunstwerke auch nur eines Blickes zu würdigen. Eines Morgens aber lernte er auf recht merk würdige Weise das große Kruzistl und seinen Schöpfer kennen. Auf seinem gewöhnten Gang in die Kirche hatte er vor sich einen blinden Greis entdeckt, der sich mit seinem Stock vor sichtig vorwärts tappte, mit erstaunlicher Sicherheit aber das Gotteshaus betrat und dann mit raschen Schritten dem Hochaltar zuschritt. Dort stieg nun der Alte ohne jede fremde Hilfe die Stufen empor. Dann kniete er vor dem Kreuze nieder, begann zuerst die Flltze des Gekreuzigten zärtlich zu streicheln und tastete sich immer höher empor, bis zum dorngekrönten Haupte hinauf. Dies alles halte der junge Geselle mit Erstaunen beobachtet und wunderte sich, daß dem Blinden niemand wehrte. Ein an derer Kirchenbesucher, der in Lodinger wohl den Fremden er kannt haben mochte, trat nun auf ihn zu und erklärte bereit willigst: „Der Greis ist vor Jahren erblindet. Seither kommt er täglich um diese Stunde in die Kirche, um sich seine» letzten Kunstwerks zu erfreuen." „Seines letzten Kunstwer/s?" horchte der junge Gewerke überrascht auf. „Ja, wer ist er denn?" ,^Das ist Meister Veit Stoß," gab der Nürnberger stolz zurück. „Der berühmte Bildschnitzer und Maler, von dem viele Kunstwerke vorhanden sind." „Veit Stotz ist das?" staunte Lodinger. „Stammt nit das große Schnitzwerk, der englische Gruß in der Lorenzenktrche, auch von ihm?" „Ja, das ist auch eines seiner Meisterwerke," bestätigte der Nürnberger und fuhr mitteilsam fort: „Dieses Kruzifix da ist sein letztes Werk, an dem er viele Monde lang Tag und Nacht gearbeitet hat. Und als er damit fertig war, ist mit einem Male auch sein Augenlicht erloschen." Inzwischen war der Blinde von dem Altar wieder her abgestiegen und schickte sich eben an, die Kirche zu verlasse». Einem inneren Drange folgend trat ihm Martin Lodinger ent gegen und sprach ihn an: „Meister Veit Stotz, vergebt mir, daß ich Euch aufhalte. Ich bin der Goldbergwerlsbesitzer Martin Lodinger aus Gastein und . . ." Er konnte aber den Satz nicht vollenden. Denn Veit Stotz begann plötzlich sehr aufgeräumt zu lachen und entgegnete: „So? Ein Güsieiuer Schatmräber leid 2br? Lab' schon viel gehört von den Gastelner Eoldbergen. Dort soll das Gold nit so rar sein, wie in Nürnberg, hab' ich mir sagen lasten." „Mit vieler Müh' und harter Arbeit," erwiderte Lodinger, „bringt man es eben schon aus dem Gestein heraus." „Was macht nit viel Müh' und Arbeit?" lachte der blinde Meister wieder. „Aber ihr in Gastein seid doch viel bester dran, denn ihr habt das Gold gleich in der Hand, sobald die Arbeit getan ist. In Nürnberg müssen sie erst mit harter Arbeit das Werk fertigstellen, und nachher haben sie obendrein noch die Müh', dafür das Gold hereinzubringen." Martin Lodinger war überrascht, wie Veit Stotz seiner Blindheit wegen nicht im geringsten bedrückt zu sein schien. Er hatte gedacht, einen mürrischen, menschenscheuen, mit seinem Geschick hadernden Unglücklichen vor sich zu haben. Nun stand er aber einem fröhlich scherzenden Menschen gegenüber. Der junge Gewerke konnte sich aber trotzdem nicht enthalten, einige Worte des Mitgefühls an den Meister zu richten. Dieser er widerte aber: „Ihr werdet's nit glauben wollen, Herr Schatzgräber, wenn ich Euch sag', daß ich um den Preis dieses Werks", dabei wies er mit seinem Stocke auf das Kruzifix, „mein Augenlicht nit zurücknehmen möchte. Denn so was gelingt nur einmal. Und die Erinnerung an dieses Werk und die Zeit seines Entstehens allein sind mir immerzu ein freundlicher Lichtstrahl in meiner Nacht." „Das mag schon sein", entgegnete Martin Lodinger. „Ihr habt aber auch noch andere Kunstwerke, die Ihr gewiß auch gern sehen wolltet?" Da richtete Veit Stoß seine erloschenen Augen zu dem jun gen Easteiner empor und begann: „Ja, ich Hao voryer woyl vieles Bildwerk geschnitzt und gemalt und in jedes meine Seele und mein Herz hineingegeben. Aber als mir das Aufgebot zuteil geworden ist, einen noch nie dagewesenen Erlöser am Kreuz zu schnitzen, da hab' ich mich dieser Aufgabe mit so heiligem Eifer unterworfen, wie noch nie zuvor bei meinem anderen Bildwerk. Bei jedem Morgen- und Abendgebet bat ich zu Gott, er solle mir die Kraft verleihen, daß dieses Werk der Heiligkeit des Gegenstandes würdig werden möge. Und ich hab' das Gelübde getan, daß ich nachher kein gleiches und kein schlechteres Werk mehr schaffen wolle. Und Gott hat mein Gebet erhört. Das Werk ist mir gelungen. Und damit ich mein Gelöbnis leichter halten kann, ließ mich der Allmächtige auf beiden Augen erblinden. Darum klag' ich nit und will auch nit beklagt werden. Nach vieler Tage Glück und Freude kann man wohl leicht eine Schmerzensnacht ertragen. Und die Zeit meiner Blindheit ist mir nur eine einzige Nacht, in der mir aber die Erinnerung an mein letztes Werk ein hell leuchtender Stern ist und auch bleiben mag." Damit verabschiedete sich der Meister von Martin Lodinger und humpelt« den gleichen Weg zurück, den er gekommen war, von allen Leuten ehrfürchtig angerusen und begrüßt. , daher vom Personal der „Post-Boy" genannt wurde, feinem Chef ein Kabel aus „Berlin": „Kabel unverständlich. Prokurist Lessert hier. Erbitten Aufklärung! Kredit-Berlin." Als am Abend die Reinemachefrau Jefferson das Zimmer des Generaldirektors James A. Moeller im „Standard-Haus" auf der Mayfairstreet in der 24. Etage ausräumen wollte, wunderte sie sich nicht schlecht, daß der Direktor alle fünf Trink gläser samt Flasche, das bronzene Tintenfaß und die schöne Porzellanvase auf dem Schreibtische gegen die Wand geworfen hatte. Denn überall lagen die Scherben herum! kur scliöne krauen gibt e8 kein ZVIter Der ungarische Dichter Maurus Iokai mußte einmal auf einer Gesellschaft den Trinkspruch auf die Damen ausbringen. Er schloß mit den Worten: „Mögen die schönen Frauen so lange leben, bis meine Haare grau werden." Das war nun eben kein frommer Wunsch, denn obwohl die Locken des Dichters noch schön braun waren, wußte man doch, daß er nicht mehr in seiner Ju gend Maienblüte stand. Als aber die Gesichter der Anwesenden lang und länger wurden und man nicht wußte, was man aus dem seltsamen Trinkspruch machen sollte, erhob sich der Dichter noch einmal, nahm seine Perücke ab und deutete damit an. daß seine Haare niemals grau werden würden, die Damen also ein ewiges Leben erwarten dürften. Irinkwasser — die jungte Wäkrun^ der Welt In dem zentralaustralischen Goldgräber gebiet von Tennanis Creek macht sich ein bedenklicher Mangel an Trinkwaster bemerkbar. Während eines Zeitraumes von sechs Monaten hat es nur ein einziges Mal Regen gegeben, und es existiert innerhalb eines Gebietes von mehr als 7S Kilo metern nur «in einziger Brunnen mit Trinkwaster. Er liegt fast 11 Kilometer von der Goldgräbcrstadt entfernt und ist so stark erschöpft, daß er nur noch Master spendet, wenn man Ihm eine Nacht lang Zeit gelüsten hat, frische Vorräte anzusaugen. Die Folge ist, daß allabendlich zahlreiche Einwohner sich mit Gefäßen und Becken aus den Weg machen, um die Nacht am Brunnen zu verbringen, damit sie morgens möglichst als erste noch Aussicht haben, sich einen kleinen Wasservorrat zu be schaffen. Die Knappheit hat das Trinkwaster zu einem so wertvollen Artikel gemacht, daß man geradezu von einer Wasser-Wäh rung sprechen kann, da man im Tausch gegen Trinkwaster nicht nur allerlei andere Bedarfsartikel erhält, sondern das Master sogar regelrecht gegen Gold getauscht wird. Kürzlich ließ sich ein Zimmermann für eine von ihm ausgcfllhrte Arbeit den Lohn in Gestalt von 80 Gallonen Trinkwasser (etwa 360 Liter) bezahlen und wurde viel darum beneidet, datz er diese jüngst« Währung der Welt erhielt. Solch Wettkampf friedlicher Künste würde gewiß zur Verständigung der Völker beitragen. Es braucht ja nicht gerade auf der Olympiade zu sein. Und es braucht nicht gerade der Gänsebraten zu sein. Aber da schon das Wort friedlicher Wettkampf gefallen ist: der letzte Sonn tag hat im Rundfunk einen solch friedlichen Wettkampf gebracht, der zum Schönsten gehörte, was wir je gehört haben. „Jugend singt über die Grenzen" hietz diese Sendung. Jungen und Mädchen fast aller Kulturvölker sangen Lieder ihrer Nation. Die Hitlerjugend — von der die An >gung ausgegangen war — Marschlieder; polnische Mädchen ließen mehrstimmige Volkslieder melo disch erklingen. Aus Australien klang ein lustiges Hühnerlied herüber, aus Frankreich ein fröhlicher Ka non. Hawai bot seltsam feierliche Lieder, an Orgslklang gemahnend, Spanien frische Gesänge, in denen das ganze Temperament des Südens lebendig war. Und so ging es fort . . . Durch ein kompliziertes Schaltsystem konnten die Hörer aller beteiligten Länder die Sendung gleich gut empfangen. Da werden die Eltern mit ihren Kindern überall an den Lautsprechern gesessen haben. Und eine Welle freundlichen Verständnisses für die anderen Völker, entsprungen der gemeinsamen Liebe zu den Kinder? des eigenen Volkes, flutete mit den Rundfunkwellen mit. Ein prachtvoll gelungener Versuch! Wie wäre es mit Sendungen ähnlicher Art zur Zeit der Olympiade? Auch die großen Tage des alten Olympia waren ja: „Kampf der Wagen und Gesänge . . Mer ich bin ganz vom Gänsebraten abgekommen. Da ließe sich freilich noch vieles sagen ... So wie das chönste Bild erst vollkommen wird durch den Rahmen, o wird der Gänsebraten erst vollkommen durch die Bei- aaen. Es gibt nur ein Gemüse, das des Gänsebratens würdig ist: Rotkraut. Und nur eine Beilage: Knödel. Kartoffeln zum Gänsebraten sind ein Stück Kulturver« fall . . . Für empfindliche Mägen freilich ist der Gänsebraten ein verschlossenes Paradies. Ebenso wie die Gänseleber, die als nicht geringerer Genuß zu loben ist. Aber wer Gans nicht essen darf, der soll es erst gar nicht versuchen. Gaumenfreuden mit Magenschmerzen zu bezahlen ist ein schlechtes Geschäft. Aber auch nicht neidisch fein auf an dere soll der so unselig Begabte: auch für empfindliche Mägen gibt es genug kleine Freuden ... Und endlich eine Selbstverständlichkeit: Nicht jeder kann sich in diesem Winter eine Gans als Festtagsbraten leisten. Auch nicht im Monat der Martinsgänse. Für viele, allzu viele steht der November nur im Zeichen der grauen Sorge. Dle andern aber, denen ein lichteres Los beschert ist, die sich im frohen Familienkreise um den Festtagsbraten versammeln können, mögen der Brüder in Not gedenken und aus dem Bewußtsein, datz jedes Glück zugleich eine Pflicht auferlegt, für die Winterhilfe opfern. Heitere und ernste, aber immer freundliche Gedan« Ken sind es, die eine solche Träumerei vom Gänsebraten uns nahebringt. Auch mitten in den düstersten November nebeln erinnert uns der amöne Aufmarsch der Gänse vor Martini daran, datz die Freundlichkeit und die kleinen Freuden dieser Welt noch nicht ausgestorben sind, und versöhnt uns so ein wenig mit den sonstigen Unbilden dieses Monats: Wir wollen dem November nicht mehr grollen. Mag er auch immer mit den Wolken tollen, Mag er auch über uns lustig aus vollen Fässern des Regens Wasserfluten rollen! Zu sanftem Lächeln glättet sich das Schmollen, Wenn wir den ersten Gänsebraten essen sollen!