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Nummer 239—34. Iakkg Dienstag, IS. Oklober 193S Die Spannungen London -Rom Aegypten ist für alle Kälte gerüstet LchrlsN-ttung: Dr«,b«n.P., PoNrrstr. 17, F-nuuf «711 «.11011 DeMsl-strll«, Druck und vrrlag: D«nnan!li Buchdruck««» imd vrrlag Th. und T. Winkl. Polkrstrahe 17, g-rnrus «011, Psstsch«ck: Rr. US», Banl: Stadtbanl vr««b«« Rr. «7«7 Kairo, 14. OKI. DI« Spannung in Aegypten ist nach Eröffnung der Feind seligkeiten in Abessinien weiter gewachsen. Der ägyptisch« Aus schuß zur Hilfeleistung für Abessinien ist mit einem Aufruf hervorgetreten, der von der Pflicht spricht, dem Nachbarn »in seinem Verzwelflungskampf zu helfen". Der Aufruf weist be zeichnenderweise auf die Tatsache hin, daß die Abessinier vor looü Jahren muselmanischen Emigranten geholfen hätten, er wendet sich also bewußt an das Dankbarkeitsgefühl der muselmanischen Bevölkerung Aegyptens. Der Auf ruf Ist vom Prinzen Omar Tussun unterzeichnet. Prinz Omar Tussun besitzt großes Ansehen in Aegypten und in anderen ara bischen Ländern. Er gilt als aktiver Verfechter panarabischer und panislamischer Ideen. Seine Namensunterschrift gibt dem Ausruf einen besonderen Wert. Die kriegerlsck^en Vorbereitungen Aegyptens nehmen ihren Fortgang. Besprechungen zwischen der ägyptischen Negierung und den britischen Amtsstellen häufen sich. Der Oberkommissar ist dauernd zwisrlsen Kairo und Alexandrien unterwegs. Allein diese Tatsacl»e wird in hiesigen politischen Kreisen als genügender Beweis dafür angesehen, daß ernsthafte Pläne In Vorbereitung seien und schwerwiegende Entscheidungen bevor st ehe n. Nach Zeitungsmeldnngcn sollen die englischen Mttnlche soweit gehen, daß sie alle im Zm Fall« von höherer Dewoll, «erbot, «tnlretender ««Hieb* pörungen hat der Bezieher oder werbungtretbend« «eine «» tprllck» lall, dl« Zeitung in deichräntiem Umlang«, oerlpLkt oder mn»1 erscheint. - Erlüliungsorl Dresden. - - - - Puris, 14. OKI. Der Genfer Sonderberichterstatter der französischen Nachrichtenagentur Havas meldet, daß sich der englische Minister Eden mit der Absicht trage, sich Mitte der Woche nach London zu begeben, um seiner Regierung Be richt iiber die letzten Beschlüsse des Völkerbundes zu er statten. Im Zusammenhang mit diesen Beschlüssen be hauptet der Berichterstatter, datz sich die englische Abord nung eingehend mit dem Gedanken eines Abbruches der diplomatischen Beziehungen mit Ita lien befasse. Hierbei scheine sie von den Dominions und auch von einigen anderen Mächten, insbesondere von Hol land, unterstützt zu worden. Wenn jedoch eine solche Maß nahme vorgeschlagen würde, so werde sie auf starken <krsch«I«» I mal wSchinttlch. Monatlich«' Bezug,pr«I« durch Tröger «Inlchl «> Pfg Hz». «0 Pfg. I'ögtrlohn 1,70; durch dl« Poll 1.70 «>n,chllegl,ch pollübuwNlungsgebühr. zuzllgllch »0 PIg Poll-Beftellgeld. «djUnumm«, 10 PIg . bl« Sonnabend». Sonnlag. und tzeptagnumm«, 10 Psg. ««riagsort Dresden. tln^lgenpr«ll«: »»« Upalllge » mm breit« Zell« « PK 1 >ür gamMenanzelgen b Plg. gllr Platzwiinlch« tönn«» wlr leln« Tewöhr l«lste». Kriegsfall wichtigen Einrichtungen Aegyptens überanwortet haben wollen, also Heer, Eisenbahnen, Hä sen usw. Durch den Suezkanal sind bisher nach verschiedenen Schätzungen 270 vag bis 30« ÜM Italiener befördert worden. Die Truppentransporte nehmen auch seht noch ihren Fortgang. — In maßgebenden Kreisen beurteilt man die Lage heute so, daß eine englisch-italienische Auseinandersetzung schwer zu vermeiden ist. Nach den hier verbreiteten Ver- mutungen werden aber die Feindseligkeiten nicht setzt beginnen, sondern erst durch immer stärker werdenden britischen Druck her- vorgerufen werden. Inzwischen rüstet man hier mit aller Kraft, um zu gegebener Zeit bereit und aus alles gefaßt zu sein. Die täglichen britischen Manöver verschlingen, wie hier betont wird, eine solche Summe von Geld, daß sie ohne bestimmte Absichten für später kaum zu rechtfertigen wären. Ein kurzer Besuch im Fllegerlager von Abukir bei Alexandrien zeigte tatsächlich auch etwa t>0 Kriegsmaschinen verschiedener Art auf dem Flugplatz. Ferner war ein dauerndes Kommen und Gehen aus der Lust und in die Luft zu beobachten. In der Bucht von Abukir lägen IN große sckmere Wasserflugzeuge. Im Flieger lager sind außerdem etwa 1l)0 riesige Kisten, die dem Transport von Flugmaschinen dienen, sichtbar. Die fieberhaften Vorberei tungen der Engländer gcsclpchen sedenlalls in aller Offenheit. Allerdings ist cs heute nicht mebr gestaltet, beispielsweise nach LülWsltze volksseiMM plomatisch schlichtete, sondern um Lebens- und Ehrentagen der Nationen ging. Der Revisionsartikel 1g führte ein Schattendasein, weil man fürchtete, daß der Präzedenzfall seiner Anwendung die Schleusen der Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten der Versailler Friedensstiftung össncn könnte. Man schuf keinen elastischen, sondern einen starren Frieden, und es traten nur zu bald Spannungs und Ueberdrulkerscheinungen aus, mit denen die (Senser Institution nicht mehr fertig werden konnte. Man darf auch nicht vergessen, daß der Völkerbundsvakt nicht jede Kriegsmöglichkeit ausschloß, daß er vielmehr nur eine lang wierige und verwickelte Prozedur schuf, an deren Ende sehr wohl der (egale Krieg stehen kann. Weiter ging bekannt lich die Kriegsächtung des Kellogg-Paktes, aber sie blieb eine feierliche moralische Deklamation, hinter der der gute Wille der Beteiligten, nicht aber ein völkerrechtliches Schlichtnngs- öder gar Entscheidungsverfahren steht. Wo man sich auf ihn in den sieben Jahren seines Bestehens be zogen hat — am nachdrücklichsten im fernöstlichen Konflikt — da blieb dieser Hinweis ein Feuilleton der Weltgeschichte, bestenfalls eine moralische Verwarnung oder Anklage. Der Krieg blieb, es kam nur darauf an, die Tatsache oder min destens die Schuldfrage zu verschleiern. Die Frage nach dem Angreifer allein eröffnete unabsehbare Möglichkeiten, nm jedem denkbaren Krieg den Charakter der nationalen Selbstverteidigung zu verleihen. Mussolini hat den Genfer Mächten die Verurteilung leicht gemacht. Es wäre ihm sicherlich nicht schwergesallen, aus dem Zwischenfall in Ual-Ual in allmählicher Steige rung einen Knäuel von gegenseitigen Uebergriffen und Rechtsverletzungen werden zu lassen, den kein Scht.dsrichtcr mehr hätte entwirren können. Er hat dieses Mittel ver schmäht, weil er über Genf hinwegschaute, weil er die Mächte vor die klare Entscheidung stellen wollte, ob sie dem wachsenden Italien Lebensraum gönnen wollen oder nicht. Er hat keinen Gebrauch davon gemacht, weil für den Fa schismus „der Krieg der Vater aller Dinge" ist und weil er in Abessinien den letzten noch gebliebenen kolonialen Le- bcnsraum für Italiens Land- und Rohstosfhunger sah. Mussolini hat einmal erklärt, daß nur der S aatsmann ein Imperialist sei, welcher mehr Raum für sein Volk be anspruche, als es brauche, während die normale Ausdeh nung des Lebensraumes ein Naturgesetz und Skaturgebot sei. Er sei geradeswegs aus fein Ziel losgcgangcn, er hat den Krieg gewissermaßen in der Retorte vorbereitet, und die ganze Welt war Zusckauer dabei. Wenn er in letzter Stunde, als der Genfer Himmel sich verdüsterte, dem Völ kerbund eine Chance gab und seinem Vertreter erlaubte, noch länger am Ralslisch zu bleiben, so mag diese Inkonsequenz ein Zeichen für wachsende Sorgen oder französische Einwirkungen sein, an dem Grundcharakter und der Grundanlage der Aküon ändert dies nichts. Es braucht nicht betont zu werden, daß man in Paris iiber diese Methoden einer neuen Kriegsdiplomatie wenig beglückt war und ein ganzes Kar tenhaus französisch-italienischer Bündniswiinsche zusammen brechen sah. Wie leicht es dadurch England wurde, die Gen fer Maschinerie in Bewegung zu fetzen, bedarf ebenfalls kei ner Erwähnung. Der einzige legale Ausweg, den Mussolini den Völkcrbundsmächten eröffnete, war die Proklamierung einer kolonialen Ctrafexpcdition gegen das unruhige und uneinige Abessinien, verbunden mit der Forderung nach sei nem Ausschluß aus der Genfer Gesellschaft. Dieser politisch und diplomatisch unzureichend vorbereitete Vorstoß fand dank der englischen Norbeugungsmaßregeln bereits d e Gen fer Türen geschloßen. Italien wurde als Angreifer er klärt, weil es sich mit Stolz und Eelbstbewußtfein zu diesem Akt der nationalen Notwehr bekannte. 'Die Weltmeinung, di» stets mehr unter dem Eindruck gefühlsmäßiger Emo- Honen und propagandistischer Zeitströmungen als unter dem Einfluß kühler und abwägender Ueberlegunaen steht, trat auf die Seite des Völkerbundes und seines zielbrwußten Lenkers, England. Krieg und Frieden .. 'SM^beriesen die in den Krieg tretenden Mächte ihre Botschafter ab. Dann erklärten sie den Krieg, damit die Zivilbevölkerung sich in Sicherheit bringen konnte. Nun mehr schlagen sich die Völker nach Art räuberischer Stämme die ein Volk überfallen, niederbrennen und die Vevölke- Eg toten Das ist ein großer Fortschritt, den man allein dem Völkerbund zu verdanken hat." In dieser sarkastischen Weise beschäftigte sich der Paris Midi" mit den äußeren Formen des abessinischen Kriegsausbruches. Der Krieg ohne Kriegserklärung, der die Völker in der Tat hinter die ersten Ursprünge eines internationalen Kriegs- rechts zuriickwirft, mußte die notwendige Folgeerscheinung der Errichtung einer Friedensinstitution werden, die nur dazu geschaffen schien, von dem geschickteren und stärkeren Partner im Nahmen der äußeren Formen umgangen zu werden. Weder d-r Chaco-Konflikt, der Zehntausende von Blutopfern, noch der Mandschurei-Konflikt, der China vier große Provinzen kostete, erscheinen in den Akten des Völ- kerbundes als Kriegshandlungen, sie galten als internatio- nale Zwischenfalle, die formalistisch erledigt wurden, lag doch eine offene Kriegserklärung von keiner Seite vor. Wie gefährlich es in unserem so sittsam gewordenen Europa ist, an dieser guten alten Sitte festzuhalten, mußte Deutschland 1914 erfahren, als es so korrekt war, in Paris und Peters- bürg einen Krieg zu erklären, den die anderen bereits be- gönnen hatten. Selbst Abessinien wäre formal ins Un recht gesetzt worden wenn es nach dem italienischen Ein- marsch den Krieg hätte erklären lassen. Krieg gibt es heute nur noch, wenn es dem Völkerbund gefällt, dann aber ist es der Krieg aller gegen einen, also theoretisch der allgemeine Kriegszustand, und die Abwehrmaßnahmen gegen den Angreifer sind kein Verteidigungskrieg, sondern Sanktionen, also Polizeistrafen, gegen ein asoziales Ele ment innerhalb der Völkerfamilie. Der Völkerbundspakt überträgt.also, das wird uns in diesen Tagen greifbar vor ^Augen gekübrt, die Beziehungen der Einzelindividuen un- »tereinander und zur Staatsführung auf die „Gesellschaft ^der Nationen", über welcher eine starke und unantastbare —Exekutive als Richter und oberste Gewalt stehen soll. Es v wird ein Zustand vorausgesetzt, den große Denker '"»wie Kant sich als Jdealzustand erträumten, der aber von der Wirklichkeit schmählich Lügen gestraft wird. Wir sind " noch nicht so weit — wenn wir je so weit kommen wollen und können — daß eine Autorität oberhalb der Staaten über die Schicksals- und Lebensfragen einer Nation zu Ee- richt sitzen kann. Die Genfer Institution ist sehr unvoll- ständig und fehlerhaft, sie hat sich als Spielball der Jn- teresienten erwiesen und besitzt weder die Autorität noch die Macht, um aus sich selbst heraus richtend und handelnd eingreifen zu können. Sie hängt davon ab, wieviel davon die Mächte ihr abzutreten willens sind, und sie hatte das Glück, in England einen Partner zu finden, dessen nationale Interessen diesmal mit den Völkerbnndsgrundsätzen wun derbar parallel laufen. Nur darum hat sie sich in ein Ex periment eingelassen, das ihr vielleicht noch einmal neue Lebenskraft zuführen, vielleicht auch ihren Zusammenbruch beschleunigen wird. Die Kriegslehre unterscheidet verschiedene Arten des Krieges und verschiedene Anläße dazu. Man führte in der Vergangenheit den Krieg, ehe er als ungesetzlich erklärt q»ar, um Ruhm und Raum, um Handels- und Vertrags- ^«teressen, und manchmal auch nm Wiedergutmachung er littenen Unrechts. Das Urteil der Welt war sich nicht immer gleich. Sie verurteilte den Angriff eines Weltreiches auf ein kleines südafrikanisches Vauernvolk, sie bejubelte und unterstützte den Freiheitskrieg der Hellenen gegen das türkische Reich, und sie verurteilte mit starker Mehrheit die Naubzüae Ludwigs XIV. und die Eroberungskriege Napo leons. Aber die Analyse der jeweiligen „Weltmeinung" zeigt bereits, wie stark sie unter dem Eindruck eigener nationaler Interessen oder wirksamer Propaganda steht, wie wenig es jemals einheitliche ethische Richtlinien gab, nach denen der „gerechte Krieg" vom Krieg der Eroberung und des Unrechts unterschieden wurde. Als Wilson im Jahre 1918 den Plan aufgriff, den Krieg als Regulator der Völkerschicksale auszuschalten, da mußte er sich bewußt sein, daß man mit dem Kriege zugleich die Ursachen der Kriege beseitigen müße. Dazu gehörte nicht allein eine allgemeine und gleichartige Abrüstung aller Nationen auf das Bedürfnis der „inneren Sicherheit", sondern auch die Beseitigung politischer und wirtschaftlicher Differenzen durch Schlichtungsverfahren, Schiedsgerichtsbarkeit und eine von politischen Faktoren unabhängige oberste Nechtsinstanz. Es gehörte dazu ferner der Einbau eines Ventils, um den völkischen oder wirtschaftlichen Ueberdruck ivachsender Na tionen in sichere Kanäle zu leiten, also di« friedliche Revision von territorialen und machtpolitischen Tat beständen, die durch Kriege geschaffen worden waren. Dis Genfer und Haager Schiedsinstanzen haben versagt, soweit es nickt nur um kleinere Streitfragen, die man krubor di- Vor Abbruch -er engl-ital. Beziehungen? Widerstand von feiten einer Reihe anderer Staaten stoßen, weil mit dem Abbruch der diplomatischen Be- Ziehungen auch jede Hoffnung auf eine Wiederaufnahme von Verhandlungen mit Italien ausgegeben werden müsse. General de Vono in Adua Nom, 14. OK«. Wie die Agentur Stesani aus Adua meldet, hat der Oberstkommandierende der iialicnisck>en Truppen in Ost- asrika, General de Bono, am Sonntag im Rahme« einer feierlichen Kundgebung das Marmordenkmal für die Gefallenen vom 1. März ltttik eingeiveih«. das von Sol- baten der Division Gavinana sofort nach der Eroberung nach Adua geschafft worden war.