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Oie Lntenbank Dort, wo dir Parkanlage sich in sanfter Neigung mit grü nen Wiesenflächen an den kleinen Wasserlauf schmiegte, stand eine Bank. Ihre Querhölzer rundeten sich einladend für müde Rücken; es war gut sitzen hier in der Sonn« und in die Blätter der Weide zu sinnen, deren schlank« Zweige am anderen User bis in das Wasser hingen, oder die Augen zu schlichen, sich wohlig zurückzulehnen und einmal an aar nickte ru denken. Ein alter Herr war Stammgast hier auf dieser Bank. Er hielt die Hände über dem Stock gefaltet, der aufrecht zwischen seinen Knien stand, und unter den buschigen Augen blickten seine Augen vergnügt und mitteilsam in die sonnige Welt. Er und die Enten des kleinen Wassers waren gute Freunde. Kaum, daß er sah, kamen die Pärchen gravitätisch die Wiese hinaufgeklettert. Vorweg sie, die unauffällig Graue, und hinterher er, mit dem griinschillernden Hals, um den sich kokett das Weitz eines Feder ringes legte. Doch Netz der Herr Enterich auch beim Abmarsch der Gemahlin den Vortritt, so vergah er doch alle Rücksicht, wenn der alte Herr aus seiner Tasche die Tüte mit den Leckerbissen zog, und schluckte und schlang voller Hingabe zuvorderst, dicht vor der Bank. Der Spender all dieser Herrlichkeiten liebte die Pünktlichkeit, und so erzog er auch seine Enten zu pünktlichen Tieren, — und Eva Bring wutzte genau, datz es gleich eins schlug, wenn die Fütterung vorüber war und der Vanknachbar sich zum Gehen rüstet«. Gut eine Woche schon waren der alte Herr Zimmermann und das Mädchen Eva Banknachbarn. Er fütterte die Enten und lietz sich von der Sonne wärmen, sie las in einem Buche, bitz dann und wann in ihr Frühstücksbrot und verbrachte hier die Mittagspause. Und weil Eva viel Verständnis für die kleine Sensation der Entenflltterung bezeigte und sich auch sonst nicht als störende Nachbarin erwies, freute sich Herr Zimmermann ihrer Gegenwart und begann, sie in feinem mittäglichen Sonnen aufenthalt cinzubeziehen. Ihre Bewunderung des schönen Wetters dieser Tage war ein erstes Gemeinsames. Von den Büchern, die das junge Mädchen las, hatte der alte Herr zwar noch nie etwas gehört, nach ihren kurzen Mitteilungen aber sand er sich durchaus be reit, sie sür ungeheuer interessant und für sehr nett zu erklären. Ein wenig komisch war ja der alte Herr schon, wie Eva zuweilen bei sich feststellen mutzte. Wozu, in aller Welt, rauchte er da plötzlich eines Mittags ganz ungewohnterweise eine Zigarette und bot auch ihr eine an, was sie jedoch dankend ablehnte. Und wozu interessierte er sich dann in seinen Fragen nicht minder ungewohnt mit einem Male für das Leben eines jungen Mäd chens von heute, ob es gern tanze oder ins Kino ginge? Sollt« etwa der gut« Herr hier unter der Sonne und all den lachenden Farben seine Jahre vergessen wollen und allerlei abwegig« Ueberlegungen über sich und sie selbst anstellen? Eva Bring hätte das bedauert, aber sie liebte alte, gepflegte Herren, die sie so an ihren Vater erinnerten, und zudem hatte sie auch diese Bank mit ihrem Fleckchen Grün liebgewonnen, wo sie nun täglich ihre kurze Mittagspause verlebte, die ihr das Geschäft lieh. Aber sie hatte gar nicht lange Zeit, sich über die Absichten des Herrn Zimmermann den Kopf zu zerbrechen, denn am nächsten Mittag blieb dessen Platz leer, so schön und hell auch die Sonne am Himmel stand. Es kostete Eva Bring die Hälfte ihres Früh- stücksbrotes, das Erstaunen und die schnatternde Empörung der enttäuschten Enten zu stillen, und als cs am nächsten Tage reg nete, und Eva über Mittag gleich im Geschäft blieb, da schien der kleine, fricdsame oder möglicherweise auch tragikomische Ro man zwischen Eva Bring und ihrem alten Herrn ein plötzliches Ende gefunden zu haben. Als Eva am ersten Sonnentage wieder zu ihrer Bank eilte, kab lie dort Ickon von weitem einen Herrn Klien. Das war aber Von lokgnnes von Kunowski nicht der alte Zimmermann, sonvern ein jüngerer Herr, mit einer goldenen Brille und etwas schüchternen Bewegungen. Mit einem kurzen Erutzwort setzte sich das Mädchen nieder, der Fremd« rückte verlegen und übertrieben höflich bis aus di« iiutzcrste Kante der Bank. Und wenn seine Jahre ihr auch näher waren als die des bisherigen Nachbarn, so hätte Eva doch dem alten Herrn bestimmt den Vorzug für dieses mittägliche Tressen gegeben. Eines stellte sie allerdings mit Befriedigung fest, als sie den aufdringlichen Enten wiederum einen Teil ihres Früh, stllcksbrotes opferte, beteiligte sich auch der Fremde an dieser Fütterung der kleinen Vielfraße, was immerhin ein gutes Zeichen war. So ganz abzulehnen war der neue Herr auch sonst nicht —, änderte Evan Bring am zweiten Tage ihre Meinung, an dem der junge Mann tatsächlich wieder auf dem Plane erschien. Er wutzte ganz gescheit zu plaudern, und wenn er auch etwas unbeholfen war und ein wenig weltfremd, so lag doch in seinen Augen so ein gutes, warmes Leuchten, das mit vielem versöhnte. Und eines Tages war es dann so weit, datz sich die beiden nicht mehr „zusällig" auf der mittäglichen Bank trafen, sondern datz sie des Abends tatsächlich gemeinsam ausgingen. Und wieder eines Tages war es so weit, datz Eva Bring klopfenden Herzens mit dem jungen Herrn die Stufen zu der Wohnung seiner Eltern binauiickritt. si In Reval verhaftete man soeben eine Polin, die, nachdem der polnische Fürst Nadziwill kinderlos, doch mit Hinterlassung eines riesigen Vermögens verstorben, sich als dessen uneheliche Tochter und Univcrsalerbin ausgab und auf dieser Grundlage mit gefälschten Dokumenten riesige Summen für ihren „Nach- laßprozetz" erschwindelte. Es gibt nichts Neues unter der Sonnel Denn diese begabte Polin mit ihrem Märchen von der Uni- versalerbschaft des Fürsten Radziwill und ihren höchst einträg« lichcn Beutezügen ist, so geschickt sie es auch anfing, doch nur eine kleine Epigonin, eine höchst mittelmäßige Schülerin und Nachfahrin der „großen Therese", die um die Jahrhundertwende „die größte Gaunerei, die je die Welt sah", wie sich der spätere französische Ministerpräsident Waldeck- Rousseau ausdrückte, zum Gaudium ganz Europas, zum Ent setzen aber vieler in den Skandal verwickelten gallischen Staats männer, Politiker, Juristen und Journalisten, inszeniert^ Wer anders könnte hier gemeint sein, als die unbeschreib lich unverschämte und beutereiche Therese Humbert, deren Affäre, well sic zu grotesk war und zuviel Siaub und Gelächter aufwirbelte, die Welt noch »ach Jahrhunderten nicht vergessen haben wird?I Bei Toulouse wurde diese Schwindlerin von wahrhast klassischem Format geboren als eines von sieben Kindern, die zu unterhalten die Witwe Daurignac — das ist Thereses Vater name — später ein Putzgejchäst in Toulouse selbst cinrichtct. Auch Therese wird, ebenso wie ihre Schwester Marie, Pntz- mackerin — was lie nickt bindert, mit dreinia Fabien den eben- Fest drückte der junge Mann Eva die Hand. „Mut, Kleine«, du sollst sehen, meine Eltern sind die liebsten Menschcn von der Welt, — ihr werdet bestimmt die besten Freunde werden", — da öffnete sich auch schon die Tür, und vor Eva stand — der alte Herr Zimmermann! Sein gutes, altes Gesicht war ein einziges Lachen und Leuchten. Und bevor noch Eva und ihr Begleiter ein Wort hätten vorbringen können, faßte er das Mädchen bet beiden Händen und zog es in die Wohnung hinein. „Hier, Mutter, bringe ich sie dir", führte er Eva zu Hans Zimmermanns Mutter, „die Eva Bring, die nicht raucht, nicht mehr als recht und billig ins Kino oder ins Theater geht und tanzt. Die im Haushalt Bescheid weiß, die die Tiere gern hat, — und die unser Hans liebt." Und Mutter Zimmermann war nicht anders als ihr präch tiger Alter. „Daher kamen also die Fragen wegen des Tan zens und des Kinos, damals aus der Bank", lachte Eva Bring dem Alten zu und fühlte sich innerlich ein ganz klein wenig verlegen. „Und darum konntest du mittags mit einem Male nicht mehr ausgehen, hattest Rheuma und tausend Aengste um deine Enten, bis ich ging, damit sie nicht verhungerten", lachte auch Hans Zimmermann den Vater an. „Ja wohl, darum und darum und vor allen, darum, da mit du, mein Junge, die Eva fandest; allein wärst du noch mit fünfzig nicht unter der Haube", schmunzelte der Alte, „aber meine lieben Enten füttere ich nun wieder selbst", beschloß er sein Eingeständnis, und man sah ihm die Freude an, nun wie der zur Entenbank zu dürfen. so fungen wie unbegabten Advokaten Fredcric Humbert, Sobn eines Eencralprokurators am Rechnungshöfe, Atademiemitglied und späteren Justizministers, zu heiraten. Das Ehepaar zieht nach Paris. Und hier stürzt sich The rese sofort in einen tollen Wirbel großstädtischen Lebens, den zu finanzieren sie eine komplizierte Erbschaftsgeschichte er« findet —: Sie und ihre Schwester Marie, die ebenfalls bald in Pari» auftaucht, sind die unehelichen Töchter eines immens reichen Herrn Robert Henry Crawford, eines Amerikaners, der The rese zur Erbin von — hundert Millionen Franken eingesetzt hat! Man kann sogar, wenn auch nur in einer Kopie, ein Testament vorweisen. Leider wird diese Urkunde bestritten — es tauchen nämlich zwei Neffen Crawsords, Robert und Richard, auf, di« zwei Drittel des Vermögens haben wollen ... nur ein alberne» Drittel, nur lächerliche dreiunddreißig Millionen, soll Theres« Humbert haben. Ein Riesenprozeß bricht los, bei dem die Crawsords so anständig sind, zuzugcben, datz di» strittigen hundert Millionen unter Sequester im Eeldschrank venvahrt werden und Therese Humbert als Hüterin dieses gran diosen Schatzes in Staatspapieren bestellt wird. . Dieser Geldschrank mit der phantastischen Erbschaft ist da» Mittel, das den Humberts fortan ein herrliches Leben ver schafft. Sie erhalten Geld gepumpt auf die hundert Millionen, wo immer sic wollen. Eie lausen Landgüter, kaufen Schlösser, leben in ganz großem Stil — Madame gründet sogar eine Leib- rcntenbank, deren Generaldirektor ihr Bruder Romain Dau rignac wird. Der Prozeß läuft munter weiter. Mal kommt es zu einem Vergleich, dann wird der wieder umaciloüen — acktr«b« Vie gokeiimÜ8voUe Lrb8oüakt Tin Oaunertrick, 6er wieäer vollenäet geglückt ist — OerLcüatten 6er „großen'Tkel-ese".. 8ü6or 1ro8t kür 8oure Nunüsn plsuüere! sm >Vocüenen6e Von fNsrsbu. Was den kalten Kaffee anbetrifft, der Dir und mir und manchem manchmal Hochstämmen will — dessen braucht man sich weiter nicht zu schämen. Die Stimmung staun jedem mal zustofzen. Denn es gibt soviel, was einem den inneren Einstlang mit sich selbst zerstören kann: Die Männer sind alle Verbrecher, ach, wie so trügerisch sind Frauenherzen, mancher Beruf ist weniger eine Berufung als eine Prüfung, Zahnschinerzen sind auch nicht zu ver achten. Kurzum, es ist keine Kunst, das Dasein unaus stehlich zu finden, den kalten Kaffee hochkommen zu fühlen und so. Im Gegenteil. Genau im Gegenteil! Gerade wenn man von der Unvollkommenheit der Welt heftig überzeugt ist. wenn man mit den diversen Fehlfarben, die unter dem Namen von Mitmenschen Herumlaufen, üble Erfahrungen ge macht hat, gerade wenn man die Schnauze mit Wider wärtigkeiten so voll bekommen hat, datz feder' gutgefüllte Windbeutel daneben erblassen mutz — gerade dann den Humor nicht zu verlieren: das ist die große Kunst. Eine olche Kunst zu üben, geht im Grunde über Mcnschen- rräfte. Deshalb ist uns als Helfer eine Gottesgabe ge- chenkt worden, die manche Finsternisse des Gemütes zu verscheuchen vermag: „Der Wein erfreut des Menschen Herz." , Eine „Woche der Traube und des Weines" hat soeben begonnen. Dazu stille zu schweigen an dieser Stelle, wo wir so oft den „Wonnesaft der edlen Neben" gepriesen haben, wäre Verrat an der Sache und an uns selbst. Bon den Werbewochen allen hat uns keine so gefallen! Es gilt, die Fässer zu leeren, in denen noch der Segen des Jahres 1934 ruht, und die nun frei gemacht werden müssen, um den 193öer aufzunehmen. Welch eine Aufgabe, die den Zwerg Persteo, der das grosse Fatz zu Heidelberg ausgetrunken hat, in milde Begeisterung ver setzen könnte! Welche nationale Pflicht könnte wohl leichter fallen als die, einen guten Schoppen zu trinken? Aber einen Schoppen „Patenwein" bitte! Diese Er findung des Potenweins ist eine der nettesten Einfälle bei der ganzen Veranstaltung. Alle Städte der nicht mit Neben gesegneten Landstriche in Deutschland staben einen bestimmten Bezirk der weinerzeugenden Gebiete an Rhein und Mosel in Patenschaft genommen. Feierlich sind dieser Taae die Patenweine eingestolt worden. Mit freundlichen Schleifen oder Etiketten sind die Flaschen versehen, amtliche Kontrolle sorgt dafür, datz nicht etwa iraendein Krätzer an Stelle des edlen Patenweins den Gästen in die Becher geschenkt wird. Da werden viele zum ersten Male oul den Ge schmack eines outen Schoppens kommen. Galt doch so manchem der Wein immer noch als das Getränk der feinen Leute, das sich der en'locke Volksgenosse nickt leisten könne. Die Preise der Werstewoche werden wohl jeden iiber'euoen. datz Wein ein Bollwgetränk ist, dos an Güte und Billigkeit es aar wohl mit dem Bier aus nehmen kann. Wer eine feine Zunae bat. wird ratch Herausbaben, welcher Unterschied zwischen dem Durst stiller Bier und dem Seelentroll Wün ist. Wein ersreur nicht nur, er gewinnt auch des Menschen Herz . .. Mit gemischten Gefühlen freilich nehmen die Freunde der Prohibition an dieser Werbewocke teil. Nicht jene meinen wir, die sür ihren Teil den Alkohol ablehnen lind Abstinenz sür Kranke und Alkoholsüchtige fordern. Sondern die Amokläufer, die Wein und Bier und alle „starken" Getränke in die Gosse verbannen möchten^ nur weil einige Teile des Volkes an diesen Getränken Scha den nehmen können. Diese "Nachfolger des edlen Ritter Don Quijote würden cs sehr seltsam finden, wenn jemand ein Staatsgesetz verlangen würde, das die Verwendung elektrischen Stromes untersagt, nur weil durch Elektrizi tät Kurzscklutz und durch Kurzschluß Brände entstehen können. Wegen der Kurzschlüsse aber, die der grosse Elektromotor Wein in Willensschwächen Menschen erzeu gen kann, sollen alle diese Belebung entbehren? Nein, meine Freunde! Gebt jedem das Seine! Sehr weise hat die Negierung ihre Werbewoche „Fest der Traube und des Weines" genannt. Die Traube steht vor an. Dem Winzer soll geholfen werden, nickt dem Wein handel. Deshalb ist in den Nahmen der Werbung auch der Traubensützmost einbezogen, auch die Tafeltraubs. Auch der Alkoholgegner kann sich also mit gutem Ge wissen an dem Fest dieser Wocke beteiliaen. Keinem, der den Wein schätzt, wird es einfallen, den Wert der Traube, ihren Wohlgeschmack, den holden Reiz frisch gepressten Traubenmostes zu bestreiten. Mur hütet bei diesem Ge tränk Eure B rWuung, Ihr Verehrtesten; es kann sehr hinterlistig sein!! Umgekehrt sollten die Freunde der Traube und des Süßmostes nickt die Reize des Weines bestreiten, auch wenn sie ihn für ihren Teil ablehnen. Sie sollten auck beim Schlürfen des unvergorenen Mostes sich der Worte Schillers erinnern: „Freude schäumet in Pokalen, In der Traube Feucrblut Trinken Sanftmut Kannibalen, Die Verzweiflung Heldenmut . . Sanftmut! — Betrachtet man die Welt im Siegel des gefüllten Glases, dann sehen sich die Dinge kalb so,