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Nr. 244. — 20. 10. 35. Sächsische Volkszeitung Seite 10 Jahr« lang prügelt man sich vor Gericht her« u m, wobei sich für Therese Humbert die besten Anwälte Krank reich« elnsetzcn, während siir die Trawfords nur ein unbekann ter kleiner Anwalt aus der Provinz sicht. Therese siegt in allen Instanzen — aber ihr ist gar nicht wohl bei diesen Siegen . . . denn schließlich müßte sic auf diese Art doch endlich mal den Geldichrank öffnen, die hundert Millionen realisieren und ihre zahllosen Gläubiger befriedigen, die ihr so lange eln herrliches Leben ermöglicht Haden I — Also weiter gelämpst — mit allen Finesien! Bis dieNktien der Trawfords zu steigen beginnen — Madame scheint unterliegen zu sollen ... Da greift sie zu einem ebenso kühnen wie tollen Schachzug — sie erklärt plötz lich vor Gericht: „Leben denn diese Trawfords überhaupt?! Wer hat sie gesehen?!" Die ganze Justiz ist perplex und erinnert sich, daß tatsächlich noch niemand diese Trawfords zu Gesicht bekam — außer einem Provinznotar, der längst im Zucht haus sitzt! — Also recherchiert man! — Ihre Adresse in Neu- york stellt sich als völlig falsch heraus ... nie hat es hier Craw- sords gegeben! Manchem dämmert setzt die Wahrheit. Aber noch lange verhält sich der Herr Staatsanwalt passiv, bis er endlich die Durchsuchung des im Humbertschen Palais befindlichen omi nösen Eelblchranks mit dem angeblichen Inhalt von hundert Millionen Franken versügt. Der Skandal bricht los! Im Deldschrank findet man nichts als wertlose Aktien, alte Zeitungen und — einen Messingknopf . . . Die Humberts aber sind längst aus Paris geflohen, sind über alle Berge ..« Jetzt setzt man ein mit Verhaftungen. Ein« ganze Reihe von Notaren, von Journalisten, von Parlamentariern, die sich für die Erbschaft der großen Therese verbürgt, werden eingelocht. Hinter den Humberts selbst fegt ein Stellbries her. Aber sie sind wie fortgeblasen. Bis man sie kn Madrid erwischt. Da verhaftet man Therese, die Schwester Marie und nicht zuletzt Herrn Humbert selbst und zwei Brüder der genialen Hochstaplerin, die all die Jahre hin durch die Rolle der — überhaupt nicht existierenden — Craw- sords gespielt haben . - . Präsidenten, gekrönte Häupter, Polizelpräfcktcn, maßgebliche Männer des staatlichen und össentlichen Lebens Frankreichs sind bis auf die Knochen blamiert, weil sie alle aus die kleine ehe malige Putzmacherin aus Toulouse und ihr Märchen von der großen Erbschaft hereingefallen sind. Ganz Europa lacht sich krank ob dieses Schwindels — Therese aber hat für ihren großen Kriminalprozeß noch «ine letzte Uebcrraschung in Borbereitung. Eie bleibt bei Ihrer unehelichen Abstammung und bei der Legende von der Riescnerbschast. Nur wird sie jetzt endlich erklären, was es mit ihrem Vater und Erblasser, dein geheimnisvollen Herrn Crawford, in Wahrheit aus sich hat. „Trawford heißt — Regnier! — Das ist die Wahrheit, die selbst mein armer Mann heute und hier zum erstenmal hört!" Was soll das heißen?! — Thereses Anwalt löst das Rätsel: Regnier hat in dem Prozeß gegen Bazaine wegen der Uebergabe von Metz eine große Rolle gespielt — und Therese will damit andenten, daß die hundert Millionen nichts gewesen sind als die angebliche Bestechungssumme für den „Verrat von Metz" . .. Nun, da» nutzt nichts mehr. An die hundert Millionen glaubt längst kein Mensch mehr. Therese und ihr Mann wan dern beide sür fünf Jahre in strenge Kerkerhaft — die andern gehen frei aus. Und auch das Ehepaar Humbert büßt nur drei Jahre ab — dann wird es begnadigt. Die Familie sitzt danach, stille Landleute, bieder beisammen auf einem kleinen Bauernhof bei Asniere an der Seine und plaudert von alten glanzvollen Zeiten und einer geheimnisvollen Hundert-Millionen-Erb« schalt... c. c. Eine Dame fragte während eines Brandes einen Feuer wehrmann: „Sagen Sie mal, weshalb tragen Sie eigentlich den Riemen unterm Kinn?" „Um das Kinn auszuruhen, wenn man müde wird von der Beantwortung all der dämlichen Fragen." sDagens Nqheter.) wild an. Man versteht ans einmal nicht mehr, wie man ich über solche Lappalien ärgern konnte. Erhaben chwebt man über seiner eigenen Existenz und urteilt reundlich: „Mensch, bist du doof!" Man kann sich dann selber nur schwer verzeihen, daß man sich von der Fleischmühle des Alltags gar so ganz mit Haut und Haaren hat schlucken lassen. Um so bereitwilliger verzeiht man seinen Mitmenschen, was sie einem so an Schikanen und Blödheiten antun. Man summt leise den kessen Vers vor sich hin, den man von der Isa Vermehren gehört hat: „Wir kennen alle Zonen, Wir kennen fern und nah, Und wissen: Kaisern wohnen Nicht nur in Afrika . . ." Wer kann die Absicht haben, sich mit Kasfern zu streiten? Du jedenfalls nicht. Du wirst es künftig auch nicht mehr tun. Wirst Dich über nichts mehr ärgern. (Morgen är gerst Du Dich selbstverständlich über den ersten Quark, der Dir der Quere geht.) Morgen fängt ein neues Leben an . . . Bismarck sagte: „Der Franzose hat immer eine halbe Flasche Rotwein zu viel, der Deutsclze immer eine halbe Flasche zu wenig." Nehmen wir uns von der Weis heit des Altreichskanzlers eine Lehre! Füllen wir in der Woche des deutschen Weines diese halbe Flasche nach ... Nun habe ich Euch einen Vorschlag zu machen, Ihr Freunde des edlen Rebensaftes, denen gleich mir diese Merbewoche eine Wonne ist. Die Patenweine munden Euch vortrefflich, nicht? Und zugleich sind sie so billig, daß Ihr mindestens einen Fünfer am Schoppen spart, nicht? Wie märe es, wenn Ihr diesen Fünfer einmal in eine andere Westentasche stecktet als sonst? Der Mann hat ja sowieso soviel Westentaschen. Aus dieser Westen tasche mögen dann diese gesammelten Fünfer zur rechten Zeit emportauchen . . . Dann nämlich, wenn es gilt, für das Wintcrhilfs- werk ein kleines Opfer zu bringen. Gebt den oder die Fünfer Eurer Frau: sür die Pfundsammlung! Oder zum Oie Nslerin / An der Trambahnhaltestelle steht eine nett gekleidete, hübsche und angenehme Frau mit ihrem kleinen Jungen, de» sie Bubi nennt. Bubi ist etwa siinj bis sechs Jahre alt und überaus wißbegierig. „Mutti, wohin sährt die Trambahn? — Mutti, geht der Schaffner auch heim Mittag essen?" — „Mutti, werden die Schilder abends abgemacht?" — „Mutti, schläft die Trambahn auch?" — Und Mutti antwortet uner müdlich. Da tritt eine junge Dame heran, deren Schönheitsideal etwas abnorm scheint. Denn sie hat im schneeweiß gepuderten Gesicht die Lippen hochrot nachgezogen und die Farbe so dicht ausgetragen, daß man meint, sie als Kruste zu sehen. Das Haar, ausreizend hochblond, wenn auch nicht von Natur, wie ein winziger, aber doch merkbarer Schatten an der Kopfhaut ausweist, ist dicht gelockt und äußerst einseitig bedeckt von einem roten Käppchen. Die Kleidung wirkt ebenfalls etwas seltsam, wie wenn die Dame eine wandelnde Ausstellung aller Mode kinkerlitzchen wäre. Ihr Erscheinen stoppt den Fluß der kindlichen Fragen. Bubi starrt die eigenartige Erscheinung genauestens, aber sprachlos an. Ihm bleibt die Sprache weg, und als Mutti ihn an der Hand zur Trambahn sührt, muß er sich aus den Gebrauch seiner Beine erst besinnen. Er guckt sich schnell noch einmal um, o Wonne, das seltsame Wesen steigt mit ein und letzt sich — herrlich! — gerade gegenüber von Bubi. Inzwischen ist die „Schrecksekunde" der Sprachlosigkeit vor über, und Bubi fragt, laut, unbekümmert, nach Kinderart dazu mit dem Finger weisend: „Du, Mutti, was ist denn das sür eine Frau?" Mutti errötet geniert, sagt ihm etwas Ins Ohr. Er nickt. „Za, Mutti. Also, was ist denn das für 'ne Dame? Ist das u L!own?" Mutti flüstert Ihm wieder etwa» m» Oy». ,,»rtw?- er ungeniert. „Ich dachte, weil sie so weiß ist und so 'nen knallroten Mund hat. Das haben doch die Tlowns, nicht?" Mutti windet sich vor Verlegenheit und versucht. Bubi abzulcnken. Aber kein Hinweis auf Pferdchen und Autos und bunte Fenfterauslagcn, an denen man vorübersaust, hat Wir kung. Bubis Augen hasten wie gebannt aus seinem Gegen über. Der Dame sind die forschenden Blicke des Kleinen sichtlich unangenehm, noch unangenehmer seine lauten Fragen, denn unmerklich schleicht sich ein Schmunzeln auch in die Gesichter der anderen Mitfahrenden. „Mutti, sag doch mal, was hat denn die Frau auf ihren Backen und ihrem Mund?" Mutti flüstert wieder Ermahnungen und auch wohl eine Antwort — eine Antwort, die wohl besagte, daß das Farbe sei, denn Bubi bricht nach kurzem, abgrundtiefem Schweigen und angestrengtestem Nachdenken in die erleuchteten Worte aus: „Mutti, denn ist das ja eine Malerin?" Mutti erglüht und schilt im Flüstertöne, das Schmunzeln der andern vertieft sich, ein paar kleine Schulmädcl kichern sogar. Und dann hört man Mutti sagen, wenn auch nicht sehr verständlich: „Ueberhaupt sieht man nicht immerzu andere Leute an." Bubi ist «Inen Augenblick betroffen, studiert die übrigen Fahrgäste und beendet seine Forschung mit einem erleichterten Aufatmen und den klassischen Worten: „Mutti, sie gucken ja alle!" Die Dame erhob sich und stieg beim nächsten Halt der Trambahn aus. „Schädel" sagte Bubi mit einem Seufzer . . » Oie Oebe8probe Das gibt cs eigentlich sonst nur in Märchen, daß ein Mädchen die Wahrhaftigkeit ihrer Liebe durch eine so harte Probe beweisen mutz, wie es der reiche Kaufmannssohn Stanis law Popowitsch von seiner Olivera Todorowitsch verlangt hat. Die beiden hatten sich sehr lieb, aber Stanislaw hörte doch aus seine Mutter, als sie die Olivera als ein genußsüchtiges Mädchen hinstellte und ihm prophezeite, daß sie in der Ehe sein ganzes Geld verschwenden würde. Obwohl er Olivera besser kannte, verlangte Stanislaw von ihr doch eine harte Probe. Eie sollte ihr Medizinstudium unterbrechen, ihr väterliches Heim verlassen und sich als Landarbeiterin verdingen. Hielt sie alle Mühsal dieses schweren Berufes aus, dann sollte sie noch einige Zeit in der Einsamkeit leben. Es gibt sicher nicht viele Mädchen, die auf diese For derung eingehen würden. Olivera aber nahm die Probe aus sich. Sie hing ihr Studium an den Nagel, nahm eine Stellung als Landarbeiterin an und verdiente sich ihr Brot beim Korn binden und Kartosfelhacken. Dabei wurde sie zwar Lü Pfund leichter, aber als sie noch die gewünschten Wochen in der Ein samkeit absolviert hatte, war ihr Stanislaw und schließlich auch die Schwiegermutter überzeugt von der Opsersreudigkeit des Mädchens. Woraus die Hochzeit ohne weiteres Hindernis stattsinden konnte. klickt jeöe „Osme" ist eine Osme Auf eine recht originelle Art und Weise konnte soeben ein Wegelagerer gestellt und unschädlich gemacht werden, der in der vornehmen Wohngegend von Paris, in Neuillq, sich an allein- gehende Damen heranmachte und ihnen ohne viel Umschweife die Handtaschen entriß. Der Held dieser Geschichte ist ein junger, hübscher Polizist, den die Damen seines Reviers dauerten und der eine gute Idee gut verwirklichte Ohne vorher viel von seinem Plan zu erzählen, nützte er eine» freien Tag, indem er sich Damenklcider be sorgte und sich aufs eleganteste anzog. Zwar fühlte er sich etwas unbehaglich in den Schuhen mit den hohen Absätzen, aber tapfer trug er die Beschwerden, versuchte möglichst kleine Echrittchen zu machen, und wandte sein bemaltes Gesicht anmutig und ver- siihrerisch hi» und her. So spazierte er in den einsamen Villen ¬ nächsten Eintopftnsi. Oder ..finanziert" Eure Beiträge zur Winterhilfssammlung der Dresdner Straßenbahn an den Sonntagen damit. Wenn auch der Schoppen Wein oder Süßmost, den Ihr trinkt, billig ist — es gibt viele, die sich auch diesen billigen Sckovpen nickt leisten können. Ihrer soll auch in der Fröhlichkeit der Woche des Weines gedacht werden. In der Antike brachte man von jedem Becker Wein die ersten Tropfen als Onfer den Göttern dar. Wie märe es, für jeden Schoppen Wein, den Ikr in diesem Winter trinkt, ein Fiinfpfcnnigstück für das Winterhilfswerk bei seite zu legen? Ihr werdet dann' in summa natürlich einige Schoppen weniger trinken. Aber die ihr nach solch kleinem Opfer trinkt, werden Euch sicher doppelt gut schmecken . . . „Der Nebel steigt, es fällt das Laub, Schenkt ein den Wein, den holden! Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden!" Wie für diese Tage geschrieben klinoen die ersten Verse des Oktoberliedes von Storm. „Der Nebel steigt..." Er hat uns die letzten Tage ein wenig zu schaffen ge macht. Wenn man aus dem Bett gesprungen ist und der erste Blick, den man hinunter in den Garten wirft, trinkt nichts als Nebel — das ist nicht ganz leicht zu ver dauen. Auf der Elbe haben die Schiffer in diesen Tagen Schwierigkeiten gehabt; sie bringen die Schiffe in dem dichten Nebel nur schwer voran. Auch unser Lebenssckiff- lein scheint an solchen Nebeltagen nur noch mit halber Kraft ou fahren. Besonders wenn dann der Nebel von freundlich ausdauerndem Neaen abgelöst wird und einem langsam die Kälte in die Knochen kriecht. . Ach, dann erkennt man die schöne Welt nicht wieder, die uns eben noch mit den reichen Gaben des Herbstes entzückte . . . Nebelmonat November wirft seine Schatten voraus. Graue Tage, Ncbcltage, Regentage sind uns beschert. Tage, in denen uns das Leben sauer wird . . . Tage, in denen wir dennoch nicht verzagen. Uns steht zur Seite der Seclentrost, den schon der alte Alkaios gepriesen hat: wärmendes Feuer und freundlicher Wein . .. prallen keines Weges, und richtig, bald hatte er einen Be gleiter gefunden, der an einer stillen Straßenecke die Damen handtasche ergriff. Ergreifen wollte, denn wie der Blitz warf sich die „junge Dame" auf den Räuber und vertobackte ihn, daß ihm Hören und Sehen verging. Bei den kunstgerechten Griffen, die sie anwandte, und der unheimlichen Schnelligkeit, mit der sie zupackte, ging dem Wegelagerer zwar allmählich ein Licht auf, aber jetzt war es zu spät. Die Damen aus Neuilly sind natürlich restlos begeistert über diese ebenso listige wie kühne Tat ihres jungen Helfers und können sich nicht aenugtun. ihm Ihre Dankbarkeit zu be weisen. Der einfallsreiche Polizist kann sich vor den Paketen, die ihm die Post täglich ins Haus bringt, kaum noch rette», und so sah sich sein Vorgesetzter jetzt gezwungen, nm Beförderung des also Geehrten, aber auch um seine Versetzung in ein anderes Revier, einzukommen. ein ösrk nervös sein Ein ganz seltsamer Prozeß wurde dieser Tage vor einem Tcplitzer Gericht verhandelt, dessen Ausgang wohl allerseits, wo er mit Spannung erwartet worden war, Befriedigung aus löste. Der Chirurg des Teplitzer städtischen Krankenhauses hatte einen Steuerbescheid erhalten, der recht gesalzen war und den Betroffenen in ziemliche Wut versetzte. Er erhob beim Vor steher des Finanzamtes Einspruch, aber er erreichte nichts. So schluckte er vorläufig seinen Groll hinunter. Der Groll war aber nicht tot, sondern erwachte zu jähem Leben, als der Chirurg eine Frau mit einer akuten Blinddarm entzündung „unter das Messer" nehmen sollte. Diese Frau war die Gattin des FInanzamtsvorstchers. Gerade, ehe die Operation beginnen sollte, wurde dem Chirurgen die Tatsache bekannt. Sofort übermannte ihn die Er innerung an den unglückseligen Steuerbescheid, er fühlte, wie seine Hand unsicher wurde und seine Finger vor Wut zitter ten. Er war sich im Augenblick darüber klar, daß er die Ope ration nicht aussühren konnte, ohne ein Unheil anzurichten — aus reiner Nervosität natürlich —, und weigerte sich, diese Frau zu behandeln. Es war rasch ei» anderer Arzt zur Stelle, der die Operation vornahm und auch zufriedenstellend aus führte, aber die Direktion des Zv»a„...»-au>es naym vcm Chirurgen seine Weigerung sehr übel und legte sie einfach als Pflichtverletzung aus. Es gab einen Krach, und dann kam es zum Prozeß. Darf ein Arzt nervös sein? Oder hat er auch dann zu operieren, wenn ihm vor Wut die Hände zittern? Diese Frage hatte das Gericht zu entscheiden. Und der Richter sagte: Jawohl, auch der Chirurg hat Nerven, und diese find erfahrungsgemäß nach dem Empfang von Steuerbescheiden be sonders angegrissen. Dann sprach er den Angeklagten frei. Oer /^mtssekimmel wiekert St. Bürokratius hat wieder einmal einen großartigen Triumph gefeiert. Ein Mann, der unter eigener Lebensgefahr viele Menschenleben gerettet hat, soll bestraft werden, weil er bei seiner Rettungstat eine polizeiliche Vorschrift nicht beachtet hat! Der Fall ereignete sich in Südfrankreich, im Bereich der Staatsbahn. Ein Holzsammler sah, während er an etntm Eisen bahngleis entlangging, zwei Schienen quer über die Gleise lie gen. Sofort kam dem Mann der Gedanke, daß hier Atten täter am Werk gewesen seien, di« «Inen Zug zum Entgleisen bringen wollten. Selbst konnte der Holzsammler, der ein alter Mann war, die Gleis« nicht sreimachen, so lief er nur zur nächsten Blockstelle, wo er außer Atem ankam und den Beamten beschwor, mit ihm die Eisenbahnschienen fortzutragen, ehe der nächst« Zug verunglückte. In der Tat mußte in den nächsten Minuten der Expreß nach dem Süden die Strecke passieren. Beamter und Solzsamm ler rannten, so schnell sie konnten, zu der Stelle, wo das Hinder nis lag, und trugen gemeinsam die Schienen fort. Da begannen die Gleise auch schon zu summen, und der Zug donnerte vorbei, das Unheil war rechtzeitig abgewendet worden. Der Eisenbahnbeamte berichtet sofort an seine vorgesetzte Behörde, und dort erwog man, ob man dem alten Mann nicht «ine Geldbelohnung zukommen lassen sollte. Der Bericht ging von Hand zu Hand, aber an höherer Stelle war man der Mei nung, eine Belohnung sei unnötig. Ja, man sand sogar heraus, daß der alte Mann gegen ein Gesetz verstoßen habe, indem cr, als Privatperson dazu nicht befugt, die Eisenbahnschienen be treten habe. Jetzt sollte er sogar eine Straf« von hundert Francs zahlen. Zur Durchführung dieser Strafe wird es sicher nicht kommen, denn die gesamte Oefsentlichkeit nimmt natürlich sür den Holz sammler Partei. Aber daß sie überhaupt i» Frage kam, das ist doch recht blsmabel.