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Malvine. Es öffnete sich «ne oer geweihgekrönten Eichentüren. »Dies, lieber Schatz, ist also Herr Stop — ein Schul freund aus der Pennälerzeit, Herr Professor Knud PeterS, übrigens em LandSmann von dir." Die stattliche Krau öffnete die Augen weit. Eie hatte ihre Hand bewillkommnend in die des Gastes gelegt, nun zog sie ihn aus dem dämmerigen Borsaal ins Wohn zimmer, dessen Tür der Gatte schon offen hielt. Ihre Hellen Augen liefen in ungläubigem Staunen üher daS rassigschmale Gesicht mit der hohen durchgearbeiteten Stirn des Wissenschaftlers. »Der Froschprinz," stieß sie hervor und errötete jäh, »der Froschprinz". Die Männer stutzten, sahen sich an, lächelten unsicher. Dann dröhnte der Hausherr los. »Natürlich, mein Schwager Egon hatte dich ja so ge- tauft, daraus wurde dann der Spitzname Frosch, den du bis zum Abitur mit Würde trugst, obgleich," sein Schalksblick unter buschigen Brauen glitt beifällig über -ie elegante Erscheinung des Jugendgenossen, „obgleich er schon damals direkt blödsinnig wirkte. Aber Jungens sieben bekanntlich solche Blödsinnigkeiten." Malvine Brinkmann hielt noch immer die Hand de» Gastes: „Mein Bruder liebte Sie sehr, Herr Professor. Sie spielten eine große Rolle in unserem Jugendleben." Knud Peters zeigte sich der Situation nicht gewachsen. Es ist peinlich, daß man eine Rolle im Leben von Men schen gespielt hat, deren Einordnung in die Erinnerung nicht gelingen will. Forschend sah er in das froherschlos- sene Frauenantlitz. Der Gutsherr kam zu Hilfe. ^Jch bin erstaunt, Malv, daß du eine sicher flüchtige Begegnung so treu bewahrt hast. Wir Anstaltszöglmge waren ja eiugesperrt wie Sträflinge. Weißt du, Knud, obgleich ich SgonS Stubenkamerad und bester Freund war, hat sie mir bei unserer späteren Bekanntschaft glaubwürdig versichert, daß sie in ihres Bruders Conpennälern nur eine Rotte unsympathischer, untereinander auswechselbarer Ben gels gesehen habe, aus der ich mich durchaus nicht her- auSqehoben hätte." „Bei deiner in die Breite strebenden Persönlichkeit, mein lieber Dicker, hätte man die- allerdings erwarten dürfen." „Aber ihn, -en Märchenprinzen, hast du dir also ge merkt." Wieder huschte ein roter Schein über das volle Rund des reifen Krauengesichtes, als sie mit weicher Stimme bestätigte: lJa, ihn habe ich mir gemerkt/ Sie wies dem noch immer hilflos sinnenden Gast einen Sessel. „Nun will ich Ihnen aber daS Rätsel lösen. Mein Mäd chenname war Schotte. Sie kannten Egon wohl nur unter seinem Schülernamen Motte. Gelt, jetzt erinnern Sie sich? Er war ein kleiner quecksilbriger Junge. Oft hat er mir geklagt: wie eine Motte ums Licht tanze ich um den Frosch — er sieht mich nicht." . fOH," fand Knud PeterS nun endlich seine Zunge, „ich Lrmnere mich sehr gut an die Motte, die in ihrer schall- haft mitreißenden Art das belebende Element unseres Kreises war. Rur — daß er eine besondere Vorliebe kür mich, den doch reichlich stillen Kameraden gehabt haben sollte — gnädige Frau, ich fürchte, hier waltet ein Irr tum. Ich bin immer ein Einspänner gewesen, beson ders als Schüler." „O nein, Professor, kein Irrtum. Gewiß legte schon die Stellung Ihres Vaters einen gewissen Nimbus um Sie. Der frauenlose und doch gesellschaftlich auf der Höhe stehende Haushalt, das alte Barockschloß als Land- ratssitz mit dem wundervollen Park, in dem nie ein Kind ipielte . . . Aber Egon hatte ein besonderes Ein- fühlungsvermögen in fremde Wesensart. Wenn Sie ahnten, wie viel wir uns mit Ihnen beschäftigten, wie mir wirklich den verwunschenen Prinzen in Ihnen sahen und," sie warf einen schalkhaften Blick auf ihren höchstlichst erstaunten Gatten, und wieder stieg es rot tu -aS reife Antlitz, als sie tapfer fortsuhr: „und wie »nein Backfischherz brannte. Sie auS Ihrer Einsamkeit -u erlösen!" Sie lachte leise auf über daS fast erschrockene Gesicht lhreS Gastes, nahm seine Hände mit einer behutsamen Gebärde in ihre festen, arbeitsgehärteten: „Lieber Pro- sesfor, nun suchen Sie nicht nach einer Banalität. Es war mir eine große Freude, einmal von diesen holde« Kindereien zu reden. Sie wissen ja wohl nicht— der sie teilte, Egon, blieb am Skagerrak. Es würde ihn be- -flicken, Sie an meinem Her- zu sehen. Sie sind mir ein sehr lieber, hoffentlich gern weilender Gast. Ich weiß manches aus Ihrem Leben. Die Zeitungen haben ja dafür gesorgt. Daraus entnehme ich den Glauben, daß Sie Freunde brauchen können." Sie nickte dem sichtbar ergriffenen Manne mütterlich zu und erhob sich. „Nun will ich Sie aber meinem Alten überlassen. Er ist es weder gewohnt noch ist er willig, sich von mir derart an die Wand drücken zn lasten. Ich staune über seine Friedfertigkeit." „Weil eS mir einfach die Sprache verschlagen hat, du falsches Weib. Stell dir vor, Knud, schwört sie mir die heiligsten Eide, daß ich der Erste bin und trägt eine Jugendliebe im Busen — noch dazu eine immergrüne, wie ick soeben seMellen muß" Fortsetzung folgt Advent Ein frokes Hoffen gebt durck die TSelt — in stiller, herbstlicher Zeit die Freude nun wieder Einzug hält. O Nknschenberz, halt dich bereit heut ist ja Advent. Nach trüben Tagen ein Sonnenblick, auch Leid wird vergänglich sein. Das Friedhofstor. laß weit es zurück, du mußt dich den Lebenden wcib'n, wenn Liebe auch brennt. Den Weihnachtsglanz und Kerzenschein, das Glück der Kinderzeit, nimm gläubig in das Herz hinein, mach Tor und Türen weit dem l>eil'gen Lldvent! Zolwnnes Truöl. Srenzwortrötsel Waagerecht: 1. Seeräuber, 2. Fluß in Afrika, 7. Walü- und Hirtengott, u. australischer Laufvogel, II. ein heimischer Singvogel, 14. Naturerscheinung, 17. Gipsart, IN. Lotterieurkunde, 2t>. persönliches Fürwort, -'1. Gebirgs rücken, -'N. Firstern, 27. Figur aus der .Walküre", 23. zwei rädriges Lportsahrzeug, :«>. Stimmlage, :il. Bühncnanf zng, 82. Erdteil. Senkrecht: 2. Nebenfluß der Donau, 3. englisches Bier, 4. Edelstein. N. Spielkarte. 3. Papagcienart, in. Ho nigwein, 12. Trinkgefüß, 1.3. Schachfigur, 12. zweimanigcs Schiff, IN. Zahlwort, IN. Lebensbund, 22. Landwirtschafts gerät, 23. Monat, 24. Nebenfluß des Rheins, 23. Musik- »eichen, 2«. Brennstoff, 8N. Göttin. AuslSinng des KrenzwortrLtselS: Waagerecht: 1. Waal, 2. Greis, N. Aaran, 11 Heide, 12. SS. 13. Altar, 14. Sol, 12. Ernst, in. Aroma. 21. Schrei ber, 28. Isar, 24. Eris. 2N. Eiker, 2«. Raa, 8N. Alt, 31. Sir. Senkrecht: 1. Wasser, 2. Aas, 8. Ar, 4. Laa, 2. Ger. 0. «i, 7. Ida, N. Seebad. IN. Ulster. 11. Halali, 1» Rasse, 17. Schrei, 1». Robert, 2N. Marie, 22. Eifel, 23. Idar, 22. Saar, 27. «a, 2«. « Druck und Verlag von Langer L Winterlich. Riesa. — Hanvtschristletter: Heinrich Ublemann. Ries«. Erzähler an der Elbe. Belletr. Gratisbeila>e zu« „Riesaer Tageblatt". Nr. 47 Nies», 25. November 19Z8 — 61. Jahr» Ein Schlag — ein Krach — ein Klirren ... Eva ließ entsetzt den Pinsel fallen. Ein schwarzer Tropfenregen sprühte auf. Sie sprang von der Leiter und mit em paar Sähen ans Fenster. Dabei stieß sie den Farbeimer um, ohne es zu merken. Interessiert betrachtete Ursula die Bescherung. Wie der dicke Brei sich über den Rand des alten Marmelade, behältnistes ergoß — so unbeirrt schicksalSmäßig. Wider- streben- streckte sie die schmalen, gepflegten Hände vor und — ließ sie finken. DaS schmierige Ungetüm war nirgends zu fasten. „Wieder einmal die Eichel Dacht ich'S -och," klang eS vom Fenster her. „Du, em Traum von einem Wagen. Schon fast Stromlinie. Scherben hat's gegeben, hoffent lich kriegen sie ihn flott!" Die Schwester entschloß sich, dem schwarzen Unheil seinen Lauf zu lasten. Gut, daß sie in kluger Voraus- sicht den Fußboden mit Pappe ausgelegt hatte, als die Eva eS wieder einmal mit einem verrückten Attentat auf eine Wand ihres Jungmädelzimmers bekam. Mit langen Schritten stakste sie zum Fenster. „Allerhand Hochachtung, ein feudaler Karren! Der Eisgraue scheint der beneidenswerte Besitzer." „Ist er nicht himmlisch? Die graue Bürste und die Ciloerschläfen. Dazu der graue Wagen. Eine Farben symphonie. Einfach süß!" Die Schwester blickte spöttisch auf den gelben Locken- köpf. „Man sollte dir daS zuckrige Wort verbieten. Ich bekomme direkt einen übersäuerten Magen. Uebrigeus scheint der hohe Herr nervös. Er schimpft mit dem Fahrer. Haube und Handschuhe hat er nur so auf das Polster geschmissen." „Hol Sie kriegen ihn los — jetzt —!" Eva riß das Fenster auf, „ho-ruck!" schrie sie selbst- vergessen und lehnte sich weit hinaus, während der graue Wagen, der gegen einen etwas in die Fahrbahn ragenden Eichenstamm gerannt war, sich eben mit Mvtorkraft zu lösen begann. Dabei geriet er in eine schlammgefüllte Mulde. Die Räder mahlten, ohne zu greifen und überschütteten den ungeduldigen Herrn im Hellen Fahrmantel mit einer Brause brauner Tropfen. Er machte solch einen komischen Seitensprung, daß' Ursula hellauf lachte. Die andere wandte sich zornig: „Schäme dich! Er sicht auS wie ein Gesandschafts- attachk." Nun platzte die Schwester erst recht heraus. Gesandt- schaftsattach«! war das höchste, waS sich Eva an eleganter ! Männlichkeit vorstellen konnte sie hatte nie einen gesehen. Erbost steckte diese die Zunge heraus — sehr zur Be lustigung deS Fremden, der sich, seine beschmutzten Hände vorgestreckt, nach Hilfe Umsatz. „MädelS," rief er und trat dicht an daS Gitter -eS Vorgartens, „gehört etwa euch der lebensmüde Köter, -em mein Fahrer beinahe Mann und Wagen geopfert hätte?" Die Zwillinge sahen sich kichernd an. „Er hält uns für Kinder," raunte die Dunkelhaarige. „Wir besitzen keinen Wauwau," schrie die Blonde, „ie. »och einen Brunne« im Hofe." „Dank schön, -er«." Zunächst stellt« der Herx^ «b«r erleichtert,frst. tzgß brr rvagen anscheinend im Gerrreve unversehrt war. El schnurrte die Straße auf und ab. Die Zersplitterung der rechten Scheinwerferscheibe und den verbogenen Kot flügel mußte man als Dankopfer an ein gnädig vorbei gegangenes Schicksal werten. Wieder ruhig geworden, ließ der Fremde -en merk- würdig gesammelten Blick der grauen Augen über daS schmucke Anwesen gleiten. Braungestrichenes Balken werk zwischen gelblichen Feldern, eine breite rote Ziegel. dachhaube, Blumenkästen an den vier Frontfenstern — allerliebst, aber doch recht klein und niedlich für seinen stolzen Namen „Haus am Fluß". Ihm wenigstens dünkte die Aufschrift, die in schwarzen, steilen, ein wenig eigenwilligen Lettern unter dem Giebelchen prangte, irgendwie bedeutungsvoll. Vielleicht hatte es daS Hau» in sich. Vielleicht war eS wirklich etwas Besonderes, eben daS Haus am Kluß. Schon daß es keine Nachbar, schäft besaß, -aß eS so weltabgeschieden lag, von der nächsten Ansiedlung mindestens einen Kilometer ent fernt, nahm sein Interesse gefangen. Er klinkte daS Gartenpförtchen auf. Die Zwillinge waren vom Fenster verschwunden, ihren neunzehn Jahren zum Trotz erregt von dem kleinen Abenteuer. „Er nimmt uns für Schulgören," juchzte die Ev, „iu den kurzen Kitteln kann er uns leicht dafür halten." Ihre Mutter wäre entsetzt gewesen über den Mangel an Bekleidung, den sich die lufthungrigen Körper ihrer MädelS unter den verwaschenen Hüllen gestatteten, und was das übermütige Paar jetzt beabsichtigte, hätte die scheue Fraulichkeit Marias gleichfalls erschreckt. Die Blonde hatte vor dem Klurspiegel ihren gelben Lockenwald noch wilder zerzaust und ganze Büschel in die Stirn gezerrt. Prüfend betrachtete sie die Schwester, die sich mühte, den glatten Helm ihres Haares gegen -en Strich zu bürsten. „Daß du ein entsprechen- dämliche- Gesicht machst, Große," mahnte sie, kehrte sich aber schnell ab. das Lachen zu verbeißen. Auf der schmalen Nase des schwe sterlichen Rasteprofils und Umgebung saßen ein paar saftige schwarze Spritzer. DaS genügte. „Eigentlich sollten wir ihn in die Küchel bitten," sagt« sie ablenkend. Ursula fuhr auf. „Einen GesandtschaftsattachS — in dieses ChaoS? Nicht mal das Frühstücksgeschirr ist abgespült. — Arme Mutz!" Sie turnten über die vor EvaS künstlerischem Be tätigungsdrang herübergeretteten Möbel und langten pn der Hintertür an, als der Fremde um die Hausecke vog. Er ließ den aufmerksamen Blick über das saubere kleine Geviert mit Pumpe und Schuppen gleiten und «ihn gefesselt vor der hohen mit jungem Laubwerk grün golden umbuschten Gartenwand verweilen, durch -ie Lin schmaler Rvsenbogen Einlaß gewährte. Dann wandte er sich den Schwestern zu, die aufdeu Stufen -es .erhöhten. Eingangs stehend, gleichfalls Musterung hiel- Sen. Die fiel anscheinend günstig aus, devn Eva hauchte «ihr gräßliches „süß", was ihr einen Puff eintrug. Der Fremde war ziemlich entgeistert über das, waS sich an -ie beiden durch daS Fenster recht sympathisch wirkenden Bubenköpfe nach unten anschloß. Häßliche kniekurze Hänger, ausgetretene Sandalen an den nack- lten, wenn auch zierlich geformten Beinen, und dies jalleS einschließlich der rosigen Gesichter mit Farbkleck- ffen übersät. Die Zwillinge machten tiefe Knickse. Sie lachten sinn- koS. Anscheinend etwa» unbegabt, stellte er beLLuernd fest. «Schade, di« Gesichter mochten in saubere» Mstand recht ieiL-M Mte leichthin