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solch ein Vermögen ervcn würoe, köllmefkou vamar» nicht wissen. Aber vielleicht ist er wirklich verliebt genu in dich, daß er daS alle- vergißt und dich nun doch noch zur Frau nimmt. Möglich ist auf dieser verrückten Welt alle», da- streite ich durchaus nicht ab. Da- mutzt du eben abwarten, mein teures Kind.* Vom Nebenzimmer her kam ein Seufzer. Dann wurde ein schlürfende- Geräusch hörbar. Die Schwestern sahen sich erstaunt an. Der gute Papa, wollte er etwa gar ansstehen? Bei dem kalten Wetter war er wirklich im Bett am besten aufgehoben. Die Tür ging auf. Herr vom Stein stand auf der Schwelle. Er hatte eine dicke Decke umgelegt und eine Eanrtmütze auf dem Kopf. Beide Hände stützten sich auf den Stock, ohne den er sich kaum einen Schritt bewegen konnte. „Ich muß euch etwas sagen." Ein scharfer Husten unterbrach ihn. Gisela bequemte sich endlich, dem Vater zu Hilfe zu kommen und ihn zu einem Stuhl zu führe». „Wärst du doch tu deinem Bett geblieben, Papa, du frierst sa nur tu dieser elenden Baracke. ES genügt schon, wenn Lore und ich den ganzen lieben langen Lag kalte Füße haben," sagte sie ungehalten. Der alte Herr hüstelte. Er setzte sich, ließ sich eine Fußbank herauschieben, legte seine dick geschwollenen Füße darauf, zog die Decke fröstelnd enger um sich, und dann sagte er: „Ich habe etwa- sehr Wichtige» mit euch zu be sprechen." Die Stimme des Vaters klang so ernst, daß auch Leo nore aufmerksam wurde und ihre Spitzen zusammen legte. „Steh doch nicht so vor mir, setz dich wenigsten», Gisela! Ich kann nicht sprechen, wenn du so vor mir stehst!" klagte der alte Herr. Ohne ei» Wort zu entgegnen, ließ Gisela sich neben dem Bater nieder. Der trocknete sich mit feinem großen weißen Tuch den Schweiß von der Stirn. Dann holte er hörbar Atem und sagte laut: „Ihr müßt es doch erfahren. Warum nicht lieber jetzt von mir. Ich hatte mich vor neunzehn Jahren noch ein- mal verheiratet. Aus dieser Ehe stammen zwei Töchter, die bei ihrer Großmutter erzogen wurden. In den letzten Jahren waren sie «m Pensionat -er Madame de Lanbonquier in Genf. Ihre Großmutter, Frau Pastor Sille, ist vor einigen Wochen gestorben. Die Mutter verloren sie, als sie ein und zwei Jahre alt waren. ES war, al» ihr mich auf meiner großen Weltreise glaubtet. Ich habe damals vier Jahre lang ein glückliche» Leben geführt. Dann starb Rottraut. Der Sachwalter der Fra» Pfarrer Sille teilte mir mit, daß die Großmutter meinen beiden jüngsten Töchtern ein Vermögen von etwa -reihigtausend Mark hiuterlasseu hat, in da» sie sich zu teilen haben. Ich will also jetzt, -atz die beiden MSdelchen hierherkommen." Schweigen! Auf dem Gesicht de» alten Herrn spiegelte sich so etwa» wie Schadenfreude, well er seinen beiden ältesten Töchtern, die nie liebevoll zu ihm gewesen waren, diese Ta«sache Mitteilen konnte, über die sie sich nun jeden- fall» sehr ärgerten, ohne etwa» daran ändern zu können. Gisela faßte sich zuerst. Zornig klang ihre Stimmer „Fein hast du das gemacht! Fein! Mitten in unsere Armut noch zwei Esser! Aber du sagtest, sie haben Geld. Kann man das als Zuschuß nehmen?" „Nein, nur die Zinsen." „Das ist ein elender Bettel!" fuhr sie auf. „Besser als gar nichts, denke ich," sagte der Vater ruhig. Leonore erhob sich. Ihr Gesicht war starr und gelb. „Ich danke dir für diese Hinterhältigkeit, uns so viele Jahre lang zum Narren gehalten zu haben. Und jetzt glaubst du wirklich, du brauchst -lese Eselei deiner zwei» Heu Heirat nur ein»uaestebe«, «nh wir werden hier mit östtürn^Armru bieie^yrortt DaAchen empfangest, Mi die wir absolut ket» Verständnis und keine« Funke» verwandtschaftlichen Gefühl» haben?" Hart, avweifend klang ihre Stimme. Und Gisela sagte: „Sehr richtig, Lore, ganz und gar meine Meinung." „Sure Meinung ist aber nicht maßgebend. Meine jüngeren Töchter haben hier genau so gut eine Heimat wie ihr. Ich bedaure nur, daß sie in diese armseligen Verhältnisse kommen. Sie sind ein lichte-, schöne-, gut bürgerliche- Heim gewöhnt und werden sich hier durch aus nicht wohl fühlen. Wer den meisten Schaden haben wird, wollen wir also jetzt lieber nicht festlegcn." „ES war unverantwortlich von dir, nn- diese Sache bi- heute zu verschweigen," sagte Gisela zornig. Der alte Herr vom Stein verzog da» Gesicht, sagte dann aber fest: „Da ich nichts zu vererben habe, sind eure Wutanfälle unangebracht. Di« Zinsen werden ganz gute Dienste leisten, die Zinsen vom Vermögen der alten Kran Pastor Sille. Ich war ganz froh, daß die beiden Mädel- chen bet der Großmutter aufwachsen durften. Ich habe sie vor zwei Jahren da» letztemal gesehen, ehe sie in» Pensionat kamen." „WaS sollen wir hier mit ihnen, kannst du un» da» vielleicht sagen?" „Sie sind jung und froh, sie werden einen anderen Atem hier hereinbringen. Und schön sind sie auch." Herr vom Stein kicherte vor sich hin. Er wußte, daß er seinen Töchtern schwer zunahegetreten war durch diese letzte Bemerkung. Gisela und Leonore ivarfen sich bedeutungsvolle Blicke zu. Und Gisela rief empört: „Jetzt! Gerade jetzt! Wo sich mir noch eine letzte Ehance zeigt! Jetzt sollen zwei junge Dinger in» Hau kommen, die dazu noch hübsch sind! Ich sage dir, e» ist ausgeschlossen, daß sie jetzt kommen. Ganz und gar ausgeschlossen ist eS." „Sie kommen am 17. diese- Monat- früh gegen elf Uhr hier an. ES ist bereit» alle- geregelt. Und ihr werdet euch gefälligst nicht mtt bitterbösen Mienen zeigen, ich will es nicht! Ich habe nicht mehr lange zu leben, ich fühle eS. Und vielleicht heiraten die beiden Mädelchen bald, dann seid ihr sie sowieso wieder lo». Ich freue mich, meine beiden jüngsten Töchter noch ein bißchen um mich zu haben. Und ihr beide werdet wohl noch so viel Familiensinn haben, ench auch zu freuen." Da- letzte klang boshaft und wnrde von den Schwe stern mit höhnischen Mienen quittiert. Schließlich» meinte Lore: „Und wie heißen die Dinger?" „Die ältere heißt Sabine und die jüngere Rotkraut!" „Blödsinn!" „Du sagtest ...?" fragte Herr vom Stein sehr scharf. „Die Namen, vor allem -er letzte, fln- blödsinnig." „Meine Frau hieß Rottraut, un- so hat sie auch ihr jüngstes Töchterchen genannt." „Hast du eigentlich auch den Skandal bedacht, de» diese Neuigkeit hier auslösen wird?" Herr vom Stein kroch noch mehr unter die -icke Woll decke. Dabei sagte er: .. . „Laßt doch die Leutchen redenl Die haben sich nach dem Zusammenbruch auch nicht «m un» gekümmert, Haden immer und immer nur geredet. Inzwischen: waren andere Nachbarn an der Reihe, über die e» irgend etwa- zu reden gab. Nun kommen wir eben wieder dran. Seid doch froh! Solange die Leute reden, ist man wenigsten- nicht vergessen." „Komische Philosophie!" meinte Gisela. Sie war noch immer außer sich, aber sie fand sich doch schon langsam mit der Tatsache ab. Ja, sie hatte sogar ein Wohlgefallen bet dem Gedanken, in Zukunft zwek junge Wesen quälen zu können. „Wenn ich sterben sollte, ist Doktor Lunzenau Vor mund." i (Fortsetzung folgt) Druck und Verlaa von Lanaer «. Winterlich. Riel«. — vauotlchriktleiter: Heinrich Ublemanu, Riesa. Erzähler an der Llbe. Belletr. Sr«tistetla>e zn« „Mesner Tageblatt". Nr. 45 Riesa, 5. November 1937 6V. Jahr- v«-tak»-»kc»<7rLc«vrr vv»c«Vnu.»L oriuur «k»rrcr.nriu>»u (Schluß.» "^WaS ist damit? Ich konnte in diesen Tagen nichts dafür tun. Aber sofort nach unserer Rückkehr möchte ich die Sache anpacken. Manchmal... spielt da» Schick sal doch etwas ander», als man eS sich anSrechnet!" „Zu spät!" „Wie? Warum ist - zu spät? Ich denke nicht daran, etwa den Plan fallen zu lassen!" „Keuerkopf!" lächelt Dr. MartenS. „Wer spricht denn von fallen lassen!? DaS Stück steht! Ist fertig'. Wir warten nur darauf, daß die Dichterin sagt, wann die Aufführung sein soll. Denn wir möchten sie doch schließ lich dabet Havens Ilse ist vor Ueberraschung einen Augenblick fassungs los „Da» Stück ist fertig elngeübt? Mein „Weg in den Morgen"?" „Natürlich! Wa» sonst? Doktor Hcllmann-Haririegel bat die Spielleitung, eine ganze Reihe Schauspieler vom Städtischen Schauspielhaus tragen die Hauptrollen . . . die Hellmer spielt daS Mädchen hervorragend! ... der Chor" — sie weist auf Eva Hammerschmidt — „ist von dieser jungen Dame nnd ihren Kameradinnen betreut worden. Eie brauchen nur noch zu kommen." „Wirklich?!" jauchzt Ilse. „DaS habt ihr alle» ohne weine Hilfe fertiggebracht? So ganz aus euch heraus?" „Meinst du, wir wären zu dämlich?" brummt Eva getränkt, aber sie kann fast nicht anöreden, denn Ilse hat sie im Handumdrehen bei den Schultern gegriffen, reißt sie hoch von ihrem Stuhl und wirbelt sie durch das Zimmer, immer rundum. „Vollkommen verrückt!" stöhnt da» mollige Mädchen, als eS endlich auf seinen Stuhl zurücksinkt. Ilse aber möchte am liebsten ihre Koffer packen und auf der Stelle loSsahren. „ES wird etwas! Denkt nur. Kinder, wenn die Sache balbwegS einschlägt, können wir vielleicht daS Grund stück für unser Hau- der Kameradschaft kaufen!" „Anck überflüssig!" meint Eva. „Vater hat mir ver- raten, daß bei ihm ein Notariatsakt vorllcgt, der dir et» Gruudstück mit Gebäude für diesen Zweck zur Ver fügung stellt. Ich hab mir die Kiste mal angesehen, ist 'ne alte stillgelegte Zichoriendarre. Tadellos! Braucht Nur auSgebaut zu werden!" „Ach nein! Jetzt schwindelst du aber! Wer sollte denn das sein? ES weiß doch gar keiner davon?" Ilse blickt zweifelnd im Kreise umher, als suche sie bet irgend jemand Hilfe. Aber Mella nnd Sruscmark zucken die Achseln, van Grooten schaut gänzlich unbeteiligt drei», nnd Dr. MartenS nickt bestätigend. „Nun weiß ich nicht mehr aus noch ein!" klagt Ilse tatloS. „Die Aufführung . . . fertig! Ein Grun»'tück ... vorhanden! Ein Gebäude ... durch Zauberei herbei geflogen! Bin ich verrückt? Träume ich? Ach, liebe, gute Eva, schwiudelst du mich jetzt nicht gewaltig an?" »Ader keine Ahnung!" gibt Eva ärgerlich zur Ant- wort. „Reine Wahrheit! Ich weiß eS ganz offiziell von meinem Vater! Der hat eS gesagt, also stimmt's! Der schwindelt nicht, auch nicht im Spaß! Der hat überhaupt reinen Humor. Und die Witze muß man ihm erklären, damit er weih, wo er lachen soll. Also, Kind, da» lst so aut wie von Amt» wegen. Mit PostznstcllnngSnrknnbe. Ist 'ne Bank, hat er beiläufig mal geäußert, -je da» Ganze mal sehr preiswert übernehmen mußte, al» bl« Darre pleite ging." „Eine Bank?" Nun blitzt Ihr ein Licht auf. „Haden Sie eS gehört, Peter? Eine Bank? Ich glaube, die kenne ich!" Scharf und durchdringend steht sie zu ihm hinüber. Aber er tnt ganz harmlos. „So? Kennen Sie die? Sann ich mir kaum denken. Welche denn?" „DaS werden Sie erfahren, wenn ich die Möglichkeit habe, Ihnen dabet sämtliche Rippen zu zertrümmern. Vorläufig sind Sie ja noch Patient." „Ahoi! Biel Spaß, Peter!" lacht Krusemork. „Und nun schlage ich nach all de« erfreuliche« Ucberraschun- gen vor, daß die beiden Neulinge sich mit nuferm ent zückenden Fischerdorf bekannt machen!" An diesem Tag ist Ilse restlos glücklich. - * * * Die Aufführung ist ein voller Erfolg gewesen. " 7 Theater war auöverkanft, denn die Ol hatte mä..,. g geworben unter Freunden und Bekannten: außerdem erfreute sich Hellmann-Hartriegel- Reih: „Junge deutsche Dramatik" eine» außerordentlichen Rufes. Die Eludioaufftthrnngen an den Sonntag-Bonnitlagen waren weit über die Grenzen der Stadt hinaus be rühmt. Ilse ist der gefeierte Held der Schule. Selbst -er Direktor wünscht ihr Gluck, wenn seine Freude auch nicht ohne Beigeschmack sein mag. Aber Ilse freut sich gerade über diesen Glückwunsch besonder». Hat sie sich doch nicht in ihm getäuscht: er ist im Gründe seine» Herzens ein gerechter, anständiger Mensch, ihr Direktor. Für den nötigen Widerhall der ganzen Sacke aber batte Hannes gesorgt. ES gelang ihm, Schulze-Beck mit vieler Mühe dahin zu bringen, daß er IlseS Stück vor der Aufführung las. „Wird ein Reinsall. Ist näm lich 'ne ganz anständige Komödie." So prophezeite er. Sonst hat Schulze-Beck eine gut« Rase, diesmal hat sie versagt. Die „Komödie" fiel nicht durch, trotzdem sie „ganz anständig" war. In aller Stille hatte er an eine Reihe bekannter Kollegen geschrieben. Am Montag nach -er Ausführung brachte die Presse eingehende, durchweg lobende Be richte. Der gute Geist, die besonderen Umstände, die zur Auffiihrnng -e- Stücke- führten, die kraftvolle Sprache der Dichterin und ihre unleugbare Begabung lür die ramatische Darstellungsform . . . alle- wurde gelobt. Vier Tage daraus hat Ilse da- Angebot 2ueS «am- vasten BühnenverlagS in der Hand. Sie findet sich damit nicht znrccht nnd überlegt, waS da roohl -n tun ist Auf den einfachsten Weg kommt sie zuletzt. „Natürlich! ;fch werde zn Peter gehen, ihm die ganze Sache übergeben ... ja, auch wenn er nicht bei der Auf« fübruns war, der Schuft!" Mit alle. Sorgfalt kleidet sie sich an. DaS Helle, bunte Seidenkleid, das wird sie nehmen, e» nt einfach und steht ,hr doch gut! Alarm« tu ich daS eigentlich? fragt sie sich, bleibt ein Weilchen kopfschüttelnd vor dem Spiegel stehen, streicht die immer widerspenstige Stirnlocke sorgfältig -«rück nnd wendet sich dann znm Gehen. Als sie sich dann im Flnrspiegel noch einmal betrachtet, empfindet sie ihr Aussehen als recht angenehm. Und daS ist znmindest kein Schaden! denkt sie. In dem großen Bankhaus van Grooten wartet sie im selben Borzimmer, im selben Lederstuhl, in dem an jenem entscheidungSreichen Tage ihr Bater saß. Die rote Lampe über der Tür erlischt. „Bitte!" sagt di« Sekretärin und weist aus -te Tür. Aber ehe Ilse öffnen kann, erscheint Peter schon auf der Schwelle. „Ilse ... Sie hier! Welche Ueberraschung! Bitte ... kommt« Sie!" Er läßt st« vorangehen, zieht sorgfältig die Tür binter sich in. „Und wie Sie auSkede«! Wie der