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Ausreißerin uno nahm sich vor. einen Pfefferminztee für sie zu kochen. Sabine machte sich schnell t« Ihrem Zimmer frisch, Rottraut sah ihr zu, sagte aber kein »ort. Unb bann gingen sie zusammen in das Speisezimmer, wo die Schwestern noch beisammensaßen. Im selben Augen blick kam auch schon die Ttedken in ihrer großen weißen Schürze und brachte da- Frühstück. Sabine grüßte die Schwestern freundlich. Lore dankte ihr und nickte ihr zu. Aber Gisela saß steif aufgerichtet, ihre Augen schossen wahre Blitze des Hasse- auf Sabine. Blaß und still neigte Sabine den blonden Kopf. Als die Tiedken hinaus war, erklärte sie: „Ich hatte einen kleinen Unfall. Hatte mich verirrt bei dem Schneesturm. Ich wollte durchaus nach Hause, damit ihr euer gewohnte- Frühstück haben konntet. Ich bin dann wohl kurze Zeit ohnmächtig gewesen. Herr Baron Josten fand mich. Er bat mich hrerherbegleitet. Ich soll recht schön grüßen, seine Frau Mutter würde nächstens Besuch bei uns machen." Jetzt blühten auf Giselas Wangen rote, scharse Flecken auf. „Was hast du da gesagt? Frau Baronin Josten will uns besuchen?" fragte sie hastig. „Ial Baron Josten sagte eS." „Und er hat — wie kam er dazu, dich zu begleiten?" „Weil ich mich verlaufen hatte." „Das war natürlich nur Komödie," stellte Gisela fest. „Ich spiele keine Komödie," entgegnete Sabine ruhig. Giselas Augen sahen scharf und prüfend auf die junge Schwester. Dann dachte sie erleichtert: Sie ist ja ein dummes, unreifes Kind. Lothar Josten kann keinen Gefallen an ihr finden. Eie trank jetzt ihren Kaffee und überließ eS Lore, mit Sabine und Rottraut zu plaudern. Aber sie schmiedete Pläne. Sie sah sich schon am Ziel ihrer Wünsche. Lothar würde sie nicht vergessen haben. Seine Mutter kam aus diesem Grunde auf den Hohen Stein. Lore strich über Sabine» blonden Kopf. „Bißchen leichtsinnig warst du. Du hättest im Dors bleiben sollen. Na, nun bist du wieder da, und eS ist alle- gut." H)ch danke dir, Lore," flüsterte Sabine. Aber sie sah nur immer einen großen blonden Mann mit Hellen grauen Augen. Sie nahm dann nach dem Frühstück Rottraut mit sich, da sie heute noch viel Arbeit Mtten. Gisela wandte sich an die Schwester: „Was sagst du jetzt?" „WaS soll deine Frage?" fragte Lore erstaunt „Ich werde also vielleicht doch noch Lothar» Frau! Wozu käme sonst seine Mutter? Sie wollen wieder näheren Verkehr mit un». Ich bin sehr glücklich dar über. Aber nun müssen wir etwa» für un» tun. Di« jungen Dinger, unsere Stiefschwestern, haben ja Klei der. Doch ich muß unter alle« Umständen einige schwarze elegante Kleider, Schuhe und Hüte haben." „Ich rate dir dringend, warte erst ab!" Gisela sah die Schwester groß an, dann bemerkte sie schneidend: „ES könnte allerdings sein, daß du mir mein Glück Nicht gönntest." Lore sagte leise: „Du irrst. Ich beneide dich um nicht». Denn durch deine Heirat hätte ich Ruhe. Aber e» könnte auch sein, -aß du eine riesengroße Enttäuschung erlebst." Gisela erhob sich un- ging hinaus. Lore jedoch schüt telte den Kopf und murmelte vor sich hin: „DaS ist ausgeschlossen, Lothar Josten nimmt Gisela heute nicht mehr. Er hätte gar keinen Grund, die» zu tun. Denn sie hat einst die Verlobung gelöst, nicht er. Also hat er auch heute keine moralische Verpflichtung, StnsttgeS Unrecht gutzumachen." „Mütterchen, du mußt mir einen riesigen Gefalle« tun." Lothar Josten saß seiner Mutter beim Frühstück gegenüber und sah sie bittend an. „Die Bitte ist wohl schon jetzt gewährt, wenn du mich« so ansiehst. Etwa- Unrechtes wird es ja nicht sein,"' meinte sie lächelnd. „Ich bitte dich, den Damen auf dem Hohen Steirr einen Besuch zu machen," sagte er ruhig. Eie sah ihn starr an. Dann m-Inte sie vorwurfsvoll? „Einen besseren Scherz wußtest du wohl nicht, mein- Junge?" „ES ist durchaus kein Scherz, liebste Mama. Ich bitte: dich wirklich um diesen Besuch." „Dann verstehe ich dich nicht, Lothar!" ES klang sehr ungehalten. „Wußtest du eigentlich, daß Herr vom Stein später noch einmal verheiratet war und zwei junge Töchter aus dieser Ehe hinterließ?" Seine Mutter sah ihn fassungslos an. „Nein!" „Ich traf heute tm Walde ... vielmehr, ich fand ent ohnmächtiges junge- Mädchen, da- Gisela vom Stein ganz ähnlich ist. Ich habe sie zunächst in Onkel Verlach» Jagdhaus getragen, und dann sagte sie mir, wer sie sei. Sie wohnt mit ihrer um ein Jahr jüngeren Schwester bei den beiden Fräuleins vom Stein. Ihre Mutter war eine Pfarrerstochter. Die beiden jungen Mädchen sind bet der Großmutter erzogen worden. Ihre Mutter starb sehr jung, vor kurzem nun auch die Großmutter. Sie hatte zuvor die beiden Enkelinnen in ein gutes Pensionat geschickt nach Genf. Nun sind sie hier." „Mein Gott! Aber schließlich war daS Herrn vom Stein- eigene Angelegenheit. Den Himmel auf Erden werden sie ja nicht gerade haben bei ihren beiden ält lichen verblühten Schwestern." „DaS schien mir auch so." Lothar Josten sprach eS ganz in Gedanken. Seine Mutter lächelte fein. Der Sohn sah eS. Not flammte über seine Stirn „Denk, wa» du willst von deinem alten Jungen. Aber ich möchte, daß die beiden jungen Mädchen ein bißchen Lebensfreude in ihrem eintönigen Dasein hätten." „Gewiß. Wenn die Sachen so stehen! Ich war nur tm Anfang sehr erschrocken, weil ich tatsächlich glaubte, du seiest noch immer von deiner alten Liebe zu Gisela vom Stein besessen." „Gisela hat mein Mitleid, weil sie den falschen Weg beschritten hat. Sonst wüßte ich nicht, wa» mich noch mit ihr verbinden könnte." ES klang sehr gleichmütig, (Fortsetzung folgt) Bon -en Bil-zeichen gelten nur di« Anfangsbuchstaben! an LteUe der Punkt« sind entsprechrnde Bokale ein»us«tzen so daß «in bekannter Sinnspruch eutst«bt. «nsl-fung des Wab«»rätselS 1. Horn, 2. Rose, t. Dame, 4. Kamm, 5. Lelm, S. Nain, 7. Park, 8. Mark, o. Vak«, 1». >mm«. kl. gsi», IS. Espe, 1L. Rad«, 14. Salz, lü. Marz. Druck und Bcrlaa von Langer L Winterlich. Riesa. — Vauvtschriftl«l»«r Hetnrtch vbkemann. Riesa. Erzähler M der Elbe. velletr. Gratisbeilage zu« „Riesaer Tageblatt". Nr. 4S Riesa, 3. Dezember 1937 KV. Jahr» tL.onra.fi. rioir lvank»k«-irkcnntLnvrr.ovacu vearao otaaa aak>krkir,«kiroau^ s. Fortsetzung. Nachdruck verboten, k-.wine kämpfte verzweifelt gegen den Sturm an. Helle Tränen liefen ihr über daS Gesicht. Wo war nur der Weg zum Hohen Stein? Er konnte och nicht gänzlich verweht sein? Sabine lief und lief. Jetzt war alle» gleich. Sie mußte endlich eine Behausung erreichen. Vielleicht kam sie hier auf diesem Weg ins Dorf zurück. Aber sie hatte einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Als sie eS endlich erkannte, daß sie sich mitten zwischen hohen Waldbäumen befand, wußte sie, wie weit ab sie von ihrem gewöhnlichen Weg war. Der hohe Tannen wald lag sonst ganz drüben und gehörte zu irgendeiner Herrschaft. Sie war also vielleicht schon eine Stunde umhcrgcirrt. Sabine wandte sich zurück. ES war ihr, als husche ein Schatten auf sie zu, fasse nach ihr. Sie schrie laut auf vor Entsetzen und lief, so schnell die Beine sie trugen. Plötzlich brach sie zusammen, sie konnte nicht mc»r weiter. ES stürmte und schneite noch immer. Sabine vom Stein sank ganz in sich zusammen. Eisig kalt war eS ihr jetzt, und doch war ihr noch eben so heiß gewesen. „Lieber Gott, hilf mir doch!" betete Sabine leise. 8. „DaS ist ja eine schöne Geschichte, HarraSl Bet -em Wetter wird nichts au» unserer Jagd. Dann als» wieder nach Hause." Der Hund bellte freudig, al» habe er jede» Wort seines Herrn verstanden. Diese» Wetter gefiel ihm wirklich nicht. WaS sollte man denn hier tm Walde, wo es heute so unfreundlich war? Un- daheim lag da schöne warme Kissen in -er Halle am Kamin, wo man bei solchem Wetter faul liegen un- sich sein Hundefell schön auSwärmen lassen konnte. Ganz dicht ging der Hund neben seinem Herrn. Denn er mußte ihn ja schützen. Baron Lothar Josten streichelte dem Hund den Kopf. Daun ging eS weiter. Aber plötzlich lachte er leise vor sich hin und machte kehrt. Hier ganz in der Nähe mußte doch das Jagdhaus seines Freundes Gerlach sein. Der hatte ihm erst gestern den Schlüssel auSgehändtgt. „Schieb was tn meinem Revier, wenn- dir Spa macht, mein Junge. Ich komme jetzt doch nicht hin. DaS verfluchte Zipperlein, wie mich da» wieder mal quält! Und dabet hab ich mein Jagdhaus so behaglich einrichten lassen. Aber geh du hin." Lothar Josten lächelte. Beinahe hätte er vergessen, da- er den Schlüssel ln der Tasche trug. ES konnte gar nicht weit fein. Eiskalt umpeitschte e» ihn, aber er kannte sich au». Ihn konnten Schnee und Wetter nicht trremachen. Hier am virkenschlag hin, dann noch ein Stückchen glatten Weg, und dann war man schon an dem Haus. Wozu sollte er jetzt noch eine gute Stunde laufen, bi» er da heim war, wenn er r» -sL so bequem haben konnte?. Teufel noch mal, jetzt kam wahrhaftig noch ein Ge witter hinzu! Und dunkel war eS, als wäre eS am Abend und nicht frühmorgens gegen neun Uhr. Plötzlich raste HarraS davon. „Hierher, was fällt dir ein!" Der Befehl des Herrn wirkte, der Hund kam zurück, aber er heulte langgezogen auf, lief wieder ein Stück nach vorn, wandte sich nach seinem Herrn um und sah ihn wie hilfeflehend an. „Nanu, ist da was los? Na, wollen mal sehen! Such, Harras, such!" Da schoß der Hund davon. Etwa fünfzig Meter ent fernt blieb er stehen und heulte wieder auf. WaS mochte er haben? Lag dort ein hilfloser Mensch? Dann war eS ja sehr gut, -aß er sich ans Onkel GerlachS Jagdhaus besonnen hatte. Denn sonst wäre er nicht hier entlang gekommen. Baron Josten nahm seine Taschenlampe heraus, schritt vorwärts, kniete im nächsten Augenblick bet einem Menschen nieder, leuchtete ihm ins Gesicht un prallte zurück, faßte sich an die Stirn. Gisela vom Steinl Gisela, wie sie war, al» ich sie liebte. Aber sie konnte eS doch nicht sein, unmöglich konnte sie eS sein! DaS Mädchen war ohnmächtig. Ohne sich lange zu besinnen, trug Baron Josten die Aufgefundene auf seinen Armen tn Onkel GerlachS Jagdhaus hinüber. Ein klein wenig hatte daS Wetter nachgelassen, und eS dämmerte drüben hell herauf. Aber trotzdem wüteten Sturm und Schnee noch immer. DaS Jagdhaus bestand aus einem großen, hübschen Raum mit schweren Eichenmöbeln, einem alten Feld bett mit guten Decken, einer großen Petroleumlampe und einem richtigen kleinen Herd. Und daneben, sauber aufgeschichtet, lag klein gespaltenes Holz. Onkel GerlachS Gründlichkeit und Junggesellentum sei gesegnet, dachte Lothar Josten und entzündete et« Feuer. Bald wurde e» mollig warm. Die Lampe brannte, die Holzläden waren geschlossen. Und ans dem Feldbett lag daS junge Geschöpf, da» Gisela- Jugend so ähnlich war. Baron Josten zog sich einen Stuhl heran un- nah« die kalten Hände -e- Mädchen- tn die feine«. „Armes, schöne» Dingelchen! Wo kommst du her, und wer magst du sein? Welch ein Spiel der Natur lte- dich Gisela vom Stein so ähnlich werden?" Im Ofen prasselte es. Regungslos faß der Man« und blickte tn daS blasse junge Gesicht. Endlich regte sich da- Mädchen. Der Baron lehnte sich zurück. Die schönen blauen Augen Sabine- irrten staunend umher. Dann richtete sich da- Mädchen auf, jähen Schreck tn den lieblichen Zügen. „Mein Gott — ich — wo bin ich?" Der Baron war aufgestanden. Jetzt verbeugte er sich tief. „Gnädige- Fräulein gestatten: Baron Josten. Jch fand Sie im Walde ohnmächtig un- habe mir erlaubt, Sie tn da- Jagdhaus meine- alten Freunde- Gerlach zu tragen, da die- am nächsten lag und Sie nicht länger in Schnee und Kälte da draußen bleiben durften." Sabine hatte -a- Gesicht tief gesenkt. Die großen grauen Augen Josten- sahen auf da- blonde schim mernde Haar. Seltsam weich war ihm zumute. Wen» er doch nur wüßte, wer sie wäre! Eine junge Dame gewiß. Außer allem Zweifel stand da». Aber wohin gehörte sie? War sie Gesellschafterin auf einem Gut t« -er Umaeaend?