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Ein feines Lächeln lag »« Frau Heines Mund, als sie die Taffen herausräumie. Er war noch genau so wie i»lS kleiner Junge. Wollte «al etwas absolut nicht gehe», Hann brauchte man ihn nur beim Ehrgefühl zu packen, und er schaffte es. Sie hatte i» ihrer flinken Art die Taffen ausgrspült und war eben dabei, sie auf ein Tablett zu stellen, als ste die Lohnzimmertür gehen hörte. Und gleich darauf stand Werner in der Küche. »Mutter', fragte er, und es lag ein grüblerischer Zug in seinem Gesicht, .Mutter, was weißt du eigentlich von Antia Aniewskh?' Frau Heine sah ihrem Sohn forschend in die Lugen: .Lieber Junge, du redest heute mehr von Frauen als sonst kaum in vier Wochen I' Sie trug das Tablett mit den Taffen ins Wohnzim mer zurück. Er folgte ihr und blieb im Wohnzimmer a» den Bücherschrank gelehnt stehen. .Ich möchte es ader gern wissen!' beharrte er, .ich kenne sie nur flüchtig. Ich mag dies« Modepuppen nicht, deren einzige Beschäftigung darin bestehl, Männern den Kopf zu verdrehen! Es ist etwas Unnatürliches um solche Frauen, ich muß immer an Treibhauspflanzen denken! Es find überhaupt keine richtigen Frauen mehr.' Frau Heine ordnete flink die Taffen ins Büfett: .Deinen Zorn in Ehren, mein lieber Junge, aber weißt du auch, ob er auch berechtigt ist? ES wird sehr »tel geflatscht, und am meisten über Leute, die «in bißchen anders find als wir braven Durchschnittsmenschen. Wa tch über »nita Siesebrecht weiß? Nicht mehr als du. Sie lebt nach ihrer Scheidung fast ständig auf Reisen, und ist n« mal hier, verblüfft sie ihr« lieben Mitbürger durch immer neue Eleganz. Sie soll spielen, fie soll Verhält- Hisse haben, st« soll sogar Morphium oder Kokain oder fowas nehmen — ich weiß es nicht. Ich gehe nicht mehr Mrs, aber ich kann mir gut vorstellen, daß ihre Schön- ßett ihr von den weniger bevorzugten Seschlechtsgenos- sinnen als größtes Verbrechen auSgelegt wird. Sie hatte l» Kind die ernstesten Augen, die ich je bet so einem «albflüggen Ding von sünszehn — sechzehn Jahren ge- «tzen haoe. zehn Jahren kaun sich ein Mensch sehr aber die Schauergeschichte«, di« über st« im Um find, glaube ich nicht.' Werner hatte gespannt »«gehört. Jetzt lag etwa- Ratloses in seiner Stimme, als er fragte: .Glaubst du, daß fie einer Frau den Rann weg- siehmen würde, bloß weil er ihr mal für kurze Zett ge- Mllt?' Fra« Hein« horchte auf: .Ich will «ich nicht in dein Vertraue« drängen', sagt« st«, ,ab«r du willst «twaS ganz Brstimmtes damtt lagen. Und ich kann dir auf deine Frage nur wieder die- »lb« Antwort geben wie vorhin: das weiß ich nicht.' Werner spielte nervös an den Büchereinbänden her um. .Eberhard Hilliger hat Anita kennengelernt, und ich glaub«, fie hat mehr Eindruck auf ihn gemacht, als er sich selbst eingestehen will. Und fleh «al, Mutter, da ist doch die Hilde! Die hat ihn doch lieb! Die darf doch Nicht- davon merke«! Und wenn Anita wirklich die Frau ist, die nimmt, was ihr gerade gefällt, dann bleibt doch Hilde zurück. Und di« darf nicht unglücklich werden! Die soll ihr frohe- Kinderlachen nicht verlrrnen!' Frau Hein« antwortete nicht gleich. Was hätte fie shm auch sagen sollen? Solch« Verwicklungen waren ihr n» ihrem einfachen Leben nicht begegnet. Da liebten nun zwei Freunde dasselbe Mädchen, und >«r, dem di« Liebe deS Mädchen- zugefallen war, wußte dieses Geschenk vielleicht schon nicht mehr zu schätzen. Aber vielleicht tat sie dem jungen Hilliger unrecht. >ES ist vielleicht nur eine Ahnung', hatte Werner gesagt. Roch wußte er ja nichts Bestimmtes. Am Ende steigerte rr sich da in seiner Eifersucht i« einen Gedanken hinein, der ohne Grund und Boden war! Ja, bestimmt, so war es! Sie wollte Werner gerade «in beruhigende- Wort sagen, da klingelte es draußen. .Bleib' fitze», Mutter', mtt «r schnell, .ich mach« selbst aui.' Sine Helle Stimm« fragte draußen, ob di« Mutter da Das war doch Hilde! Frau Heine stand aus und ging zum Flur. Natürlich da stand sie! Gerade zog fie sich energisch mit Werners Htlse das leichte Mäntelchen au-, die Mütze flog aus de» Haken und strahlend kam sie aus Frau Heine »u: »Recht schönen gute» Tag, Frau Hein«! Richt bös« fein, daß ich Sie so meuchlings Übersalle, aber Werner -al gesagt, Sie schimpften bestimmt nicht!' .Aber warum denn, Hilde', sagte Frau Heine Herz« lich, .wenn man vom Wolfe spricht... Serade eben waren Sie unser Gesprächsstoff.' »Puh! Ich weiß bloß nicht, muß mir da nun da rechte oder da- linke Ohr klingen?' .Wenn Sie ein schlechte- Gewissen Haden, HUde, dann natürlich nur da- recht«!' neckte Frau Heine. Dabei warf fie einen schnellen Blick auf ihren Sohn, aber der zog «in ganz harmlos freundliches Gesicht, oder bemüht« sich wenigsten- darum, und das war schon etwas! .Ra, es geht an!' sagte Hilde trocken und trat hinter Frau Heine ins Wohnzimmer, .wenn ich in der Penne ganz harmlos zu einem Pauker gerufen wurde, bubbert« mir immer da- Herz! Irgend etwa- hatte ich immer aus gefressen! Aber vielleicht hab« ich mich nun mit meinen reiferen Jahren gebessert.' Frau Heine lachte herzlich, und Hilde stimmte vrr- gnügt mit ein. So war es immer, Hilde brachte überall, wo fie hmkam, einen Strom von Frohsinn und Heiter keit mit. .Ja, was wollte ich denn eigentlich?' überlegte sie dann. .Ja, richtig! Also die Mutti läßt schön grüßen, und »b Tie nicht mal so lieb sein und mir das Rezept von Ihrer Zitronrnspeise geben würden, die Mutti will sie mal selbst ausprobieren.' Frau Heine schüttelte verwunde« den Kopf; es war da- erstemal in ihrer langjährigen Bekanntschaft, daß di« Frau Superintendent einen derartigen Wunsch äußerte. Man wußte allgemein, daß fie mehr in ihren Vereins abrechnungen zu Hause war, als in Küchenrezepten. Sie sah daher Hilde erstaunt an, eS lag wirklich nur ein Verwundertsetn in ihrem Blick, aber Hilde bekam doch einen brennroten Kopf: .Ja —. nämlich — das heißt — eigentlich weiß fie gar nichts davon! Ich wollte nämlich selbst —' Sie stockte und sah Frau Heine hilfe flehend an. Verstohlen winkte sie mit einem Blick auf Werner: .Der soll erst rauS!' Frau Heine verstand: .Lieber Junge, wenn du noch zu arbeiten hast, Hilde nimmt's dir bestimmt nicht übel!' Auch Werner hatte begriffen, daß seine Gegenwart im Moment höchst unerwünscht war, und er verzog sich pflichtfchuldigst nach seinem Zimmer: .Sag' mir aber noch.Auf Wiedersehen!', ehe du gehst, Hilde, ja?' bat rr an der Tür. .Worauf du dich verlassen kannst!' sagte Hilde Und kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, flog fie Frau Heine um den Hals: .Liebste, beste Frau Heine, allerschönsten Dank! Und ob ich ihm .Auf Wiedersehen!' sage! Er ist doch di« Hauptperson! Das mit dem Zitronenkrem, das war natürlich Schwindel! Ich hab' mir so lange nach einem einigermaßen glaubhaften Vorwand für meinen Besuch bei Ihnen den Kopf zerbrochen! Direkt stolz war ich, st ich auf das Geflunkrre mit dem Zitronenrezept gekommen war! Jammerschade, daß Sie es gleich gemerkt haben!' .Ja, Hilde', sagte Frau Heine freundlich, .schwindel» können Sie Gott sei Dank nicht! Aber was haben Sie denn für geheimnisvolle Dinge vor?' .Etwas schrecklich Wichtiges! Aber erst mal mußt« Werner raus, den kann ich jetzt noch nicht brauchen! Erst müssen Sie mit im Bunde sein! Ich habe nämlich «in« Riesenbitte an ihn, und allein getrau' ich's mir nicht. Aber wenn Sie kraft Ihrer mütterlichen Gewalt »i» Machtwort sprechen, dann wird- schon klappen!' .Ach du lieber Gott, mütterlich« Gewalt!' Frau Hein» lacht« herzlich. .Wenn Sie «rst «al selbst Mutter stich werde« Sie ich»« merke», daß bei erwachsene» Kind--» davon kerne Red« mehr kfi! Und es ist sötzar sehr schvn, wenn »ran so langsam fleht, wie ans den kleinen Hemden mätzen selbständig« Me»schen werde«.' ^Zch finde Hemdenmätze netter!' entschied Hübe. .Ich Möchte mal vier Jungen- haben, bloß groß dürfte« sie «ich« werden! Und denn kriegen sie Spielanzügr, so rot« »it bunten Borten, da- ist süß! «der dazu müsse» st« Unbedingt d«»kle Haar« haben!' Frau Heine- lächelnder Blick verwirrtt ster .Ach, ich bin dumm!' sagte fl« hastig, .ich quaßlr da lauter unnütze- Zeug zusamme»!' .Sie find ganz und gar nicht dum«, Kind. Malen Sie sich die Zukunft nur so schön an- wie Sie wollen. Da« sind doch für jede- jung« Rädel di« glücklichsten Stunden Und wenn'- dann auch nicht ganz so kommt, Die müssen sich nur bei allem da- Schöne heravssuchen, Hann ist's schon recht.' Hilde nickte: .Ja, so muß man'- mache«!' sagt« sie anfattnend. .Aber nun, liebe Frau Heine, ich muß Ihne« doch mein tzühne- Vorhaben beichten. Sehen Sie, ich hab' da eine Klaffenschwefier, «in wirklich liebe- Mädel, st« ist bloß immer so schrecklich bescheiden, und dadurch kann fie sich nicht durchsetzen. Und e« ist schon gräßlich nötig, daß sie was verdient, die Mutter hat schon kaum ihre Ausbildung erschwingen können, e« find doch noch jüngere Geschwister da. Ja, und wenn ich Ihnen ihren Beruf sage, dann wissen Eie schon, waS ich will. Sie ist nämlich zahnärzt- Uche Assistentin!' .Aho, daher wehl der Wind!' Frau Heine lächelt«. .Ra, Hildchen, und da soll ich nun mit Ihnen gemein sam Werner überreden, daß er sie bei sich anstellt, das möchten Sie doch, nicht? Es wäre im Moment sogar ganz vernünftig, wenn Werner sich durch jemanden ent lasten ließe, er hatte in letzter Zeit zu viel zu tun! Also schön, Kind, versuchen Sie Ihr Glück, mich haben Sie auf Ihrer Seite!' »Hurra! Sie sind zu goldig!' jubelte HUde. »Also .werde ich ihm jetzt das versprochene .Aus Wiedersehen!' sagen, und ihn dabei überrumpeln, daß er zu einer Assistentin kommt, ohne daß er weiß, wieso.' Auf den Zehenspitzen näherte sie sich der Tür: .Auf In den Kampf, Torero!" pfiff sie dabei. Tann trommelte sie mit beiden Händen gegen die Türfüllung. .Werner, darf ich mal rein?' »Bitte, bitte!' klang rS verwundert von innen. Ehe Hilde die Klinke niederdrückte, flüsterte sie Frau Heine noch drollig beschwörend zu: »Ich lasse die Tür auf. Wenn ich - allein nicht schaffe, kommen Sie zur Verstärkung, ja?' Und dann huschle sie in Werner- Allerhciltgstes hinein. Frau Heine war neugierig, wie HUde ihre Aufgabe wohl lösen würde, sonderliche diplomatisch« Fähigkeiten traute sie dem Wildfang ja nicht zu, aber fie hatte sich doch getäuscht. .Herrje!' rief drinnen Hilde. .Sag' «al, Werner, ist das der Lampenschein, oder siehst du von dir aus so grün aus?' Werner sah erstaunt auf. Er war gerade dabet. Rech, nungen au-zuschreiben, eine Beschäftigung, die ihn immer kn schlechte Laune brachte, aber schließlich, da- mußt« ja «uch sein! .Grün?' wiederholte er, .wieso ausgerechnet grün? Di« Lampe ist doch goldgelb!' .Natürlich!' sagte Hilde schlau, .dann ist es also nicht di« Lampe. Dann siehst du von ganz allein so käsig aus! Tu bist eben einfach überarbeitet! Kunststück, jede» Tag Hi, Praxis, und dann noch nacht- falsch« Zähne machen! HSrr, eine schauderhafte Beschäftigung! Ich würde nach >wet Tagen davonlaufen!' .Es muß auch da- geben', sagt« der junge Zahnarzt ruhig. Hilde hatte ihren ersten Pfeil ergebnislv- verschossen und suchte »un in aller Este »ach einem zweiten ,Ge- scho»'- .Sag' mal, Werner', platzt« ß« plötzlich heraus, ,w«S- M b» «ioe»«ch grj-jg?« Der lo«-« BlMve Mach» «i» so «etaetstertes Gesicht, Haß Hilde Mühe hatte, nicht laut herauSzulachen. .Ra ja', fuhr fl« fort, .«s ist doch wahr! Sieh «al. H* schuftest Tag «ch Nacht, und »»»test «S doch viel Heg»«««» habe», Wen» du das bißchen Geld für Rn« »sflsteuttu a»Sg«d«» würdest.' U«d »un schilderte sie ihm in beredt«» »orte«, daß er dann schrecklich viel -eit für sich Hütt«, und ja, natür- sich — gM, daß ihr das gerade einfiel — auch viel Zeit für seinen geliebte» Fußballsport! Und daß so ein Mädel «um Helf«» doch auch wuuderschön wäre, weil eine Fran doch viel «ehr Geschick für Basteleien — auch wenn es sich zufällig um falsch« Zähne handele — hätte als ei« Mann. Und überhaupt schwärmte sie plötzlich von de, Tätigkeit einer zahnärztlichen Assistentin so in den Höch« sten Tönen, daß sogar der arglos« Werner stutzig wurde. Er lehnt« sich in seinen Schreibttschsrssel zurück und sah st« prüfend «nr .Hilde', fragte er ruhig, ,dn willst wohl jemandem «ine Stelle verschaffen?" Hilde wurde glühend rot, als fl« sich so plötzlich en tanni sah: .Ja!' sagt« st« dann tapfer, .eine« Mädel aus meiner Klaff«, die sehr lieb und sähe gescheit ist, und es dringend notwendig hat, Geld »« Verdi«»«».' ,Ra also! Warum so einfach, wemi's mnstündkich auch geht, was, HUde?' Werner lächelte. ,Gi»e HW« k»»«w ich nämlich wirklich sehr g»t gebrauch«, ich hab' fchow ost selbst dra» gedacht. Also sag' deiner ynnndin, M soll morgen mal kurz nach zwölf in «ein« Sprechstnnü» kommen." — Zwei Tag« darauf erhielt Hilde »Wei Briese. Dee eine war eine rührend« Dankesepistel von Elly, und «ch dem anderen Umschlag fiel eine Kart« heraus, auf der »ur ein paar Zeilen stand«»: .Habe Fräulein Martens eingestellt. Macht ««»sch» lich einen sympathische» Eindruck. Scheint auch beruf lich etwa- zu können. In EU« herzlichst Dein Werner.' ,Ra als»!' sagte Hilde, nachdem st« di« b«iden Brief« gelesen hatte, .ich bin entschieden tüchtig.' I« Baden-Baden regnet« es ununterbrochen. Li» Promenadenwege waren so quietschnaß, daß sich kaüßr einer st« zu benutzen wagte. Im Wald war es so ein« sam, daß man sich ganz verloren verkam. Las Baden-z Badener Publikum lies schon bei Sonnenschein kanm i» der Umgebung der idyllischen SchwarzwaldftädtchenF herum, und bei diesem Rieselwetter krochen sie überhaupt nicht aus ihren Hotels hervor. Anita war vor Langeweile bald drei Stunden i»tz strömenden Regen herum gelaufen und kam trotz ihrer vernünftigen Regeukleidung völlig durchnäßt ins Hotel zurück. Jetzt würde sie sicher auch »och «inen gräßliche» Schnupfen kriegen. Aber durch ihren Spaziergang war es wenigstens wieder ein paar Stunden später geworden. Man konnte sich jetzt wenigsten- »U leidliche« Anstand wieder in di« Holelhalle setzen «nd ei« bißchen Musik hören. Als «nita aus dem Lift stieg und zu dem stets für sie reservierten Ecktischchen ging, folgten d«r großen, schlanken Frau alle Blicke. Sie achtete nicht «ehr darauf, fie war da- Angestarrtsein schon so gewöhnt, daß fl« eh höchsten- gewundert hätte, wenn es einmal ausgeblieben wäre. Sie wußte, daß fie schön war, aber die Zeit, wo fl« sich darüber gefreut hatte, lag schon lang« zurück. Damals, al- Stefan Anirwsky in ihr Leden getreten war! Wie hatte sie sich bemüht, ihm zu gefallen, für ihn di« Schönste zu sein! Gelacht hatte fie, wenn man fitz warnte, daß sich ihr Mann zur Abwechslung «U «einen Statistinnen, Bardamen und hübsche« Garderobenmädel- amüsiere! Einem Operettentenor würde so wa- immer nachgeredet werden, selbst wenn er so lieb und brav Watz wie ihr Stefan. AlS sie ihm doch ettunal etwas von diesem häßlichen Gerede erzählt hatte, war «r wütend darüber geworden, »nd hatte ihr nett den heiligst«» Ehrenworten versichert, daß für ihn »nr st, existiert«. E- war s«hr leicht, eine dtztnd vertrauend« Mn« W