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MkMlMche. -i Bon D-. M«r Malchk«. Nervenschwäche: das ist ein Sammelbegriff für vfektr- lci und eigentlich eine falsche Bezeichnung. Die Nerven sind gar nicht schwach, iene weiften Stränge, die wie Tele- zraphendrähtc vvm Gehirn und Rückenmark zu den Mus», kein und anderen Organen ziehen, sind gar nicht erkrankt. Sic können erkranken, natürlich, es gibt Nervenentzün dungen, Neuritiden, Neuralgien, das ist aber ganz etwas anderes, ist eine mehr örtliche Erkrankung. Bei der Ner- ncrcnschivächc. die wir auch Neurasthenie nennen, ist keine Erkrankung der Verbindungsbahnen vom Zentrum zur Peripherie, von den Organen zum Hirn vorhanden, son dern es ist eine Störung in der Zentrale da, eine fehlerhafte Schaltung in der Maschinerie des lebenden Organismus. Nervenschwäche ist keine Geisteskrankheit, aber manche Geisteskrankheit kann sich im Anfangsstadium in Zeichen änfter», die denen der Neurasthenie ähnlich sind. Der Kranke selbst und seine Umgebung vor allem hält solche von dem bisherigen Verhalten abweichenden Aenftcrnngcn des Eliarakters. des Tuns und Lassens für „nervös" und be ruhigt sich dabei, bis im Fortschreitcn des Prozesses deut lichere Erscheinungen die Anfincrksamkcit erregen nnd zu ärztlicher Untersuchung veranlassen. Also zuerst die Dia gnose, zuerst »nd möglichst frühzeitig die auch den Be troffenen beruhigende Feststellung, daft keine Geisteskrank heit vorliegt, sondern nur Nervenschwäche, nur Neurasthenie da ist. Denn eine wahre Neurasthenie ist keine Geistes krankheit «nd führt nie zu Geisteskrankheit. Wie äuftert sich denn nun solche Nervenschwäche? Höchst verschiedenartig. Eins der ersten Smuptoine ist gewöhnlich mangelhafter Schlaf mit störenden Träumen. Nach dem Erwachen daher keine rechte Frische, Unlust, Unbefriedigt sein, Grauen vor der Arbeit. Hm kaufe des Tages wirds "besser, nachmittags und abends vor allem. Daher findet man nicht ins Bett, wie man morgens nicht heraus findet. Die Verdauung ist unrcgclmäftig, bald Appetitlosigkeit, bald Heißhunger, dabei meist Verstopfung, aber die krampf artige Horm, gegen die Abführmittel oft nutzlos sind. Es besteht eine Ueberempfindlichkeit der Sinne: gegen Geräusche, gegen Helles Licht. Nicht das Geräusch an sich, auch nicht seine Stärke ist cs — wir vertragen ja oft weit stärkere Geräusche —, die bei dem Nervösen Unlust er regen,- cS ist vielmehr eine unbcwuftte Kritik, die er an den Geräuschen übt, die nicht zum Bewusstsein gelangende Ueberzeugnng, daft ihn mit den Geräuschen ein persönliches Unrecht geschehe, als mache man ihm das Recht, ungestört zu bleiben, streitig. Den Nervösen ärgert die Fliege an der Wand, alles wird schwer empfunden, schwerer als berechtigt ist, alles wird tragischer genommen, als es ist,- Aerger in der Fa milie, im Haushalt verbittert, kleine Unannehmlichkeiten im Berns werden riescngroft, man glaubt schlieftlich, -em Leben nicht mehr gewachsen zu sein. Neben so gesteigerter Erregbarkeit abnorme Ermüdbarkeit,- dazu nicht selten ab norme Empfindungen, Einschlafen, Ameisenkriechen, Ver landen in Fingern nnd Füften. Auch Kopfschmerzen. Ans geschlechtlichem Gebiet äuftert sich die reizbare Schwäche in Unsicherheit, in vorzeitiger Samenausstoftung, in Unbcsricdigthcit, in Unlust, bei der Frau in Frigidität und Umstellung des Gestthlstons. So wechselt zwischen Reizbarkeit einerseits und Abspan nung und Uebcrmüdung andererseits der Rhnthmus des Lebens. Unter dem Drnck der sozialen Verhältnisse, unter den Sorgen nnd der Unsicherheit des Daseins, dem Zwange der Arbeit ohne genügende Pansen, im Zusammenleben in enger Wohnung verstärken sich die Krankheitserschcinungen. Und dann vererben sich die Nervositäten non Geschlecht aus Geschlecht,- die Eltern waren nervös, die Kinder werden cs unter der Belastung fördernder Umwcltfaktoren noch mehr. Der Natur entwöhnt, der Kultur gewonnen, die konstitu tionelle Anlage und nervöse Bereitschaft mit auf die Welt bringend, werden die „nervenschwachen" Menschen sich und der Gemeinschaft zur Last; Rauschgifte, Alkohol, Nikotin sind „gütige" Helfer. Ein weit verbreitetes Ucbcl, diese Nervenschwäche, diese Neurasthenie! Ost, Ivie gesagt, vererbt »nd durch ungün stige Umwelteinflüsse ausgelöst, oft auch ohne Vererbung neu erworben, hat diese Krankheit die verschiedensten Ursachen, die, will man gut heilen, zuerst erforscht und abgestellt werden müssen. Immer ist eine seelische Ueberlastung vor angegangen, mit Unlust, mit Ungeduld, mit innerem Wider streben ausgcführtes Arbeiten, mangelnder Schlaf, ungenü gende körperliche Bewegung, Erlebnisse des Geschlechts lebens. Und die Behandlung richtet sich nach den Ursachen. Ist eine Grnndkrankheit die Ursache, so ist sie zu behandclir. Gegen die Nervenschwäche selbst wird man mit den Mass nahmen angehen, die Prof. Goldschcider vor Jahren im Sause genommen werben können sNacktgymnastiks. Mas sage belebt in PKtiger Dosierung Ermüdungserscheinungen und beruhigt 'nervöse Schmerzen; ein Familienmitglied kau» leicht in den nötigen Hantierungen «utchnmessn werden. Gymnastische Hebungen und angepaftter Sport sind wichtige Hilfsmittel. Auch die Höhensonne kann Schmerzen und Schlaflosigkeit lindern. So lernt der Kranke wieder, den Körper seinem Wil len untertan zu machen. Das erhöht sein Kraftgefühl, weckt bessere Stimntung." Durch Bewegung wird eine wohltätige körperliche Ermüdung ausgelöst, die auch -er geistigen Ueberspannung vorbeugt. Selbstverständlich ist weitgehend zu individualisieren: der muökelkrüstige, vollblütige Neurastheniker wird im all gemeinen Bewegung, der magere, blutarme Ruh« brau chen, aber auch innerhalb dieser Grenzen gibt es Unter scheidungen. Kan» tu einem Fall« ei« gewisses Mab von Bewegung wohltätig wirken, so kann ein andermal eine kleine Ueberschreitung ungünstige Folgen zeitigen; der Kunst des Arztes ist es vorbehalten, das rechte Mab zu finden. Gerade die Bewegungstherapie bildet einen wich tigen Heilsaktor bei der Nervenschwäche, mag letztere sich in welchen Formen immer äubern, mag sie sich in Energielosig keit, Ermüdungsgefühlen, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit, Herzbeschwerden usw. knndtun. Eine bessere Einteilung Les Lebens, eine angemessenere Arbeit, ein richtiges Ausspannen, richtig verteilte Pausen zwischen der Arbeit sind manchmal allein oder in Zusammen hang mit oben erwähnten Maßnahmen geeignet, Genesung zu bringen. Aber tun umft der Nervenschwache etwas für sich, schon damit nicht aus dem wohlvorberetteten Boden einer länger anhaltenden Neurasthenie ernstlichere Neurosen entstehen, wie in einem körperlich geschwächten Körper ja auch leichter Infektionen und andere Leiden sich ausbilden können. Auftrage des ReichSgesundheitSamteS in einem Merkblatt ntederleqte und die im wesentlichen folgende sind: Ruhe bei Uebcrreizung, Landaufenthalt, es muh nicht tmowr ein teurer Kurort sein. Aufenthalt und Spazier gänge in frischer Luft, in Wald und Flur. Nuhebedüxftige sollen nicht anstrengende physikalische Kuren machen. In, der Ernährung lege man das Haupt gewicht aus Milch, Eier, Obst, Gemüse, Butter, Fleisch und Kohlehydrate in mittleren Mengen. Alkohol. Kaffee und Tee ist zu verbieten. Dazu Bewegung, Gymnastik, Regelung des Stuhlganges. Man esse abends nicht zu reichlich und nicht zu spät; eS kann den Schlaf stören. Schwächliche und Uebermüdete mögen noch znr Nacht etwas essen. Zur Stärkung des Willens kalte Teil- oder Ganz waschungen, kurze kühle Fuftbäber, lauwarme Vollbäder vorm Schlafengehen. Ein Spaziergang vor der Nachtruhe wirkt ost günstig. Die psychische Behandlung ist sehr wichtig; es heißt, hoffnungsfrenbige Stimmungen auszulösen, den Kranken von seiner Leistungsfähigkeit zu überzeugen und von der Ungefährlichkeit feines Leidens. Der Kranke soll von seiner Selbstbeobachtung abgebracht werben. Freunde und Ver wandte sollen ihn nicht veränastigcn. Der Kranke soll sich beschäftigen, eine mit Unlust betriebene Arbeit, wenn es geht, wechseln. Das Vertrauen zu sich und zum Arzt, der ihn behandelt, ist zu stärken: der Kranke mnft die Ueber zeugnng gewinnen, daft der Arzt ihn versteht, sich mit ihm beschäftigt, ihn und sein Leiden ernst nimmt; dann werden diese Kranken nicht, wie sie es so leicht tun, falschen Pro pheten und ikren „magischen" Künsten verfallen. Bon physikalischen Behandlungsmethoden, kalte Um schläge und Abreibungen, Güsse, Duschen, Abklatschungen, Bäder, kalte und warme, welch' letztere oft beruhigend und schlafbrtngcnd wirken. Weiter Luftbäder, die auch zu ZW M Ser mllmleli Mrlt, „Brüder in Zechen und Gruben, Brüder ihr hinter dem Pflug, Aus den Fabriken und Stuben Folgt unsres Banners Zug!" MWMMof <42. Fortsetzung.) Ihr Herz schlug heftig. Sie litt mit Hermann. Sein Schmerz war ihr Schmerz. Endlich sab sie ihn die Straß« kommen. Ihr Herz zog sich schmerzvoll zusammen, als sie ihn wie einen Träumer daherwandeln sah. Es litt sie nicht mehr im Hofe, sie mußte ihm entgegen geh'» Hermann sah sie kommen. Er iah Liebe und Güte in ihren schönen Augen, und so weich wurde ihm ums Herz, daß er die Tränen kaum zurück halten konnte Sie standen einander gegenüber. Stumm faßten sie sich an den Händen. „Was ist geworden, Hermann?" fragte da» Mädchen bebend Er atmete schwer und stieß dann hervor: „Er .. . er hat den Hof verkauft." „Den ganzen Hof?" „Ja, alles, alles! An einen Fremden, einen Geheimrat Gerlach. Jetzt . .jetzt bin ich heimatlos!" Eine Weile war Schweigen, dann strich eine warm« weiche Mädchenhand über Hermanns heiße Stirn. „Nein/' sagte das Mädchen stark. „Sie sind nicht heimat los, Hermann. Der Drei-Eichen-Hof... er soll Ihnen eine Heimat werden, wie er es mir geworden ist." Er hob den Blick. In seinen Augen leuchtet« es auf. „Helga, dul Du . . . laß es mich jetzt aussprechenl Ich ... habe dich lieb, lieb über alles auf der Welt!" Sie senkte nicht den Blick Stark blickten Ihre schönen Augen, als sie mit bebenden Lippen sprach: „Ich . . . habe dich . . . so lieb wie du michl" Als sie das gesprochen hatte, verließ sie all« Kraft. Sie fühlt« nur beglückt, als er sie umschlang und küßte, daß sie nun vor den Loren de» Glücks stand, daß nun das glückhafte Leben beginnen würde Alles in ihr war aufgelöst. Eine Seligkeit, di« von Gott war, umfina sie. Sie lehnte an seiner starken Brust, sie, die starke Helga, die das Leben gemeistert hatte, di« nie schwach war. Arm in Arm schritten sie dann nach dem Drei-Eichen-Hof. Als sie, Seligkeit im Herzen, unter die alten Eichen, zu den Bewohnern des Drei-Eichen-Hofes traten, erkannten diese — selbst der alte Christian sah es — daß sich ihre Her zen gefunden hatten. Alle sahen auf das Paar. „Mein Großvater." sagte Hermann mit bebender Stimm«, „Kat den Rüsterhof verkauft Ich habe den Hof verloren, aber ich habe mehr dafür gewonnen. Ich habe Helga. Sie wird meine Frau werden Wir haben uns verlobt." Die beiden Mädchen, Anita und Else, sielen der freudig weinenden Helga um den Hals und beglückwünschten sie innig. Hermanns Hände aber hatte der alte Christian umklam mert, dem Tränen die Wangen herunterliefen, und der stam melte: „Hermann . . . mein Jung . . . mein Jung . . hast die Beste! Die Allerbeste! Ich wünsche dir Glück! Hast ja das Glück!" Helga hörte dies« letzten Worte Vater Christians und gab Ihm einen Kuh auf die Wange. „Er will mich, Vater Christian . . . mich alt«s Mädchen! Ich kann nichts machen! Ich habe ihn ja auch so lieb." Die Offenheit des sonst so verschlossenen Mädchens ergriff die Herzen So zogen sie, Jubel im Herzen, in das Haus. Bergessen war alles Widerliche, alle Qual. Der Hof war verloren, aber mehr war gewonnen! Im Zimmer umarmte Hermann Helga, die es willenlos mit sich geschehen ließ und küßte sie innig „Ich will mich nicht mehr grämen. Das hieße undankbar sein für das große Glück. Das Leben beginnt neu für mich Jetzt will ich hier schaffen. Oh, es soll mir ein« Lust sein Viel gibt's noch zu tun. Jetzt wird der Bauer zum Gärt ner, und ein Berrjf ist so schön wie der andere. Jetzt wollen wir den wenigen Aeckern «bringen, was wir vermög«» Der Drei-Eichen-Hof soll blühen und gedeihen und damit unser Glück. Er soll uns allen Heimat sein und wird uns allen Brot geben." „Ja," sagte Helga und sah den Geliebten zärtlich an. „So soll es sein. Hermann! Finden und Ueberwinden -, , das soll unier Leben sein." Sie nahnien am Tische Platz. Ein Lerlobunasmabl aalt es herzurichten. Anita und Else arbeiteten in der Küche Es wollt« alle« nicht recht gehen, denn sie waren ganz verwirrt und sahen manches nicht, was ihnen vor der Nase stand Bald lag der Braten in d«^ Pfanne. Heute gab es ein Doppeldiner, beim das erste hatten sie vor zwei Stunden schon weg. Und all«» wurde aufs beste hergerichtet. Währenddessen saß das Paar zusammen mit Vater Chri stian und Hans Sattler am Tisch, und sie unterhielten sich. Ihr« Hände waren vereint und es schien beiden, als ob durch di« Vereinigung der Hände ein Strom der Liebe von einem zum anderen ginge, der di« Herzen wohltuend erwärmt«. Plötzlich erschrak Hermann. Helga merkte es und sah ihn angstvoll an. ' „Was hast du, Hermann?" „Ich habe an meinen Vater gedacht. Wie wird er «s tragen? Ich muß ihm heute noch schreiben .. . von meinem großen Glück und von dem Unglück, das mich nicht mehr drückt." „Willst du nicht warten?" „Warum, Liebst«? Erfahren muß er es doch Er wird überwinden, wir werden dafür jorgen, daß mein Großvater ihn entsprechend auszahlt " „Ja," entgegnete Helaa, „und wenn ich alle meine juristischen Kenntnisse einsetzen müßte." „Vielleicht kann Doktor Koch dfn Prozeß führen." Helga wurde rot und schüttelte den Kovf. „Nicht Doktor Koch Er würde es sicher nicht gern tun. „Warum?" „Well . . . weil er mir vor kurzem einen . . . Antrag ge macht hat und ich abgelehnt habe. Mit glücklichen Augen sah Hermann ste an. Wie holl» und mädchenhaft wirkte sie jetzt, da sie mit gesenktem Blick und roten Wangen ihm gegenübersaß „Du hast nicht angenommen? Du, Helga, sage mir; Um meinetwillen?" Sie nickte stumm. Er faßte die schmal« Mädchenharch und küßte sie innig. „Habe Dank" Plötzlich scholl Hans Berghoffs Stimm« von der Tür: „Ich küsse Ihr« Hand. Madam! Herrschaften, was ist denn hier los?" Hermann erhob sich und sagt« strahlend: „Verlobung, Herr Berghosfl"