Volltext Seite (XML)
.6100. «. vrNage;«» Riesaer Tageblatt. Sonnabend, SS. April IMS, abends. »j«. Jibrg. Petrus, du muckst mich verdrießlich, Du füllst mein Gemüt mit Groll, Solch ein kaltes, ungenießlich Wetter ist doch wirklich toll. Kalte Winde laßt du blasen. Hier und da bat's noch geschneit. Rote Hände, blaue Nasen, Passen die zur Frühlingszeit? Mit der Wärme so zu geizen, Petrus, das ist doch nicht fein. Im April noch einzuheizen Dürfte eigentlich nicht lein. Denk' doch an die schönen Blüten. Die der Lenz uns schon geschickt. Laß die Sonne fie behüten. Statt daß sie die Kälte knickt. Fern liegt'S mir, die zu belehren, Und viel ferner liegt mir noch Ueber dich mich zu beschweren. Aber bitten darf ich doch! Also, Petrus, bitt«, bitte. Du bekommst auch einen Kuß, Mache, wie's im Frühling Sitte, Doch mit Schnee und Kälte Schluß» Lasse warm die Sonne scheinen, Wärme macht mich wieder froh. Bitte, laß mich nicht mehr weinen. Denn du bist doch tonst nicht so! Dem lieben Petrus habe ich es aber einmal getagt, was? (Ls sollte mich picht wundern, wenn nachher das schönste Wetter wäre; denn unter uns gesagt, von mir läßt er tich schon etwas sagen. Er weiß, wenn er es mit mrr verdirbt, dann kommt er in die Zeitung, und das hat er nicht gern. Aber ein wenig kritisieren mußte ich sein Wcttermachen doch, denn in den letzten Tagen war es wirklich nicht sehr schön. Ich denke noch mit Schrecken an ,»einen Osterspaziergang zurück. Ich meine, wenn man tich zu Ostern einen neuen sommeranzng machen läßt, kaust tich einen Strohhut oder ein leichtes Sommerkleid-- chen, wie meine Frau es tat, dann muß man diese Sachen, gerade weil man sich am Osterfest damit fein macl>en will, auch anziehen. Ueber all dieses Schöne und Neue noch, den dicken Wintermantel zu streifen, das wär« be stimmt, wenn man beckeidet und bewundert werden will, nicht angebracht gewesen. So gingen wir denn ganz „auf Neu" spazieren, um uns sehen zu lassen. Donner wetter, haben wir gefroren. Unsere Nasen tiefen wie ein Kränchen, und um uns wieder innerlich zu erwärmen, tranken wir ein GlaS Grog nach dem andern. Da hatten nun die braven Wirte der Ausflugslokale ihre sämtlichen Gartensttthle und -tische neu gestrichen, haben geschuftet und gewulakt wie besessen, um alles zu den Ostertagen fix und fertig zu haben, und mußten dann zusehen, wie in ihren Gärten sämtliche Stühle leer stan den und die durchgefrorenen Ausflügler sich hinter die geheizten Oefen verkrochen. Ich meine, das sind doch keine Sachen! Da muß man auch einmal selbst unserem lieben PetruS den Marsch blasen und die Meinung sagen. DaS rauhe Wetter scheint auch dem braunen Bären in der Essener Gruga nickt behagt zu haben, denn sonst könnte man cS sich nicht erklären, warum der braune Geselle vor einigen Tagen plötzlich Tobsuchtsanfälle bekam. Er fing plötzlich an, die ganze Bude mit einer Tapferkeit und Angriffslust abzubrechen, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre. Da ihm mit Baldriantropfen und Be- ruhigungSmitteln nicht beiznkommen war, mußte er er schossen werden. Diesen Akt nahm die schupo vor, die mit ihren Pistolen den braunen Gelellen zur Strecke bringen wollte. Aber die Pistolenkngelclvn waren für das dicke, zottige Fell des Bären nickt von so durchschlagender Wir kung, wie man eS erhofft hatte, und so mußte bas etwas gröbere Kaliber, der Karabiner, nachhelfen. Ans jeden Fall starb der tapfere Bär als unbesiegter Held. Was ihm so plötzlich in den Kopf gefahren ist, wußte kein Mensch. Ich kann's mir nur io erklären: Bei der Kälre holte der Arme Bär sich einen schweren Schnupfen, der mißfiel ihm sehr Bon der ewig feuchten Nase, Die ihm wie ein Kränchen ging Kam er schließlich in Ekstase, Riß sich aus den Nasenring. War dann nicht mehr zu genießen. Hat sich selbst bald umgebracht; Schließlich mußt' man ihn erschießen, Was ein Schnupfen alles macht! Wenn mir auch bei meinem Osterspaziergang das kalte Wetter nicht behagte, so behagte mir noch viel weniger das Benehmen unserer Ausflügler, die ihre schon immer gerügten Unsitten noch nicht abgelegt haben. Beispielsweis', man kriegt die Kränke, Man ist innerlich verletzt, Wenn man auf die Ruhebänke Draußen sich im Grünen setzt. Da liegt eine leere Pulle, Dort liegt Butterbrotpapier, Hier 'ne angebissene Stulle, Eierschalen da und hier. Ich dacht gleich an Schweincställe, Als ick diesen Unrat sah. Dabei stehn für solche Fälle Eiserne Behälter da. Ferner — welche üble Sitte — Aergert mick manch loser Wicht, Der nach jedem zehnten Schritte Zweige knickt und Blüten bricht. Welk sind bald die jungen Triebe, Welk der Blüten bunte Pracht. Hat der Herrgott voller Liebe Zur Zerstörung sie gemacht? Ebenso ist unerfreulich. Zu verwerfe» unbedingt. Wenn im Walddom man, wie greulich, Oede Gassenhauer singt. Das drückt alle Stimmung nieder. Dabei kennt dock jedes Kind Uns'rc schönen Wanderlieder, Die hier mehr am Platze sind. Also, geht ihr gleich spazieren, Denkt daran, was ich hier schrieb. Laßt euch nicht mehr kritisieren, Seid recht artig und recht lieb! * Aengstliche Leute haben schon manches merkwürdige Versteck für ihr Geld ausgeheckt, aber einen Mülleimer als Geldsckrank benutzen, das war wohl noch nicht da. Aus diesen sonderbaren Gedanken kam eine Geschäftsinhaberin aus Gladbach-Rhcndt. sie hatte ihre ganze Einnahme aus dem Ostergeschöst in ein kleines Säckchen eingenäht und dann in den Mülleimer versteckt, in dem Bewußtsein, hier sucht das Geld niemand. Seelenruhig verlebte sie ihre Ostertage und ging dann am Mittwoch nach Ostern zu ihrer merkwürdigen „Stahlkammer", uw ihren Schatz wicderzuholen. Wer beschreibt aber ihren Schrecken, als sie den Mülleimer leer fand! Das Lehrmädchen, das von der ganzen Sache nichts wußte, hatte den Mülleimer mit seinem kostbaren Inhalt schon am Morgen den Müll kutschern zum Entleeren mitgegebcn. In der größten Eile und Bestürzung jagte man hinter dem Müllwagen her, dessen Inhalt inzwischen um einige hundert Eimer Müll bereichert worden war. Auf der Abladestelle wurde der ganze Inhalt aufs genaueste untersucht und man find Von den versteckten 260 Mk. noch 2ö7 Mk. in Geldstücken und Papierscheinen zur größten Freude der Geschäfts inhaberin wieder, die nach Drein Schrecken hochheilig schwur, in Zukunft nur der Sparkasse ihre Gelder zum Ausbewahrcn zu- überbringen. Ueber so was mutz ich schimpfen. Solch' ein Tun bringt mich in Wut, Mutz ich noch mal ein euch impfen. Daß man so etwas nicht tut? Oft geht so euch in die Binsen Euer Geld, daß ihr erspart, Bringt's zur Kasse, da bringt's Zinsen, Und ist sicher aufbewahrt. Mir könnt so was nicht passieren, Bitte lehr, das ist kein Witz: Denn wie kann man Geld verlieren, Wenn man keins hat im Besitz. Ernst Lächerlich. HUMctimÄof (41. Fortsetzung.) Der Versteigerungstag kam. Gottlieb Rüster traf sich mit dem Notar im „Schwan". Die Gaststube war voll von Bauern, die schwatzend und rauchend an den Tischen saßen und abwarteten, was da kommen würde. Nun aber iahen sie alle zum Fenster hinaus. Hermann war draußen aufgetaucht, an seiner Seite Georg Kaluschke, und beide trugen Stangen mit Schildern, die fol gende Aufschrift hatten: „Ein Hundsfott, der auch nur eine Rute ersteigert." Es war ein Sonntag Die Versteigerung von vierzig Morgen Land war für jwölf Uhr angeletzt Der Notar eröffnete die Versteigerung. Zuerst bot er aus dem Besitz «inen etwas abseits liegenden Komplex im Umfang von vier Morgen an. „Ich bitte um Gebote!" Ruhe wurde im Lokal Die Bauern sahen auf den alten Rüster und schwiegen. Nicht einer bot Auch der vornehme alte Herr, der allen unbekannt war, bot nicht Gottlieb Rüster wurde blutrot im Gesicht. Er schlug wütend auf den Tisch und lagt«: „Will keiner die Morgen?^ Es wollte keiner, und Gottlieb Rüster kaufte zurück. Es ging weiter, und immer beschämender gestaltete sich die Situation für den Bauern vom Rüsterhof. Nicht emer kaufte Zufällig wart der Notar einen Blick durch's Fenster und las den Text der Schilder. Er erhob sich erregt „Herr Rüster." lagt« er zu dem Alten, „hier liegt ein Komplott vor Einen Augenblick!" Er erhob sich rasch und trat vor di« Schänke. „Was soll das bedeuten?" herrschte er Hermann an. »Wollen Sie sich strafbar machen?" „Ich will, daß mein Großvater nicht unser Land verschleu dert Das will ich Im Dorfe kauft niemand Die sind genau io erbittert wie ich Sie sind ja kein Bauer und wissen nicht, was uns der Hof ist. Dreihundert Jahre ist er im Be- sitze der Familie, und jetzt will ihn der Alte verkaufen, weil nicht alles nach seinem Willen geht. Wir werden uns da gegen mit Händen und Füßen sträuben." Der Notar entgegnete erregt: „Ihr Großvater kann tun was er will Sie haben kein Recht, ihn zu hindern. Ich empfehle Ihnen, sich unverzüglich zu entfernen, sonst benach richtige ich die Gendarmerie und lasse Sie verhaften." „Lassen Sie es gut sein, Doktor!" sagte Hermann. „Ich weiß, Sie tun nur Ihre Pflicht Ich habe gegen Sie keinen Groll. Ich komme jetzt in die Gaststube und werde meinem Großvater noch einmal ins Gewissen reden " „Ich bitte Sie, es nicht zu tun Es gibt ein Unglück." „Seien Sie ohne Sorge Ich habe mich in der Gewalt." Gottlieb Rüster zuckte zusammen, als Hermann unter der atemlosen Spannung der Bauern in die Gaststube trat und ihm das Schild unter die Nase hielt. „Da, lies, Rüsterbauer! Die Postelwitzer sind ehrlich und grade. Die kaufen den Boden nicht weg Aber da» lasse dir noch einmal von mir sagen: Schäme dich, so alt du bist! Kein ehrlicher Kerl sollte dich mehr ansehen!" Gottlieb Rüster griff nach feinem Bierglas. Er war so maßlos erregt, daß er es nach dem Enkel schleudern wollte. Aber der Notar beruhigte ihn „Um Gottes willen, Herr Rüster, keine Exzesse!" Dann wandte er sich zu Hermann: „Bitte, lassen Sie Ihren Groß- vater in Ruhe! Sie haben kein Recht, sein Verhalten zu kritisieren " Hermann lehnte die Stange nrit dem Schild an die Wand und setzte sich stumm an einen Tisch. Er wartete, was nun geschehen würde. Er iah, wie sein Großvater sich mühte, die Wut und Er regung niederzukämpfen Plötzlich fuhren alle zusammen. Gottlieb Rüster schlug mit der Faust auf -en Tisch un brüllte durch das Lokal: „Ich ... ich lass« mit mir nicht Schindluder treiben! Jetzt . . . jetzt verkaufe ich den Hof im ganzen. Ist jemand da, der den Hof kaufen will? Zwei- hunderttausend Mark bar!" Totenstille war im Raum. Da .. . sie zuckten zusammen . . der vornehme alt« Herr, der wie ein Großindustrieller aussah, stand auf, trat zu dem Tisch und sagte ruhig: „Ich möchte den Hof erwerben." Ein Schrei entfuhr Hermanns Kehl«. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Aber er iaß ruhig und bewegte sich nicht. Nur die keuchende Brust verriet die ungeheuere Erregung. „Sie wollen kaufen?" hörten sie den Notar sprechen. „Mit wem haben wir die Ehre?" „Geheimrat Dr Gerlach." Ah . . der Name wog, den kannten sie alle. Der Mann war Generaldirektor und Hauptaktionär des großen Ger- lachschen Elektrokonzerns „Sie wollen das Gut kaufen, Herr Geheimrat? Bar?" „Ja. Wir können den Vertrag aufsetzen, und ich werde mit einem Barscheck über zmeihunderttausend Mark be- Der Notar warf einen Blick auf den alten Rüster. Der Alte nickte mit zugekniffenen Lippen. „Ja! Vertrag machen! Ich will's erledigt haben. ^,«oe nur die eine Bedingung: Will bis an mein Lebensende au» dem Hofe wohnen bleiben, sonst nichts!" „Keinen Auszug?" „Nein, nur wohnen, und wenn ich's auch nicht tue, aber ick. will das Recht zum Wohnen haben." Die Bauern brachen jetzt in corpore auf. Nur Hermann blieb. Bald aber stand auch er auf und verließ den Raum Draußen scharten sich die Bauern um ihn und sprachen erregt auf ihn ein. „Du mußt zum Landrat gehen! Das ist eine Gemeinheit von dem Alten! Hast ein Mustergut aus dem Hof gemacht, und jetzt wirst du um deinen Fleiß be trogen Keiner von uns wird Gottlieb Rüster mehr ansehen und grüßen" Während Hermann nach dem Drei-Eichen-Hof wandelte, unterschrieb Gottlieb Rüster den Vertrag. Seine Hand zitterte, als er den Federhalter nahm und sich anschickte, seins Unterschrift unter den Schriftsatz zu setzen. Es war doch etwas anderes, einen Hof, an dem sein Herz hing, an einen Fremden wegzugeben, als eine Ernte zu ver kaufen. Helga hatte an diesem Tag keine Ruhe. Sie mußte unauf hörlich an Hermann denken. Sie wußte, daß er nach der Versteigerung kommen würde und wartete auf ihn