Volltext Seite (XML)
F?L«. 2. Beilageznni Riesaer Tagevlatt. TonnerSta«, 23 Aevraar 1»»», aveiiss. 86. Iabrq. Sächsischer Landtag. (Schluß.) Hierauf wurde in die Beratung der dem Hause zuge- ga'.ugenen Anträge über Osthilfeiragen eingetreren. Do,-runter befanden sich u. a. ein sozialdemokratischer Antrag wegen der Verteilung der Mittel der Osthilfe und ferner ein kommunistischer Antrag, die Staatsregierung zu ersuchen, dem Landtag alsbald Mitteilung zu geben über die Höhe der für die sächsische Landwirtschaft bisher aus der Osthilfe ausge worfenen Mittel, ferner darüber, wie viel Anträge auf Er langung von Entschuldungsmitteln aus der Osthilfe gestellt und welche von diesenMnträgen genehmigt worden sind. Ein weiterer kommunistischer Antrag richtete sich gegen die Er höhung der Zölle auf Rindvieh, Schafe, Schwe'ne, Fleisch und Schmalz. Ministerialdirektor Dr. Allen gab namens der Regie rung einen Ueberblick über den Stand der von der Landes stelle Mitte Dezember 1932 bearbeiteten Osthilfefälle. Es handelte sich insgesamt um 351 Entschuldungsanträge aus dem sächsischen Geb'et rechts der Elbe. Irgendeine Bevor zugung der Großbetriebe sei in Sachsen nicht zu verzeichnen. Beanstandungen seien nicht oorgekommen. Mißbräuch liche Verwendung von Osthilfegeldern sei ausge schlossen; auch würden die Gelder nicht an die Landwirte selbst, sondern stets nur an die Gläubiger ausgezahlt. In der Abstimmung wurden die Anträge, soweit sie nicht durch die Regierungserklärung erledigt waren, unter Ein schluß der volksparteilichen Abänderung angenommen. Um 3 Uhr morgens wurde die Sitzung nach 1-tstündiger Dauer geschlossen. Die nächste Landtagssitzung findet am S. März statt. Die Festsetzung der Tagesordnung bleibt dem Vorstand überlassen. WMIWMM MMM. Vor Eröffnung der Zweiten Sitzung der ersten Tagung .»er 15. ev.-luth. Landesspnode sprach nach guueiusauicm Gesang einer Gcsangbuchskroptze Vizepräs. D. H i cl in a n u daZ Gebet. Die Stznode ualuu daun die Wahlen zum Lcmdcskirchenausschuß, zum Stäudigeu Stznodalausschuß, zum Aeltcstcuratc und zu den Arbeitsausschüssen vor. Sämtliche Wahlen wurden auf Zuruf einstimmig voll zogen. In den Landeskirchenausschust wurden Krcisbaupt- mann i. R. Dr. Morgenstern, Dresden, und Pfarrer D. Dr. I e r e rn i a s, Limbach, ebenso ihre Stellvertreter Kreishauptmann i. R. v. N o st i tz - W a l l w i tz, Schwei- kcrshain, und Superintendent Dr. Hebe r, Radeberg, ci-c- wählt. Den Ständigen SMiodalansschust bilden Präsident D. Graf Vitzthum von Eckstädt, Oberkirchenrat Weidauer, Grimma, Oberkirebenrat Dr. Lehmann, Freiberg, Oberkirchenrat D. Müller, Zwickau, Prof. D. Hick mann und KreiShauptinnnn i. R. von Nostitz- Wall Witz. 'Außerdem wurden für jedes Mitglied des Ständigen Shnodalansschusfes, der demnach aus drei geistlichen und drei weltlichen Mitgliedern besteht, zwei Stellvertreter gewühlt. Dem Aeltestcnrntc gehöre» der Präsident und sechs Mitglieder an: Die Shnodalen D. Müller, Langer, Schulze, Sicgcrt, v. Nostitz- Wallwitz und Dr. Zwehnert. Nach Berichten des Wahlvrüfnngsausschusscs wurden die Wahlen zur Shnode im 1. Wahlbezirk Annaberg - Marienberg, wo Pfarrer Denc:kc, Wolkenstein, und Gutsbesitzer Friedel, Ehren friedersdorf, gewählt worden sind, und im -1. Wahlbezirk Ehemnitz-Land Flöha, wo Gutsbesitzer N i tz sch e, Ehemnitz- Borna, gewählt worden ist, richtig gesprochen, «hn. I Stamm, Gautzsch, 'äußerte dabei, daß es begrüßenswert l fei, wenn sich die Wählerschaft möglichst auf einen Wahl vorschlag einigen könne. Wo nur ein Wahlvorschlag por- I liege, möchte das Wahlveriahren geändert werde». Beratung darüber im Nechtsanssctzuß ist nck>cr»cn->i Nächste Sitzung Donner.-tag, den W. Februar,!, ccm- Auf der Tagesordnung stehen Wahlprüfungr», schlußfassung zur Vorlage 5, Ersatzwahlen für ^cri " beim Deutschen Evangelischen Kirchentag ustv. MklMMMMIIle. Die 2^mU'rlnlse, nach d?ren Bed^'iUun^ sur , Staat lner nesra^t werlVll ist nicht des Reichs durch verbilligte Lebensmittel und ""6, ' die den Hilfsbedürftigen besonders zugekeilte von Komniunen, sondern die von den protz'n - derircie u W o l> l f a h rtsvfl e g e durctzg luug „Winterhilfe", die freiwillig aus den e.a.mcn Bevölkerung fließt. ,. Die Winterhilfe der freien Wohlfahrtspflege w"d ' diesem Winter zum zweiten Male durchgeflihrt. I>» ' G., Winter ergab sie den unerhörten Ertragswert von l<!«> . ti . Reichsmark. Die Bedenken, die sich der vori.atzrigtN terhilfc entgegenstellten, verdoppelten sich bei der holung in diesem Jahre. Man solle, so hieß es, bcickc zunehmenden 'ArbeitS und Einkonimcnsschtvund, der me steigerten Tteuerbelastnng, überhaupt dein Hinschwinden jeglicher Substanz im Arbeiter- und bufgei- lichen Hanslialt nicht einen Druck durch eine Gebeverpflichtung auf die Bevölkerung ausuben. Linderung der Not liege bei denjenigen, die für eine aeacbelt«, stricke Lsuernjunge, asr clurcb seins "rüobtigke», »eia überi-aqeoäe» Orgsaisotioas- kaleat einer von cien geübten InciustrieUeo 6es l^snäes virct. Um »i« ssiuppiereo »ick sie l^enscben. ciie mitten Im heben «teilen: dllecicige Oesinnunx, Uüelmut — /Emul, keicil- tum, huxu« — ciie ganre Lksls cles lebens. Oder »Ile Vorurteile kin- «ex ru einer «eusn 2eit, sie «ickoutUsnOickl- «eiten cier Ver- gsngsadeitsuk- ^ul. neoen tauebreottes Olück — Velare vemavgung- ein Werk voll komantik unci voll tummel- «türmeucier Oskükle - unci ciadvl sock mitten au» Nam cvirklloben Heden derau» vis delcien Ulauptkeläen: ciie klein« OrStia Wsra Wettern, cier man in cier nissisctisn kevolutton bitern. Oroüeltera, alle Ver langte ermorciete, ciie bettelarm um ciie krdaltunx cis» nackten hebens ru kümpksn bat: cier biinenbatte dlaxnus Lieindsrr, cier Bcssrrnng dcr Wirlschaftslagc und eiuc Ncurrarlung dcr Arbeilslöseutzilse verantwortlich und zuständig seien. Man lolle auch nicht dadurch, daß leichthin neben der otieni lichen llutcrstutznng noch Mittel an Geld, Nahrung, Klei dung, Brennstoffen usw. zu erhalten seien, die Beg hr lichkeit fördern und denen, die es bisher iinmer verstanden haben, Vorteile sür sich zu erzielen, den Titel einer Forde rung in die Hand geben. Diese Einwände sollen in ihrer Berechtigung nicht bestritten werden. Aber »je trelten nicht-den Kern und Sinn der Einrichtung der freiwilligen Winterhilfe Dann nämlich sollte die freie Wohlfahrtspflege überhaupt ihre caritative Tätigkeit einstetlen und sie der öffentlich'n vand überlassen. Die Winterhilfe der freien Wohlfahrtspflege löst die öffentliche Hand nicht ab, sondern ergänzt sie. keine Hilfsaktion ferner, mag sie organisiert fein wie sie will, wird Mißbrauch mit ihr ansscliließen tonnen. H.cr bei der Winterhilfe haben ficb inzwischen Tatsachen heraus entwickelt, die ganz unerwartet, man möchte sagen: tiefere Spuren des deutschen Bolkscharatters bloßgelegt haben. Es ist das Merkwürdige eingetreten, daß die Wintcchilte Bolksbedürfnis geworden ist. Wenn die freie Wohlfahrts pflege den Bedenken gegen die Winterhilfe stattgegebeu hätte und ihr Appell ausgeblieben wäre, so wäre sie aus dem im besten Sinne sozialen deutschen Bolksempiindeu heraus zu der Betätigung ihrer earilativen Aufgabe be stimmt worden. Es hat sich gezeigt, daß die Zurückstett.ung aller Bedenken gegen die Winterhilfe richtig war. Denn die Aktion der Winterhilfe hat ihre pslichologische Beraukeruug im deutschen Bolksbewnßtsein gesunden. Nur daraus ist ihr außerordentlicher materieller und sozialer Erfolg zu erklären. Die Not hat liier in der Drt alles Lrcuneude überwunden. Das persönliche ;jnsanimeulebeu unseres Balkes ist ein verschluugeueres als wir es ie gedacht haben. Der zum Schlagwort abgestumpfte Begriff der Bolksge meinschaft hat hier eine bestimmte lebendige Erscheinungs form erhalten. Diese Entwicklung der Winterhilfe aus gemeinlamer Selbsthilfe heraus bat bis beute auf das, vorteilhafteste angehalten. Ihre Dauerhaftigkeit durch zwei Winter mit steigender Notknrve wäre bestimmt nicht durch die ^pou- tanitüt eines Bolksattcs erreicht worden. Sie ist lediglich durch die Planmäßigkeit der Durchführung erhalten ge blieben. Dadurch, daß die großen Verbände der freien Wohlfahrtspflege mit dem Einsatz ihrer einmütigen prak tischen .'snsammenarbeit und ihrer geschulten und bewähr ten Kräfte das Sammelwerk unbeirrt durch Schwierigkeiten, bürokratische Hemmungen, Undank, Mißbrauch u. a. m. durchgehaltcn haben, ist die Beeinflussung auf die Bevölke rung nicht in? Stocken gekommen, sondern verbreitert wor den. Zehutauseude aus allen Schichten haben sich zur Mit arbeit gemeldet. Zehntaufeude sind so mit den Zuständen dcr Not und mit Hunderttanseudeu, die sie sonst niemals in Not kenuengelernt und leiden gesehen hätten, persönlich zusammengekommen. Diese Berührung miteinander hat mehr als Pfennige, Kartoffeln, Kleidungsstücke und kohlen zustandegebracht. Tie erwies sich als der wirksamste Kampf gegen de» Fatalismus entwurzelter Existenzen und als die erfolgreichste kriscnpvlitik. Alle, die über das bloße Geben hinaus durch ihre Berührung mit dem welijchen Ver hungern den gleichen Kampf aufnahmen, haben die tiefere Bedeutung der Winterhilfe für Volt und Staat erkanul. DaS muß gesagt werden, um nicht in der Meinung, daß es sich hier lediglich nm materielle Hilfeleistung han delt, diejenigen, die der materiellen Forderung schon ge nügt haben, von ihrer weiteren Beteiligung an der Winter hilfe nbzuhalteu. Es mnß auch denen gesagt werden, die in der Winterhilfe selbst tätig sind und durch die Gewöh nung in ihrer Arbeit leicht zu schematischem Handeln gelangen können. Es geht die Wohlfahrtspflege überhaupt an, nicht zuletzt die öffentliche Fürsorge, deren einge schränkte Freiheit der Entschließung dabei nicht übersehen werden soll. Indem es der freien Wohlfahrtspflege möglich ist, daß sie bei ihrer earitativen Tätigkeit der „Fall" weniger interessieren darf als der Mensch, hat sie bei der b/6 tS/7 — ' — Llopzcrigkt bzc dlartln l-eucktvanger, llslle (Laste) f59 Der Chauffeur, der derartige Befehle gewohnt war, nickte, und langsam fuhr das Auto weiter. Jetzt winkte auch Mario Bcrnari einem Wagen und fuhr seinem Hotel zu, wo er den französischen Gelehrten zum Lunch er wartete. Er ahnte nicht, daß in einer Autotaxe hinter ihm eine Frau fuhr, die nur einen Gedanken hatte, sein junges Liebesglück zu vernichten und sich an ihm zu rächen. * ch * In dem Vorführungsraum einer schlecht beleumundeten Filmgesellschaft saßen die Brüder Chirot nebeneinander und ließen sich den Film vorführen, den man für Süd amerika bestimmt hatte. „Das hast du gut gemacht*, sagte der Direktor Andree zu seinem Bruder Gaston, „daß du diese kleine Deutsche von hier ferngchalten hast. Ehe der Film nicht drüben läuft, habe ich keine rechte Ruhe!" „Ach, Unsinn!* gab Gaston zur Antwort. „Woher soll sie ahnen, daß irgend etwas nicht stimmt? Sie wird es erst erfahren, wenn der Film schon längst da unten in Südamerika gelaufen ist. Dann habe ich sic auch in den Händen. Ein verteufelt schönes Mädchen! Ich muß sie unbedingt haben. Gerade daß sie so zurückhaltend und scheu ist, reizt mich. Nun, wenn ich sie vor die Wahl stelle, den Film auch hier in Privatkrcisen Interessenten zu zeigen oder darauf zu verzichten, wenn sie meine Geliebte wird, dann wird sie Wohl nachgcben.' Lore von Hunius war inzwischen mit dem Auto vor das Haus der Filmgesellschaft gefahren, deren Adresse sie rannte. „Ach, Fräulein Jeannette!' begrüßte sie der Portier vertraulich. < „Bitte, gehen Sie nur hinein. Die Herren Chirot lassen sich gerade den Film vorführen. Prima, Fräulein Jeannette! Ich habe ihn schon neulich einmal gesehen, als die ersten Kopien durchgegangen wurden.' Lore von Hunius machte ein erstauntes Gesicht. Dann mußte sie lächeln. Ach so, man hielt sie hier wirklich sür ihr Double. Nun, das war lustig. Aber es war ja nicht nötig, daß sie dem Mann erklärte, nicht Jeannette Mornicr zu sein, sondern Lore von Hunius. So ging sie dann, von dem Pförtner zurechtgewiesen, durch einen schmalen Gang bis zu einer Tür, hinter der sie schon das Schnurren des Filmvorführungsapparates hörte. Es war im Raum ganz dunkel. Tie ersten Bilder be gannen schon zu laufen. Unbemerkt setzte sich Lore in die hinterste Reihe. Vor sich unterschied sie in dcr Dunkelheit die Umrisse zweier Männer. Sie schienen ihr die Brüder Chirot zu sein. Das war doch wirklich eigentümlich! Gaston Chirot hatte ihr doch geschrieben, daß er in Marseille wäre? Nun, vielleicht war er eben zurückgekommen und wollte erst den Film noch einmal allein sehen, ehe er sie benachrichtigte. Sie blieb also still sitzen und sah mit gespannter Aufmerk samkeit auf die Leinwand. Sie mußte zugeben, daß die Szenen, in denen sie als junge Komtesse auf einem Schloß der Normandie gezeigt wurde, außerordentlich gut ge lungen waren. Der erste Akt ging vorüber — dann begann der zweite. Lore saß atemlos, unerkannt im Hintergründe. Nun sie den Film zum ersten Male im Zusammenhang sah, als objektiver Zuschauer ihrer eigenen Leistung gegenübersaß, nun mußte sie es zugeben: Er war gelungen. Das Werk, dem sie Leben und Seele geliehen, es war ein Kunstwerk geworden. Sie vergaß, daß ja sie selbst es war, die da oben zu einem geheimnisvollen Dasein erweckt — wie einer frem- den und doch vertrauten, rührenden Gestalt sah sie dem jungen, kindlichen Mädchen zu, das dort auf der Lein- wand ein heiteres, sorgloses Leben führte. Die erste Liebes- szene zwischen der Komtesse Louifon und dem iunaen un- . bekannten Manne setzte ein — da beugte sich Lore ver wundert vor... Was war denn das? Diese Szene, diese leidenschaftliche Liebesszene im Motorboot kannte sie doch nicht? Niemals hatte sie eine solche Szene, die an den Ufern der Seine irgendwo in einem französischen kleinen Ort zu spielen schien, erlebt, geschweige sie selbst gespielt? Da mußte irgendein falscher Film in den ihren herein gekommen sein — ach, vielleicht war es so, daß man nur Ausschnitte aus ihrem Film spielte und nun einen anderen danach? Und dies junge Mädchen, das ihr glich wie eine Schwester, es war vielleicht das berühmte Dottble, jene Jeannette, von der ihr Gaston Chirot erzählt und die sie leider während ihres Aufenthalts in Paris nicht gesehen hatte. Jeannette war in dieser Zeit, so hatte Gaston ihr gesagt, im Ausland. Aber was war denn das — dies junge Mädchen, das nun dem jungen Menschen in eine obskure Herberge folgte und eine schamlose Szene der Leidenschaft spielte? Es hieß nach dem Filmtitel ja auch Louison — und nun kam eine kurze Szene der Rückerinnerung, in der jene ent- fesselte, schamlos junge Person auf einmal mit den Mienen einer Komtesse, eines scheuen, wohlerzogenen, jungen Mädchens aus dem Hause ging und ein Auto bestieg, das an der Straßenecke wartete — Lore fuhr sich mit der Hand zum Halse, als würgte ihr jemand den Atem ab: diese Autoszene jetzt hatte wiederum sie gespielt; sie besann sich ganz deutlich. Man hatte sie zweimal geprobt, weil die Beleuchtung in der halbdunklen Straße nicht funk- tioniert hatte — und auch der Text ging weiter: „Louison verläßt das Absteigequartier und kehrt zu ihrem nichts ahnenden Bräutigam zurück', stand in großen flimmern den Buchstaben auf der Leinwand. Lore hatte ein Gefühl, wie es Menschen haben, die in einem Fiebertraum befangen sind — alles Denken ranntc wirr und schmerzhaft durch ihre anastgeschiitteltcn Sinn Was war das? Was ging hier vor? Sie machte schc Miene, aufzuspringcn, aber sic vermochte es nicku