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Wachsende Zmrrslcht i Unsinnige Gerüchte über die Frühjahrsmesse Auf der Leipziger Frühjahrsmesse herrscht eine zuversichtliche Stimmung. Daß der Wahltag ohne alle Stö rungen vorübergegangen ist, festigt allgemein die Auffassung, daß die Zeit der Unruhen vorüber ist und daß alle positiv gerichteten Kräfte beim Ausbau der deutschen Wirtschaft zu- sammenwirken werden. Auf der Technischen Messe haben die Tagunaen zunächst mit der wichtigen Straßenbautaguna begonnen. Da bei sprach der italienische Fachmann Puricelli über den Bau der Autostraßen in Norditalien, bei denen sehr viele deutsche Maschinen und deutsche technische Arbeit zur Geltung ge kommen sind. Jetzt werden die Erfahrungen des fertigen italienischen Werkes beim deutschen Straßenbau innerhalb des neuen Arbeitsbeschaffungsprogramms vielfach wieder maßgebend sein. Die Brogrammrede des Reichskommissars Dr. Gereke, in der er die für die Arbeitsbeschaffung bestimm- ten Mittel genauer umschrieb, läßt in einem regeren Besuch aller Messehallen, die Dinge für den Wohnungsbau und die Wohnungseinrichtungen enthalten, zweifellos bereit» ihre belebende Wirkung erkennen. In allen Messehäusern der Altstadt ist ein « rfreuktch großer Ausländerbesuch festzustellen. Selbst bei Svielwaren, deren Ausfuhr besonders nach England und Amerika in den letzten Jahren bedenklich zurückgegangen ist, besteht ein lebhaftes Kaufinteresse der Aus länder. Die Auswahl, die sie in allen Spezialbranchen tref fen, gibt wertvolle Anregungen für eine Umstellung der Produktion auf solche jetzt vom Ausland bevorzugte Muster. Ebenso wie sich in Deutschland eine eigene Industrie von Zu- gabe-Artikeln entwickelt hat, suchen die Amerikaner auf dieser Messe nach kleinen, ganz billigen Artikeln für den Straßen handel in amerikanischen Städten. Mit der Zeitsträmung hängt es zusammen, daß auf der Spielwarenmesse wieder ein stärkeres Angebot an Zinnsoldaten, in feld grau wie in Friedcnsuniformen der Armeen aller Böller, sestzustcllen ist, was besonders bei den angelsächsischen Ein käufern lebhaftes Interesse findet. In den Messehäusern der Altstadt hält auch am Dienstag ein reger Ausländerbesuch an. Die deutsche Kundschaft be schränkt sich meist auf kleine Aufträge. In der Porzellan industrie konzentriert sich die Nachfrage auf geschmackvolle Gebrauchsgeschirre in mittlerer und billiger Preislage-, die alten Streublumenmustcr werden wieder beliebter. Gut ist Angebot und Nachfrage in feuerfesten Hartporzellangegen- ständen, die vom Herdfeuer gleich auf den Tisch kommen kön- nen. Das frühere übergroße Angebot in Kristall ist wesentlich eingeschränkt, was offensichtlich den auf dieser Messe vertre tenen Firmen zugutekommt. Recht guten Besuch von Interessenten hat das Im Grassi- Museum ausstellende Kunstgewerbe aufzuweisen, wo auf künstlerisch gestaltete Gebrauchswar« in Gläsern, Emaille und Metall teilweise schon ganz gute Aufträge auch au» dem Ausland, besonders England und Holland, erteilt worden find. In allen Messebranchen besteht nach wie vor ein leb haftes Interesse für alle Waren, die für Einheitspreisge schäfte in Frage kommen. Bei der Technischen Messe fand nach Abschluß der Stra ßenbautagung unter großer Beteiligung der Fachinteressenten eine Besichtigung der Autostraßen und der Siedlungsstraßen in der Umgebung Leipzigs statt. In den Maschinenhallen hält ein normaler Besuch an; auch hier macht sich die aus ländische Kundschaft stark bemerkbar. Reges Interesse besteht für alle Maschinen und Apparate, durch die man den vor- I handenen Maschinenpark zeitgemäß verbessern kann. Wie auf jeder Messe bedeutet der Dienstag insofern einen Wechsel in der Besucherzahl, als manche, die bereits ihre Aufgabe in Leipzig erledigt haben, abreisen und durch neue ersetzt werden, die wegen des Andranges in den ersten Tagen erst um die Mitte der Woche auf die Messe zu kommen pfle gen. Dio Konkurrenz der Länder, di» sich vom Goldstandard abgewandt haben, ist insofern deutlich auf der Messe zu spüren, als englische, dänische und japanische Porzellanfirmen diesmal in Leipzig durch ihre deutschen Vertreter eine rege Werbetätigkeit entfalten. Das japanische Dumping in billig sten Messerwaren ist deutlich in der nachlassenden Nachfrage der ausländischen Kundschaft nach Sohlinger Messern und Scheren zu spüren. Welch sinnlose Gerüchte vielfach noch auswärts über Leipzig verbreitet fein müssen, ergibt sich noch immer au» telephonischen Anfragen, ob es denn wahr ist, daß in Leipzig Unruhen herrschten Damit scheint sich die Auffassung zu bestätigen, daß manche deutsche Messe-Interessenten au» Furcht vor Ueberraschungen der Mess« bisher feriweblieben sind. Alle diese Besorgnisse find völlig unbearündet. Di« Messe nimmt «inen durchaus normalen Verlauf und wird selbst verständlich auch bis zum festgesetzten Schlußtag durchgeführt werden; etwa noch zögernde Geschäftsleute mögen also und«- sorgt nach Leipzig kommen. D Uw» rurlSntzer rt»»ea Nach vorsichtiger Schätzung beträgt di« Zahl der bis zum ersten Messetag in Leipzig anwesenden bezw. nach Leipzig unterwegs befindlichen Auslandsbesuchern rund 12 000. Schwächer als im Vorjahr sind die Tschechoslowakei und Oesterreich vertreten. Die zu erwartende Endzahl der ausländischen Messebesucher wird etwa 15 000 bi» iS 000 betragen. Nie „«MllMN"-Ml>N M «kW. vdz. Berlin. Bor der Groben Strafkammer des Landgerichts H Berlin hatten sich am DienStag unter der Anklage dev gemeinschaftlichen schweren Raubes zu ver antworten der HilfSmontenr Heinz Lehmann, der Kauf mann Leopold Klausner und der Kaufmann Joachim Morchel. Mitangeklagt waren wegen Anstiftung bezw. Be günstigung die Bardamen Helga o. Haaren «nd Ilse Achilles und der iugendliche Bolontiir Heinz H. ES handelt sich um den Raubüberfall, der am zweiten Weihnachtsseiertag in der Nähe des Bahnhofes Onkel Toms Hütte im Südwesten Berlins aus den Garderobenpächter Krüger vom Delphi-Palast und vom EafS König Unter den Linden ausgcsührt wurde. Die Täter warteten den Gar derobenpächter auf der Straße ab und stahlen ihm eine Aktentasche mit 700 Mark Inhalt. M Schnitt In s eigene Fletsch «ar «S jedesmal» wenn jemand glaubte, eine Zeit, lang ohne Zeitung auskommen zu können. Da« Riesaer Tageblatt steht im Brenn punkt der Oefseutlichkeit, eS ist die Vermittlerin der Nachrichten aus Heimat «nd aller Welt, wodurch die Beteiligung des einzelne« am Weltgeschehen ermöglicht ist. Die Stellungnahme zu den TageSsrage», die zum mtudefte« das iu allen Beziehung«« so wichtige Denke« deS Mensche« anregt, die Bekanntgabe der Handels« und Marktberichte sür deu Kausaum« und de« Landwirt, die manuigsaltigeu Hinweis« und Bericht«, der im übrige« belehrend« «nd unterhalten de Stoss, «nd nicht zuletzt der Anzeigen teil, der GeschästSbeziehungeu vermittelt «ud regelt, d«u Verbrauchern, Wohnungssuchende«, Stell««- suchenden «sw. wichtige Wege weift, find Leistungen, sür die der niedrige Bezugspreis von S.rö monatlich durch Träger frei Hans ein wahrlich ge ringes Entgelt ist! Wer ist «och nicht Slbonneut? — Er bestelle sosort das Riesaer Tageblatt! Obwohl die Angeklagten im wesentlichen geständig waren, gab es doch schwere Konflikte zwischen den männ lichen Angeklagten und den beiden Bardamen über die An stiftung zu dieser Tat. Während die männlichen Ange klagten erklärten, sie seien von Helga v. Haaren zu der Tat angestiftet worden, weil sie Geld benötigte, erklärte diese, sie sei gewaltsam gezwungen worden, die Adresse deS Gar derobenpächters zu verraten, bei dem sie als Garderobiere angestellt war und von dem sie wußte, daß er am Abend immer die Tageseinnahme mit sich führte. Auf die Frage deS Vorsitzenden, ob sie denn durch eine vorgehaltene Pistol« gezwungen wurde, die Tat anzustiften, erklärte sie, nein, das nicht, aber Merchcl, ihr Freund, sei zu ihr gekommen und mit ihr in eine Telefonzelle gegangen und da sei sie ge- zwungen gewesen, bei Krüger anzurufen. Bors.: Nun, das kann man doch nicht gerade Zwang nennen, wenn ein Liebespaar gemeinsam in die Telefonzelle geht! Der Ange klagte Merchcl erklärte demgegenüber, Helga v. Haaren fei die treibende Kraft gewesen und habe ihm auch gesagt, Krü- ger bringe jeden Abend mindestens 3M Mark Kasse nach Hause. Die dann vernommenen Sachverständigen erklärten, bi« Angeklagten mit Ausnahme vielleicht des Jugendlichen Heinz H. seien für ihre Tat voll verantwortlich. In der Begründung der Strafanträge erklärte der An- klagevertrcter, cS sei ein unerhörter Zustand, daß junge Leute, die nicht einmal sich in Not befinden, nur um bei Alkohol und Weibern ein Bummellcben zu führen, sich zu schweren Straftaten znsammenfinden. Jetzt, wo sich die Spuren zeigen, daß Ordnung -wieder cinziebt ins Land, müsse gegen solche Lente nut den schärfsten Strafen vorge- gangcn werden. Das geistige Haupt der Verbrecherbande sei Helga n. Haaren, für die er 6 Jahre Zuchthaus, 10 Jahre Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht beantragte. Je 5 Jahre Zuchthaus 10 Jahre Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht beantragte er gegen Merchel, Klaus ner und Lehmann. Gegen Ilse Achilles beantragte er sechs Monate Gefängnis, gegen Heinz H. 3 Monate Gefängnis unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Fm Mm gesMeii. "Oslo. Ein furchtbares Unwetter, das an der nord- norwegischen Ksist-. namentlich im Weißen Meer herrscht, hat mehrere Schisse als Ovfer gefordert. Der englische Fischdamvfer „Nord Dearmmore" aus Hüll scheiterte in der Nacht zum Montag bei der Hornö in der Näie non Bardö und sank im Laufe von drei Minuten. Vier Maschinenbeizern gelang es nicht mehr, sich an Deck zu begeben. Sie gingen mit dem Schiss «ntrr. Der Kavitän, ein geborener Däne, weigerte sich, sein Scbiss zu verlass«» nnd ertrank. Sein Sohn, der sich ebenfalls an Bord be fand, konnte gerettet werden. Ein Rettungsboot mit »ebn Mann erreichte den norwegischen FischereiinspektionSdamvfer „Michael Sars", der gerade 15 Fahrgäste des norwegischen VassagierdamvierS «Prinzeß Ragnhild" an Bord genommen batte. .Prinzeß Ragnhild", die in der Nähe auf Grund gestoßen war. gehört zu den schnellsten Passaaierscbissen, di« zwischen West- und Nordnorwegen verkehren. ES dürfte sehr zweifelhaft sein, ob dieser Dampfer gerettet «erden kann. Die Geretteten des FischdampferS erklärten, daß ei« anderes Passagierschiss .Kong Halsdan" das Rettungsboot passiert hatte, ohne «s zu bemerken. Ferner ist rin norwegischer RobbeufS«a«r im Weißen Meer untergeaanaen. Sr wurde vom Eise »irdergedrückt, da« der Sturm gegen ibn aufgetiirmt hatte. Die Mann schaft de« RobbenfängerS wurde von einem anderen Robben sänger an Bord genommen. Die Schiffsglocke der Smden wiedergefimdeu. * Sydney. Di« SchiffSglock« des Kr,u»«rs Smden, die im vergangenen Sommer vom Eingang deS Regierung«, gebändeS in Garden-JSland gestohlen war, ist wieder ans. gefunden worden. Detektive sande« jetzt di« Glocke, di» von der australisch«« Regierung al» Andenken aufg«. Kobe« wurde, auf eine« nab«gel«gen«n Hügel t« «in«, Diese vom »0 Zentimeter verarabe«. Bisher waren all« Versuche, den Dieb, der wegen des schweren Gewichte« der «locke sehr stark gewesen sein muß, ausfindig »» wachen, erfolglos gewesen. Wie di« Polini jetzt aus di« Spur der Glocke gebracht worden ist, ist noch nicht bekannt. Riesen-Benzintank i« die Lust geflogen. * Bukarest. In Wloefti flog am Dienstag au« bi«, her »och unbekannten Gründe« ein Be»intank mit hundert Waggons Benzin Inhalt in die Luft. Der Brand konnte rasch gelöscht «erden. Der Schaden betrügt etwa 50000 Mark. Mruschrnopser find glücklicherweise nicht »u ve» »eichnen. EopxriziU b? dlerttu kouedtveoger, Nell« (5-uüo) f lA Ohne sich zu überlegen, verneigte sich Vandro: »Ich nehme Ihr gütiges Angebot mit vielem Dank an, Herr Steinherr." Er erhob sich, stand straff vor seinem neuen Herrn. «Wann befehlen Sie morgen früh?" „Um acht Uhr fahre ich nach den Werken." Ein kurzes Ueberlegen. „Der Weg nach der Stadt zurück ist weit, nur per Zug möglich. ES wäre am besten, Sie übernachteten gleich hier, um morgen früh pünktlich zur Stelle zu sein. Geht das? Gut." Der Diener erschien, erhielt Anweisung, den Gast auS der Garderobe deS Hausherrn mit dem Nötigsten zu ver sorgen. „DaS Turmzimmer, Schmidt. Gute Nacht, Herr von Vandro." Steinherr war aufgeftanden. Ein fester Händedruck. Die Blicke der beiden Männer suchten und hielten sich. In den kühlen Augen des Aelteren stand wieher die seltsame Weiche. Vandro verneigte sich. Nun war dieser sein Herr. Und irgendwie — Freund. Er spürte es. Ihm war, als sei ihm ein großes, unverdientes Geschenk zuteil ge worden. ES schlug gerade drei Uhr, als Georg von Vandro daS ihm angewiesene Gastzimmer betrat und auf die Stadt ßinunterschaut«, deren Lichterfülle nun auf einzelne belle Flecke zusammengeschrumpft war. Irgendwo da drüben ichlief das blonde Mädchen mit den dunklen Märchen- mgen, deren Zauber er vom ersten Erblicken an verfallen. Träumte sie wieder von trauriger Not, gaukelten freund liche Bilder um das schmale Lager in der ärmlichen Stube? Ob sie einmal heute seiner gedacht, dessen Ge danken sie unentwegt suchten, seit er sie gestern gesprochen? Ach, dast ihr Wea sich endlich Vend^». „Dir dienen dürfen", dachte der Mann in heiß aus quellender Sehnsucht. „Gäbe es ein größeres Glück?" Als Steinherr allein war, trat er an seinen Schreib tisch, überflog im Stehen die Privatkorrespondenz, die sein Sekretär ihm bereitgelegt hatte, und schob sie stirnrunzelnd beiseite. Nichts von Belang. Hätte Erlenlinder alles selbst erledigen können. Ein parfümierter Brief flog ungeöffnet in den Papierkorb. Es gab allzuviel Frauenherzen, die sich nach Abenteuern — und Geld sehnten. Sein Blick fiel auf das Bild der Kalesso, das in einer Ecke deS Schreibtisches stand. Sie war nicht besser als die anderen, nur amüsanter, glitt leicht über die Oberfläche deS Leben» dahin wie ein Schmetterling durch die Sonne. Er nahm das gutgetroffene Bild im Silberrahmen in die Hand. Aber wie er es näher betrachten wollte, geschah eS, daß daS pikante Brünettengestcht sich in ein blasses Frauenantlitz mit blondem Haar verwandelte, dessen graugrüne Augen ihn unter schweren, breiten Lidern an starrten mit zwingendem Bann. „Macht ist alles", sagte die klanglose Stimme leise. Wußte diese Frau von dem Ehrgeiz, der ihn verzehrt und vorwärtsgepeitscht, bis alle anderen Gefühle seiner Seele verdorrten? Ueberreich war ihm der Tisch des Lebens nun gedeckt, und doch hungerte er wie nie zuvor? War Macht wirklich alles? Geheimnis- voll glänzten und gleißten die unergründlichen Augen. — „Keine Spur von Güte", hatte sie selbst gesagt. Aber schillernder Reiz lockte und vielleicht — Gefahr! Wann je hatte die ihn geschreckt? Go hart legke der Mann die Photographie mit dem Bild nach unten auf die Schreibtischplatte, daß das Glas mit leisem Klirren mitten durchbrach. Er reckte die Schultern, hob den Kopf. Seine Züge verhärteten sich. Fort mit dem Geisterspuk; schon rief der neue Tag. Zwölftes Kapitel. „Gnädigste Gräfin! Wenn Sie wüßten, wie oft ich Ihrer gedacht mit tausend guten Wünschen, daß auch Ihnen Fortuna hold gewesen sein möchte, wie ungeduldig ich den Tag herbei sehne, der mir das Glück eines Wiedersehens mit Ihne« beschert! Werden Sie den Unbescheidenen schellen, der eS wagt, Sie zu bitten, ihm den halben Tag der Frei heit zu schenken? Zum Fest würde er, feierten Sie mit!" Leise vor sich hinlächelnd, faltete Wer« Wettern den Brief zusammen und legte ihn wieder in die Handtasche. Wozu las sie ihn eigentlich noch? Kannte sie nicht jedes Wort auswendig? Wie einen Talisman hatte sie ihn diese vier Tage mit sich herumgetragen — mußte solch guter Wunsch nicht Erfüllung bringen? Aeußerlich hatte der Zauber versagt, noch immer Wan» derte sie den harten Weg der Arbeitsuchenden, stiftete ein kümmerliches Dasein von der kärglichen Unterstützung, die das Reich seinen Millionen Armen zu gewähren imstande war, konnte oft nicht schlafen, well sie Hunger quälte. Aber innerlich wirkte der Trost. Etwas Neues war in ihr Leben getreten, seit jener Mann ihren Weg gekreuzt, ein Lichtstrahl hatte daS Dunkel zerteilt. Jedesmal, wenn Wera Wettern an ihn dachte, spürte sie eine leise Wärme im Herzen, daS so lange ge froren in völliger Verlassenheit. Wie daS starre EtS deS Winters dahinschmolz unter dem sieghaften Leuchten der Sonne, so regte sich auch in der Seele deS Mädchens unter all den Narben von Not und Leid neuer Wille zum Leben, neue Sehnsucht nach Licht. Wie hätte sie dem freundlichen Wecker seine Bitte abschlagen können?! Freute sie sich nicht auch auf das Wiedersehen? Traumversonnen zog sie daS schwarze Kostüm, die weißseidene Bluse an, die sie vorher sorgfältig gewaschen hatte. Hoffentlich bemerkte man nicht die gestopften Stellen unter dem Arm allzusehr; die billige Seide ritz so leicht. Mit echt weiblicher, kaum je geübter Koketterie zupfte Wera das blonde Haar zu weicher Fülle unter dem kleinen Hut hervor, lächelte dem feinen Mädchengesicht zu, das sich mit freudegeröteten Wangen im Glase widerspiegelte.— Wahrhaftig, sie sang ja leise vor sich hin, ohne e» zu wissen. i * » * Korts, folgte