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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 15.09.1927
- Erscheinungsdatum
- 1927-09-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192709154
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19270915
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19270915
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-09
- Tag 1927-09-15
-
Monat
1927-09
-
Jahr
1927
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 15.09.1927
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Erbe": e» folgten.Motoren, Transmissionen und Ardeft». maschine»" mit IS Prozent, .Fuhrwerk« (Ueberfahren, Ab- stur» usw.)" «tt »SL Prozent und Zusammenbruch. Ein- stur». Herab» ober Umfalle« von Gegenständen" mit 12ll Prozent. Obwohl bi« erhöhten Leistungen aus Grund der Gesetzes novelle vom 1». Nult 1V28 erst mit b«m 1. Juli beS Berichts jahre» einsetzen und auch bi« Rentenumrechnung im Laufe de» Jahre» noch nicht vollständig burchgeführt werden konnte, übertrafen di« GntschäbtgungSleistungen mit 178,7 Millionen Reichsmark trotz de» Rückgang«» der entschädigten Unsälle di« Zahlungen von 1S18 (176,8 Million««) um ein Geringe». Die Rücklagebestänbe beliefen sich für den 81. Dezember ISA auf 24,8 Millionen RM^ b. h. 7,8 Millionen mehr als Ende 1924. Nach überschlägiger Berechnung dürften im Jahre 1928 die Entschädigung»l«istung«n etwa 280 Millionen RM., die gesamten Aufwendungen der Unfallversicherung etwa 808 Millionen RM. betrag«« haben. Hervorgekoben fei noch, batz, auf IMS Vollarbetter be rechnet, der Bergbau mit 18 die weitaus größte Zahl von Unfällen, auch mit tödlichem AuSgang, ausweist. Es folgt mit 8,14 aus IE da» Baugewerbe. Am geringsten ist di« Zahl der Unfälle, aus IE Versicherte berechnet, in der Be kleidungsindustrie mit IM. GerMssaal. Landgericht Dresden. Ein interessanter BcleidigungS- prozest beschäftigte die fünft« Fcrienstraskammer des Land gerichts Dresden al» Berufungsinstanz in einer bi» zur MitternachtSstunde währenden Sitzung. Der Bergwerks direktor Karl Alfred Schumann batte seinen Sohn al» Scholar nach dem Rittergut Roda bei Wcißig, Amts- bauptmannschaft Großenhain, gegeben. Nach Briesen des Sohnes hatte der Vater angenommen, er müsse bei ungenü gender Kost und ungeeigneter Behandlung schwere und auch eines Scholaren unwürdige Arbeiten verrichten. Berg werksdirektor Schumann hatte daraufhin mehrere Briefe an Rittergutsbesitzer Paul Heinrich Krocber geschrieben, die später zur Erhebung einer Privatklage führten. Zuvor war das Scholar-VerhältniS gelöst worden. Am 7. März kam die von Rittergutsbesitzer Kroeber angestrengte Privat flage gegen Bergwerksdirektor Schumann zur Verhandlung. Letzterer batte Widerklage erhoben. Nach langwieriger Be weiserhebung wurde der verklagte BergwerkSdircktor frei gesprochen. ES wurde ihm der Paragr. 193 StGB. (Wahr nehmung berechtigter Interessen) zugcbilligt. Ans seine Widerklage hin wurde aber der Privatklägcr Ritterguts besitzer Krocber wegen Beleidigung zu IN Mark Geldstrafe verurteilt. Diese Angelegenheit beschäftigte jetzt die Be rufungsinstanz bis kurz vor 12 Uhr nachts. Eine ungemein große Zahl Zeugen wurden hierzu vernommen und der Be trieb in einem Rittcrgute, die Beköstigung nsw. aber auch nach jeder Richtung hi» erörtert. Der Sohn des verklagten BergwcrkSdirektorS mußte zugeben, daß er vom Heimweh ergriffen war und die Dinge in dieser Stimmung anders geschildert zu haben, wie er es vielleicht beute tun würde. Diese Bernfungsverbanblung nahm diesmal einen gegen teiligen Verlauf. BergwerkSdircktor Schumann wurde wegen Beleidigung zu 50 Mark Geldstrafe verurteilt, und der in erster Instanz mit 10 Mark Geldstrafe belegte Privat kläger und Widerbcklagte, der Rittergutsbesitzer Kroeber freigciprochen. Die entstandenen Kosten beider Rcchtszüge hat Bergwerksdirektor Schumann zu tragen, er muß auch dem Privatkläger die erwachsenen notwendigen Auslagen zurückcrftatten. (K—g.) Empfindliche Bestraf«»« eines Heiratsbetrügers. Der Kaufmann und Händler Artur Paul Albert Mickel, geb. zunehmen. In dem großen Empfangsfalon hatte sich bereits f eine Fülle kostbarer Blumeuspenden angcsammelt, und wohl ! ein dutzendmal hatte Julia mit demselben erzwungenen Dankes- - lächeln dieselben Glückwunsch-Redensarten angehört. > Um die elfte Stunde rollte eine leichte, einspännige MietS- kutsche auf die Rampe, und ein Offizier in Husarenuniform stieg aus dem Innern derselben. Vorsichtig brachte er einen riesengroßen Strauß von prachtvollen Rosen und seltenen Orchideen, der bis dahin den Ehrenplatz auf dem Rücksitz eingenommen hatte, zum Vorschein und verschwand mit dieser duftigen Bürde im Innern des Schlosses. Graf Westernhagen Halle vom Fenster deS Empfangs« salons aus den Voegaug l. . »...o m e. >.e Lauac wandte er sich an Julia, die eben mit zerstreuter Miene dem Geplauder einiger Damen zuhörte. .Mach' ^ich aus eine besondere Ueberraschung gefaßt, mein Kind! Ich fange wirklich an zu glauben, daß einem schneidigen Kavalleristen kein Ding unmöglich ist." Nun klang auch schon pom Vorzimmer her ein rascher, svorrenklirrender Schritt, und ehe noch der alle Tolzmann, welcher heute eine besonders feierliche Miene angenommen hatte, im Stande gewesen war, ihn zu melden, trat Gras Votho v. Thun in straffer, soldatischer Haltung seiner Base entgegen. Er sah in der glänzenden Uniform um vieles vorteil hafter aus, als im Zivuanzuge, und die jungen Damen warfen einander verstandnißvolle Blicke zu, um dann mit stttigem Erröten die Augen niederzuschlagen. Aber der Leutnant, der sonst in den Gesetzen der Galanterie sicherlich sehr wohl bewandert war, blickte mit fast unhöflicher Gleich gültigkeit über sie hinweg. Für ihn schien keine andere Person in diesem Raume vorhanden zu sein, als Julia, und während er ihr mit einer tiefen Verbeugung den köstlichen ! Blumenstrauß überreichte, sagte er in einem Ton, dessen beinahe leidenschaftliche Wärme die jungen Damen abermals zu einem verständnisvollen Blickewechseln veranlaßte: .Nicht weil ich glaubte, daß diese armseligen Blüten Ihrer würdig seien, sondern weil es mir leider nicht gelang, würdigere auf zutreiben, bitte ich Sie, dies kleine Zeichen meiner Verehrung entgegenzunehmen. Den Blumen habe ich alles anvertraut, was mich an diesem Tage bewegt, vielleicht, teure Cousine, machen Sie in einer stillen Stunde den Versuch, ihr Geheimnis zu erraten!" Graf Westernhagen räusperte sich vernehmlich. Da» war denn doch eine gar zu kühn» und deutliche Anspielung in Gegenwart so vieler fremder Personen, und er fürchtete, Julia möchte durch eine nicht minder deutliche Zurückweisung einen peinlichen Austritt herbeiführen. Aber er erhielt einen neuen Beweis von der Unberechenbarkeit des weiblichen Herzens durch die gewinnende Liebenswürdigkeit, mit welcher sie die Huldigung ihres Vetters aufnahm. .Sie beschämen mich wirklich, Detter Botho," sagte sie mit einem Lächeln, das gar nicht gezwungen aussah. .Ich danke Ihnen von Herzen für dies prächtige Angebinde, und ich werde mich bemühen, dem Geheimnis Ihrer Blumen auf die Spur zu kommen, wenn ich mich auch leider bis jetzt auf diese stumme Sprache sehr schlecht verstehe." Sie hatte ihm ihr« Hand gereicht, und Graf Botho drückte diefelbe lange und feurig an seine Lippen. Dann erst begrüßte er seinen Oheim und ließ sich den Damen und Herren vorstelle«, di« schon vor ihm gekommen waren. .Sag« mir nur. Du Teufelsjunge," fragte Graf Western- > Hagen, als er ihn für einige Augenblicke bei Seite nehmen konnte, .wie Du eS angefanaen hast. Dir trotz der Ungnade Deines Herr» Obersten diesen neuen Urlaub zu erlisten? i Li, hatten un» schon mit Bedauern in die schwerlich« Not« ' 1882 im Dre»b«n. vielfach, auch schwer mit Zuchthau» vor« bestraft. f«tt IE von feiner ersten Frau geschieben, hatte i« Sommer vorige« Jahr«» HeiratSinserate erlassen. Mit drei der sich gemeldet«« Frau«« war er in «ädere v«rb n. düng getreten, bezeichnete sich beispielsweise al» Großein- käufer oder Großhändler in der Dresdner Hauptmarktballe ufw. und verstand «» auf dies« Weise allerlei Vorteile »u erlangen. So war Mickel u. a. mit einer KriegerSwttwe in Großenhain bekannt geworben, brr er. eine» Tage» erklärte, ihm sei unterwegs infolg« einer plötzlichen Geldverlegen heit die Uhr abgenommen worden. Die Witwe händigt« Mickel daraufhin die Uhr ihre» verstorben«« Mann«» au». Dann nahm er ihr unter dem Vorwande, er wolle Kirschen pachten, einen Betrag von 600 Mark ab. Später gab die Frau noch 50 Mark zur Durchführung einer Kur her und händigte Mickel auch ein Bett und Deck«« au», damit «r in seiner Bud« einer in Weinböhla »u errichtenden Spargel- Plantage nicht »u frieren braucht«. Aehnlich lag«« die bei den anderen Fälle. Am 5. Mat stand er vor dem Schöffen gericht Dresden, bestritt betrügerische Absichten gehegt zu haben, wurde aber in zwei Fällen des vollendeten Hcirats- betruge» für überführt angesehen und ,« »en« Monate« Gefängnis verurteilt. Dieses Urteil batte Mickel angefochten. Di« vierte Ferienstrafkammer verhandelte setzt als Be rufungsinstanz in dieser Strafsache. Der Vertreter der An klage forderte Verwerfung der Berufung, er bedauerte, daß feiten» der Staatsanwaltschaft nicht auch in dem freispre- chenden Falle ebenfalls Berufung eingelegt wurde, der genau so liege, wie die beiden anderen Fäll«. Das Berufungs gericht kam zu einer Bestätigung der erstinstanzlichen Strafe, di« mit Recht erfolgt lei. Bei den sehr zahlreichen und auch schweren Vorstrafen und der äußerst verwerflichen Handlungsweise konnten d«m Angeklagten mildernde Nm- stände nicht zugcbilligt werden. (K—g.» SailMtllMiWli im Min-, SW' Md MkülM. Von Prof. Dr. Anton Eibl, BundeS-Lehr- und Versuchsanstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau, Klosterneuburg bei Wien. vw. Durch den Einbruch der Reblaus in unsere heimischen Weinkulturen mußte die Art der Kultur vollkom men geändert werden. Denn da die Wurzeln der heimischen Reben von der Reblaus vernichtet werden, mußte man nach einer Pflanze suchen, die nicht stark von der Neblau» heimgesucht wirb. Und das sind die Amerikaner- Reben. Leider sind die Beeren zur Wcinbrreitung unge eignet, daher müssen die heimischen Reiser auf die Unter lagen, die Amerikaner, veredelt werden. Diese Veredelungen haben aber große Nachteile: Die Verwachsung erfolgt oft schlecht, die Weingärten sind nicht mehr von der. Lebensdauer wie früher, sie sind frost empfindlicher und dann ist eine Erscheinung sehr unan genehm, die Bildung der Tagwurzeln von den heimischen Edelreisern. Wenn sie nicht entfernt werden, so bilden si« neue Ansatzmöglichkeitcn für die tsieblans. Biologisch interessant ist die Tatsache, daß besonders Europäer-Wein von der Reblaus, die amerikanischen Ursprungs ist, so heimgesucht wird, nicht aber Amerikaner-Reben. Ein Schädling wirkt nämlich besonders dann vernichtend, wenn er in ein anderes Gebiet zu anderen Pflanzen kommt. Die heimischen Pflanzen haben sich offenbar im Laufe der Zeit biologisch geschützt, die fremden aber sind schutzlos. Genau so ist es auch mit dem amerikanischen Stachelbeermehltau auf unseren Stachelbeeren. Die oft schlechte Verwachsung des Europäer Weines mit amerikanischen Unterlagen, die geringe Lebensdauer der veredelte« Wetngärte«, die Frvstempfinblichkrtt «nd besonder» die Bild««» vo« Taawurzel« durch heimische Edelreiser gibt »u denke«. Veh«, wir «n» Amerikaner und heimische Rebe« an, so finde» wir bet ersteren grö ßere Blätter «nd starke» Wachstum — sie zeigen gegen- über dem heimischen Wein den Typu» vo« Pflanze« au» feuchten, ntederschlagöreiche« Gebieten. Nu« wissen wir aber, daß Pflanzen regenreicher Gebiet« mit geringerer Energie Wasser au» dem Boden auftauge« können, da sie e» nicht so notwendig haben, weil Wasser meist in ge- nügender Menge vorhanden ist, sie haben geringere Saug, kräfte. Der heimische Wein aber zeigt den Typu» einer trockenresistenteren Art, kleine Blätter, schwache» Wachs tum, hohe Saugkraft. Wirb deshalb auf eine Amerikaner- Unterlage mit geringerer Saugkraft ein heimisches Edelreis mit hoher Saugkraft veredelt, so ist die Unterlag« infolge ihrer geringen Saugkraft nicht imstande, au» den meist trockenen Böden da» für da» Edelreis nötige Wasser in genügendem Maße zu verschaffen, das Edelreis durftet so zusagen, bildet Tagwurzeln, um mehr Wasser bekommen zu können, und ist, wenn da» verhindert wird, physiologisch geschwächt. Daher offenbar die große Frostempfindlichkett und geringe Lebensdauer der veredelten Weingärten. Wenn wir eine Unterlage ziehen wollen, die gute Resul- täte liefert, so muß bei der Züchtung der Unterlagsrcbcn die Saugkraft berücksichtigt werben. Auch heimische Rebe» schwanken nach der Sorte und Gegend in ihrer Saugkraft, daher wird man für jede Sorte die gecignete Unterlage suchen oder züchten müssen. Bei den heimischen Reben wurde schon darauf aufmerk sam gemacht, daß der Typu» von trockenresistenten Sorten schwachwüchsig und evtl, kleinlaubig ist. In erster Lint« ist es die Schwachwttchsigkett, die einen Fingerzeig für die Höhe der Saugkraft gibt. Das ist auch bei Obstbäumen und ihren Unterlagen der Fall. Zwcraobst bei Aepfeln wird mit Vorliebe auf Doucin- oder Paradies-Unterlage ver edelt. Die Unterlage hat höhere Saugkraft als bas Edel reis, doch wächst das Edelreis nicht so energisch wie auf eigener Art veredelt, da es di« Menge an gelieferter Flüssigkeit Infolge seiner geringen Saugkraft nicht voll ständig verwerten kann. Besonder» interessant sind die Veredlungen der Aprikose auf St. Julien-Pflaume ober HauSzwctsche, die geringe Lebensdauer haben. Aprikose hat nämlich nach meinen Untersuchungen sehr gering« Saugkraft, was sehr verwunderlich ist, da ja der Baum nur für warme Klimata in Frage kommt. Dauerhafte Veredlungen sind bei Aprikose nur auf Aprikosenwildlina möglich. Im Gartenbau geben die Gemüse den höchsten Gewinn, die frühzeitig genußfcrtige Produkte produzieren: Treib sorten, frühe Freilandsorten. Die Züchtung frühreifer Formen erforderte früher viel Mühe, große Beobachtungs gabe und Zett. Nach dem neuen Verfahren braucht man nur die Samen, die in hoher Konzentration gekeimt haben, sorgfältig herauszunehmen und weiterzuzüchtcn. Aber auch die Bodenbearbeitungsmaßnahmen werden einer kritischen Untersuchung unterzogen werden müssen. Es soll! nämlich möglichst viel Wasser im Boden verbleiben, da mit die wachsenden Pflanzen und auch die Mikroorganis men des Bodens möglichst optimale Wasserverhältniffe er halten. Wir Deutsche müssen mehr Menschen ernähren können. Daß man auf engem Raum für viele Nahrung produzieren kann, zeigt uns ein Volk, die — Chinesen, die dieses Problem, das Problem der gärtnerischen Boden bearbeitung, bereits seit Jahrtausenden empirisch gelöst haben. Wir aber haben die Wissenschaft hinter uns. Sollten wir es nicht auch können ? Wendigkeit gefügt, heute auf Deinen Beistand im Arrangement lustiger Unterhaltungen zu verzichten." Gras Botho drehte an seinem langen Schnurbart und vermied es geflissentlich, den Fragenden anzusehen. »Bin euch darum hoffentlich nicht weniger willkommen, lieber Onkel!" meinte er ausweichend. „Werde Dir nachher erzählen, wie ich gegen alle Erwartung zu Urlaub gekommen bin. Ist eine lange Geschichte?" „Gut! Sie wird Dir nicht geschenkt. Denn ich kann mir denken, daß irgend ein Schelmenstreich dahinter steckt. Hast dem brummigen Obersten einen kleinen Bären aufgeburwen — wie?" Der Leutnant stimmte mit gezwungener Lebhaftigkeit in das joviale Lachen des Grafen ein, und benutzte dann das Nähertreten eines Bekannten, um sich auf schickliche Art einer Fortsetzung dieses Verhörs zu entziehen. Bei dem kleinen Gabelfrühstück, das bald nachher aufgetragen wurde, wußte er sich rechtzeitig des Platzes an Julias Seite zu versichern, und er brauchte dazu nicht erst einen Nebenbuhler aus dem Felde zu schlagen, denn nach der auffälligen Begrüßungsszene hielten es die übrigen jungen Herren für ihre Pflicht, vor dem anscheinend begünstigten Verehrer zurückzutreten. Während des Frühstückes vermißte Graf Westernhagen den Oberverwalter, den er doch ausdrücklich gebeten hatte, sich während dieses hohen Festtages lediglich als seinen Gast zu betrachten. „Wo ist denn Herr Steensborg?" wandte er sich fragend «m seine ältere Tochter. „Ich habe ihn, wenn ich mich recht erinnere, heute noch gar nicht gesehen. Hat er Dir nicht seinen Glückwunsch gebracht?" Ja," erwiderte Komtesse Julia kurz, „mit den anderen! Und er entschuldigte sich zugleich mit dringenden Arbeiten, die ihn bis zum Diner fernhalten würden." „Ah, die bewußten großartigen Ueberraschungen! meinte der Graf, indem er mit bedeutsamen Augenzwinkern zu Edith hinübersah. Aber er bemerkte mit einigem Erstaunen, daß sein Töchterchen gar nicht mehr so fröhlich und unternehmungs- lustig aussah als am gestrigen Abend, da sie ihm jene ge- heimnißvolle Ueberraschung angekündigt. Sie saß blaß und still neben ihrem Tischherrn, einem baumlangen jungen Baron und Rittergutsbesitzer aus der Nachbarschaft, und die verlegene Miene ihres Ritters bewies, daß seine Unterhaltungsgabe nicht hinreichend gewesen war, ihre Schweigsamkeit in das Gegenteil zu verwandeln. Graf Westernhagen runzelte die Stirn. Die fatalen Warnungen seiner Gemahlin kamen ihm wieder in den Sinn, und was er gestern als törichte Gespensterfurcht lachend zurück gewiesen hatte, wollte ihm jetzt angesichts der merkwürdigen Veränderung in Ediths Wesen minder unmöglich erscheinen. Aber die Sorge bedrückte ihn dennoch nicht allzusehr. Wenn der bürgerliche Verwalter wirklich einigen Eindruck aus ihr tungeS Herz gemacht haben sollte, so konnte diese kindische Neigung bei der Kürze der Bekanntschaft keinenfalls schon sehr tief sitzen, und es mußte ein leichtes sein, der Geschichte aus die «ne oder die andere Weise ein Ende zu machen. „Ich werde die Augen offen halten," dachte er, „aber e» wäre lammerschade, wenn ich den brauchbaren Menschen, der sonst so zuverlässig ist, darüber wirklich fortschicken müßte!" Und es gelang ihm, die klein« Verdrießlichkeit mit einigen Gläsern guten Bordeaux vollständig hinwegzuspülen. — Da die Mehrzahl der Gäste erst zu der für da» Diner angesetzten Stunde zu erwarten war, wurde der Vorschlag des Grafen Botho, die Zeit bis dahin im Park zuzubringen, von de« jungen Leuten mit allgemeiner Zustimmung begrüßt. Man vergnügte sich erst auf einer für solche Zwecke her- «richtete» Wiele beim Lawn-Tennis. und nach Beeudiauno Ler Partie löst« sich die kleine Gesellschaft in verschiedene Gruppen auf, von denen die eine die am Ufer liegende Gondel zu einer Kahnfahrt auf dem Weiher bestieg, während die übrige.» paarweise oder zu dreien und vieren durch die schattigen Laubgänge wandelten. Jetzt zum ersten Male fand sich auch für den Grafen Botho die ersichtlich schon längst ersehnte Gelegenheit, der Komtesse Julia einige vertrauliche Worte zuzuflüstern, ohne daS Ohr eines zudringlichen Lauschers fürchten zu müssen. Er hatte ihr seinen Arm gereicht, und bemühte sich geflissent lich, mit ihr hinter den anderen zurückzubleiben, ohne daß st« etwas getan hätte, diese seine Absicht zu vereiteln. „Ich muß Sie sprechen, Julia, muß Sie allein und un- , gestört sprechen," sagte er jetzt hastig, „Sie können nicht ahnen, welche Höllenqualen ich während dieser kindischen Unterhaltungen erduldet habe!" Nur scheinbar widerstrebte sie seinem dringenden Ver langen. „Man würde unsere Absonderung bemerken, und allerlei Schlüsse daraus ziehen," erwiderte sie ohne ihre sonstige Entschiedenheit. „Können Sie das, was Sie mir zu sagen haben, nicht auf eine günstigere Gelegenheit verschieben?" „Nein ich würde irgend eine wahnwitzige Tollheit be gehen müssen, wenn ich noch länger schweigen sollte. Sie haben ein Recht, mein Todesurteil auszusprechen, Julia, aber Sie haben kein Recht, mich noch stundenlang zwischen Leben ! - und Sterben schweben zu lassen." „Wie tragisch das klingt, lieber Detter! Ist es denn wirklich gar so ernst?" „So ernst als nur immer die Lage eines Menschen sein kann, der sein Schicksal auf eine einzige Nummer gesetzt hat und der nun zwischen Hoffnung und Verzweiflung das Fallen der Kugel erwartet. In Ihrer Hand liegt diese Kugel, Julia! Lautet Ihre Antwort auch heute, wie sie am Tage meiner Abreise gelautet hat, so habe ich eben den Einsatz verloren!" Mit wohl berechneter Absicht hatte er sie zu einem der kleinen Pavillons geführt, die an verschiedenen Stellen des ausgedehnten Parkes errichtet waren, um den Lustwandelnden eine Zufluchtsstätte bei etwa plötzlich bereinbrechendem Un wetter zu gewähren. Julia trat an seiner Seite ein, und sie widersprach nicht, als er die Tür hinter sich ins Schloß drückte. „Was Sie da sagen, ist nicht viel besser als eine Drohung," erwiderte sie jetzt, mitten in dem kleinen Raume stehen bleibend. „Es ist nicht ritterlich, sich solcher Mitte: zu bedienen." Ihre Worte waren ernst, doch ohne jede Schärfe, und die Veränderung in ihrem Benehmen gegen chn, die dem Grafen unmöglich entgehen konnte, machte ihm Mut. „Ich spreche nicht- als die lautere Wahrheit, und ich weiß ;a zur Genüge, daß Sie keine von den Frauen sind, welche sich aus bloßer Weichherzigkeit ein Zugeständnis ab ringen lassen. Wenn ich Ihnen nicht- verschweige, so geschieht es, well ich Sie davor bewahren möchte, später vielleicht Reue zu empfinden." „Wohl! So sprechen Sie! Was ist geschehen?" „Als ich des Onkels Hau» wie ein Verzweifelter verließ, war ich von der Form Ihrer Zurückweisung so in tiefste, Seele verletzt, daß ich allen Ernstes versuchen wollte. Sie zu vergessen und Ihren spöttischen Rat, mich nach einem anderen Weibe umzuschauen, buchstäblich zu erfüllen. Fragen Sie mich nicht, wie das Leben beschaffen war, das ich in diesen wenigen Tagen meine- FernseinS geführt habe, verlangen Sie nicht zu erfahren, in welchen Tollheiten ich Ersatz zu finden suchte für meine durch Sie so grausam zerstörten Hoffnungen! Genug,, wenn ich Jhpen hekenne, daß ich Min in der vor-
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