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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192211272
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19221127
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19221127
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-11
- Tag 1922-11-27
-
Monat
1922-11
-
Jahr
1922
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 27.11.1922
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^«27S. Beilage zum Riesaer Tageblatt. Montag, 27. November lv?s, alrenvs. 7s.Jayrg. "" " . I! —t—----- - ' ———-^SS>»»S«-S-!S--S . .d, —-^!S i öd ...I,VSSSS»-SSU»e»««M>MI>Ii tz Ak zeiiemobk der mm Werm. R.D. Die Neun»rbnt»lmehrbelt, die sich im Reichstage »«ar nicht im Sinne einer Bertrauensknndgebung, sondern bedingt »»stimmend für die neubesetzte Ministerbank und de» ReichSkamler Cuno erklärt bat, stellt, oberflächlich gesehen, eine so breit« Tragfläche dar, wie sie selten rin Kanzler siir «in Regierung-Programm gefunden hat. Das Auslandsecho läßt sich noch nickt im vollen Umfanae übersetzen. Tie zweitägige Aussprache im Reichstage bestätigte in der Haupt« ach« die auf sie gesetzten Erwartungen, wenn sie auch in l kinzelbeiten sehr wertvolle und für die Beurteilung der jukunft-moglickketten bedeutsame Abschattierungen gebracht >at. Zentrum und Demokratie, ebenso wie die Bayerische ^volkSvartei sieben dem Kabinett Cuno etwas kühler gegen über al- die Deutsche Volkspartei, haben ibr aber immerhin «in gewisses freundliches Wohlwollen »uni Ausdruck gekrackt. ES bleibt atzzuwarten, wie weit die llnksgerickteten Kreise dieser Parteien bei einer etwaigen Belastungsprobe des Kabinett-, im Falle der ablehnenden Haltung der Sozial demokratie einer Gesetzesvorlage gegenüber, stck verhalten werden. Hier liegt die parlamentariscke Sckwäcke der Cnno- Regierung. Die Sozialdemokratie bat sick, entsprechend ihrer in jüngster Zeit eingenommenen Haltung, damit begnügt, «inen agitatorischen Erfolg in der Beseitigung des ihnen hauptsächlich wegen seiner agrarischen Haltung unsyin» pattziscken neuen ErnätzrungSministers zu erringen. An einer sofortigen Regierungskrise liegt ibr nichts, da sie sick augenblicklich in ihrer LvvositionSstclluiig durchaus wohl fühlt. In der nächsten Zukunft dürfte die Sozialdemokratie, wenn nicht eine ernstere Belastung der Negierung eintritt, ihr« Opposition im wesentlichen außerhalb des Hauses, iu Presse und Versammlungen austobeu. Bei der Betätiguugs» art des Dr. Müller war lein Verbleiben im Amt unmöglich. Die neue Regierung hat sich, so gut es überhaupt nur ging, au» der Angelegenheit gezogen, in erster Linie wohl infolge de» Eingreifens des parlamentarisch geschulten Justiz ministers und des neuen Chefs der Reichskanzlei. Dr. Cuno kann also mit dem Ausklang der groben Programmaussprache im wesentlichen zufrieden sein. In Frankreich steht man der Regierungserklärung sowie dem ganzen Kabinett nicht sehr freundlich gegenüber. Der hörbare, in Deutschland freudig begrüßte Unterton nationalen Selbstbewuhtseins scheint dort verstimmt zu haben, wo man ein zertretenes nm Gnade winselndes Nachbarland als Dauerzustand in die Geschickte einzusübrcn wünscht. Poincarö selbst hat sick noch nickt geäußert. Sein Urteil dürste sich mit dem des „TempS" decken, der starke Unzufriedenheit über die Kritik der französischen Besatzungs politik äußert und sofortige „Maßnahmen" verlangt. In einem anderen französischen Blatte wird auf die „merk würdige Alternative" hingewiesen, in der sich Frankreich befindet, indem es einerseits, um überhaupt Geld zu be kommen, eine starke realmirtscbaftlich denkende Berliner Regierung wünschen muß, andererseits aber Furcht vor dem Erstarken der nationalen Richtung überhaupt begen muß. Der „Gaulois" zeigt Verständnis dafür, daß Deutschland in erster Linie den eigenen Hunger befriediget» muß, wünscht aber andererseits in der Zwischenzeit „Garantien". Der Sinn dieses Wortes ist nicht zweifelhaft. Die „Times" beurteilt die neue Regierung recht freundlich. Sie begrüßt einen gewissen konservativen Unterton und sieht andererseits genügend Sicherungen gegen „ultranationalistische" Be strebungen gegeben. Daß die erste außenpolitische Aufgabe des neuen Kabinetts, die Stellungnahme zu der Entente antwort auf die deutsche Note, nicht gerade einfach sein wird, ist bereits aus der bedrohlichen Wolkenbildung am außenpolitischen Horizonte zu entnehmen. Diese Feuerprobe wird weit gefahrvoller sein als die erste Vorstellung vor dem Reichstage. Französische und englische Pressestimmen zur ReichSkauzlerrede. Nur wenige Pariser Blätter nehmen Stellung zu der programmatischen Erklärung des Reichskanzlers Tr. Euuo: Der Berliner Berichterstatter des „Echo de Paris" ur teilt: Es hat sich nichts geändert. Tie Rede des Reichs kanzlers Cuno hat nicht gebracht, was man von ihr er warten konnte. Der Reichskanzler hat anscheinend sagen wollen, daß er die Tradition seines Borgängers fortsetze, denn er hat aufs neue das Wort Wirths verkündet: Erst Brot, dann Reparationen. „Temps" schreibt über das Reparationsproblem, die Finanzleute könnten nur von dem Augenblick an eingreifen, in dem die Frage für ihre Berechnungen und Methoden reif sei. Müsse man daraus schließen, daß Deutschland unter dem Vorwand, die Lösung des Problems zu erleichtern, das Recht habe, zuerst die Herabsetzung seiner Schulden zu verlangen? Die Milliarden, über die man diskutiere, hätten keinen Sinn, solange man nicht wisse, ob Deutschland die nötigen Anstrengungen mache, um zu bezahlen. Die neue deutsche Regierung sei gerade, weil sie die Interessen der Großindustrie vertrete, fähig, große Kreditoperationen vov- zuschlagen, Operationen, die die von der deutschen Industrie auf deutschem Gebtete angelegten Kapitalien ebenso nutzbar machen könnten, wie die im Ausland untergebrachten. Mit diesen deutschen Vorschlägen müsse endlich der Anfang ge macht werden. Die radikale „Lanterne" führt aus: Was wollen wir? Etwas von den 52 Prozent von jenen 132 Milliarden, die uns die besiegten Deutschen schuldig sind. Wer kann sie bezahlen? Nicht die deutschen Arbeiter, nicht die Enterbten deS kleinen Bürgertums. Das Geld muß da gesucht werden, wo es ist. Nun ist sich aber alle Welt einig darüber, daß das öffentliche Vermögen ausschließlich in den Händen der Industriellen und des Handels liegt. Damit muß man auch zugeben, baß die Diskussion jetzt zum mindesten den Vorzug bietet, sich einigermaßen direkt zu vollziehen, wenn wir von den Vertretern der deutschen Magnaten die Snimnen ver langen, die sie allein uns geben können. In der „Bietoire" schreibt Gustave Heros, in Frankreich habe man keineswegs die Absicht, das linke Nheinufer zu annektieren. Wenn aber die Deutschen verhindern wollten, daß Frankreich dieses linke Rheinufer hinter den zur Ueber- wachung des Ruhrgebiets am Rhein gelagerten französischen Garnisonen als neutralen Staat einrichte, müßten sie sich schon entschließen, den Vertrag von Versailles durchzu- führen; denn er bestimme in den Artikeln 428, 42g und 430 ausdrücklich, daß Frankreich das linke Rheinufer erst zu räumen brauche, wenn die Bedingungen des Vertrags von Deutschland getreulich erfüllt würden. Der Versailler Ver trag sei eben nicht so schlecht gemacht, wie man ihm nachsage. Die Londoner „Times" befaßt sich als einziges Blatt in einem Leitartikel nrit der neuen deutschen Regierung und der gestrigen Programmrebe Dr. Cunos. Das Blatt schreibt, die Neparationskrise und die innere Finanzkrise Deutschlands forderten eine Regierung, die frei und objektiv handeln könne, ohne zu sehr durch Partetfefseln gehemmt zu sein. Bon hauptsächlicher Bedeutung für die Alliierten sei, daß eine deutsche Regierung, und zwar eine „Geschäfts regierung" endlich gebildet, und daß es wieder möglich sei, nit Deutschland zu verhandeln. „Times" bezeichnet die siede Cunos zwar als persönlich klug, jedoch vom Stand punkte der Alliierten als wenig ermutigend. Infolge seiner persönlichen Verbindungen durch Schiffatzrtsinteressen mit Annahme des Bertrauensvotnms. Deutscher Reichstag. wtb. Berlin, 25. November. Die Aussprache über die VrNiirnnst der Relchsreisiernug wird fortgesetzt. Aba. Ledebour (Unabh.) fragt: Ist Herr Dr. Müller noch Minister oder ist er zurückaetreten? (Zuruf beim Zentrum: DaS ist dock erledigt!» Nein, es ist nickt erledigt, den» selbst, wenn er setzt zurückaetreten ist, muß dock gefragt werden, wie ei» Mann mit einer wenigstens im Rheinland bekannten so anrüchigen Vergangenheit überhaupt nur einen Tag Minister sein konnte. Wer ist für die Auswahl diese? Antl-ErnährungSministerS verantwortlich? Tie Entstehungsgeschichte des Kabinetts Cuno beweist, daß bei uns das parlamentarische System »ock nickt dnrckaesührt ist. Redner polemisiert gegen die Sozialdemokratische Partei, die lediglich ans Furcht vor der kommunistische» Konkurrenz die Kroße Koalition mit der Volkspartei abgelehnt habe. Wenn sie dem schlau gewählten Vertrauensvotum zustimme, sei sie für das Kabinett Cuno mit verantwortlich. Reichskanzler Cuno verliest ein Schreiben des Er- nähruugSministers Dr. Müller-Bonn nn den Reichs präsidenten. Tarin erklärt Dr. Müller, die in vergangener Nackt erfolgte Nachprüfung der gegen ihn erhobenen Vor würfe habe zwar ergehen, daß an seiner vaterländische» Gesinnung nicht zu zweifeln sei. Tie durch diele Angriffe geschaffene Atmosphäre parteipolitischer Gegensätze habe ihn aber dazu bestimmt, im vaterländischen Interesse von seinem Posten »urückzutreten. Der Reichskanzler erklärt dazu: Bei der noch gestern abend durch den Neichssustiz- minister Heinze vorgenommeucn Nachprüfung der Vorwürfe habe Abg. Sollmann selbst erklärt, er wolle nickt behaupten, daß Dr. Müller die Loslösung der Rheinlande vom Reick erstrebt oder gewollt habe. Damit seien die Vorwürfe gegen die vaterländische Gesinnung Tr. Müllers entkräftet. Gleichwohl bestehe Tr. Müller auf seinen Rücktritt, in der Erwägung, daß er infolge der Angriffe persönliche Schwierigkeiten zu gewärtigen habe, welche die volle Kon zentration seiner Kräfte ans sein hoch bedeutendes Amt unmöglich machen würden. Er (der Reichskanzler» sei sich der durch diese» Zwischenfall vermehrten Schwierigkeiten bewußt, für das Amt des Ncickscrnährunasmiuistecs eine Persönlichkeit zu gewinnen, der in gleicher Weise das Ver trauen der Landwirtschaft und die sachliche Eignung zur Seite stehen, hoffe aber, das Kabinett alsbald ergänzen zu können und appelliere erneut au die sachliche Mitarbeit des Hoben Hauses. (Beifall und höhnische Zwischenrufe bei den Kommunisten.» Abg. Dr. Stresemann (TVp.): Nach de: Erklärung des Reichskanzlers können die gestern gegen Tr. Müller erhobenen Vorwürfe nickt mehr aufrecht erhalten werden. Zweifellos war es durchaus gerechtfertigt, den Syndikus der rheinischen Landwirtsckaftskammcr zum ErnähruugS- ministcr zu wählen. Ta aber gerade im Rheinland die Zusammenfassung aller Parteien eine vaterländische Not- Wendigkeit ist, wäre cs verhängnisvoll, wenn eine politisch so umstrittene Persönlichkeit an der Spitze dieses wichtigen Ministeriums stehe. Darum begrüße seine Partei die jetzt gesnndene Lösung. Redner bespricht alsdann die Vor beratungen für die Große Koalition und betont, wir brauchten jetzt die Führer der Wirtschaft in der Regierung. Für diese sei aber natürlich der Uebergang in die Drccklinie der Parteipolitik nicht verlockend. Jedenfalls müßten wir alle dem Reichskanzler Cuno dankbar sein für das Beispiel an Verantwortungsgefühl, das er mit seiner Amts übernahme gegeben. Wenn andere Leute nickt schon aus Kollegialitätsgcfühl diesem Beispiel folgen wollten, sollten sie wenigstens die Angriffe gegen die Parteien unterlassen, die es getan hätten. Dr. Stresemann polemisiert sodann gegen die Ausführungen Dr. BreitscheidS. Die Meinung, wirtschaftliche Führer wie Herr Stinnes folgten nur ihrem dem westlichen Europa und Amerika habe er offenbar die Absicht, die Tore für diesen Verkehr mit dem Westen io lange wie möglich offen zu halten. Jetzt, da eine deutsche Regierung gebildet worden sei, könne die deutsche Ncpai- rationSnote vom 13. November, die in der Luft hängen blieb, endlich im einzelnen erörtert werben. Die Lllnsanller Friedellskoirscrenz. In der Sonnabend-Sitzung der Kommission für terri toriale und militärische Frage», über die noch kein Bericht auSgegeben wurde, kam es noch zu keiner Regelung der Grcnzsrage. Das wichtigste Ergebnis dieser Sitzung war eine große prinzipielle Erklärung, die der amerikanische Vertreter Ctzttd abgab. Er ging davon aus, daß die bis herigen Konferenzen gelehrt haben, daß keine Frage einzeln betrachtet werden könne, und nunmehr der Augenblick ge kommen sei, auf gewisse Grundsätze der amerikanischen Politik aufmerksam zu machen, so wie sie in einer Note der Vereinigten Staaten vom 30. Oktober an die drei ein ladenden Mächte niedergelcgt wurden. Diese Note hatte darauf hingewiesen, daß die früher zwischen den Alliierten ab geschlossenen Abkommen über das türkische Gebiet zum Zwecke der Schaffung von besonderen wirtschaftlichen Ein- flußzoncn, vor allem das Dreicrabkommen vom Jahre 1920, nicht mit den Grundsätzen der wirtschaftlichen Gleich berechtigung übereinstimmen. Tie Vereinigten Staaten sprechen daher die Erwartung aus, daß dieses Abkommen nicht verwirklicht werde. Sie wünschen nicht, den Alliierten Schwierigkeiten zu bereiten, sic halten aber an dem Grund satz der offenen Tür fest. Child fügte hinzu, daß die Kon- seren» mit Vergnügen vernehmen werde, daß die Mehrheit des amerikanischen Volkes diese Politik billigt, und zwar nicht nur als nationale Politik, sondern auch als eine Politik für alle anderen Nationen. Eine solche Politik würde zwar im Gegensatz stehen zu den Bestrebungen, die auf territoriale und andere Porrecbte auf fremdem Boden ausgehen, aber sie würde ein wichtiges Element bilden für den wahren Frieden unter den Pölkern und die Grund lagen größter wirtschaftlicher Entwicklung der Länder. Die Lausanner Konferenz gab am Sonnabend nur eine einzige amtliche Mitteilung heraus, die folgenden Wortlaut hatte: Der erste Ausschuß setzte heute morgen 11 Uhr die Aussprache über die Frage der enropäischeu Grenzen der Türkei fort. Die ersten Delegierten der Türkei, Griechenlands und des serbisch-kroatisck-slovenischcn Staatsbundes legten ihre Auffassungen dar. Lord Curzon antwortete im Namen der alliierten Mächte mit der Fest- stellnng, daß sie vollständig einig sind. Er antwortete aus die Argumente der türkischen Delegation und hob zum Schluß hervor, welche Bedeutung der Anschluß der Balkan staaten an seine eben dargelegte These habe. Ter erste amerikanische Delegierte ergriff hierauf das Wort, um die Ansichten seiner Regiernna über die Politik der osfcncn Tür mitzuteilen. Vrofitintereffe. sei aanz falsch. Nur das tatsächliche Interesse am Werk sei für diese Leute bestimmend. Neben der Stiitziina unserer Währung brauchten wir unter allen Umständen die ProduktionSkördernng. Die Stützung der Wäbruua muffe trotz des für die Industrie damit ver« bundeuen Schadens dnrchgeführt werden, denn der Währungs verfall werde bezahlt werden mit dem Untergang der deutschen Kulturichicht (lebhafter Beifall). Dr. Strese- mnnn fordert dann einen Abbau der republikanischen Scbnkgesetze iu der -Nicht»«», daß die MeinungSsreiyeit gesichert wird und mir die Mörderorganisationen verfolgt werde». In außenpolitischer Beziehung sieht er die einzige Aussicht kür bessere Verhältnisse in der Gebundenheit der Weltwirtschaft, die im Gegensatz zu den französischen Machtplänen die ganze Welt daran interessiere, daß nickt ein znsammengebrockenes Deutschland im Bolschewismus untergehe. Eine Politik des Wiederausbaue- in Frankreich sei unvereinbar mit der Politik der Sanktionen und Ultimaten. Von dem neuen Kabinett müsse eine definitive Lösung des Reparationsproblem - erwartet werden (lebhafter Beifall». Abg. Tr. Leicht (Bayer. Vv.) bedauert die Haltung der Sozialdemokratie und weist mit dem Hinweis auf die furcht bare Not des deutschen Volkes die im Ausland ausgestellte Behauptung zurück, daß Deutschland seinen Währungsverfall künstlich herbeigeiührt hätte. Er begrüßt im NegierungS- prögramm vor allem die Zusage, daß die Eigenart der Länder gewahrt und gesickert werden soll. Inzwischen ist von den K o m m u niste n rin Miß trauensvotum rinacgangcn, in dem vor allem di« angekündigtc Turckbreckuug des Achtstundentages» die Massenentlassung von Angestellten und Arbeitern, die Beseitigung der Getreideumlaae und die dadurch herbei- gefübrte „Wnchersrciheit" gemistbilligt wird. Abg. v. Graefe «Deutsch-völkisch, lehnt eine Unterstützung des neuen Kabinetts ab. weil es nicht aus völkisch-idealisti scher, sondern kapitalistisch-internationaler Grundlage regieren wolle. Abg. Müller-Frauken (Soz.) protestiert gegen jeden Abbau der republikanischen Sckutzqeietze und stickt nachzu weisen, das; Tr. Wirth nickt »ou den Sozialdemokraten, sondern von dem Stegerwald-Fliiqel des Zcutrmns gestürzt worden sei, der unter allen Umständen die große Koalition erzwingen wollte. Ein Zusammengehen mit der Deutschen Volkspartei sei für die Sozialdemokratie aber unmöglich, weil dort neben StinncS auch der Führer der Gelben, Geißler, sitze. Tie Form der Bildung dieses Kabinetts sei kein parlamentarischer Fortschritt. Wenn die Fraktionen geiragt worden wären, dann wäre der Fall Miille^-Bonn nicht passiert. Tic Sozialdemokratie werde alle Schritte der Regierung zur Durchführung der Reparatiousnote und zur Stützung der Mark unterstützen und im übrigen den Boden der sachlichen Lpposition nicht verlassen. Nack Annahme eines demokratischen Schlußantrages gegen die Stimmen der Kommunisten erklärt Abg. Doll- mann (Soz.) in einer persönlichen Bemerkung, daß er seine Vorwürfe gegen Tr. Müller-Bonn keineswegs zurückge nommen habe. Ein kommunistischer Antrag auf namentliche Abstim mung über die Vertrauensfrage wird nicht ausreichend unterstützt. Ter kommunistische Misttrauensantrag wird gegen du Stimmen der Kommunisten und Unabhängigen abgelehut, der demokratische „Vertrauensantrag" gegen die Kommu nisten, Unabhängigen undTeutsch-völkischen angenommen. Nack debatteloser Annahme der Novelle zum Brannt weinmonopol in allen drei Lesungen vertagt sich um 3 Uhr das Haus auf Montag, den 4. Dezember, 2 Uhr nachmittag-, Rücktritt des Ministers Dr. Müller-Bo«». Ter Reichspräsident hat deu Neichsruiuister Tr. Müller aus seinen Antrag von seinem Amte des Reichs« Ministers für Ernährung und Landwirtschaft entbunden. Ter Ausschuß hielt um 3 Uhr 30 Minuten nachmittags eine neue Sitzung ab. Ismet Pascha legte die Ansicht der türkischen Regierung über die Inseln des Aegäifchen Meeres dar. die Griechenland seit 1912 besetzt hält. Nach einer Aussprache, in deren Verlauf Weniselos. Lord Curzon und Barrsre das Wort ergriffen, wurde beschlossen, einen Unterausschuß zu wählen, der die.Frage der Entmilitarisie rung verschiedener dieser Inseln zu prüfen hätte. Ter Aus schuß für territoriale und militärische Fragen sollte Montag morgen zusammentreten, um die Frage dec Südgrcnze der asiatischen Türkei zu studieren. HavaS dementiert die vorgestern von einem Abendblatt verbreitete Nachricht, daß Poincarö im Laufe dieser Woche, und zwar wahrscheinlich am Mittwoch, noch einmal nach Lausanne gehen werde. Das indische Komitee des Kbalifats hat an die türkische Delegation iu Lausanne eine Depesche gerichtet, iu der es heißt: „Tie Muselmanen Indiens sind sich der Verdienste und der Lvfcr, die Mustapha Kemal Pascha und die neue Türkei der Sache des Islam gebracht haben, voll bewußt. Tie feindliche Haltung der britischen Regierung hat auf die Muselmanen Indiens einen starken Eindruck gemacht. Ter Khalif, der sich unter englischen Schutz gestellt hat. hat iu Wahrheit abgedankt." Das Telegramm schließt mit der Feststellung, daß die Inder, die diese Entwicklung vorausgesehen haben, gegen alle Absichten gewappnet seien, daß sie iu die Muselmanen der Türkei ihr volles Vertrauen setzen und seit zu ihnen halten. Nach einer Havasmetdung aus Angora hat ein amerikanischer Kapitalist, der der Regierung einen Plan über Wiederaufbau der zerstörten Gebiete vorgelegt hat, mehrere Unterredungen mit den zuständigen Persöntichkeiten gehabt. Er ist in Begteitung des ehematigen Unterrichts ministers Ferid Bey nach Konstantinopet abgereist. Die Reparationskommisston hat ihre Entscheidung über die Holzlieserunge« Deutsch lands aus acht Lage vertagt. Ter Pariser Mitarbeiter der „Times" schreibt, infolge verschiedener Erörterungen, die tu Paris stattgefunden haben, scheine die Brüsseler Kousereuz in Frage gestellt zu sein. Der allgemeine Eindruck sei, daß die Brüsseler Kon- ferenz jetzt zweifelhafter geworden sei, als je. Die belgischen Minister schienen unentschieden zu sein. Die hätten, wie ver laute, Poincarö erklärt, daß sie cs vorzögen, -en Gedanken daran für den Augenblick aufzugeben, wenn die Aussichten nicht neun gegen eins für einen erfolgreichen Abschluß -er Verhandlungen seien. Ter gesamte Plan hästge von einer vorherigen Vereinbarung zwischen Frankreich un- England ab. Belgien wünsche aus Gründen, die leicht zu errat« seien, nicht in das Dilemma versetzt zu werben, »wische« dem britischen und dem französischen Standpunkt wähle» zu müssen. ES erscheine kaum möglich, daß irgendeine Ext- schciöung erzielt werde, bevor die Zusammenkunft -er Alliierten in etwa zwei Wochen in Paris stattgekunde«
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