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Uiesaer G Tageblatt und Anzer-er Mrtlitl Mld Aizeijn). Amtsbtatt der Königl. Amtshauptniannschast Großenhain, des K-nigl. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa: 19. Mittwoch, 23. Januar 189S, AvenSS. 48. Jahrg DaS Riesaer Tageblatt erscheint jeden Tag Abends mit Ausnahme der Sonn- und Festtag«. Vierteljährlicher Bezugspreis bei Abholung in dm Expedition« in Rtosa und Strehla, dm AuStzttdiftMe», sowie am Schalter der rasiert. Postanstalten 1 Mart 25 Ps., durch die Träger srei ins HauS 1 Mark SO Ps., durch den BrtestrSger frei in» Hau» 1 Mart SS Ps. Lazeigt» Unnahaw p» hör Nama» de» Ausgabetages bi« Vormittag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschästsktelle: Kastauienjtrab« VS. — Für die Redactiou nerantwortltch: -er«. Schmidt de Mal». Jin Saale des Hotels zum „Kronprinz" hier, sollen Montag, den 28. Januar 1895, Vorn:. 10 Uyr, da. ISO Meter Kammgarn- und andere Stosse zu ganzen Anzügen und Hosen gegen sofortige Bezahlung meistbietend versteigert weiden. Riesa, 23. Januar 1895. Dtk Gek.-VollZ. des Kgl. Amtsgek. Sekr. Eidam. Die Aufschrift für das Reichstags gebäude. Es ist ein Zeichen von Nervosität, daß eine scheinbare Nebensächlichkeit, die nie eine praktische Bedeutung gewinnen kann — nämlich die Inschrift des Reichstagsgebäudes — Wochen und Wochen hindurch die Tagespresse beschäftigte und jetzt zu heftigen Erörterungen führt. Hätte man den Bau mir irgend einer passenden Inschrift, wie „Dem deutschen Volke" oder „Dem Deutschen Reiche" oder dergl. vom Bau-' meister übergeben bekommen, so würde man wohl kaum Ge legenheit zur Kritik gehabt haben. So aber war bei der Uebergabe das Giebelfeld leer; es forderte geradezu eine Inschrift und man wußte, daß diese „Dem deutschen Volke" hatte heißen sollen, daß sie aber aus irgend einem Grunde, den man übrigens bis heute noch nicht kennt, einstweilen weggelassen worden war. Daran knüpften sich nr n Bermmhungen, d'e bis an die höchste Stelle des Reiches reichten, und dadurch entstand in breilen Volksschichten ein Mißbehagen, eine Unzufriedenheit. Nun hat der Kaiser aber vor Kurzem seinen Gästen erklärt, daß er von der ganzen Sache erst durch die Zeitungen er- i fahren habe. Und auch beim Empfang des Präsidiums vom preußischen Abgeordnetenhaus betonte der Monarch wieder, daß er von der Sache nichts gewußt uns sich gar nicht um sie gekümmert habe ; das Fehlen der Inschrift sei keineswegs auf ihn zuruckzuführen. Damit dürste diese Angelegenheit nun endgültig geklärt sein. Es ist nur zu bedauern, daß in der Umgebung des Kaisers sich Niemand sand, der den Kaiser früher auf den Eindruck aufmerksam machte, den die An deutungen verursachrcn, als ob der Monarch die beabsichtigte Inschrift „Dem deutschen Volke' gehindert habe. Alsdann hätte diese Vermuthung schon sofort bei ihrem Auftreten aus geräumt werden können, und es wäre nicht nöthig gewesen, Laz di.r Kaiser selbst zweimal zu dieser Sache das Wort nahm. Ferner würde dem Kaiser beim Gespräch mitgeiheilt, daß die Rcichsiags-Baukommission beschlossen habe, die Worte „Dem Deutschen Reiche" an dem ReichStagsgebäude anzu bringen. Der Kaiser >äußerle dazu, daß er persönlich keinen Grund habe, sich für die eine oder die andere Fassung zu erklären oder eine Fassung zu mißbilligen; er überlasse die Entscheidung der Kommission. Zu der Wahl der Widmungsinschrrst wird der „Frkf. Zig." noch geschrieben: „Die Inschrift „Dem deutschen Volke" wurde in der Sitzung der Kommission, zu der sieben Mit glieder des Bunsesrarhs und sieben Reichstagsmitglieder ge hören, auch vorgeschlagen, aber das „Deutsche Volk" fand nicht die genügende Unterstützung. Es trat von gewisser Seite sehr lebhaft der Wunsch hervor, den Kaiser in der Inschrift irgendwie zu erwähnen. „Für Kaiser und Reich ' lautete ein Vorschlag, und auch die Fiktion, die in der Bau geschichte dieses Hauses eine gewisse Rolle spielt, daß nämlich dieses ReichStagsgebäude nicht nur dem Reichstag, sondern ebenso dem Bundesralh bestimmt sei und zugehare, machte sich in der Berathung bemerkbar und trat in einzelnen Vor schlägen zu Tage. Es gab staatsrechtliche Auseinandersetzungen darüber; auch poetische Inschriften wurden rorgeschlagen: „Deutschland, Deutschland über Alles" und dergl. Schließlich drang „Dem Deutschen Reiche" mit knapper Mehrheit durch, denn es ist eine Art Compromißvorschlag, durch den, ebenso erfolgreich wie in der Ausschmückung des ganzen Hauses, auch zuletzt noch glücklich vermieden wird, daß irgend etwas auf seine Bestimmung als das Haus der verfassungsmäßigen deutscken Volksvertretung hinweist." Der Schlußsatz enthält eine boshafte Spitze, aber auch eine Wahrheit. Denn wenn an dem stolzen Gebäude, das den Vertretern des deutschen Volkes als Versammlungslokal dient, die Inschrift prangen würde: „Dem deutschen Volke", so könnte keine Stelle etwas dagegen haben. Diese Inschrift klingt ganz schön und sie ... verpflichtet ja überdies zu nichts. Daß man jetzt dafür „dem Deutschen Reiche" oder vielmehr „Dem Deutschen Reich" setzen will, muß dem Volksempfinden als eine Verkürzung seines Rechtes erscheinen, und es wäre besser gewesen, wenn man diese vermieden hätte. Am Kreuz berg-Monumente in Berlin steht auch: „Der König dem Volke :c.", das Nationalmuseum in München trägt gleich falls die Inschrift: „Meinem Volke zu Ehr' und Vor bild'. Und so hätte auch das ReichStagsgebäude sehr wohl „dem deutschen Volke" gewidmet werden können. Wie nun die Baukommission bestimmt, soll die Inschrift also lauten: „Dem Deutschen Reich." Den Sprachregeln besser entsprechend wäre allerdings „Dem Deutschen Reiche", ater man sagt, der kurze Say klinge voller und geschlossener ohne das „e" und so dürften die „ästhetischen" Erwägungen den Sieg davontragen über die grammatikalischen. Taftesgeschichte. Deutsche- Reich. Aus Friedrichsruh erfährt die „Post", daß das Befinden des Fürsten Bismarck im Allge meinen reckt günstig ist und wieoer das Empfangen einzelner Besuche gestaltet. Am Sonnabend war Professor Oncken aus Gießen in Friedrichsruh und am Sonntag weilten dort die Reichstagsabgeordneten v. Limburg-Slirum und Geheim rath Gamp als Gäste. Der Antrag Kanitz genügt gewissen agrarischen Kreisen bereits nicht mehr. In der „Kreuzzeitung" wird bereits an leitender Stelle, wenn auch unter Vorbehalt der Redaktion, ein Brodmonopol empfohlen. Eine Verstaatlichung der Bäckerei- und vielleicht auch des Konditorgewerbes, das ist ein Gedanke, dem wenigstens die Kühnheit nicht aözusprechcn ist. Wie die „Münch. N. Nachr." melden, ist von einer Aenderung der Mäntel für die bayerische Armee cndgiltig Abstand genommen worden; das bisherige Mantelluch soll sowohl für Offiziere wie Mannschaften auch fernerhin beide- halten werden. Die Handelskammer zu Halle hat in der vorigen Woche ii Sachen der Konsumvereine folgende Erklärung abgegeben: „Daß cs zur Erhaltung eines gesunden Mittelstandes er forderlich ist, gesetzgeberische Maßnahmen zu treffen, um den Wettbewerb zwischen den Konsumvereinen und Vereinen ähn lichen Charakters mit dem Kaufmannsstande auf gleiche Grundlagen zu stellen, da die bisher gepflegte Begünstigung der genannten Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften eine schwere Schädigung des Kaufmannsstandes einschlicßt und einer allmählichen Verdrängung desselben Vorschub leistet. Eine solche hat bereits in bedenklichem Maße stattgefunden, wie durch das Zurückgchen der Steuerkraft in verschiedenen Orten in genügender Weise bewiesen wird. Die Handels kammer hält es ferner nicht für angezeizt, daß Staats- und Kommunalbeamte Mitglieder des Vorstandes derartiger Vereine sind, wie auch denselben jede tbätige Mitarbeit'in Konsumvereinen zu untersagen sein dürfte. Auch ist cs als unzulä'sig zu betrachten, den Konsumvercinen durch Behörden staatliche Gebäude zur unentgeltlichen Benutzung oder zu einem dem Miethswerthe der Räume nicht entsprechenden Preise zu überlassen, oder ihnen andere besondere Be günstigungen zuzuwenden." Vom Reichstag. Der Reichstag trat gestern in die erste Lesung des Gesetzentwurfs über die Aenderung des Zoll tarifs ein, welche die Zölle auf Aelher, Honig, Kakaoöl, Speiseöl, Baumwollensamenöl, Parfümerien und Bau- und Nutzholz für den häuslichen und handwerksmäßigen Bedarf des Grenzbezirks betrifft. Staatssekretär Graf Posa- dowsky befürwortete eine möglichst schleunige Berathung der Vorlage, damit das in Vorbereitung befindliche amtliche 'Waarenverzeichniß schon im Frühjahr mit den Aenderungen dieses Entwurfs erscheine» könne. Abg. Frhr. v. Stumm (Reichsp.) beantragte die Ueberwciiung der Vmlage an eine Kommission von 14 Mitgliedern und trat sür die Verzonung von Quebrachoholz ein. Abg. Buddeberg (fr. Volksp.) sprach sich gegen den Quebrachoholzzoll au», gegen den auch die Gerbereiindustriellen Stellung genommen hätten. Abg. Graf Kanitz (kons ) erklärte sich mit sämmtlichen Vorschlägen der Vorlage einverstanden und bedauerte nur, daß die Vorlage nicht noch umfangreicher sei. Auf die Auslassungen des Red ners über die von Rußland bewirkte Erhöhung des Zolles auf Rohbaumwolle und Baumwollengewebe erwiderte der Staatsminister Freiherr v. Marschall, daß die Erhöhung Deutschland keinen Schaden bringe, da sie gegenüber allen Ländern von Rußland vorgenommen worden sei. Abgeord neter Groekmann (Ctr.) schloß sich dem Wunsch nach Ein führung des Zolles auf Quebrachoholz an. Abg. Möller (natl.) hob hervor, daß die Vorlage langgehegten Wünschen nach Abhilfe vorhandener Mißstänoe entspreche. Staatsse kretär Graf Posa dowsky bemerkte, daß die Vorlage keine finanziellen Zwecke verfolge, sondern nur durch die thatsäch- wichen Verhältnisse in Gewerbe und Industrie hervorgerufen sei. Die Einführung des Quebrachoholz-Zolles dürfte prak tisch auf Schwierigkeiten stoßen. Abg. Wurm (Sozd.) ist gegen die Neb. rweisung der Vorlage an eine Kommission und ve, langt die sofortige Ablehnung derselben im Plenum. Abg. Kröber (südd. Volksp.) sprach sich für eine Kommissivnsbe- rathung aus, doch möchten die einschlägigen Verhältnisse von > Gewerbe und Industrie eingehend geprüft werden. Darauf I wurde die Uebcrweisung der Vorlage an eine Kommission beschlossen. England. Ein englisches Nachrichtenbureau verbreitet eine Londoner Meldung, die im Falle ihrer Bestätigung nicht verfehlen könnte, das nachhaltigste Aufsehen zu erregen. Da nach sollte nämlich die kürzlich an dieser Stelle verzeichnete Landung von 25000 Mann japanischer Truppen den Gegen stand lebhafter Erörterungen in einem Kabinetsrath gebildet haben, bei dem Lord Rosebery den Vorsitz führte. Nach Schluß des Kabinetsraths wurden durch das Kabel an Ad miral Freemantle Weisungen übermittelt. Ferner wurde der englische Gesandte in Tokio drahtlich angewiesen, Japan an sein Versprechen zu erinnern, Tschifu, sowie die anderen Vcr- tragShäfen zu rcspekliren. Es ist ein offencs Geheimniß, daß Admiral Frecmaiülc schon lange beauftragt war, falls noth- wcndig, usit Gewalt etwaige Angriffe der Japaner auf Ver- ? tragshäfen zu verhindern. Die nunmehr gesandten Weisun gen sollen sehr bestimmte Befehle enthalten. Nach Schluß des Kabinetsraths halte Lord Kimberley eine anderthalb Stunden währende Unterredung mit dem Grafen Hatzfeldt. In Londoner diplomatischen Kreisen ist man sehr erregt und glaubt, daß Lord Kimberley im Auftrage seiner Regierung dem deutschen Botschafter einen der deutschen Regierung zu unterbreitenden Vorschlag zum gemeinsamen Eingreifen der englischen und deutschen Kriegsschiffe in den chinesischen Ge- wäsiern übermittelt hat. Man muß, wie schon erwähnt, eine Bestätigung dieser schwerwiegenden Meldung abwarten, denn cs ist nicht zu verkennen, daß mit dem Augenblicke, wo eine der unberheiligtcn Großmächte in die Vorgänge am ostasiali- schen Kriegsschauplätze einzreift, internationale Verwicklungen von der größten Tragweite unvermeidlich sind. Türkei. Aus Konstantinopel wird folgender Zwischen- fall berichtet: Am Sonnabend wurde ein Briefträger des englischen Postamtes mit 12 Briefen, die aus Smyrna und Kleinasien angeksmmen rparen, bei der nach Stambul führen den Brücke wegen angeblich in falschem Gelde bezahlt.» Brückenzolles angehalien und auf die Wache geführt. Em Passant benachrichtigte hiervon den Postdirektor Pobb, ter sich mit einem türkischen Beamten nach der Wache begab. Der Briefträger war inzwischen visitirt worden. Die Briefe waren ihm abgenommen und ihm Handschellen angelegt woroen, während er selbst mit dem Säbel verwundet wurde. Das Verlangen des Postdirektors, den Konsul zu benach richtigen, wurde abgelehnt. Als der Postdirektor sich an schickte, am Fenster um Hilfe zu rufen, wurde der Fenster, laden geschlossen. Pobb versuchte darauf, die Brief« an sich zu nehmen. Dieselben wurden ihm indessen entrissen; er selbst wurde auf daS Gröblichste insultirt. Augenscheinlich lag die Absicht vor, die Briefe, welche man aus Armenien kommend wähnte, zu lesen. Ein am Fenster vorübergehender Passant benachrichtigte den Konsul, der sich mit einem Dra-