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- 1 Uiesaer G Tageblatt 1' «nd A«;eiger Wtblall mid Aqeign). Tclegramm-Adreff« V V F«nsprrchst«!lr ,r ««b -» R e AH« «so der König!. Amtshauptmannschast Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadrraths zu Mesa. ISS. Donnerstag, S. Juni 18S5, «veuvs. 48. Jahr«. La» Niest« Tageblatt erscheint jede» Ta, Abend« mit Ausnahme der Emm. und Festtage. Binmijshrticher vegngchmei» bet Mchalnng in den Axp^ttia»« in Ntcha «ch Strchla, den AnlAitchil«, s«M am Schalter der katjert. Pistiaßelli, 1 «art 2S Hs, dmch di« Tttigrr stet in« Hm» 1 Mark VO Pf-, dmch den Vrtchvttg« sret des Hm» 1 «art « W. >n»»i^»U»nah»» Dr dir Rmnmer d» big Vormittag V Uhr oh» Anoilhr Druck and Verlag nm Laager L viaterlich tu »las«. — Seichtftssmller S»st»>l»»str«t« ÜA — Fldr di» Vedactimi »«raatmoetiich: Har». Schmidt i» Nies«. Im Hotel zum „Kronprinz" hier sollen Montag, den 10. Juni 1895, von Vorm. 9 Uhr an, 92 m Bettinlett, 81 in Leincwand, 151 m Handtuchleinewand, 2 Dutzend weiße Hand- und 1 Dutzend Wischtücher, eine Anzahl Barchent- und wollne Hemden, Unterjacken, Unterhosen, Badehosen, 115 Päckchen Garn, Manschetten, Tücher, Schürzen, Röcke, Jacken, Strümpfe, 40 P. Arbeitshosen, 20 Kinderanzüge, 20 Westen, 18 P. Sommerhosen u. A. m. gegen sofortige Bezahlung meistbietend versteigert werden. Riesa, 4. Juni 1895. Der <Ser.-Vollz. des Kgl. Amtsger. Selr Eidam. Tagesgeschichte. Ter Mangel an einem klar erkennbaren „Curse", der seit der Ernennung des Fürsten Hohenlobe zum Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten fast ebenso unliebsam zu Tage getreten ist, wie mährend der Reichskanzlerschaft des Grafen Caprivi, bildet in der parlamentslosen Zeit begreif« licherweiise ein ständiges Thema in dem größten Thcile der Presse. Bei der Erörterung desselben wird indcß zumeist vergessen, daß der Reichskanzler als solcher, wenn er nicht ein Bismarck ist, recht wenig Einfluß auf den Curs der Reichspolitik hat. Fürst Bismarck selbst hat das verspürt, als er eine Zeit lang nicht preußischer Ministerpräsident war. Nicht einmal selbständige Anträge im Bundesrathe einzu bringen, ist dem Reichskanzler durch die Reichsverfassung ge stalt«. Solche Anträge können nur von den Einzelstaaken ausgehen. Ist der Reichskanzler Zugleich preußischer Minister- Präsident und seiner preußischen Ministerkollegen sicher, so kommt sein Wille durch die preußischen Anträge und darüber hinaus so weit zur Geltung, als er die Zustimmung der übrigen Bundesstaaten zu gewinnen weiß. Fürst Bismarck ließ nickt selten von den nichlpreußischcn Staaten beim Bundesrathe Anträge einbringen, für die er bei seinen preu ßischen College» nicht die gewünschte Sympathie fand. Das konnte aber nur ein Bismarck, dem die größten nationalen Lerdienste und die engsten persönlichen Beziehungen zu den leitenden Ministern der Einzelftaaten eine Position gaben, die voraue sichtlich keiner seiner Nachfolger erreicht. Ist ein solcher kein Mann von großer Initiative, so wird auch de: Reichswagen sich langsam bewegen und durch parlamentarische Wirrnisse leicht aus der sicheren Richtung kommen, sofern nicht in den Em Maaten ein kräftiger Geist sich regt und einigermaßen den Mangel an Entschlossenheit ersetzt, der dem Inhaber des obersten Reichsamtes und des preußischen Ministerpräsidentenstuhles anhaftet. Darf also mit Recht über den Mangel an einem klar erkennbaren Curse der inneren Reichspolitik geklagt werden, so liegt doch die Schuld dieses Mangels nicht allein beim Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten, sondern auch bei den Regierungen der übrigen Staaten, besonders der Mittelstaaten. Die „Mün chener Neuest. Nachr." sind daher vollauf berechtigt zu folgen der Ausführung: „In der Führung der Reichspolitik, in den wichtigsten Fragen, ist neben den eigentlichen höchsten Reichsbeamten immer nur von den Preußischen Ministern die Rede, nur diese treten handelnd aus der politischen Reichsbühne auf; hat denn die Regierung des zweitgrößten deutschen Staates, Bayerns, dabei gar nichts mitzureden? Es ist eine hohe Seltenheit, wenn einmal ein bayerischer Minister im Reichstag das Wort ergreift, und es ist seit langen Jahren nicht bekannt ge worden, daß überhaupt in einer wichtigeren Reichsfrage die bayerische Regierung einen ausschlaggebenden oder auch nur bemerkenswerthen Einfluß genommen hätte. Schließlich kommen wir doch gar zu weit in der politischen Abdication und im gemüthlichen Geschehenlasjen Die Umsturzvorlage, die wichtigste Frage der ganzen vorigen Reichs- tagsfession, die das deutsche Volt in der Diese ausgerüttelt und auf geregt hat, brachte plötzlich und unerwartet der preußische Kriegs minister im Reichstag zu Falle; Bayern und de andern deutschen Staaten scheinen über ihre Meinung betreffs der so total veränderten Commijsionsbeschlüsse iveder vorher befragt worden zu sein, noch das Bedürsniß 'gehabt zu haben, eine Stellung dazu zu nehmen. Wir wollen im Interesse des Reichs nicht hoffen, day allgemeine deutsche Angelegenheiten vom Reichstag mehr in die Einzellandtage verlegt werden. Haben wir aber keine energische, konsequente Reichspolttik, und spielen die Vertreter Bayerns, Württembergs und Andere stets in Berlin eine so passive Rolle, so wird eine solche Verschiebung kommen müssen. Nach der bedenklich beschwichtigenden und dilatorischen Haltung, welche leider der Reichskanzler betreffs der bimetallistischen Agitation eingenommen, ist jetzt in der württembergischen Kammer die dortige Regierung zur Sache befragt worden und wird, wie es heißt, eine unzweideutige Erklärung zu >» »osten der Aufrechterhaltung unserer Goldwährung abgebeu. Bayern müßte eventuell sür sich diesem Beispiel folgen. Auch über die Umsturzvorlage ist in ver schiedenen Landtagen interpellirt worden. Wir meinen, daß solches am Ende nöthig werdendes Scparatocrgehen in deutschen Einzelstaaten das Rückgrat und das Ausrhen der Reichsregierung nicht stärken kann. Wohl aber sollten die mittelstaatllchen Regierungen, und vor nehmlich die bayerische, ihren berechtigten Einfluß mehr, alS daS bis her geschehen zu sein scheint, an richtiger Stelle in Berlin, im Bundes rath und im Reichstag, geltend machen." Fürst Bismarck hat Aehnliches wiederholt gesagt und die mittelstaatlichen Regierungen wiederholt ermahnt, ihren berechtigten Einfluß mehr, als es bisher geschehen, im Bundesrathe und im Reichstage geltend zu machen. Von den Erfolgen dieser Mahnung iit freilich noch nicht viel zu spüren gewesen. Lassen es aber die Einzellandtage an Druck nicht fehlen, so wird am Ende doch ein klarer Curs der inneren Reichspolitik erkennbar werden. Deutsches Reich. Der preußische Finanzminister Dr. Miquel wird, wie die „Münch. AUg. Ztg." meldet, in den nächsten Tagen dem Fürsten Bismarck einen Besnch ab statten. Es verlautet, daß Graf Rantzau, dessen sechsmonatiger Urlaub demnächst abläuft, seine Stellung zur Disposition" erbeten habe, um mit seiner Gemahlin dauernd in Friedrichs- ruh bleiben zu können. Fürst Bismarck hat sür diesen Sommer noch keine endgiltigen Reisedispositionen getroffen. Sollte er überhaupt eine Badereise unternehmen, so würde nur Gastein in Betracht kommen. Das Befinden des Fürsten ist gut. Graf und Gräfin Herbert Bismarck haben sich, einer Einladung des Grasen Schuwalow folgend, nach War schau begeben. Der „Post" zufolge werden sich der Geheime Oberre- gierungsraih Dr. Wilhelmi aus dem Reichsamt des Innern, der Geheime Oberregierungsrath Sieffert und Assessor Hoff mann aus dem preußischen Handelsministerium nächstens nach Oesterreich begeben, um die Erfahrungen zu studiren, die dort mit der Durchführung von Zwangsorganisationen der Handwerker gemacht worden sind. Der „Lokalanz." meldet aus Kiel: Infolge einer Gas explosion im Kohlenraum des Panzers „Württemberg" wurden der Maschinen.Jngenieur Gehrmann schwer und zwei Heizer leicht verletzt. Der Unfall ereignete sich vor Helgoland. Die Verwundeten wurden nach Wilhelmshaven gebracht. Bezüglich der Frage der künftigen Gestaltung des Militär dienstes der Volksschullehrer verlautet, daß ihre befriedigende Lösung zwar zu erwarten, aber noch nicht endgiltig erfolgt ist. Im laufenden Jahre ist mit den bereits angestellten und militärpflichtigen Lehrern jedenfalls noch nach den bis herigen Bestimmungen zu verfahren, so daß sie also nach wie vor zu einer zehnwöchentlichen aktiven Dienstzeit bei einem Infanterieregiment heranzuziehen und alsdann zur Reserve zu entlassen sind. Inzwischen gehen die Verhand lungen zwischen dem preußischen Kriegsminister und den Ministern der Unterrichtsangelegenheiten und der Finanzen fort, um die Ausführung der königlichen Verordnung vom 27. Januar ds. Js. durchzuführen, wonach der Kriegsminister bezüglich der militärischen Ausbildung der Volksschullehrer und Kandidaten des Volksschulamtes durch Ausdehnung der Einübung in den Waffen auf einen vollen Jahreskursus von Allerhöchster Stelle bestimmte Vorschläge unterbreiten sollte. Zu einem endgiltigen Ergebniß haben indessen diese Ver handlungen bisher noch nicht geführt, da verschiedene, zum Theil sehr große Schwierigkeiten bietende Punkte dabei zu berücksichtigen sind. Es ist jedoch zu erwarten, daß es sich bereits vom nächsten Jahre ab möglichen lassen wird, die Volksschullehrer zum einjährigen Dienst mit der Waffe heran zuziehen. Der bekannte sozialdemokratische^Theologe von Wächter theilt in seinem „Sonntagsblatte" mit, daß er sich nach auf reibender mehrjähriger Betheiligung an der Agitation, wozu noch die redaktionelle Thätigkeit und stete pekuniäre Sorgen kamen, gezwungen steht, zur Heilung seiner gänzlich zerrüt teten Nerven längere Zeit auf alles öffentliche Auftreten zu verzichten. Der Anstifter der Ermordung Emin Paschas, der Sul tan Kibonge, ist in die Hand der Belgier gefallen und nach kurzem kriegsgerichtlichen Verfahren hingerichtet worden. Man berichtet darüber der „V. Z." aus Brüssel: Man wird sich erinnern, daß bei dem Feldzüge der kongostaatlichen Armee gegen die Araber des Bezirkes der Fälle und ManyemaS die Mörder Emin Paschas und deren Helfershelfer in die Hände der Kvngotruppen gefallen und hingerichtet worden sind. Nur Einer war entwischt, der Sultan von Kibonge, Kibonge selbst, der die Ermordung Emins anbefohlen hatte. Gegen ihn war Kommandant Lothaire mit seinen Truppen ausgezogen, um diesen dem Kongostaate und den Europäern gefährlichsten Gegner zu vernichten. Lothaire zog nach dem Jturi, dem oberen Laufe des Aruhumi, vierzehn Tagemärsche vom Albert Eduardsce entfernt. Er vernahm, daß Kibonge am Jpoto oder am Kibongo-Lunza stark verschanzt sei und daß ein Weißer, der den Arabern Pulver und Flinten ver kauft, dem Kibonge zu Hilfe gekommen sei. Als - Lothaire anmarschirte, wollte Kibonge, der Uebermacht weichend, fliehen, aber einer seiner Häuptlinge Namens Aluta übte Verralh und lieferte den Sultan Kibonge dem Kommandanten Lothaire in die Hände. Wie Lieutenant Brecx vom Lindeflusse aus unter dem 9. Januar d. I. eingehend berichtet, setzte Kom mandant Lothaire sofort ein Kriegsgericht ein. Kibonge, ein stattlicher, etwa 30 Jahre alter Mann mit schönem Kopfe, grüßte stolz das Kriegsgericht. Zwei Stunden hindurch un- tersuchte der Gerichtshof die erfolgte Ermordung Emins in allen ihren Einzelheiten. Zum Schlüsse sprach Kibonge fol gende Worte: „Ja, ich bin es, der Emin getödtet hat. Ich erwarte den Tod und ich verfluche meine verrätherischen Häuptlinge!" Das Kriegsgericht verurtherlte den Sultan zum Tode und Kibonge wurde sofort erschossen. Kommandant Lothaire hofft auch des Weißen habhaft zu werden und ist auf dem Marsche nach Navahi, wo er die Leute Emins zu treffen hoffte. Die von Ahlwardt und Böckel gegründete antisemitische Volkspartei hielt in Berlin am ersten Pfingstsonntag ihren ersten Parteitag ab unter Betheiligung von etwa 100 Dele« girten aus 29 Wahlkreisen. Auch der frühere Rechtsanwalt und Bergarbeiter« Syndikus Heyder aus Metz war erschienen und wurde in das Präsidium gewählt. Böckel und Geißler. München sprachen zunächst über die Nothwendigkeit der neuen Partei, die damit begründet wurde, daß die Reformpartci die antisemitische Bewegung in das Fahrwasser der Reaktion überleiten wolle und vom PersonenkultuS durchsetzt sei. Den Parlamentarismus macht die neue Partei nur mit, um bei den Wahlen Gelegenheit zu finden, ungehindert von der Polizei ihre Ideen zu popularisiren. Darnach ging es an die Berathung des Programms, das gedruckt vorlag und mit einigen Abänderungen einstimmig angenommen wurde. Das Programm ist ein buntes Gemisch demokratischer, sozialistischer und reaktionärer Forderungen. In der Judenfrage vertritt das Programm natürlich den Raffen-Antisemitismus. Ais Juden haben Diejenigen zu gelten, in deren Abstammung innerhalb der letzten drei Generationen auch nur eine Person jüdischen Blutes nachgewiesen ist. Das Programm verlangt die Ausschließung der Juden und aller Deutschen, die Jüdinnen heirathen, von allen öffentlichen Aemtern und von den Be« rufen des Rechtsanwalts-, Aerzte und Lehrerstandes, so weit sie hierbei mit Deutschen in Berührung kommen, sowie auch aus der deutschen Presse und Armee. Es will die Juden« einwanderung, die Führung deutscher Namen und Firmen, den Erwerb von Grund und Boden verboten wissen und »er- langt den Ausschluß der Juden von öffentlichen Lieferungen, Verpachtungen und von Submissionen. Auf dem Gebiete des Unterrichts wird die deutsche Schule gefordert; ein An trag, in den Mittelpunkt des Religionsunterrichts die Person und Lehre Christi zu stellen, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Der Handel mit den nothwendigsten Lebens- Mitteln soll vergesellschaftet und die Getreideeinfuhr durch Private verboten werden. Die Hochfinanz soll unschädlich gemacht werden, zunächst durch Stellung unter StaatSauf- sicht. Sämmtliche direkten und indirekten Steuern sollen durch eine allgemeine progressive Einkommensteuer erscyt werden. Niederlande. In der Zweiten Kammer beantwortete der Minister des Äußeren Rosll «ine Interpellation über den an der Küste von Marokko verübten Seeraub, dem dr-