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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 21.09.1933
- Erscheinungsdatum
- 1933-09-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-193309212
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19330921
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19330921
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1933
-
Monat
1933-09
- Tag 1933-09-21
-
Monat
1933-09
-
Jahr
1933
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 21.09.1933
- Autor
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2. Vettaye zum Riesaer Tageblatt. Donnerstag, 21. September 1Y38, avenvs. 86. Iaprg. M^MWW>MW>WWWWMWWWMWWW^^MWWWMWIW>MMMWWWWWMWWWWMWWWWMWWWWWMWW»M»»WWW«« Ser Veoreb gegen die ReichÄagSbrandslifter. )s Leipzig. Auf der fast siebzig Meter hohen Kuppel, dem einzigen architektonischen Schmuck deS gewaltigen Sond- steinmassivS an der Leipziger Promenade, reckt in eindrucks voller Grüße „Die Wahrheit" eine gewaltige Fackel empor: das Licht der Wahrheit, der einzig und allein zu dienen der höchste deutsche Gerichtshof berufen ist. Die Rechtsgelehrten der ganzen Welt wissen und haben nie ein Hehl daraus ge macht: wenn, irgendwo, dann wird an dieser Stelle nach den geheiligten Grundsätzen deS Rechtes und der Gerechtigkeit und nur nach diesen geurteilt. Zu den Richtern dieses HauseS, auserlesen aus den Köpfen des deutschen Rechts- wesenS, hat nicht nur die deutsche Juristenwelt emporgeblickt, ihre Entschließungen sind nicht nur von den Richtern deut scher Erde, sondern auch von den Rechtsgelehrten aller Welt respektiert worden. Auf dieses Gericht, dessen Ansehen durch die Londoner Komödie nicht hat angetastet werden können, blickt auch heute wieder die ganze Welt. Immer hat man den Deutschen unbestechliche GercchtigkeitSliebe, Aufrichtig keit, Geradheit als charakteristische Nationaltugenden nach gerühmt, oft ist er verlacht worden, weil er bas Eorriger la sortune nicht verstand, weil er lieber verderben, als Unrecht tun oder leiden wollte. Nun hat ein unerhörter Verleum- dungSfeldzug gerade gegen die ihm heiligen Begriffe einge- setzt. Nun will das Deutsche Polk aus berufenem Munde baS Urteil hären, nun will es die Fackel der Wahrheit leuchten sehen. Der Gegenstand der Anklage. Für den Vierten Strafsenat des Reichsgerichtes handelt es sich nur um die Sache van der Lubbe und Genoffen. Der Brandstiftung und im Zusammenhang damit des vollendeten Hochverrates sind angeklagt: Der 24jährige Maurer Marinus van der Lubbe sLendcn, Hollands, der 40jährigc kaufmännische Angestellte Ernst Torgler aus Berlin, der 81jährige Schrift, steiler Georgi Dimitrosf anS Radomir, Bulgarien, der Süjährige Student Blagoi Poposs aus Urjan bei Sofia, und der SSjährige Schuhmacher Wassil Taness aus Gevgeli, Mazedonien. Borge,vorsen wird ihnen, soweit bisher bekannt ist, am Abend des 27. Februar 1843 das Neichstagsgcbäube in Brand gesetzt, dabei mitgcholfcn oder darum gewußt und da mit das Zeichen zu einem gewaltigen Umsturz gegeben zu haben. Werden ihnen diese Verbrechen nachgcwiesen, kann aus Todesstrafe erkannt werden. Ein Teil der näheren Um stände ist bekannt; jetzt beim Prozeßbeginn wird das 284 Seiten und 86 Beiatten umfassende Material der Anklage entrollt, weit über 120 Zeugen werden ihre Aussagen mache», zahlreiche Sachverständige ihre Gutachten abgcben. Die Richter. Vorsitzender des 4. Strafsenates ist Senatspräsident Dr. h. c. Wilhelm Biinger, seit 1»18 Reichsanwalt, seit 1081 vom Netchsrat einstimmig zum Vorsitzenden des 4. Straf senates ernannt. Der Senatspräsibent ist auch als Politiker hervorgetreten: er war 1924^27 sächsischer Justizministcr, 1928 auch Volksbildungsminister und von 1929 bis 1939 sächsischer Ministerpräsident. Beisitzer sind die ReichSgertchtSräte Coenders, Dr. Froelich, Dr. Lersch und LandgerichtSdircktor Rusch als Berichterstatter. Ersatzrichter ist Landgerichts direktor Dr. Full. Die Anklage vertritt der höchste Beamte der deutschen Anklagebehörde, der Overreichsanwalt Werner. Werner wurde im November 1926 als Nachfolger Tr. Ebermayers OberreichSanwalt. Unterstützt wird er von Landgerichts direktor Parrisius, der früher am Berliner Kammergericht tätig war. Die Berteidigunff. Der Angeklagte van der Lubbe wirb von dem ständigen Mitglied der Anwaltschaft beim Reichsgericht, Seusfert, offtcialtter verteidigt. Torglers Rechtsbeistand ist Dr. Sack, die drei Bulgaren werden von Teichert vertreten. In vollster Oeffentlichkeit. Bei diesem Prozeß, der eine Angelegenheit des ganzen deutschen Volkes ist und der die Anteilnahme der ganzen Welt gefunden hat, ist die Oeffentlichkeit weit über das Fas» sungsvermögen ausgedehnt worden. Das war mit Hilfe der Technik möglich. Die wichtigen Stellen der Verhandlung werden aus Wachsplatten übertragen und durch den Dcutsch- landsender aller Welt zugängig gemacht. Nicht weniger als 123 Pressevertreter sind zugelassen, davon zwei Drittel allein aus dem Auslände, zahlreiche Rcchtsgelehrte aus dem Aus lande und endlich Vertreter der ausländischen Gesandt- schäften. DaS Ausland wird also sehen, daß das Reichsgericht völlig objektiv sein Urteil fällt, daß sich der höchste deutsche Gerichtshof nur von de» Grundsätzen des Rechtes und der Gerechtigkeit leiten läßt. Schon 1)4 Stunden vor dem Beginn haben sich bereits die ersten Besucher, aber auch die ersten „Schaulustigen" vor dem Reichsgcrichtsgebäude eingefunden. Aus dem ReichS- gcrichtsplah selbst sind kaum Absperruugsmaßnahmen ge troffen. Dagegen ist die Kontrolle am Hauptportal und am Eingang deS Saales sehr streng. Am Hauptportal werde» alle Zuhörer auf Waffen untersucht. Dem Prozeß wohnen ebenfalls Frau Torgler und ein Stiefbruder van der Lübbes, T. C. Peude, bei. Die Zu schauerplätze im Saal und auf der Empore sind im Nu be seht, ebenfalls die Presseplätze. Beim Richtertisch, aber auch in der gegenüberliegenden Zuschauerempore, sind Telephon-, Filmapparate und mächtige Scheinwerfer eingebaut. Alle Tische sind mit grünem Tuch bespannt. Bor dem Platz des Vorsitzenden des Oücrreichsanwaltes, der Angeklagten und der Verteidiger sind in flachen Kästen Mikrophone montiert. Wenige Minuten vor 9 Uhr flammen die Scheinwerfer aus. Durch eine kleine Tür links neben dem hufeisen förmigen Tisch des Gerichtes erscheinen die Angeklagten: zum chst der Holländer van der Lubbe in blauer Gefängnis kleidung mit Fesseln an den Händen, der in der ersten Reihe zu den Prcsscplähcu hin Platz nimmt. Rechts und links von illm sitzen ein Polizei- u. ein Justizwachtmeister, neben ihm si'-.t Ernst Torgler, der ebenso wie die anderen Angeklagten richt gefesselt ist und seinen Zivilanzug trägt, ebenso sind die Bulgaren in ihrer Zivilkleidung erschienen. Während v.'u der Lubbe vor sich hinstarrt, sehen die anderen Ange klagten im Saal umher. Vor den Angeklagten haben inzwischen die Verteidiger Platz genommen: das ständige Mitglied der Anwaltschaft beim Reichsgericht, Seusfert, vor dem Hauptangeklagten van der Lubbe; Rechtsanwalt Tr. Sack vor Torgler und Dr. Teichert vor den Bulgaren, die in der zweiten Reihe der Angeklagtenbank uutergcbracht sind. Dann betritt der Ober» reichsanmalt in ivcinrvler Robe den Saal, dem In schwarzer Robe Oberlandacrlchlsdirccivr Parrisius assistiert. Durch eine hinter dem Richtertisch gelegene Tür, aus die sofort alle Scheinwerfer gerichtet werden, betritt der Gerichtshof um 9.10 Uhr den Saal, an der Spitze SenatSpräsibent Dr. Bünger, alle in der roten Robe mit den weißen Bäffchen der Reichs- gerichtSrichter. Die Zuschauer erheben sich von ihren Plätzen und grüßen den Gerichtshof mit erhobener Rechten. Der Prozeß um die Reichstagsbranbstistung, auf de« die ganze Welt mit Span» nung gewartet hat, Hai seinen Anfang genommen. öemmWkmvk.viiWl eröffnet die Verhandlung und führt einleitend aus: DaS ungeheure Ausmaß des Ereignisses, öaS den Hintergrund dieses Verfahrens bildet, hat dazu geführt, daß der Gegenstand der Untersuchung in der Presse aller Länder leidenschaftlich mit einer allen anderen Geschehnissen zeit weise überschattenden Eindringlichkeit behandelt worden ist. Man hat sich vielfach bemüht, das Ergebnis des noch schwe benden Verfahrens vorwcgzunehmen. In einem solchen Verfahren und am wenigsten mit einer vorgefaßten Mei nung cinzugreifen, ist bisher nie üblich gewesen; nicht nur in der deutschen, sondern auch in der Presse anderer Länder. Das zur Entscheidung berufene Gericht kann dieser Streit der Meinungen nicht berühren. Das deutsche Gesetz will, daß der Gegenstand der Urteilskündung die in der Anklage bezeichnete Tat sein muß, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptvcrhandlnng darstellt. Nur was in diesem Saale zur Verhandlung kommt, nicht was von nnberusener Seite außerhalb geschieht, hat für die deutsche Rechtsprechung Be deutung. DaS Bild der Verhandlung, fuhr der SenatSpräsi- dent fort, zeigt schon, daß die Oeffentlichkeit nicht nur Deutschlands ohne jede Beschränkung zugclassen ist. Ich brauche hier nicht hervorzuhebeu, daß die Verteidigung der Angeklagten dem deutschen Recht und dem Brauch ent sprechend unbedingt frei ist. Wenn Stimmen laut geworden sind, welche die Ablehnung der Zulassung ausländischer Ver teidiger einer schwer gerechtfertigten Kritik unterziehen, so muß ich daraus Hinweisen, daß nach dem deutschen Gesetz die Zulassung ausländischer Verteidiger nur eine Ausnahme darstellt und daß das deutsche Gericht keine Veranlassung sah, im Rahmen seiner unbeschränkten Ermessensfreihcit auch Gesuche zu genehmigen, die nach seiner Uebcrzeugunq nicht ausschließlich den Interessen der Angeklagten zu dienen bestimmt waren, sondern nicht frei waren van dem Gedanken der Aussaat und Förderung von Mißtrauen gegen die sou veräne deutsche Gerichtsbarkeit. SIS GMt tritt Nmüii t>!e ScrWWW et«. Der Präsident ruft die aus der Untersuchungshaft vor geführten Angeklagten auf, die nacheinander ausstehcn. Ter Angeklagte Torgler verbeugt sich dabet vor dem Gericht. Weiter werben die Verteidiger und die beiden Dolmetscher für die holländische und bulgarische Sprache ausgerufen. Als Sachverständiger ist zunächst nur Geheimer Mediziuai- rat Dr. Bonnhöfcr anwesend. Von den 129 Zeugen sind zum ersten VerhanblungStage nur sechs geladen, einige Polizisten und Hauptwachtmeistcr, sowie ein Wohlfahrtspflege:'. Sie werden auf die Bedeutung des Eides hingcwiesen und dann vorläufig wieder entlassen. Präsident Bünger teilt noch mit, daß etwa vom 11. Okto ber ab die Verhandlungen im Neichstagsgebäude in Berlin stattsinden werden. Im übrigen erklärt er noch, daß das Reichsgericht immer ruhig, sachlich und ohne Störung und auch ohne Aufregung verhandelt habe. Er hoffe, daß auch diesmal dieser Brauch beobachtet werbe und daß in dieser Hinsicht keine Unzuträglichketten vorkommen. Vor dem Reichsgericht verhandelte Prozesse seien immer mehr oder weniger politischer Natur und würden trotzdem sachlich burchgesührt. Er erwarte, daß auch keine Aeußerungcn der Billigung oder Mißbilligung, auch nicht der Verwunderung gehört werden. Schließlich bringt der Präsident noch den Wunsch zum Ausdruck, daß zwischen den Verhandlungs pausen der Saal nicht verlassen wird. Der Präsident vereidigte dann die beiden Dolmetscher für die holländische und bulgarische Sprache. Die Dolmet scher stellen nach dem Befragen der Angeklagten fest, daß van der Lubbe wenig deutsch versteht, Dimitross und Poposs noch weniger und Taness überhaupt nicht. Nachdem die Dometscher den Angeklagten kurz den In halt der einleitenden Ansprache des Vorsitzenden übersetzt haben, wird der Eröfsnungsbeschluß verlesen. Danach wer den sämtliche Angeklagten beschuldigt, durch et» und dieselbe fortgesetzte Handlung zum Teil gemeinschaftlich es unter nommen zu habe», die Verfassung des Deutschen Reiches gc, waltsam zu ändern. Es wird ihnen also Hochverrat vorge» warfen. Die Reichstagsbrandstistung ist nach dem Eröss- nungsbeschluß begangen worden in der Absicht, durch diesen Brand begünstigt, einen Aufruhr zu unternehmen. Van der Lubbe wird außerdem vollendete und versuchte Brandstiftung des Wohlfahrtsamtes Berlin-Neukölln, ferner des Rathauses und des Stadtschloffes vorgeworfen. Auch diese Brandstiftungen sollen in der Absicht begangen worden sein, einen Aufruhr zu unternehmen. Die Straftaten fallen nicht nur unter das Strafgesetz, sondern für die Beurteilung der Angeklagten wird auch die Verordnung des Reichs präsidenten zum Schutze von Volk und Staat und das neue Gesetz über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe heran gezogen. Ter Vorsitzende weist dann darauf hin. baß der Ange klagte van der Lubbe, nachdem er das BertcidigungSiuge- bot des holländischen Rechtsanwalts Pau weis erhalten Halle, eine schristliche Erklärung abgegeben hat, die folgendes be sagte: „Fch wünsche keinen Verteidiger; ich will mir die Sache auch nicht noch einmal überlegen. Ich bleibe vielmehr endgültig dabei, daß ich keinen Verteidiger haben will." Senatspräsident Bünger bittet, den Angeklagten van der Lubbe zu fragen, ob er diese Erklärung freiwillig abgegeben hat. Van der Lubbe bejaht cS. Rechtsanwalt Dr. Seusfert stellt fest, daß van der Lubbe dieselbe Erklärung an, Montag erneut abgegeben hat. eben- so, als Rechtsanwalt Stomps an den Angeklagten hcrantrat. SenatsvrLsidcut Bünger erklärt daraus: „Ich stelle gegenüber Nachrichten, baß diese Erklärung des Angeklagten künstlich berbeiaeftthrt worden sei, unter einem gewissen Zwang, fest, daß uach den eigenen Erklärungen des Ange» klagten dies nicht der Fall ist, sondern, daß es sich um eine sreie Erklärung des Angeklagten handelt, der anfangs ge» sagt hat, er wolle überhaupt nicht verteidigt fein." Als daun zur Vernchmnng des Angeklagten van der Lubbe über seine Personalien geschritten wird, läßt dieser durch den Dolmetscher Mitteilen, daß er auch ohne Dolmet» scher mit dem Gericht verkehren könne. Der Angeklagte nimmt darauf unmittelbar vor dem Richtertisch Aufstellung und wird von dem Vorsitzenden befragt. Ban d«r Lubbe gibt soine Antworten mit ganz leiser Stimme un>d ist außer am GertchtSttsch kaum im Saale vernehmbar. Selbst der Oberrsichsan-walt, der seinen Platz unmittelbar neben bei» Gcrichtsiisch hat, bittet den Angeklagten, lauter zu sprechen, da auch er ihn kaum verstehen könne. Aus der Vernehmung ergibt sich, daß der Vater des An geklagten Kaufmann ist. Emen Dell feiner Jugend hat der Angeklagte in einer Erziehungsanstalt verbracht. Er hat die Volksschule besucht und erklärt, daß er ein guter Schüler gewesen sei. Er erlernte das Maurerhandivcrk nnd ist auch als Maurer tätig gewesen, ohne daß es zu einem festen AvbeltSverhättnis gekommen märe. Etwa im Jahre 1928 erlitt er einen Unfall, bei dem ihm Kalk in die Angen spritzte. Seit dem Unfall bezog van der Lubbe eine Reute von sieben Gulden. Im Dezember 1918 ist er zum ersten Mal in Deutschland gewesen. Später ist er dann nach Hol land zurückgekehrt und hat auch einmal Frankreich besucht. In Frankreich hatte er die Absicht, -en Kanal zu durch schwimmen, weil hierfür ein Preis ausgesetzt war. Wegen des über dem Kanal herrschenden Sturmes hat van der Lubbe sein Vorhaben nicht ausgeführt. Jin Frühjahr 1933 wollte er, mit einem Freunde eine große Fußwanderung durch Europa und auch durch Rußland unternehmen, die durch den Verkauf von Ansichtspostkarten finanziert werden sollte. Der Freund ist aber von seinem Vorhaben wieder zurückgetreten, so daß rcau der Lubbe allein auf die Wan derschaft ging. Präsident Dr. Bünger stellt fest, daß der Paß. der van der Lubbe bei seiner Verhaftung abgenommen wurde, un zweifelhaft echt war. Auf der Photographie, die ibm gleich falls abgcnommeu wurde, ist er gemeinsam mit seinem Neiscgenossen abgebildet. Dieser Reiscaenvssc bietet auf dem Bilde die Hand zum Rotfrout-Gruß. Das deutet daraufhin, daß auch er Kommunist n"r. Die Frage, ob er überhaunt nach Rußland gekommen ist, verneint der Angekiaate. Er habe die Einrerseerlaut'N's beantragt^ aber cs sei nichts dar aus geworden, weil die Kosten zu hoch gewesen seien. ÖberreichSanwalt Dr. Werner: ES Ist behauptet wor den, daß der N"isegenosse des Anaeklaateu sich von ihm ge trennt habe, well zwischen den beiden Differenzen auSgebro- chen waren. Der eine hatte dem andern vorgeworfen, daß er bte Gelder aus den: Erlös der Postkarten unterschlagen hätte. Ban der Lubbe: Nein, das war nicht der Grund. Solche Differenzen über Geld sind allerdings vorgekommen, aber die Trennung erfolgte durch einen selbständigen Ent schluß seines Neisegeuossen. Auch über politische Fragen hätten sie sich vcrnucinigt. Der Vorsitzende kommt nochmals auf die E-biheit des Passes zu sprechen, die wegen der Schreibweise Lübbes angc- zwoiselt worden sei nnd fragt den Angeklagten; wie denn das ü tu den Namen aus der Außenseite des Passes hinein gekommen sei. Ban der Lubbe: Die ü-Puukte sind in Berlin im Aßil he rau figemacht worden von einem, der gehört hat, daß ich Bauderlübbe genannt werde und der deshalb meinte, die Schreibweise van der Lubbe sei falsch. Es kommen dann einige Briefe znr Sprache, die au den Angeklagten van der Lubbe gerichtet morden sind. In dem einen heißt es: „Wir stehen alle neben Dir, gegen die Hetze der Bonzen." In einem zweiten Brief teilt jemand mit, daß eS seine Aufgabe sei, tm Namen des Inter"ationa- len Proletariats, das mit den Ansichten van der Lübbes svli- daritch fei, brüderliche Grüße zu übermitteln. Präsident Dr. Bünger fragt den Angeklagten. was daZ für Kameraden seien und ob es sich nm Kommunisten han dele. Der Angeklagte gibt darauf kerne klare Antwort. Vorsitzender: Sind Sie eigentlich Kommunist? Angeklagter: Nein. Der Vorsitzende meist darauf ßin, daß er doch den Sow jetstern und ein kommunistisches Mitgliedsbuch besessen habe. Der Angeklagte müsse unterscheiden, ob ex nur aus der Organisation ausgetreten sei. oder ob er die kommunistische Idee anfaegeben bade. Aber darüber, betont der Vorsitzende, werden Sie uns später noch etwas zu sagen haben. Als erster Zeuge wird dann der Polizeikommiff'r Heis- seg ausgerufen, der die Ermittlungen nach der Echtheit des Passes beim Bürgermeisteramt in Leyden angestellt hat. Der Vorsitzende kommt dann auf die Vorstrafe» des Angeklagte» van der Lubbe zu sprechen. Es wird festgestellt, daß »an der Lubbe im Jahre 1931 in Gronau eine Strafe wegen unerlaubten Hausierens und im gleichen Jahr in Berchtesgaden we^en Bettelns erhalten hat. Außerdem ist er im Auslande einigemale vorbestraft, so zu 11 Taa-n Ge fängnis wegen Widerstandes gegen die Polizei in Srliew"- ninaen. Auch nach den Aussagen des Zeugen HZtät'i't sich die Echtheit des Passes. Ferner wurde van der Lubbe in Achcweningcn zu drei Monaten Gcsänanis verurteilt, wegen Beschädigung des Wohlfahrtsamtes. Van der Lubbe er klärt dazu, daß er Disserenzen wegen seiner Unterstützung hatte, uub deslia'b Fensterscheiben des Wohlfahrtsamtes eingeschlagen habe. Es wird dann ein Schreiben verlesen, in dem die Poli zei Verwaltung von Leyden dem Berliner Polizeivräsidenten auf dessen Anfrage eine ausführliche Schilderung -es Lebenslaufes van der Lubbe vermittelte. Danach ist van der Lubbe als ISjährigcr Junge der Fürsorge eines holländi schen Vereins unterstellt worben, der die verbrecherisch ver, anlagte» Kinder unter Aussicht nahm. Im Ansang des Jah res 1928 kam er in die Gesellschaft eines holländischen kom munistischen Studenten. Man darf annehmen, so heißt es in dem Polizcibcricht, daß dieser Student van der Lubbe daS ABC des Kommunismus bcigebracht Hai. Van der Lubbe versuchte allmählich ein Führer der Kommunisten zu werden und vor allem unter den Arbeitslosen Anhang zu bekommen. „Van der Lubbe tritt", so heißt es weiter, „sehr frech und rücksichtslos gegen die Polizei auf, mit der er ver schiedene Male in Konflikt geriet. Anfang 1931 läßt sein Einfluß unter den Arbeitslosen nach. Vermutlich im März 1931 verläßt er die kommunistische Partei. Im Winter 1931 veranstaltet er wieder Versammlungen und gehört jetzt an scheinend einer Gruppe internationaler Kommunisten an." Ferner wird ein Schreiben des holländischen Justiz ministeriums verlesen, iu dem mitgeteilt wird, daß die Iden tität des in Deutschland festgenommenen Marinus van der Lubbe mit dem unter diesem Namen in Holland bekannten Kommunisten festgestellt sei. Tie Verhandlung wird dann durch eine kurze Panse unterbrochen. * Nach Wiedereröffnung der Verhandlung wird die Ber. nehmnng über die äußeren Lebensschicksale des Angeklagten van ber Lubbe fortgesetzt. Auf die Frage des Vorsitzenden, weshalb der Angeklagte seine vielen Wanderungen unter, nommen habe, antwortete van ber Lubbe: Ich wollte bas Aus- land kennen lernen. Vorsitzender: Wollten Sie die Politik und die Parteien -eS Auslandes kennen lernen? Ange klagter: Nein! Vorsitzender: Sie haben sich doch bei vcrschie- denen Gelegenheiten um die Politik gewisser Parteien ge kümmert. In Berlin-Neukölln haben Sic Anschluß gesucht und sogar aus der Straße Gespräche politischer Art angc- sangen. Ist das richtig? Angeklagter: Ja. Skrsitzender:
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