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Riesaer Tageblatt Donnerstag, 21. September 1S33, abends 86. Jahrg Postscheckkanlv Dresden 1530. Virokass«: Riesa Nr. 52. Drahtanschrift: Tageblatt Riesa. Fernruf Nr. 20. Postfach Nr. 52. und Anzeiger (LUMM und ÄuMger». Da- Riesaer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der AmtShauptmannschast Großenhain, des Amtsgerichts und der Amtsanwaltschaft beim Amtsgericht Riesa, des Finanzamts Riesa und deS Hauptzollamts Meißen behördlicherseits bestimmte Blatt. 221 D*S Riesaer Tageblatt erscheint setze« Ta« abend« >/,< Uhr mit Au»nahm« der Sonn- und Festtage. . Bezugspreis, gegen Vorauszahlung, für «inen Monat 2 Mark ohne Zustellgebühr, durch Postbezug NM. 2.14 einschl. Postgebühr söhne ZustellungSgebühr). Für den Fall de» Eintretens von Produkttonsoerteuerungen, Erhöhungen der Löhne und Materialienpreis« behalten wir uns das Recht der Preis erhöhung und Nachforderung vor. 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Verantwortlich für Redaktton: Heinrich Uhlemann, Riesa; für Anzeigenteil: Wilhelm Dittrich, Riesa. 9er Aufbau der Wirtschaft. Vekamttgabe des WirtfchaftSplanes vor dem Geneealrat. Beginn des Prozesses um die Reichstagsbrandstiftung. Am Mittwoch tagte der Generalrat der Wirtschaft zu nächst unter dem Vorsitz des Reichswirtschaftsministers Dr. Schmitt, am Nachmittag unter dem Vorsitz des Reichskanz lers. Zu Beginn der Verhandlungen umriß Reichswlrtlchaftsmlnifter Dr. Schmitt zunächst nochmals kurz die Aufgaben des Generalrates der Wirtschaft. Der Generalrat ist nach den Absichten der Reichs legierung als ein kleiner Kreis von Persönlichkeiten gedacht, der die Reichsregierung schnell und tatkräftig zu beraten tn der Lage ist. Seine Mitglieder sind daher einzig und allein nach ihrer persönlichen Eignung ausgesucht. Die Mitglieder sollen sich — daraift legt die Reichsergierung entscheidenden Wert — nicht als Vertreter bestimmter Wirtschaftsinteressen fühlen; sie sollest die Gesamtwirtschaft vertreten und der Reichsregieruna als Vertreter der deutschen Volkswirtschaft beratend zur Seite stehen. Sie sollen ferner die Wirtschaft unmittelbar beraten und durch Anregungen fördern. Im Anschluß hieran gab der Reichswirtschastsminister dem Generalrat den umfassenden Wirtschaftsplan der Reichs regierung bekannt. Danach hat die Reichsregierung den Generalrat im ge genwärtigen Augenblick einberufen, um mit ihm neue grund legende Pläne zu beraten, die dem Ziele einer weiteren nach haltigen Besserung der Wirtschaftslage Deutschlands dienen. Schon jetzt ist eine kräftige Belebung der deutschen Wirt schaft unverkennbar. Im Januar ds. Js. betrug die Zahl der Arbeitslosen über sechs Millionen; sie ist bis heute um zwei Millionen ge sunken. Die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer hatte nach oer Monatsstatistik der Krankenkassen im Januar 1933 mit 11L Millionen den tiefsten Stand erreicht. Heute sind wieder etwa 13,75 Millionen Beschäftigte im Arbeitsprozeß. Dabei hat sich die durchschnittliche Arbeitszeit beträchtlich gehoben. Die Beschäftigtenzahl steigt auch jetzt noch. Ich darf hervorheben, daß die Reichsregierung bei allen wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Landwirtschaft und der Bau wirtschaft besondere Pflege hat angedei hen lassen. Soweit sich bis jetzt übersehen läßt, wird der Wert der baugewerblichen Produktion im laufenden Jahre um mehr als die Hälfte größer sein als 1932. Dieser Auf schwung hat sich erfreulicherweise auch der Landwirtschaft mitgeteilt. Deutschland wird in steigendem Maß durch seine heimische Landwirtschaft versorgt. Auf wichtigen Gebieten ist es schon heute Selbstversorger. Daß dabei die Reichsregie rung entscheidenden Wert darauf legt, der Landwirtschaft ausreichende Erlöse zu sichern, geht aus den agrarpolitischem Maßnahmen der letzten Tage hervor. Die Reichsregierung hat mit dem Generakrat der Wirt schaft neue Pläne beraten, die eine weitere organische Les-! serung der Wirtschaftslage zum Ziele haben. , Der Ausgangspunkt für diese Pläne war nach der wirt schaftlichen Gesamtlage klar gegeben. Lie unheilvolle Schrumpfung, die sich in allen Industrieländern, vor allem aber W Deutschland und in den Vereinigten Staaten vollzog, findet ihren deutlichsten Ausdruck darin, daß der Aufwand für Erneuerung und Neuinvestition in der Wirtschaft auf einen Bruchteil des Umfanges zurückgeganaen ist, den er vor der Krise ausmachte. Hierin haben wir die fundamentale Ursache der Krise und der Schrumpfung zu erblicken. Dem gemäß muß die Wirtschaftspolitik darauf abzielen, Erneue- cungsbedars und Jnvestitionsbedarf wieder z« wecke«. Ar- oeitsbeschaffungsprogramme, die sich in diesem Rahmen hal ten, sind unzweifelhaft rationell, da sie keine Uebersteigerung des öffentlichen Aufwandes, sondern nur die Verlagerung dieses Aufwandes in die Konjunkturphase bedeuten, in der ihre Ausführung neben dem unmittelbaren Zweck noch mit telbar die Bedeutsame Aufgabe einer allgemeinen Belebung der Nachfrage und der Anregung der Konjunktur erfüllt. . Daraus ergeben sich klar folgende Grundlinien de» Ma nes, den die Reichsregieruna nach der Beratung mit dem Generalrat durchzuführen beschlossen hat: 1) Gesundung der Kommunalfinanzen durch Kon solidierung der kurzfristigen Schulden und Sanie- rung des haushalte» durch starke Entlastung vou Wohlfahrtsausqabeu. Energische Wetterführung der Arbelksbeschaf fung. 3j Lösung der Starre auf dem Geld- und Kapi talmarkt. Im Mittelpunkt dieses Planes steht die Gesundung der Kommunalwirtschaft Die Reichsregieruna hat ein Gesetz über die Umwand lung kurzfristiger Jnlandsschulden der Gemeinden, da» G e-' meindeumschuldungsgeseh, verabschiedet. Sie ist hierbei davon ausgegangen, daß eine Ordnung der Gemein definanzen aus die Dauer nicht mglich isr. wenn der Schul dendienst unter gleichzeitiger durchgreifender Sanierung der Haushaltsgebarung auf eine tragbare Grundlage nicht zu rückgeführt wird. Die Reichsregierung hat auf 8er anderen Seite sich bemüht, dem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen, daß Eingriffe in oie Rechte der Gläubiger nach Möglichkeit vermieden werden. Die Verschuldung der Gemeinden, ins besondere die etwa zwei Milliarden Reichsmark betragenden kurzfristigen Schulden, bilden aber ein Problem, das für die Finanzgebarung der öffentlichen Körperschaften ernste Ge fahren in sich birgt und den Geld- und Kapitalmarkt immer wieder beunruhigt, und das deshalb unter allen Umständen zu einer Klärung gebracht werden muß. Da, Gesetz berechtigt alle deutschen Gemeinden, die bei ihren kurzfristigen Schulden Zahlungsschwierigkeiten gegen- überstehen, mit Genehmigung der obersten LandesbehSrde einem llmschuldungsverband als Mitglieder beizu- treten. Hierbei ist daran gedacht, diese Genehmigung nur solchen Gemeinden zu erteilen, die ohne eine derartige Um schuldung ihren Schuldendienst nicht erfüllen können. Kurz fristige Forderungen sind im Sinne des Gesetzes solche Ka pitalforderungen, die bereits fällig geworden sind oder die bis zum 31. März 1935 fällig werden. Lieferantenforderun gen, zu denen auch die Forderungen der Handwerker gehö ren, Zins- und Tilgungszahlungen für langfristige Darlehns- forderungen sowie Aufwertungsforderungen sind ausdrücklich ausgenommen. Für die kurzfristigen ausländischen Schulden bedürfe es keiner besonderen Regelung, weil sie unter das Kreditabkommen der deutschen öffentlichen Schuldner fallen. Die Gemeinden, die Mitglieder des Umschuldungsoer- dandes geworden sind, dürfen jedem inländischen Gläubiger einer kurzfristigen Forderung die Umwandlung in Schuld verschreibungen anbieten. Die Schuldverschreibungen werden vom Umschuldungsverband ausgegeben, mit vier Prozent und vom 1. Oktober 1936 ab mit drei Prozent jährlich erspar ter Zinsen getilgt. Das Opfer, das der Gläubiger dadurch bringen muß, daß er in Zukunft nur vier Prozent Zinsen erhält, ist nur ein scheinbares, denn in den Fällen, die umgeschuldet werden, hat er nicht mehr die Gewähr, daß die Gemeinde ihren Schuldendienst erfüllt. Die Erfüllung des Schuldendienstes der Schuldverschreibungen ist in jeder Weise sichergestellt, da, falls die Gemeinden mit ihren Lei stungen im Rückstand bleiben, der Reichssinanzminister die rückständigen Beträge dem Umschuldungsverband überweist und sie dann von den Steuerüberweisungen an die Länder abzieht. Der Gläubiger braucht das Umschuldungsangebot Nicht anzunehmen. In diesem Fall kann er innerhalb der nächsten fünf Jahre seine Ansprüche einsckließlich des Zins anspruches gegen die Gemeinde nicht geltend machen. Die Zinsen werden unter Aufrechteichaltung des vertraglichen Zinsfußes dem Kapital zugeschlaaen. Wird durch diese Konsolidierung von den Gemeinden der Albdruck genommen, den die außerordentlich hohe kurzfri stige Verschuldung heute darstellt, so sollen sie auf der ande ren Seite eine durchgreifende Verbesserung ihres Haushaltes dadurch erfahren, daß sie weitgehend von den Wohl fahrtslastenentlastet werben. Die Entlastung ist so zu bemessen, daß sie zusammen mit der Zinsersparnis, die bei der kurzfristigen Schuld unmittelbar eintritt und bei der langfristigen Verschuldung im Zug der weiterhin geplanten kapitalmarktpolitischen Maßnahmen zu erwarten sind, einen entscheidenden Schritt zur Gesundung der Gemeindefinanzen darstellt. Förderung der Privatwirtschaft Ebenso wie in der öffentlichen Wirtschaft, so soll auch ans wichtigen Gebieten der Privatwirtschaft durch großzü gige Maßnahmen fördernd eingeschritten werden. Au diesem Zweck wird der Reichssinanzminister er mächtigt, So0 Millionen RM zur Förderung von Instandsetzung»- und Ergänzungsarbeiten an Ge bäuden, für die Teilung von Wohnungen und für den Umbau sonstiger Räume zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung ist, daß der Eigentümer dos Vierfache dieses Betrages au» eigenen oder geliehenen Mitteln für diese Ar beiten aufbringt. Die Leistung des Zinsendienstes wird ihm dadurch erleichtert, daß ihm vier Prozent de» aufgewendeten kapikalbetrages auf die Hausztnssteuer angerechnet werden. Erhebliche Steuerentlastung Weiter wird für die Landwirtschaft eine erhebliche La- stensenkung voraenommen, indem für sie die Umsatzsteuer auf 1 Prozent festgesetzt wird. Außerdem wird die landwirtschaft liche Grundvermögenssieuer ab 1. Oktober 19ZZ um einen Iahresbetrag bis zu 100 Millionen RM gesenkt. Zur Förderung de» Wohnungsbaues und zur weiteren Anregung des Baumarkte» sind neue Steuerbefreiungen für neuerrichtete Kleinwohnungen und Eigenheime vorgesehen. Ein Gegenstand besonderer Sorge ist endlich di« Gestaltung des Kapitalmarktes dessen Entwicklung die auf den verschiedenen Gebieten der Wirtschaft eingetretene Besserung noch nicht widerspiegelt. Die Reichsbank muß die Möglichkeit erhalten, auf dem Wege über eine entsprechende Regelung des Geldmarktes den Ka pitalmarkt leistungsfähigerzumachen, seine Funk- tionsfähigkeit allmählich zu beleben und so das Vertrauen der Effektenbesitzer, insbesondere auf dem Gebiet der festver- zinslichen Werte, und die Aufnahmefähigkeit des Kapital marktes zu festigen. Die Reichsbank ist entschlossen, diesen Weg zu gehen. — Der gemeinsame feste Wille der Reichs regierung und der Reichsbankleitung bietet die Gewähr da für, daß die Reichsbank von der Erweiterung ihrer Bewe- gungs- und Betätigungsfreiheit nur unter gewissenhaftester Berücksichtigung der Währung Gebrauch machen wird. Die vorbereitenden Schritte zur Ergänzung des Bank gesetzes sind bereits einaeleitet. Als unerläßliche Voraussetzung einer erfolgreichen Durchsetzung dieser Pläne sieht es oie Reichsregierung an, das L o h n- u n d P r e i s n i ve a u in seinem Gesamtdurch- ichnitt zu erhalten. Das schließt jedoch eine Auflockerung des Lohn- und Preisgefüges in vereinzelten Fällen nicht aus. Die Reichsregierung hat mit den Wirtschaftsplänen ein Werk geschaffen, 5as alle Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Belebung auszunutzen versucht. Sie ist sich bewußt, daß auch dieses Werk Menschenwerk ist und nicht vollkommen sein kann. Je stärker und positiver die große Anstrengung der Regierung von dem Willen und der Entschlossenweit aller Schichten des deutschen Volkes getragen wird, desto mehr wird es der Reichsregierung möglich sein, alle Einwirkungen von unserem Wirtschaftsleben fernzuhalten und einen leben digen Beweis dafür zu erbringen, daß auch auf dem Gebiet der Wirtschaft ohne zielbewußte Führung nicht auszukom men ist. Nach den Darlegungen des Reichswirtschaftsministers gab der Reichssinanzminister Graf Schwerin von Krosigk noch nähere Erläuterungen zum Gemeindeum schuldungsgesetz und Dr. Schacht sprach über die Maßnah men auf dem Kapitalmarkt. Abends um 6,30 Uhr erschien Reichskanzler Mer in der Sitzung des Generalrates und nahm sogleich das Wort zu längeren Ausführungen über die Lage und die Aufgaben der Wirtschaft im nationalsozialistischen Staat. Der Reichskanz.'er ging davon aus, daß die wirtschaftlich« Entwicklung niemals von der oolitiiäien au trennen ist. Jv