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Evelyne, vte wmttten »er Da»«« des Gouvernements stand,'sah von wette» Brancourt- hager«, auSgemergelte Gestatt über den Platz kommen. Jetzt war er dicht bet ihr. Ihr Geflcht leuchtet« froh auf. Sie muhte fich bezwingen, chm nicht liebenswürdiger als den anderen die Hand ent- gegenzustrecken. .Welche Freude, Hauptmann, Sie endlich einmal wie- derzusehenl" In ihrem Händedruck lag geheimes Ein- »erständnlS. Brancourt beugte sich tief über Evelyns Han» .Die Freude ist auf meiner Sette, Madame.' Auch sein trauriges Gesicht leuchtete auf. Dann wandt« »r sich mit höflicher Begrützung -u den anderen Damen. Jetzt fuhr Dalandier mit einer Suite von ein paar Herren auf dem Platz« vor. Sofort formierten sich di« Offiziere militärisch und meldeten sich. „Pünktlich auf dir Minute!' sagt« Dalandier lächelnd, und wt«S nach Rordoften, wo in der durchsichtigen, unend lich blauen Luft d«S afrikanischen Himmels ein winziger Punkt austauchte, der fich schnell vorwärts bewegte. „Diese Deutschen, sie sind, wo es auch sei, die leibhaftige Uhr!' Er sah auf sein« Armbanduhr. „Genau siebzehn Uhr dreißig Minuten. Für siebzehn Uhr fünfunddrettzig hat Monsieur Ruppeliu» die Landung angekündigt.' Die schwarzen eingeborenen Soldaten, di« am Lan dungsplatz bereit standen, gerieten in Bewegung. Sie sor- mierte» eine» Kreit. Alles blickte gespannt empor. Der blitzende Punkt näherte sich schneller. Schon hörte man das Surren. Schon unterschied man die schnelle Drehung der Propeller. Run die einzelnen Teile des Flugzeuges. Run einen Menschen. Liefer glitt der schimmernde Vogel, von der afrikanischen Sonne beglänzt. Lauter das Surren. Stärker der Windzug von der Umdrehung der Propeller. In einem eleganten Gleitflug landete RuppeliuS. Dalandier war der erste, der den Flieger nach der Lan dung begrüßte. Er sprach ein paar schmeichelhafte Worte über de» wohlgelungenen Flug und über die Triumphe, di« Ruppelius als Flieger im Internattonalen Flugmeettng in Kairo errungen. Die französisch« Regierung, deren Vertreter zu fein er die Ehr« habe, wüßte eS hoch zu schätzen, daß Monsieur Ruppelius hier Station mache. Er bäte Monsieur Ruppe lius zu heut« abend al» Gast ins Kasino, und stellte ihm für die Rächt fei» HauS zur Verfügung. Ruppelius dankte «tt «in paar kurzen liebenswürdigen »orten, wobei seine Augen scharf über den Kreis der an wesenden Herren und Damen flogen. „Die Einladung in» Kasino nehme ich mit außerordent- lichem Dank an, Herr Gouverneur!' sagte er. „Was meine Unterkunft anlangt, so wär« ich Ihnen allerdings ver- bunde«, wenn e» Ihnen möglich wär«, sür mich ein Zett aufschlagen zu lasse« Ich möchte die Maschine de» Rächt» gern bei mir haben.' „Aber ich bitte Sie', gab Dalandier lieben»wiirdig zur Antwort, .«» ist selbstverständlich, daß Ihre Maschine von meine» Leuten auf» sorgfältigste bewacht wird. Ich hab« bereit» «inen Platz in unsere» Hangar freimache» lasst».' Ruppeliu» verbeugte sich wieder NebenSwürdtg. Er wäre überzeugt, daß sein« Maschine unter der Obhut der französischen Soldaten auf» beste aufgehoben wäre. E» Wäre auch nicht Sorge darum, die ihn zu seiner Bitte be wegten. E» wären wissenschaftliche Gründe, di« ihn be- wögen, auf seinem Ersuchen besteh«, zu bleibe». Er möchte dst Maschine in tropischer Nachttemperatur kontrollieren. La» gäbe für den Tropenflug aufschlußreich« Kenntnisse. Dalandier zuckst mtt de» Achsel». Run, wenn Mon sieur Ruppeliu» solche Gründe hätte, so wolle er stlbst- derpändltch denselben nicht widersprechen, so gern er tyn »uch al» seinen Gast beherbergl hätte. E, würde also die Anweisungen für Errichtung eine» Zelte» geben. .„Dars ich Sie Madam, Dglandier yorüellenL' fragte —i OmwerPeu^ Ruppelius verbeugte-sich sehr tief vor Evelyn, die Ihm eine kühle Hand reicht«. Sie wunderte sich über den schar- ;?n eindringlichen Blick, der aus din blauen Augen deS Leutschen über sie ging. Aber schon machte Ruppelius nieder ein undurchdringliche» Gesicht. Rachdem Evelyn und Dalandier sich schon verabschiedet hatten und im Auto verschwunden waren trat Hauvtmanv Moncourt an Ruppelius heran: „Würden Sie die große Freundlichkeit haben, mir etwas über den neuartigen Motor zu sagen, den Sie hier eingebaut haben, Monsieur?' fragte er höflich. Ruppelius nickte, und man sah, wie Brancourt neben Ruppelius in die Maschine kletterte und n<tch einer Weist wieder herauskam Sechstes KapiteL Festabend Im Kasino. Alle Fenster waren wett geöffnet, um die erfrischende Rachttuft von allen Setten herein streschen zu lassen. Die Ventilatoren surrten und erzeugten eine kühlende Zugluft. Evelyn stand in dem kleinen Vor raum zum Kasino und empfing neben Dalandier die Her« einkommende«. Wieder war es Brancourt, der als Letzter eintrat, während Dalandier sich in einer Ecke mtt Ruppe lius und ein paar anderen Herren lebhaft unterhielt. „Madame', sagte Brancourt, während er sich vor Evelyn verneigte, „Vorsicht! Ich habe Ihnen etwas zu übergeben.' Ein Neiner Zettel lag plötzlich in Evelyns Hand. Ganz fest schloß sie ihre Finger um dieses Stückchen Papier. Sie ahnte nicht, was es bringen würde. Aber sie wußte im selben Augenblick: Brancourt hatte sein Versprechen ein gelöst! Er hatte Nachricht von Lothar. Ganz fest krampfte Evelyn die Hand um dies schicksal schwere Stückchen Papier. Da hatte sie gewartet Tag um Tag. Die Stille seit ihrem Hilfeschrei an Terbrügge war bitterste Qual gewesen, Und nun ohne irgendeinen Ueber- gang kam ein Wort! Fand sich vielleicht ein Ausweg! „Vorsichtig, Madame!' flüsterte Brancourt nochmals. Und schon sprach er mit ihr, absichtlich laut, gleichmütig über eine belanglose Sache. In der allgemeinen Unruhe kurz vor dem Essen gelang e» Evelyn, den Zettel zu lesen. Ein glücklicher Ausdruck kam in ihre Augen. Die schwarzen Diener servierst» ein Gericht nach dem anderen. Man glaubte fich nicht in Afrika, sondern in ein sranzöflsches Restaurant in der Rue de l'Opera versetzt- Typisch französisch und mit größtem Raffinement auL» gesucht waren die Gerichte. Rur die tropischen Blüten, die verschwenderisch die festliche Tafel des Kasinos zierten, zeigten: man war weit von Pa-iS. Man war mitten im tropischen schwarzen Erdteil. Und die Stimmen der Racht- vögel und -tiere aus den fernen Wäldern, herüberdringenv in di« Musik des kleinen Soldaten-Orchrsters, übertönten immer wieder die Erinnerungen an Frankreich und PariS- Ruppelius führte Evelyn Dalaniüer zu Tisch. Kein Mensch hätte aus ihrer Haltung etwas schließen können auf das, waS Ruppelius und Evelyn bewegte. Da saß eine vollkommen sichere, liebenswürdige Welt dame, di« angeregt mtt dem berühmten Sportsmann« plauderte, und di« doch bet allem nicht vergaß, daß sie alS Frau des Vtzegouverneurs Verpflichtungen auch gegen die anderen Säfte hatte. Schräg ihr gegenüber, getrennt durch die Breite de» Tische» und die leidenschaftlich herabwogenden Blumen gaben der scharlachfarbenen Orchideen, saß Hauptmann Brancourt. Er hatte die Fran von Monsieur Peyrade, de« französischen Distrittsarz«, zur Tischdame. Sa braucht« er sich mit dem Bersuch «ine» Gespräch» nicht anzustrenaen. Dess «atzsaur Levigtze, ungeheuer dick pnd ungeheuer gefräßig, «ar wahrend eines gure» Essen» für nichts anderes zu haben. Schwitzend und asthmatisch vertilgte sie ungeheure Mengen der gereichten Speisen und stieß nur zwischendurch ein unwilliges Brummen au», Wenn Hauptmann Brancourt versuchst, eine Unterhaltung zu beginnen. Schließlich gab er es auf und war darüber auch sehr glücklich. Denn so konnte er doch wenigstens still sitzen und zwischen den scharlachfarbenen Orchideenblüten Evelyn ansehen. Sie erschien ihm schöner denn je in ihrer zarten Bläffe, mit den unendlich feingeschnittenen Zügen und den punkelblauen, übergroßen Augen. Das schwarze, tief gescheitelte Haar hüllte ihren Kopf wie in eine linde Decke. Etwas Geheimnisvolles und Aetherisches war um sie gebreitet. Brancourt saß sehr still und trank den Anblick in sich hinein. Er wußte ja, es war das letztemal. Jetzt blickte Evelyn zu ihm herüber. Sie hob den Kelch Mtt dem eiskalten Champagner und neigte ihn, leise grüßend, gegen Brancourt. Ruppeliu- hatte diese Be wegung beobachtet. Auch er erhob seinen Kelch gegen den französischen Hauptmann. Brancourt nahm sein Glas. Im Augenblick hatte er alles vergessen. Vergessen, daß man vorsichtig sein mußte, daß niemand etwas ahnen durste. Mit einem selbstvergessenen langen Blick tat er Evelyn und Ruppelius Bescheid. Gaston Dalandier sah zufällig aus seinem Gespräch mit seiner Tischdame herüber. Er sah diesen Blick, ohne daß er ihm richtig ins Bewußtsein drang. Erst viel später entsann er sich des geheimen Einverständnisses darin. Das Ende des Festes war das übliche. Gegen ei» Uhr hatten fich die Damen zurückgezogen, und die Herren zechten in einem Zimmer des Kasinos weiter. Bald kam Line sinnlose Trunkenheit über die französischen Offizier« Beamten. Trinken war ja das einzige, was auß», Lpiel in diesem Lande blieb. Ruppelius hielt sich nach Möglichkeit zurück. Er niußttz einen klaren Kopf behalten. Gegen drei Uhr ging man auseinander. Schwankend und lachend strebten die Fran» -osen ihren Bungalows zu. Und auch Dalandier ging auf ziemlich unsicheren Füßen, von seinem Boy gekettet, beim. Vor der Tür von Evelyn verharrte er einen Augenblick Sollte er bei ihr klopfen? Sollte er es versuchen, sie sich wieder ganz zu Willen zu machen? Er drückte die Klinke nieder. Sie war verschlossen. Also schlief Evelyn schon. Und er, zum Teufel, war auch müde. Torkelnd ging er in sein Zimmer und ließ sich von dem kleinen Schwarzen ins Bett helfen. Bald war Dalandiers Zimmer dunkel, durch die Fenster hinter den Jalousien tönte ein lautes Schnarchen. Evelyn lag in ihrem Bett mit fiebernden Pulsen. Ganz still lag sie, steif wie in einer Erstarrung. Sie hatte jeden Laut gehört. Den Tritt von Dalandiers Schuhen auf der Treppe. Das Verharren vor ihrem Zimmer. Da» Niederdrücken der Klinke vor der verschlossenen Tür. Dann das Fluchen, mit dem er drin in seinem Zimmer di« Hilfeleistungen des kleinen Schwarzen begleitete. Und nun war nichts mehr als die Stille. Vorsichtig schaltete Evelyn ihre Nachttischlampe ein. Di« Uhr wollte und wollte nicht vorwärts gehen. Uner träglich langsam schob sich der Zeiger vorwärts. Sie saß nun im Bett und starrte auf das Zifferblatt. Dazwischen tauschte sie. Alles int Hause war still. DaS letzte Klappern in der Küche verklang. Die Dienerschaft mochte sich an den Resten der Mahl zeit und des Weins gütlich getan haben und schlief offen bar ebenso schwer wie die Weißen Herren. Die letzte Schwärze der Tropennacht lag noch über dem Lande, indessen fern über dem Fluß ein erster sUbergrauer Schimmer war. Da stand Evelyn lautlos auf. Sie hatte fich alle» zu- rechtgrlegt. In ihren Kleidern war ihr Schmuck eingrnäht, Geld und «in Päckchen »ttt ib»n wichtigst,» Dokumentt» nautio», die Schuhe in der Hand, ging sie di« Treppe hinunter. Nicht» war Verschlvssen hier. Denn dem Gou verneur drohten keinerlei Gefahren. Schon war sie in der Veranda. Run nahmen di« Schatten der riesenhaften Baobab-Bäume, di« ihre dichten Laubmassen bis zur Erde neigten, Evelyn auf. Geduckt schlich sie vorwärts. Run kam sie auf den freien Platz. St« lauschte. Von den Wachtposten her war alles still. Die standen ja auch auswärts der Umfriedung der Gouvernementsstedlung. Sie eilte vorwärts. Immer Wetter. Run ging die dunkle Allee der Baobab-Bäume auf di« breit« Fläche über, die zu dem Landungsplatz des Flugzeugs führte» Immer weiter eilte Evelyn. Und jetzt löste sich aus der Dunkelheit eine Gestalt. „Fürchten St« sich nicht', sagt« Ruppeliu» auf englisch, „ich bin es.' Er schob seinen Arm in den der zitternden Frau. „Ruhe', sagte er jetzt, „und keine Angst.' Im Dunkeln schlichen sie wettrr. Di« Umrisse deS Flugzeugs lagen dunkel vor ihnen. „Ich darf kein Licht machen', flüsterte Ruppelius, „man könnte es drüben von den Bungalows der Soldaten sehen. Hier herein. Vorsicht. Setzen Sie den rechten Auf hier auf da» Trittbrett. Haben Sie? So, nun ein Schwung. Vorsichtig. Richt stoßen, Kopf niedrig.' Evelyn gehorchte jedem seiner Befehle. Ihre körperlich« Gewandtheit kam ihr zu Hilft. Sie fühlte im Dunkeln, ohne zu sehen. Run saß sie im Flugzeug. „Greifen Sie neben sich links. Da ist Fliegerhelm, Brille, Lederjacke. Machen Sie sich fertig.' Schnell war Evelyn in die Weiche Jacke hineingeschlüpft. Run legte sich die Kappe um ihren Kopf. Im Dunkeln tastete sie. Run saß auch die Brille. Ruppelius lief um das Flugzeug herum. Im Dunkel ahnte Evelyn mehr als da- sie eS sah, die mächtige auH holende Bewegung, mtt der der Arm deS Manne» dtt Propeller andrehte. Ein Summen ging durch di« SM« Ruppelius rannte um die Maschine herum. Schwang sich hinein. Riß am Steuer. Wie ein schwerfälliger Riesen, Vogel begann die Maschine sich vorwärts zu bewegen ES schüttelte. Die Grasnarbe der Erde sank. Lautei summten die Motoren, und schon erhob sich da» Flugzeus über den Erdboden. Ruppelius saß mit scharf zusammengepreßten Augei da. „Keine Furcht', sagte er nochmals, „ich geh« soso« ganz hoch, ehe man uns durch Schüsse erreichen kann.' Wieder ein Ruck am Steuer. In dir Dunkelheit htnett bohrte sich pfeilgeschwind das Flugzeug. AlS die Soldaten, von dem Dröhnen de» Motor» auf geschreckt, aus ihren Bungalows herausliefen, war Vos Ruppelius nichts mehr zu sehen. Rur das Sausen der Motoren zeigte den Weg, den er genommen. AlS man am Morgen Dalandier mühsam mit der Rach richt von Ruppelius' geheimnisvoller Abreise auS seine» Rausch aufweckte, war Ruppelius schon längst übe« das französische Territorium hinweg in dem italienische« Tripolis gelandet. Dalandier, von einem seiner Unteroffiziere au» d«»> Schlaf geweckt, richtete sich fluchend auf. Er konnte zunächst überhaupt nicht begreifen. WaS zum Teufel hatte dieser Deutsche mitten in der Nacht davonzufltegen? Selcher Affront gegenüber der Gastfreundschaft, di« man ihm hi«r erwiest« hatte? Plötzlich stutzte er. Hatte dieser Deutsche vielleicht die Gastfreundschaft im Haust Dalandier» abgelehnt und Uebernachtung im Zelt vorgezogrn, um unbeobachtet ab fliegen zu können? Sicherlich war da- der Grund und da» ganze Gerede von der wissenschaftlichen Nachprüfung de» Apparates in der Trovennacht Schwindel. Aber warum da» alle»? WaS für ein «rund lag vor wie der Dieb 1» der Rächt davonzugehen? Plötzlich stieg ei» Gedanke in Dalandier auf. So «n- geheuerlich, daß er zunächst glaubt«. e, wär« ib» »o» seinem Rauicb «ingegebe».