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Dich mit einer Kraft und Innigkeit, die ich mir niemals zugetraut hätte. Ich liebe Dich, nur Dich, uud nun ist doch alles zu spät. Du kommst nicht darüber hinweg, auf welche Weise Du meine Frau geworden bist. Ver zeihe mir, Eva. Ich habe tief bereut. Ich habe Dir schon einmal einen ähnlichen Bries geschrieben, damals in Monte Carlo. Und habe wie im Fieber auf Deine Antwort gewartet. Du schriebst nicht! Und schon da mals wußte ich, wie sehr ich Dich liebte. Jene brutalen Worte während des Tanzes, verzeihe sie mir, Eva. Der Ton war falsch, ganz falsch, das weiß ich heute, und das wußte ick als ich Dir jene Zellen in Monte Carlo schrieb. Ich habe diese letzten Tage Höllenqualen neben Dir er duldet. Ich kann nicht mehr! Ich will endlich Ruhe für Dich und auch für mich. Du bist meine Erbin, Eva; niemand wird es Dir anfechten, Dein Erbe, denn auch mein Vater hat Dich sehr lieb. Ich laS die Abwehr in Deinen schönen Augen, so oft ich ein wärmeres Wort zu Dir sprach. Ich weiß, daß es keinen Weg zu Dir gibt. Und weil ich das weiß, ist alles für mich zu Ende. Die selige Erinnerung an den Kuß auf dem Wohl- tättgkeitsfest der Prinzessin Hohenburg nehme ich als Teuerstes mit msss. Lebe Wohl, Eva! Dein unglücklicher Harald/ Eva stieß einen Laut des Entsetzens aus. Stunden waren vergangen, seit er gegangen war. Was konnte nicht alles geschehen sein während dieser einsamen Stunden im Walde! Wie irr blickte Eva um sich. Fort, fort zu ihm! Ihm sagen, wie sehr er sich irrte. Harald liebte fiel In ihr schmerzvolles Glück hinein fiel die Angst um sein geliebtes Leben. Eva drückte mit letzter Kraft auf den Knopf der Klingel. Anhaltend, gebieterisch, befehlend. Die Dienerschaft kam gelaufen. Eva ließ nur die Siedelten vor sich. »Mamsellchen, helfen Sie mir doch! Ein furchtbares Mißverständnis hat den gnädigen Herrn fortgetrieben. Wo ist die Jagdhütte?* Die Siebenen zitterte. »Die Jagdhütte? — Der Johann weiß sie genau. Der Paul auch. Soll ich sie hinschicken?* Eva taumelte. Die Siebenen fing sie auf, und über ihr treues, gefurchtes Gesicht liefen dicke Tränen. »Hinschicken, Siebenen, sofort. Wir — müssen — lügen, denn — sonst — kommt er — nicht.* Ganz erloschen klang die weiche Stimme. Die Sieberten ließ die junge Herrin in einen Sessel gleiten — dann eilte sie hinaus. Unten im Dienstboten zimmer machten sie sich's gerade gemütlich. In diese Ge mütlichkeit tönte die Stimme der Sieberten: »Johann und Paul, sofort zur Jagdhütte! Der gnädige Herr möchte sofort zurückkommen, es ist etwas mit der gnädigen Frau passiert. Schnell, schnell!" »Mit der gnädigen Frau? Sieberten, was../ Dragt nicht*, schnaubte sie, »eilt!* Wenige Minuten später gingen Johann und Paul zur Jagdhütte. Zufrieden sah ihnen die Sieberten nach. Dann ging sie wieder zu der gnädigen Frau. Hier, vor der Tür schickte sie die neugierig wartende Zofe fort. Die Sieber ten wühle, daß hier neugierige Augen unnötig waren. »Gnädige Frau können hier nicht sitzen bleiben. Gnädige Frau sehen ganz weiß aus und müssen sich biu- legen/ »Sieberten! Ob — er — zurückkommt?« »Der gnädige Herr wird bald da sein.* Wie ein müdes Kind legte Eva den Köpf an vle Schulter der erprobten Getreuen. »Bringen Sie mich hinüber. Mir ist nicht Wohl/ Wenige Augenblicke später lag Eva aus ihrem Ruhe bett drüben in ihrem Zimmer. Ihr Herz klopfte in rafen- den Schlägen. Ihr Blick hing an der Tük Die Sieberten ging hinaus» Und Eva wartete, ven Brief Haralds noch immer nr der Hand. Die Zeit verging, sie wurde zur Folterqual für die junge Frau. Grauenhafte Vorstellungen quälten sie. Wenn Harald es sich unterwegs anders überlegt hatte, wenn er gleich weiter gewandert war...? Eva stöhnte laut auf. Dann wartete sie wieder in dumpfer Angst. Plötzlich wurde die Tür hastig geöffnet. Harald stand auf der Schwelle. Hinter ihm sah Eva das Gesicht der Sieber ten; dann schloß sich die Tür. Eva richtete sich aus und hielt ihm den Brief ent gegen. »Harald, wie konntest du diese grausamen Worte schreibens Ich liebe dich, Harald! Ich will bei dir bleiben!* Er stürzte hin zu ihr, und stöhnte; »Eva! Eva!* Ihre zitternden Hände strichen über sein dunkles Haar? ihre Augen sagten ihm, wie ihre Worte es ihm gesagt hätten: »Ich liebe dich, ich liebe dich!* Er riß sie an sich, bedeckte den Mund, das Gesicht mit seinen heißen Küssen. Zu sprechen vermochte er nicht. Die Reaktion war zu stark gewesen. Er hob das junge Weib zu sich empor, und küßte sie. Ganz still war es um sie her, nur das Glück war da. das große, große Glück 8uri Tettenborn» kreier ftonaan von keiix dteumsnn vrLtendrrr Vcrk«, H-ick-o I. f 1 Im Arbeitszimmer in der Villa des Rechtsanwalts Tetten born schlug die Glocke des Fernsprechers an. Es war «in kurzes, ungeduldiges Läuten, als ob der Apparat empört darüber sei, daß man ihn unbeachtet ließe. Der Antwalt war nämlich bereits aus dem Vorort nach seinem Büro im Zentrum der Stadt gefahren. Nun rasselte das Werk, und die große Standuhr schlug dumpf und bedächtig neunmal dazwischen, als ob sie Ruhe gebieten wolle. Den langen Flur hinunter huschte ein zierliches, junges Fräulein, die Stütze Tettenborns, die Familienanschluß ge noß. Sie riß die Tür zum Zimmer des Herrn auf und stürzte sich auf den Fernsprecher. Während sie die melancholischen Augen seelenvoll zur Decke aufschlug, sprach sie gedehnt: „Hallo — wer — ist — da?" Eine Weile hörte man nur dumpfe Töne, die anscheinend von einer Herrenstimme ausgingen, dann antwortete Fräulein Else: „Wie — bitte ?- Herr van Höveln? Zum Tennis heute Nachmittag! Ja — Fräulein Susi ist noch nicht auf-> gestanden!" Abermals eine Pause. „Schön, ich werde es bestellen! Auf Wiedersehens Der Hörer flog auf die Gabel. Gleich darauf betrat Else das Schlafzimmer Susi Tetten borns und zog die Rolladen in die Höhe. Helle Frühlingssonne brach durch die Scheiben. „Susi, es ist Zeit! Um elf Uhr hast du doch Gesangs stunde!" Die Tochter des Hauses und die Stütze duzten sich, denn sie waren fast gleichaltrig und hotten zusammen schon manchen Bummel durch Berlin gemacht. Aus den Kopfkissen schälten sich blonde Wuschelhaare, und ein gähnender Seufzer schien das Leid der Wett in sich zu schließen. Und in der Tat: Susi hatte es nach ihren Begriffen nicht leicht. Abgesehen von den Stunden, di« sie der Musik und demj Gesang widmen mckßte, denn sie sollte durchaus zur BühnL gehen, lastete auf ihr die Sorg«, ihre Freizett irgendwie? unterzubringen. Während Else ein Paar frischer Seidenstrümpfe aus dem Schrank halte und sie über die Stuhllehne legte, klang durch das Zimmer die verschlafene Frage: „Wer hat denn vorhin! angeläutet?" , Das Fräulein sprach mit leicht spöttischem Ton: «Ach — Aus oem Bett tönte es zurück: »Dieser langwellige Peters Was woltte er denn?" „Tennisspielen heute Nachmittag! Warum bist du eigent lich immer so eklig zu ihm? Er ist doch ein feiner, lieber Mensch!" Nun sprang Susi, ein reizendes Mädelchen von neunzehn Jahren aus den Federn, schüttelte die Locken des verwirrten Bubikopfes und hob abwehrend die schmalen, aristokratisch geformten Klavierfinger: „Fein, sieb? Gott — wenn schon! Was nützt einem denn das! Vorgestern nachmittag in der Jmperatordiele ist er di« Zeche, di« ein bißchen hoch geworden war, schuldig geblieben. Ich hab's wohl gemerkt, so schlau er auch die Sache machte. Na — sa! Monatsende! und Els« reichte das Miederchen und warf ein: „Das kann jedem jungen Manne einmal passieren!" Fräulein Tettenborn lachte hell auf. - „Bist wohl ein bißchen verliebt in den Fritz, Elseken, wies* Sie wehrt« ab. „Nein — das heißt, wenn er mich wollte, ich würde ihn! sofort nehmen!" Sie sah das Lächeln nicht, das über Susis Antlitz huscht« und zum Ausdruck bringen sollte: Ja — dich! Für dich war« er noch «ine glänzende Partie, aber Susi Tettenborn will höher hinaus! Nun saß sie vor dem Toilettentisch und Els« frisierte. „Ein Mann ohne Auto ist überhaupt nichts! Und — dann die Jämmerlinge, die gegen Monatsende immer schief liegen! - Di« Tür ging auf, und Frau Doktor Tettenborn, eine sehr gut konserviert« zierliche Dame, Ende der Dreißig, trat ein. „Guten Morgen!" Sie hielt die Briefe der Morgenpost in der Hand. Zwischen den Augen lag eine leichte Unmutsfalte. „Susi, hier sind zwei Schreiben für dich! Deine Korrespon denz nimmt in einer Weise zu, die mir nicht gefällt!" Fräulein Else neigte den Kopf tief über ihre Arbeit. Es war ein unbequemes Erbteil, dieses ewig« Rotwerdenk So ichlimm war die Sache doch nicht. So ein bißchen Herumscharmieren machten doch alle jungen Mädchen von heute. Und wer so hübsch und apart aussah wie Fräulein Tettenborn, konnte sich vor Verehrern gar nicht retten! Sust zog leicht die Mundwinkel herab. „Gott, Mami, laß sie doch schreiben, diese Jüngling«! Mir ist das so gleichgültig!" Mit spitzen Fingern nahm sie die Briefe, betrachtete flüch tig die Anschriften, und warf sie dann auf die spiegelnde Platte des Frisiertisches Sie markierte höchste Gleichgültigkeit, in Wirklichkeit aber brachte sie eines der Schreiben aus der Fassung. Ungeduldig fragte Frau Tettenborn: „Nun — du liest di« Briefe gar nicht? Es würde mich doch interessieren " Susi wehrte ab. „Den Inhalt weiß ich auswendig, ehe ich hmeingeguckt 'habe! Dieses ewige Geschwafel " „Mein Kind!" Die Stimme der Mama wurde etwas spitz. „Mein Kind! Deine Ausdrucksweise läßt erheblich zu wün- fchen übrig! Ich bin sehr für Natürlichkeit und kann Zier puppen nicht leiden, aber auch ein modernes iunaes Mädchen muß auf sich achten " Das Töchterchen zuckte leicht die Achseln. „Ich meine das nicht schlimm " Frau Tettenborn verließ das Zimmer, um sich an den Kaffeetisch zu begeben. Susi wandte sich hastig zu ihrer Vertrauten um und griff nach dem einen Brief, der sie fast erschreckt hatte. Halblaut sprach sie: „Gestern habe ich dem Reginald ge sagt, daß die Sache endgültig aus sei, nun schreibt er doch wieder! Das ist unerhört, das ist aufdringlich " Else krauste die Stirn. „Du bist selbst daran schuld! Warum hast du ihm Immer Hoffnungen gemacht? Man spielt nicht ungestraft mit Männern wie Reginald Lindenberg! Ein Herrenmensch!" „Ich — werde schon mit ihm fertig werden!" Der Umschlag ging in Fetzen, Susi hielt das Schreiben kn Händen. Der Inhall? Reginald bat um eine letzte, allerletzte Unter redung! Nachdem man einen halben Winter zusammen tanzte, könne doch nicht plötzlich Schluß sein! Inzwischen war die Frisur beendet, und als Susanne am Kaffeetisch erschien, sah sie rosig aus und schien den Aerger LIL „Nun — wie Miss du dich?" fragte sorglich di« Mama. „Ein Glück, daß die Saison zu End« ist! Man könnte mit dem seligen Couö sagen: Es wird von Tag zu Tag fader. Nun will ich mich ganz dem Studium hingeben. Im übrigen: Nächsten Monat werde ich zwanzig! In diesem Frühjahr oder Sommer muß ein Engagement zustande kommen, und wenn ich nach Großkleckersdorf gehe!" Di« blauen Augen blitzten die Mutter an, di« beruhigend abwinkte. „Du hast nicht nötig, dich wegzuwerfen und an ein« Winkelbühn« anzufangen. Am liebsten wäre es mir, du bliebest in Berlin!^ Da lachte Sust laut und spöttisch. „Lisbste Mama, wie du dir das so denkst! Versprochen haben vier Agenten, wo Ich vorsomg, mich hier unter zubringen. Hat auch nur einer von sich hören lassen? Sie möchten wohl, aber sie können nicht! Hi« spielt di« Protektion die große Rolle, nicht da- Talent." Es war ein« Weile still am Kaffeetisch. Sust knupperte mit gerunzelter Stirn ap ihrem Königs kuchen und Sachte an die Agenten und — Reginald Linden berg. Und di« jugendliche Mama überlegte sich, ob es nicht doch besser wär«, das einzige Kind zu verheiraten, anstatt es den Anfechtungen der Bühn« auszusetzen. Sust war bei aller kindlichen Flattrigkett doch eine starke Natur. Stolz und selbstbewußt. Die Männer umwarben sie, aber wer dachte gleich ans Heiraten? Und dann: Man wußte, daß Susanne verwöhnt war. Sie würde in der Ehe große Ansprüche stellen. Der Schick, den sie in dezenter Form zur Schau trug, wies sehr deutlich darauf hin. Di« Verhältnisse im väterlichen Hause waren so» daß di« Einnahmen des Rechtsanwalts zu einem reichlichen Lebens unterhalt genügten. In der Inflationszeit aber ging das Vermöge» Tetten borns ebenfalls in alle Winde, und bis es gelang, das ZK- sammengestürzte wieder aufzubauen, konnte noch lange Zett vergehen. Man durfte die verhätschelt« einzige Tochter also wirklich nicht als eine sogenannte „gute" Partie bezeichnen. So entschied sich denn die stark talentiert« Sust dahin, zu nächst ihr Glück bei der Bühn« zu versuchen, inzwischen ab« abzuwarten, ob ihr das Schicksal nicht doch den reichen Mann beschere, den sie bei ihrer ganzen Einstellung gegenüber dem Leben benötigt«, sollte nicht die Ehe totunglücklich werden! Für den „Haushalt" hatte sie so gut wie nichts übrig Der Mann, der sie heimführte, mußte sich also darauf ein richten, einen Luxusartikel zu erwerben, der in die richtige goldene Fassung gehörte. Die Beherrschung des Klaviers, die sehr schöne Stimm« stellten allerdings Gaben dar, die nicht unterschätzt werden durften. Fräulein Tettenborn war «in« merkwürdig« Mischung aus kluger Gereiftheit, denn sie kannte als Großstädterin die Wett, und — fast kindlicher Unberührtheit. Ihr Aufwachsen unter glücklichen Verhältnissen, das har monische Familienleben im Hause des Anwalts, trugen mit dazu bei, daß sie in manchen Punkten das Leben doch noch von der rosigsten Seite nahm Freilich die Ideale, die sie vor zwei oder drei Jahren pflegte, überwand sie. Mit kaltem Hohn sah sie auf die Zeit zurück, wo Studen ten oder sonstige junge Leute, die noch wacker ihre Eier schalen mit sich herumtrugen, sie irgendwo in verschwiegenen Lokalen zu einem Stückchen Kuchen und einer Limonade ein luden. Die erste Flasche sauren Mosel, die sie dann einmal trank, war ein Ereignis. Dann aber wurde sie sich allmählich ihres Wertes bewußt, und rang sich zu ihrem neuen Typ, nämlich dem „gereiften* Manne durch So näherte sich ihr vor einiger Zeit unter anderen ein sehr sympathischer Herr, namens van Höveln. Das geschah jedoch in so unauffälliger, taktvoller Art, daß sie den Verehrer zunächst gar nicht beachtete. Die Herrenwelt hatte sich in der modernen Zeit gegenüber der Weiblichkeit ganz neu eingestellt, wogegen er noch alte Schule war. Susi konnte Fritz van Höveln wohl leiden, dann aber, al» er immer bescheiden im Hintergründe blieb, wurde er ihr langweilig. Außerdem erfuhr sie von mißgünstigen Nebenbuhlern, daß er nicht über große Gtzter verfüge. Er war allerdings al»