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Riesaer H Tageblatt «ud Anrrtser lLlbedlM m» Amtigerj. «a^dl»« Ri^a. Poftschrckkimt« Drreden 1KSL Vtrokass« »ittsa LL ««d Anxrtger «kldedlatt ma AaMgett L«» Ntssa« Lageblatt Ist da» zur Veröffentlichung der amtlichen vekaanlmachungen der Amtsh auptmannschast Großenhain, de« Amtsgerichts und der Amtianwaltschast beim Amtsgericht Riesa, de» Rate» der Stadt Riesa, de» Finanzamt» Mesa und de» Hauptzollamt« Meißen behördlicherseits bestimmte Blatt. Z 147 De«»«Stag, 87. Zimt 1S2S, edenss. 82. Zehr«. DM WWmr LageXatt «chchetttt sttze» Ha, Mevd» sst» Wr mit Ansnahwe d« v«u»> und Festtag«. vetttOsprtt», gegen voran^ahlmig, für eine» Monat » Mark » Pfennig »hn» gchWe. -ftr d« Sa» bM «ntmtm» von PeodnktioMoerten««^«, Erhöhung-a der LLHne nnd Materialienprrrs«' behalten wir ans da« «echt der Preiserhöhung und Nachforderung vor. 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Riesa, «eschäfttfteile: Goettzestratze S» Verantwortlich für Redaktion: Heinrich Uhlemann, Riesa: kür Anzeioenteil: Wilhelm Dittrich. Riesa. Iskn Iskrs Vsrssilles. Bim De. Theodor Trumbt, Dresden. Dar 28. Juni dieses Jahre» «ft et« Gedenktag von Weltbedeutung. Sn diesem Tage versammelten sich vor einem Jahrzehnt im Trtumphgefühl vermeintlichen Dieses die Vertreter von 27 Nationen der Welt und tn tiefster Niedergeschlagenheit die Beauftragten de» nach revolutio närem Zusammenbruch noch j» der Entstehung bVrtffene« neuen deutschen Reich» im Gptegelsaal de» Versailler Schlöffe», um den Kriegöhandlungrn einen offiziellen Ab schluß in vertragsmäßiger Form zu geben. Borangegangen waren für die Sieger Wochen und Monate emsigster Ge schäftigkeit. ES galt für sie, aus den von ihnen selbst formal gebilligten Feststellungen der verschiedenen Kongretzreben de» damaligen amerikanischen Präsidenten Wilson, die Deutschland vornehmlich zum Abschluß des Waffenstill stands bewogen hatten, für sich praktisch das Menschenmög liche herauSzuholen. Am SS. April ISIS waren die Bevoll mächtigten der alliierten und assoziierten Mächte so weit, daß sie deutsche Vertreter zur Entgegennahme des festge setzten BertragstexteS nach Versailles einlaben konnten. Vom 7. bi» zum SS. Mat gingen die im Wege de» Noten austausches mit der deutschen Delegatton unter Graf Brock- borff-Rantzau gepflogenen Verhandlungen hin und her, um am 16. Juni in dem Ultimatum -er Gegner Deutsch lands zu enden, das in etwas abgeänderte BertragSinstru- ment bedingungslos innerhalb von 8 Tagen zu unter zeichnen. Den „schauerlichsten und mörderischsten Hexen- hammer" nannte damals der deutsche KabtuettSchef Scheidemann die -er Nationalversammlung zur Kenntnis überreichten Friebensforderungen. Unter -em Druck der Gewalt und, wie eS tn der Genehmigungsnot« zur Unterzeichnung des Diktats hieß, „ohne damit ihre Auffassung über die unerhörte Ungerechtigkeit der Frie densbedingungen aufzugeben", erklärte sich am SS. Juni die Regierung der deutschen Republik damit einverstanden, die Friedensbedingungen anzunehmen. Scham und Ver zweiflung aller gutgesinnten Deutschen waren eS, die den traurigsten Augenblick deutscher Geschichte, die am 28. Juni ISIS, nachmittags 3 Uhr und IS Minuten vollzogene Unter fertigung -es KriegsöiktatS, begleiteten. Kaum ein halbe» Jahrhundert vorher hatte an derselben Stelle, die Deutsch lands tiefste Erniedrigung erlebte, der spätere Altreichs kanzler Fürst Bismarck die Proklamation der Grün dung des deutschen Reiches verlesen. — Wenn ein Jahrzehnt nach dem Diktat von Versailles unwillkürlich, aber zweifellos notwendigsterweise, die Er innerung an diese Vorgänge dem deutschen Bewußtsein sich aufzwingt, so ist es, um ehrlich zu bekennen, tiefste ätzende Bitterkeit, die fürs erste alle anderen Gefühle und Erwägungen in den Hintergrund drängt, Bitterkeit dar über, baß vierjähriges unaussprechliches Heldentum aller deutschen Volkskreise im Zusammenbruch -er hohen Güter, zu deren Schutz und Rettung es aufgeboten war, in der Vernichtung der deutschen Freiheit und des deutschen Reiches von einst enden mußt n; Bitterkeit auch darüber, daß die Versprechungen des führenden Staatsmanns» der damaligen Welt von den feinem eigenen Volke verbündeten Nationen als ein Fetzen Papier, als eine rein persönlich« Geste betrachtet wurden. WaS zum Programm des Welt friedens werden sollte, jener >aS vierjährige Ringen ab schließende Vertrag, von dem Wilson in den Kongreßreden vom 11. Februar und vom 4. Juli 1S18 im voraus ver sprochen hatte, daß er auf Gerechtigkeit und Friedenswillen aufgebaut sein und allen klar umschriebenen nationalen Bestrebungen weitestgehende Befriedigung gewähren sollte, wurde zu einem Zerrbild menschlich-politischer Leidenschaf ten, darauf abgestellt, ein Volk um seiner einstmals be herrschenden wirtschaftlichen und kulturellen Stellung willen allmählich zu vernichten. E» ist gut, wenn sich Deutschland in der Stunde der Erinnerung, am S8. Juni 1829, frei und ««angekränkelt von schwächlicher Rücksicht- nähme auf vorübergehende paktttsche Situationen, frei auch von jener vor zehn Jähret Zuschanden gewordenen Ber- trauenSseligkeit, einmal mite r ernstlich vergegenwärtigt, was der Pakt von Versailles» dem deutschen Volke auf- erlegte und auS ihm zu mach' beabsichtigte. Zehn Jahre des steten und zähen Kampfes regen ihn hab«« leider dazu geführt, daß er Millionen der deutschen Bevölkerung auch in den wichtigsten Punkten substanziell kaum noch in Er- tnnerung steht. Eine grotesk anmuten»« Bescheidenheit, wie sie unlängst wieder in Teilen »er öffentlichen Meinung Deutschlands gegenüber gewissen Phasen der Pariser Ftnanzerörterungen zutage trat, wirkt mit dieser au» Un kenntnis geborene« Vergeßlichkeit zusammen, den Tha- ratter de» vergangenen Jahrzehnt» und die diesen Zeit raum gestaltende Kraft, eben den Versailler Vertrag, gar nicht so verhängnisvoll erscheinen ,« lassen, al» wie sie wirklich waren und find. Was bestimmte den« dteses Dokument, wenn man e» slüchttg im Rtzckbttck Überfliegt? ES gab der Wett — um noch da» relativ Beste an ihm vorwegzunehmen — den Völkerbund al» ein Gremium, da» wentgften» hin und wieder die ethisch glänzenden Theorien der internationalen B-rsöGmm, «n» »mE-erung und »er MenIHbett»rechte L«nr SS Zehn Jahre trugen wir der Schwachheit Fluch, Weidwund, zerrissen, tief in der Parteien Gezänk verstrickt. Zehn Jahr'! Nun sei'» genug» Rafft auf euch, um in alle Welt zu schreien. Was Falschheit und Verrat uns angetan! Rafft auf euch, um die Lüge zu zerbreche«. Die alle Welt umgarnt, und eine Bahn Der Wahrheit heut' zu brechen' Rafft auf euch, di- ihr deutscher Muttec Blut In euren Adern tragt, und lernt begraben Den Kastengeist, den Neid aus fremd«» Gut, Die in das Unglück uns gestoßen haben! Deutschland in Not! Das heil'ge Mutterland Verarmt, versklavt, in Elend und in Leiden. Die Menschen stumpf, die Herzen totgebrannt Durch die gemeinste Lüge aller Zeiten! Zehn Jahre trugen wir's. Nun mag der Groll In un» zu heil'gen Sturmgewalten schwellen' WaS wir zehn Jahre lang erduldet, soll Anklagend heut' in alle Lande gellen. Zerbrecht die Lüge, tragt der Wahrheit Licht In alle Welt, laßt uns das Recht beweisen Und endlich uns den Heuchlern vom Gesicht Die freche, geile Lügenmask« reißen! Und keiner fehl' bei solcher Mannestat Im Kampfe gegen unverdiente Schande! Wer heute abseits steht, begeht Verrat An seinen Kindern und am Vaterlande Und trägt die Schuld, wenn ungehört verhallt Der Schrei nach Recht, wenn nie der Freiheit Brücken Uns auserstehn, und stößt vom Hinterhalt Erneut dem Volk den Gistdolch in den Rücken! Flammt auf, steht auf, ein einig' Volk in Not, Der Lüge Schlangenhaupt heut' zu zertret,«. Bereit, für unsrer Zukunft Morgenrot Mit Wort und Tat noch einmal einzutreten. Schreit in die Welt, was man uns angetan. Und alle Welt wird eure Stimme hören. Und keine Macht ist dann mehr angetan. Der großen Wahrheit Siegeszug zu wehren! Felix Leo GSckeritz. erörtert und damit nicht in Vergessenheit geraten läßt, und neben ihm in unverkennbar wertvoller Zielsetzung da» tnternattonale Arbeitsamt, bas die Aufgabe verfolgt, Un- gerechttgkeit, Elend und Entbehrungen, die Wettetutracht gefährdende Unzufriedenheit, die Vernachlässigung der sozialen Gerechttgkeit schrittweise zu beheben. Aber wa» gab der Versailler Vertrag Deutschland? Di« Grenze» de» alten Reichs wurden -erschlagen, grobe Gebiet« von höchster wirtschaftlicher Bedeutung durch Abstimmungen zweifel hafter Art von Deutschland getrennt, sechs Millionen Deutsche gerieten unter fremde Herrschaft oder wurden Mm Schein verselbständigt. Die Namen Eupen, Malmedy, MoreSnet, Saar, Danzig, Ost- und Westgreußen, Ober- schlefien, Memel, Schleswig künden tn unvergeßlicher Sprache fremde Gewalttat. Die deutschen Kolonien mit mehr als zwei Millionen Quadratkilometern und über zwanzig Millionen Kolonialbevölkeruna ainaen verloren. Deutschland» Wehrmacht wurde aufgelöst, die allgemein« Wehrpflicht abgeschafst, Deutschlands Flotte, zur Ausliefe rung bestimmt, versank in Scapa Flow. Die deutsche Rüstung zu Lande, zu Wasser und in der Luft wurde der Kontrolle unterworfen. Der Bruch der Wilsonschen Ver sprechungen hinderte nicht, Deutschlands Führer der Ver letzung des Stttengefetzes unü der Heiligkeit der Verträge zu zeihen und sie deswegen samt S0O deutschen Staats bürgern vor aller Welt kriegsgerichtlich zu belangen. Deutschland und seine Verbündeten sollten als Urheber in dem ewig schändlichen Schuldparagraphen des Vertrages von Versailles für alle Verluste und Schäden verantwort lich sein, die die alliierten un- assoziierten Regierungen und ihre Staatsangehörigen durch den Krieg, „der ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungen wurde", erlitten haben. Deutschland mußte wiedergutmachen die Schäden ber Zivilpersonen an Ge sundheit un- Leben, die durch Kriegshanblungen, Grausam ketten usw. entstanden sein sollten; es sollte die Pensionen der militärischen Opfer des Kriegs in den Ländern ber alliierten Mächte, den Aufwand für Kriegsgefangene, den Aufwand für die Angehörigen mobilisierter gegnerischer Staatsbürger und tausenderlei anderes bezahlen. Dabei mußte es gegen 5 Millionen Bruttoregistertonnen seiner Handelsflotte, Hunderttausende Stück Vieh. Millionen und aber Millionen Tonnen an Kohle, seine sämtlichen Ueber- seekabel, ja die wertvollsten Kunstwerke altniederlänbischer Meister abliefern. Auf sein Vermögen im Ausland mußte Deutschland verzichten, die Entschädigung der beraubten AuSlanddeutfchen selbst übernehmen; die deutschen Flüße wurden internationalisiert, fremde Mächte erhielten Frei» Hafenzonen auf deutschem Gebiet, der Wagen- und Loko- mottvenbeftanb der Staatsbahnen wurde dezimiert, und, um die Erfüllung der nicht unmittelbar zu leistenden, soge nannten Wiedergutmachungszahlungen zu sichern, wurde deutsches Land entlang dem Strome, ber durch Jahr hunderte hindurch das Sumbol deutscher Freiheit gewesen ist, auf 1Jahrzehnt hinaus militärisch besetzt. Da» brachte der Versailler Vertrag Deutschland direkt, wenn man seine mehr als 400 Artikel im Blitzlicht des Rückblicks vorüberfliegen läßt. Aber er brachte noch wei teres, was nicht in Paragraphen festgehalten ist und wa» doch tn ihm,wurzelt. Es brachte den Gewaltakt PoincarsS an der Ruhr, es brachte die Verzweiflungstaten der Kapp und Ludendorff und -er bayerischen Skationalisten, er brachte die deutsche Inflation mit dem Zusammenbruch von Millionen deutscher Existenzen. Eine noch nie üagewesene Arbeitslosigkeit Hunderttausender von Volksgenossen ent stand in seiner Gefolgschaft und wurde zum Dauerzustand. Die schlimmsten Wirkungen indessen, die ber von ihm aus gehende Druck wirtschaftlicher Zermürbung und Zersetzung erzeugte, bestanden in einer unvergleichlichen fortschreiten den nationalen Resignation weiter Volkskreise. Statt des von einer einheitlichen Front getragenen politischen und ideellen Kampfes um die Rückgewinnung des deutschen An sehens tn der Welt erlebten wir die aus persönlichem Haß und Neid gewonnene Vertiefung der Klassengegensätze im Volke selbst. Ernst, tiefernst muß diese Vergegenwärtigung der Folgen von Versailles alle diejenigen stimmen, die ihr Land trotz allem noch lieb behalten haben und die trotz allem noch stolz darauf sind, sich Deutsche nennen zu dürfen. Aber wenn auch der Weg von Versailles bis in die Gegen wart durch die dunkelste und traurigste Zeit deutscher Ge schichte hindurchführt, so erscheint doch aus einem ganz be stimmten Grunde Verzweiflung an der deutschen Zukunft nicht am Platze. Nicht bloß, daß der Pariser Reparations abschluß, den die letzten Tage mit sich brachten, die aus finanzieller Ordnung der Weltverhältnisse zu erwartende stetige Besserung auch der deutschen Wirtschaftslage in Aus sicht stellt, sondern vor allem die den Existenzwillen der Nation stählende BcwußtseinStatsache, von ber Gewalt des Unglück» der letzten 10 Jahre nicht vernichtet worben zu sein, ist dasjenige Moment, baS noch an eine deutsche Zu kunst glauben läßt. Ein Volk, das so ungeheure Opfer an Blut und Vermögen gebracht hat nnd rein physisch allein bringen konnte, wenn eS dazu auch gezwungen wurde, ein Volk, gegen das sich der nackte Vernichtungswille nahezu der ganzen Welt konzentrierte, das sich aber dennoch am Leben behauptet, ja, das sogar mit übermenschlicher Kraft sich einen neuen, den veränderten Verhältnissen angepaßten Staat in dieser Zett ungeheurer Entbehrungen und steter Blutavzapfungen geschaffen hat und das die Bewunderung der zu objektivem Denken zurückkehrenben Welt auf seine geistigen und technischen Leistungen auch im Zeitraum der tausendgestalttgen Verknechtung zu lenken vermochte, ein solches Volk kann nicht untergehen. Der Schlag von Ver sailles war schwer und sollte tödlich wirken. Daß er nicht so gewirkt hat, ist ber Schimmer des Morgenrots einer besseren Zukunst, ber die Wochen bitterster Erinnerung aufhellt und der daran^glauben läßt, baß wenigstens Kin dern und Enkelkindern noch einmal ein neues, mächtige», freie» deutsche» Reich beschieden sein wird.