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mit seiner Familie wohnte. Seit Fahrzehnten hatte sich die Sagemühle immer vom Baler auf den Satz» vererbt, die alle vom gleichen Schrot und Kor» Ware», schlicht und ehrlich und arbeitsam. Und so war es auch gekommen, daß sich in den geschnitzten alten Truhen und Schränken das selbstgesponneue Linnen «ehrte, daß sich die Wert papiere und das SUber im altmodische» Geldschrank immer höher häufte» und die Sägemüller immer zufriedener dreinschauten. Sie konnten sich schon was leisten, hätten sich eine schöne Villa bauen können, Autos und Pferde halte» und weite, kostspielige Reisen unternehme» können, sie hätten es kaum au ihrem Säckel gemerkt; aber das taten sie nicht, dachten gar nicht daran, sondern lebte» ebenso einfach und schlicht, wie ihre Vorfahren es gehalten hatte». Doch sie gingen mit der Zeit und ließen ihre» Kindern eine gute Erziehung angedeihen, schickten den Sohn aufs Gym- nasium in die Stadt und die Töchter in eine gute Pension. Jochen ging durch den Flur, wo i» Rischen bemalte und geschnitzte Bauernschränke und Truhen aus Räder« standen, an denen jetzt bunte, leuchtende Flecke hingen, denn di« Sonne schien durch die bleigefaßten Butzen scheiben des hohen Fensters und malte auch auf die Helle» Dielen rote, blaue und grüne Farbe». , Hinter einer braunen Tür klang das Klapper« von Ge schirr; «i» feiner, lieblicher Duft nach Kaffer lag in der Sufi. Behutsam drückte Jochen di« Klink« nieder und trat in die geräumige Küche. „Ra, da bist du ja auch schon!' brummte Lisette, die alte, dicke Köchin, die schon als blutjunges Mädel im Hause dient« und ihrer Herrschaft treu geblieben war. Sie und Jochen war«, mit dem Hause der Sägemühle eng vcr- wachse» u»d hatten Freud und Leid mitgetrageu, hatte» di« Kinder mit großgezoge» und auch trauernd an mau- chem Sarge gestanden, als wäre das Leid auch ihr eigenes. Ohne Lisette und den Joche« konnten sich die Bewohner der SSgemühle das Haus gor nicht Vorsteven, und wenn tu de» Ferien di« Sinder auS der Stadt kamen, dann be- grüßten sie die beiden Alten ebenso herzlich wie ihr« Eltern. , „Hast wohl schon arge« Saffeedurfi, daß du eS nicht erwarten kannst?' lam es vom Herd her, wo Lisette herum- hantierte. Joche» hatte sich auf «inen Stuhl am Fenster gesetzt and fuhr mit dem Handrücken über sein zerknittertes Ge sicht. „Die Hitze ist heute aber auch kau« auszuhalten. Ganz müde und matt ist »an. Könnte schon sein, daß »och ein Gewitter herauszieht.' „Reinst du?' Lisette brachte den runden, blauen Topf, den eiu« einsame Rose zierte und der noch von Jochens Mutter herstammte, mit Kaffee gefüllt und setzte ih» vor Jochens Platz hin. „Trink' man gleich!' ermahnte sie. „Er ist schön heiß. Heißer Kaffee treibt die Hitze aus dem Körper. Lucker ist auch scho» drin.' j Dabei goß auch sie sich eine große Schale »oll ein und schlürfte mir Wohlbehagen den braunen Trank. „Weitzt du schon, bah das Fräulein vom Schloß zurück- zekommen ist?' fragte sie dazwischen. „Die Krämerfra», die zufällig am Bahnhof war, will sie gesehen habe». Auch hielt die Kutsche auf dem Bahnhofsplatz mit de» neuen, ju»ge» Kutscher. Der alte Böhme war ihnen auf de» Schloß wohl »ich« mehr fein genug, daß sie sich jetzt de» geschniegelte», hochmütige» Lackel gemietet haben, ber ausfieht, als wäre er mindestens et» Lord und wir andere» Mensche» seien für ihn »icht vorhanden. Wozu sie im Schloß nur die viele Dienerschaft habe» müsse«, während so manches wertvolle Stück heimlich zu» Berkaus tu die Stadt wandert?' „Die alte Frau von Hagen ist wohl die Ursache dazu', meinte Jochen bedächtig. „Die will nicht sehen, daß die alte Zett dahin ist, und daß der Schloßsäckel immer magerer wird. Sie ist noch genau so hochmütig und stolz wie dazumal, alS die Geschichte mit der Jungfer Lulsdi passierte. Da hat sie nur allein die Schuld daran, daß so ei» junges Blut sich z» Tode gegrämt hat, aus lauter Lieb' und Herzeleid.' „Laß die alten Geschichten ruhen, Jochen. Ich höre auch unser Lutschen kommen. Weißt du, ich muß jeden Tag die Sehnlichkeit bewundern zwischen ihr und ihrer Großtante; wie aus dem Gesicht geschnitten ist sie ihr^ Ran könnte meinen, es wäre unser Luischen, wenn man das Bild der Ahne betrachtet, das in der Wohnstube hängt. Selbst die schwarzen Locken haben sie beide gemeint sam und die schöne», dunkelblaue» Augen.' „Soll wohl so sei», daß die Alte auf dem Schloß an die vergangene Zett erinnert wird, wenn sie das Rädchen sieht, damit ihr Gewissen nicht einschläst, sondern sie mahnt, wie schlecht sie selbigsuutt am eigene» Sohn ge-e handelt hat und a» de« unschuldigen Mädchen, das ge wiß nicht aus Versehen...' „Hör' doch endlich mit den alten Kamellen aus! Du hörst doch unser Luischen...' Die zischelnde Stimme Lisettes brach ab, denn im. gleichen Augenblick wurde di« Küchentür kräftig auf-^ gerissen, und ein junges Mädchen mit lachenden Augen, und tiefschwarzem Haar stürmt« wie der strahlend« Früh ling über die Schwele. „Du, Lisette! Weißt du es schon, daß Veronika wiederi hier ist?' fragte sie atemlos. „Die Möller von nebenach rief es mir vorhin über den Zaun des Gartens zu, als ichj Johannisbeeren abpflückte. Heut« morgen soll sie au-^ gekommen sein. Wie ich mich freue, sie endlich wirderzu-t sehen. Zwei Jahre sind es jetzt her, daß wir zusammen, aus der Pension käme» und Veronika zu ihrer verheirate^ ten Schwester nach Berlin ging, u» Gesellschaften uuds Theater zu besuchen und Bälle mitzumachen.' „Und um sich einen reichen Mann zu angeln.' „Aber Lisette! Das tut doch die Veronika nicht! Da, kennst du meine Freundin schlecht, die so ideal veranlagt! ist!' Mißbilligend schüttelt« Luise de» Kopf. „Nu, nul Ich meinte es ja nicht so!' beschwichtigte das alt« Faktotum. „Mußt nicht gleich böse sein, Kindchen.' Aber wenn man so denkt, an frühere Geschichten, weißt' du, daun muß man halt glauben, die da drüben im Schloß, sind alle so hartherzig wie die alte Dame, die harte Frau Kunigunde. Mich wundert ja »ur, daß dein Vater nicht» gegen die Freundschaft sagt.' „Der Baier denkt eben modern, und schließlich kann. Veronika doch nichts dafür, was früher einmal geschehe» ist. Aber jetzt fällt mir wieder ein, daß Vater um de»! Kaffee bat. Komm, stell' mir alles auf ein Tablett, ich! trage ihn selbst zur Linde, wo die Mutter schon die' Kaffeedecke über den Tisch gelegt hat.' „Rein, Kindchen, da- ist für dich zu schwer, alles allein, zu tragen. Ich komme scho» mit. Für zwei ist eS leicht. So! Hier ist auch noch Suchen! Morgen, am Sonnabend» backe ich wieder neuen, denn am Sonntag wird doch sicher Besuch bei uns erscheine».' .Meinst du, Lisette?' Luis« hatte schnell das eine Tablett ausgenommen, au? dem dir Taffe» jetzt bedenklich klirrren, wahrend ei»e sein« Btutwelle über ihr Gesicht flog. Lisette sah schmunzelnd in das lieblich« Antlitz» „Gewiß, Herzchen!' sagt« sie bedächtig. „Der junge Herr Lehrer findet es hi«r bet uns eben gemütticher als i» seinem öden Hause. Ist »och ei» stattlicher, schöner Mann. Findest du nicht auch?' Aber Luise war schon aus der Küche geettt und vom Flur aus durch eine Tür i« de» schattigen Garte», w» auf einem freien Platz, unter einer große» blühende». Linde, der Tisch stand, den sie jetzt flink deckte. Mit lachen den Augen war die alte Lisette ihr gefolgt. Und während sie di« grüne Kanne auf den Tisch setzte, zwinkerte» ihrk lleiuen Augen vergnügt zu dem Mädchen hinüber. Luise war ihr Liebling. Sie freute sich aucb jetzt wieder «der die Schönheit, über die Anmut ihrer Bewegungen, und über das schelmische Lächeln, das eben wieder über das reizende Mädchcnantlitz flog. „Du, Lisette, vergiß aber ja nicht, recht viel Streusel aus de» Kuchen zu tun, denn du weißt doch, daß dein Herr Lehrer ihn so gern ißt.' Wie wundervoll die großen, dunflcn Augen sind!, dachte Lisette. Da kann man es dem jungen Lehrer Schubert wirklich nicht verdenken, wenn er zu tief hinein geschaut hat und sein Herz dabei verlor. Wie lange wird es noch dauern, dann haben wir eine Braut im Hause. ^Z, wo werd' ich denn!' sagte sie jetzt lachend. „Der freundliche Herr Schubert ist doch mein ganz besonderer Freund, das weißt du ja. Da geb« ich mir auch die größte Müh«. Hoffentlich bringt er seine Geige wieder mit und fptelt bet uns. DaS ist so schön, daß man denken kann, etw Künstler lockt diese Klänge aus dem Holz hervor und nicht «in Lehrer.' z wa.e auch lieber eiu Künstler geworden!' sagte Luise, indem sie die Tassen zurechtschob. „Aber sein Vater wollte es nicht. Er sollte dieselbe Lausbahn einschlagen wir er und all sein« Vorfahren, und Lehrer werden. Und da zwischen Baler und Sohn ein sehr inniges Verhältnis besteht, so hat Herr Schüben de» Lteblingswunsch feinet Vaters erfüllt, so schwer eS ihm auch im Anfang wurde Ader so oft er Zeit Hai, greift er zu seiner Geige und ver traut ihr alles an, was ihn bewegt. Und im Spiel kommen ihm dann die wunderschönen Gedanken, di« in seine« Ge dichten liegen. Nicht wahr, di« sind schön?' Luises Wangen brannten, und ihre Augen blitzten, während sie sehnsüchtig nach der Richtung blickte, in der das hübsche, freundliche HauS des junge» Lehrers hinter blübcnden Hecken versteckt lag. .Wie genau du da» alles weißt!' «eint« di« Alte, dir dem Blick des Mädchens mit den Augen gefolgt war. „Er ha« es mir doch selbst erzählt, Lisette. Auch daß er sich in seinem Häuschen sehr einsam fühlt und daß er hofft, daß sein alter Herr bald zu ihm ziehen wird.' „Er soll sich lieber eine junge Frau in» Haus nehmen, bas wäre gescheiter!' ereiferte sich btt Alte. „Ein Lehrer muß verheiratet sein. Da ist gewiß »icht eine im Dorf«, die nein sagen würde, wenn er käme n»d fragte.' „Na, was habt ihr beide denn wieder für Geheim nisse?' klang in diesem Augenblick eine sonore Stimme hinter den beiden, die sich erschreckt »«drehten. „Das lasse icb mir gefallen — nicht wahr, Mutter?' wandte sich der Sägemüllcr Hermann Mathiessen an sein« Frau, dir, wie ein Neines, besorgtes Hausmüllerchen aus alter Zett, neben ihrem Manne hcrgetrippelt war. „Ich sag's ja immer, die Lisette und unser Luischen, die haben die Sonne im Herzen, von denen kann man lernen, vergnügt zu sein.' Der Sägemüllcr ließ sich wuchtig auf seinen Garten puhl nieder und nickt« feiner Tochter wohlgefällig zu. Er haue eine große, derbe Gestalt von kraftstrotzender Ge sundheit, war aber von Natur ruhig und bedächtig, vom frühen Morgen bis in den späten Abend hinein war er in seinem Sägewerk tätig, wo er seinen Arbeitern mit gutem Beispiel voranging und sich nicht scheute, auch mit Hand anzulegen. Seine Fran sah gegen ihn wie ein Heim eben aus, mit ihrer zierlichen Figur und dem zarten Gc- sicht, das schwere, dunkle Zöpfe krönte. Seit der Geburt ibres letzten Kindes, das kaum einen Tag gelebt hatte, war sie immer etwas kränklich und wurde daher von allen im Hause mit sorgender Liebe umgeben. Rührend war es, wir der Sägemüllcr seine kleine Frau umhegte, die er von ganzem Herzen liebte, und der er jeden Wunsch an den Augen ablas. So gutmütig Hermann Mathiessen auch war, so jäh zornig konnte er auch werden, wenn ihm irgend etwas nicht paßte; aber das kam sehr selten vor, denn seiner Sliina zuliebe bezwang er sich mit aller Energie. E>u Platz am Lisch war nocb frei. Frau Anna wollt. geraoe eine Frage stellen, als hastige Schritte aus de» Garten sich näherten und ein hoher, schlanker, junger Ma»» auf die Linde zukam. „Ach, da bist du ja, Gerhard!' sagte der Vater, ihn wohlgefällig betrachtend. „Anstatt die kurze Freistunde z» ruhen, haft du sicher wieder durchgearbettet.' „Net»! Fehlgeschosse«!' lachte Gerhard, daß die weiße» Zähne in seinem hübschen, energischen Gesicht nur so blitzte». „Ich habe unten am See gesessen, wo eS wenig stens kühler war als hier, und habe mich heute wirklich einmal ausgeruh«, denn diese Hitze, dtt wir jetzt habe», ist auch mir zu viel. Wie geht es dir denn, Muttel? Hoffent lich leidest du «icht zu sehr!' wandle er sich an Frau Anna, dtt ihm soeben dtt Tasse zuschob. „Oh, mir geht es heute ganz gut', sagte Frau An»a. „Aber ich fürchte, wir werde» ein Gewitter bekomme». Ich fühl« das immer vorher.' „Nur keine Bang« haben! Ich komme dann herüber — das beruhigt dich doch stets — nicht wahr?' „Ha, Hermann!' Dtt kleine Frau blickte ihren große» Man« dankbar an und legte ihm dabei sorgsam ein dickes Stück Kuchen anf seinen Teller, während sie Luise «inen Wink gab, seine Tasse wieder zu füllen. „Was schreibt denn unser« Grete?' wandle Hermann sich wieder an seine Frau. „Hoffentlich ist ihre Familie gesund' „Ach, das hätte ich nu» wirklich vergessen, euch zu er-, zähle«!' entschuldigte sich Frau Anna. „Grete will mit de» Kindern in vierzehn Tage» z« uns kommen und fragt an, ob es uns recht ist. Lerner holt sie dann nach einiger Zelt ab, um mit ihnen an dtt See zu fahren.' „Natürlich soll unsere Grete mit ihren Kindern Her kommen!' nickte Hermann Mathiessen. „Ich weiß ja, daß du dich darüber freust. Dan« ist ja wieder Leben in unserem Hause, und Luise ist auch nicht mehr so allein. — Was, Lieschen?' „Das wär« ich jetzt nicht mehr gewesen, lieber Vater, denn denk« dir, Veronika soll heute morgen angekommen sein. Ltt ich mich darüber freu«!' .Da» ist mir gar «icht recht, Sind, denn du weißt doch, baß zwischen dem Schloß »nd der Sägemühle keine Freundschaft mehr besteht. Sicher wird die alte Frau von Hage« ihrer Enkelin den Umgang mit dir auch ver biete«, so stolz wie sie ist. Selbst ihren eigenen Sohn hat sie dadurch unglücklich gemacht.' „Willst du mir denn die Freundschaft mit Veronika nicht gestatte«, Vater? Veronika kann doch wahrhaftig nicht» dafür «nd wird sich in dem alte» Schloß der harte« Großmutter sehr unglücklich und einsam fühlen. Sir Warrn in der Pension dtt besten Freundinnen und haben uns ewig« Freundschaft geschworen. Sicher kann sie es auch kaum erwarten, mich wiederzusehen.' „Nein, Kind, verbieten will ick» nir aew^ du mit Fräulein von Hagen verkehrst, denn du kennst ja meine Ansicht; aber ich könnte eS nicht vertragen, we»a man dich womöglich im Schloß über die Achsel ansieht und dir vielleicht das Wiederkommeu verbietet.' „Das werdcn sie doch «icht wage»!' mischt« sich Ger hard in das Gespräch. „Dann bin ich auch noch da. Aber ich bin neugierig, wie sich da» kleine Mädchen entwickelt hat, das ich zum letzten Male sah, als es noch kurze Röck chen und lange, blonde Hängezöpfe trug. Hoffentlich ist eS nicht so herrisch und eitel wie ihre Schwester Gertraud« geworden, die immer über mich hinweggeguctt hat, wenn sie mich in den Ferien einmal sah.' „Ach, so ist Veronika nicht!' verteidigte Luise dtt Freundin. „Sie ist so lieb und gut wie ein Engel, und wenn du sie erst siehst, dann bist du gleich in sie verliebt.' „Oho!, Schwesterchen! Das geht bei mir nicht gar so schnell!' lachte Gerhard. „Würde ich dir auch nicht raten!' brummte der Säge müller, indem er aufstand, seiner Frau noch einmal liebe voll über die blassen Wangen strich und sich anschickte, de»