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WeMezMIMM! In den letzten Jahren des IS. Jahrhunderts entwickelte sich in der Reichsstadt Nürnberg ein gar zünftiges Hand werk, die Zunft der Brillcnmacher, die sich unter der Regie rung des Kaisers Maximilian l. den anderen Zünften würdig an die Seite stellte. Die Schriften, welch« uns in historischen Sammlungen aus dieser Zett erhalten sind, geben stunde von der strengen Sorgfalt und dem Ernst, mit der die Ausbildung des Nachwuchses gehandhabt wurde. DaS Wappen aus dem Jahre 1680 hat seltsamerweise eigent lich gar nichts Altmodisches an sich. Außer dem Zeichen der Kunsthandwerker mit den üblichen drei Feldern, sehen wir darin ein Brillengestell, dessen Gläserform unserem heu tigen Geschmack durchaus entspricht. Die runden Gläser- fassungen, die man schon damals fertigte, zeigen uns, daß die Mode immer wieder zurückgreist. So mancher durchreisende Potentat machte mit seinem Gefolge in Nürnberg Halt, nur um feine Augen mit Hilfe dieses Handwerks wieder auf die Leistung zu bringen, die das Lesen der damaligen verschnörkelten Schrift erfordert«. Tas persönliche Ansehen und auch die wirtschaftlichen Er folge hatten einen Hochstand erreicht, die das Sprichwort vom „goldenen Boden des Handwerks" durchaus recht fertigte. Die Brillenmacherzunst war schon im Begriff, sich auch in anderen deutschen Städten zu einem beachtlichen Hand werk auSzudchnen, als der 80jährige Krieg dem Wohlstand des Bürgertums mit einem Schlage ein jähcS Ende be reitete. Die mit so viel guter Sitte und Sorgfalt gepflegten Handwerkszweige mußten zwangsläufig unter diesen Trüm mern der Kultur zugrunde gehen; denn sie wurden nur dort benötigt, wo BilbungStricb und Fleiß ihre Heimat hatten. So lesen wir denn auch in der Handwerkerchronik bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sehr wenig über die Zunft der Brillcnmacher. Nur kleine Werkstätten waren erhalten ge blieben. Bicllcicht war dies der Grund, daß sich iu Nürnbergs Nachbarstadt Fürth nach und nach Handelsgeschäfte austatcn, welche die bei kärglichem Lohn durch Heimarbeit herge stellten Augengläser vertrieben. Für diese Handelsware verwendete man allerdings nicht bandgeschliffene Linsen, sondern gegossene Gläser, deren Oberfläche man polierte. Die mangelhaften, ja schädlichen Eigenschaften dieser ge- gossenen Gläser, die zentnerweise „nach Gewicht" im Groß handel verkauft wurden, führten bald zu der allgemeinen An- sicht, daß die Benützung von Sehhilfen für das Auge schäd lich sei. Bezeichnend für diesen Zeitabschnitt, in welchem ein Goethe und ein Schiller lebten, ist, daß eS im westlichen Europa damals auch noch keine Fachärzte gab, die für die Augenheilkunde besonders vorgebildet waren, während in Acgnpten und Arabien nicht nur die Kunst der Augenheil kunde seit Jahrhunderten gepflegt wurde, sondern sogar eine Literatur bestand, die von unserer augcnärztltchcn Wissen schaft zu Beginn und nm die Mitte des 18. Jahrhunderts als Grundlage für die moderne Forschung mit verwendet wurde. Hierbei dürste es belanglos sein, daß man den Ara bern vorwtrst, sic hätten ihre Kenntnisse auS den griechischen und römischen Niederschriften gesammelt. Fest steht, daß die Brillen im 18. Jahrhundert auf Jahr märkten verkauft wurden und daß jeder sich aus osscnen Kisten das hcraussuchtc, was ihm für seine Augen geeignet erschien, «eine Ueberwachuug, keine Prüfung des Auges gab eS. KrankhcitSkcime, die mit Sicherheit zur Zerstörung des Augenlichtes führen mußten, konnten ungehindert wcitcrwuchern. Man nahm die Erblindung als ein gott gewolltes Schicksal hin. Erst mit den Arbeiten des Physikers Helmholtz, der im Jahre 1831 den Augenspiegel erfand, setzte in Deutschland» England usw. die eigentliche wissenschaftliche Forschung ein. Ehirnrgcn wie von Grocsc und andere konnten dadurch ihre Operationscrsahrungen mit Zielsicherheit einietzcn, und legten so den Grund zu dem großen, wissenschaftlichen Aus bau unserer modernen Augenheilkunde. Man darf an diesen Erfolgen des PhnstkerS Helmholtz nicht vorubrrgehen, ohne der Verdienste eines ManncS zu gedenken, welcher als erster wieder nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch der fachmännisch betriebenen Werkstätten an die Schaffung eine» O-iialitätsbrillenglaseS heranging. Die» war der Pfarrer Dnnker, welcher von 1707—1848 in Rathenow an der Havel lebte. Dieser begann im Jahre 180» nach den Vorschriften der alten Nürnberger Brillen- macherkunst Linsen herzustellen, die von den Nachteilen der Fürther Masicnerzcugung frei waren. Er bildet« neben seinem Predigerbernic Linsenschleiser auS, die eS unter sei ner Leitung zu einer hohen Fertigkeit brachten. Mit der Entwicklung der Duukerscheu Werkstätten entstand wieder daS alte Handwerk der Brillenmacher; denn die geschlissenen Linsen mußten auch fachgemäß angcpaßt werden. Und doch bedurfte es fast ciucs Jahrhunderts, bi» der Stand dieser neuen Augen-Optikcr an die Gründung einer Fachorganisation hcranzutreten wagte. ES ist das Verdienst der sächsischen Fachoptikerschaft, hierin dir Führung an sich gerissen zu haben, indem sie im Jahre 1006 die Keimzelle schuf für eine Stanbesorganisation, die heute unter dem Namen „Reichsvcrband Deutscher Augen Optiker c. B." über daS ganze Deutsche Reich verbreitet ist. DaS hauptsächlichste Ziel dieses ReichsverbandeS ist die Pflege einer geordneten Berufsausbildung für den Nach wuchs des Faches. In den Aufnahmebedingungen de» Per bandes wurde die Handwerkerlehrc zur Borschrist gemacht, ebenso daS Ablegen der Gehilfen- und Meisterprüfung. ES wurden Schulen geschaffen, ans denen die ausgebildeten Fachleute durch theoretische Studien ihr Wissen ergänzen konnten; denn heute ist ein bedeutendes Maß physikalischer und physiologischer Kenntnisse notwendig, wenn der Fehl- sichtige in der Wahl de» Augenglases richtig beraten werden soll. Wir besitzen heute zwei Unterrichtsanstalten dieser Art, und zwar in Berlin und Jena. Die letztere, welche auch viele Ausländer zu ihren Studierenden zählt, trägt den Eharakter einer Staatlichen Fachhochschule mit einem Stu- diengana von vier Semestern, der mit einer staatlichen Prü fung abschließt. Nicht selten wird von den Absolvierenden dieser Hochschule außer dem Titel Diplom-Optiker oder staatlich geprüfter Optiker auch der Doktorhut an der Jenenser Universität erworben. Für den Laien ist es interessant, baß da» Studium an den deutschen Fachlchranstalten erst begonnen werden ßarf, wenn die praktische Lehre mit bestandener Gehilfcnprüfung abgeschlossen ist. Der Meistertitel wird dann meistens vor der Handwerkskammer erworben, bevor der Prüfling in das Schlußexamen steigt. Der Ständische Aufbau gab der Deutschen Augenoptiker- schaft den längst ersehnten Grund, ihre Zugehörigkeit zum deutschen Handwerk durch die Gründung von Pflicht innungen zu bekunden. Nur so besteht die Möglichkeit, das hohe Verantwortungsgefühl zu pflegen, bas im Dienste der schhllfenbedürftigen Menschheit das erste Erfordernis bilde« Der «ltrekord der Tolltiilmdeit. «i« S0W-Meter- AbsPrung mit geschloffenem Fallschirm. von » E. Pelzig DaS Gleiten inS Uferlose . . . Ein Fallschirm gleitet nach dem Entfalten langsam dem Erdboden zu. Tic englischen Zeitungen sind wieder einmal mit Be- rickien gefüllt über den bekannten englischen Flieger Jahn Tranum, genannt der „Freche". Tranum, stets auf der Suche nach den auSgefasiend- sten Rekorden — er stellte den Hühenrekord un FalOchirm- ablkrung auf, 'oder sprang ein andermal aus nur -'>2 Meter Höhe mit dem Fallschirm ab — Kat nun einen neuen Weltrekord ausgestellt! Den „Weltrekord der Tollkühn heit", wie die englischen Blätt-r berichten. Der „Frech?" ließ lich, bewußt und absichtlich, -3M) Meter mit einem geschlossenen Schirm durchfallen, nur um zu „sehen", ob man bet solchem Wetter das Bewußtsein verliert. Neber dielen „Rekordfall" sagt Tranum in einer eng lischen Fachzeilung folgende»; „Wir flogen in einer Hoho von 7000 Meter. Unter uns, vieNeirli 1-300 Meter hoch, lag eine dicke Wolkendecke. Wir kreisten und luchten ein Loch rn vieler Wolkendecke, um die Erde zu erspähen. Wir fanden auch ein solches Wolkenlock, durch da? ich mich dann lvätcr hindurch.« fallen lassen wollte- Ich pruste nochmal» meine Sauerstossmaske, lie saß gut. und ich kletterte auf die linke Tragfläche. Die Sauersdossmenge reichte für 10 Minuten au». Ich stand nun auf der Trag fläche und schaute in die Tiefe- Da» Wolkenfoch lag aber wieder zu weit hinter uns. Herr Sah r. mein Pilo!, steuerte von neuem an Endlich kamen wir wieder in die Nähe der Wolkenösfnung. Ich stellte er'checkt fest, daß ich jetzt nur noch für vier Minuten Sauerstoff Ko te und faßte schnell den Mut. in» Leere zn springen. Ich machte zuerst einige Salto» in der Luit und purzelte dann in da» groß- Wolkenlock . Während de» Fallens stellte ich zuerst fest, daß ich« da» Bewußtsein keinen Augenblick v-rlor oder noch sonstwie von dem Fall, körperlich oder seelisch, beeinflußt fühlte. Ick beobachtete rußig und lebr g-saßt die Stoppuhr und den Hülx'nmesser an meinem linken Handgelenk, dir iä beim Abiprung von der Tragfläche in Bewegung gesetzt hatte. Eigenartig, aber e» fiel mir an mir selbst auf. daß ich diele beiden Apparate während meine» Abstürzen» fo ruhig beobachtete, al» stürze ich nicht an» 7000 Meter zur Erde, ioudern säße z» Hause in meinem «tubsess.-l und betrachte eine Stoppuhr. Ich stellt« fest, daß ich jetzt schon 1000 Meter absiiirzte und gab auch« weiterhin meine ganze Aufmerksamkeit den beiden Zifferblättern, um die Entfernungen und Fallge schwindigkeiten zu beobachten. Ich befüi-ckNele nur .-in», meinen Fallschirm zu spät zn offnen! Nack 2800 Meter Fall hatte ick? Schmerzen an den Augen, obwohl di- Fljeaer- brillc fest laß. Ein Niederschlag bedeckte di- Gläser. Aber unterhalb der Wolken verdunstete dieser Nied.-rskklag von selbst, »veil die Temperatur sich Kob. Ich fiel ietzt mit einer Geschwindigkeit von 200 Stundenkilometern. Die Fallgeschwindigkeit wird geringer, sie betrug vorher noch 210 Stundenkilometer. Ich falle ietzt schon l!700 Meter. Mein« Augen tränen. Alle Versuch«, die Tränen unter meiner Brille fortznwilchen, sind vergeblich. Der Höhen ¬ messer zeigte mir an, daß ich mm 5250 Meter gestürzt war. Ich glaubte dem Meßinstrument nicht ganz nnd taxierte mit den Augen, wie weit eS noch bis zur Erde lei. Die Wiesen und Bäume schienen schon verteufelt nahe zu lein. Ich« zog meinen schirm auf! Es gab einen Ruck» einen Stoß, unbeschreiblich schwer! Es war, als ob plötzlich alle Körperteile nach unlcn gerilien würden und der Kops von einer furchtbaren Gewalt auf den Brustkasten gezerrt würde. Und tofor» darauf setzt schon der normale Fall ein. Ich schwebte rulug und samt, und entdeckte, daß der Kopf oben blieb. Der Stoß dauerte nicht länger als «ine halbe Sekunde. Ein leichter Schmelz blieb in der linken Schulter zurück. Dort war der An schnallgurt zu straff. Langsam sank ich der Erde zu. Der Höhenmesser zeigte an, daß ick« mich rußig noch 301» Meter mit geschlossenem Schirm hätte durchiallen lassen können. Zeit wär« noch genug gewesen. Ich suche einen Landevlatz. so viel« Bäume stehen unter mir, daß die größte Aussicht auf ein« Baumlandung besteht. Ich versuchte nicht» mehr. Müde und mit überreizten Nerven hing icki tatenlos an meinem Fallschirm und sank weiter in höchsten» 4,5 Sckun- denmeter Schnelle. Dann spürte ich Gras! Weich setzte mich mein Schirm auf!" So erzählt John Tranum über leinen „Weltrekord der Tollkühnheit", einem Sturz von L100 Meter inrt ge schlossenem Fallschirm! Nach der Landung. Der Pilot versucht unter Ausbietung aller Kräfte ken trei benden Fallschirm zu halten und aus dem Wind zn nehmen.