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118 Wildenfels schob unruhig sein Käppchen hin und her. „Ja, ha liegen die Tinge doch, so, daß es möglicherweise hier zum Klappen kömffnen könnte.", Ter Gast unterbrach Thn. /Natürlich! Tas steht jetzt so fest, wie daß zwei malJzwei vier ist. Morgen können die Preußen Mach nicht heran sein - aber übermorgen wird's Wohl lvsgehen." Er drückte dem Freunde hastig die Hand. -/Tu entschuldigst wohl meine Eile. Ich mjuß die interessante Neuigkeit auch anderen erzählen." „Natürlich natürlich! Äber nvch ein Wort!" Wilden fels hielt ihn fests „Du bist sozusagen der Intimus von Zoller und wirst über seine Absichsken genau orien tiert sein. Mir kannst Tu das vertrauen/mich verlangt brennend. Näheres zu wissen, und ich schweige darüber wie das Grab." Wendelhorst sah auf die junge Gräfin. -Deine Nichjte . . " „Ist ein Soldatenkind- versteht alles, ist ebenso hung rig auf detaillierte Mitteilungen wie unsereiner und auch stsumm wie ein Fischs wenn es sein soll." Inge nickte Hem Onkels dankbar Zu und wartete ge spannten Blickes auf "die Erörterungen. Mit halblauter Stimme/ als fürchte er einen Lauscher, erzählte der Major. /Zoller hat seine Truppen in drei Gruppen geteilt. Graf Pappenheim soll den rechten Flügel der Aufstellung bilden und die Linie Friedrichs- Hall—Waldaschsach besetzt halten. Ten linken Flügel wird Ribaupierre kommandieren und die Verteidigung von Kissingen übernehmen. Die übrigen Truppen bleiben als Reserve dem Tivisivnär verfügbar."' Nachdenklich stsrich Wildenfels durch seinen langen Bart. „Tas Tefilee bei Kissingen ist .für uns überaus günstig gelegen — das' linke Saale-Ufer ist so steil und Hochs daß es weithin dos andere Ufer beherrscht. Wahrhaftig, wir können einem etwaigen Angriff ruhig entgegensehen." Wendelhorst nickte zustimmend. „Alle Vorkehrungen sind 'zur Sicherung getroffen. Waldaschach ist besetzt und zur Verteidigung eingerichtet. Friedrichshall, die Salinengebäude, die Gradierhäusep/ das sind alles Punkte-die mit Truppen belegt werden sollen, denn von dort aus können Plänkler das "Ufer entlang vvrgehen und auch dass Badgebäude Hecken. Wie gesagt, mit d«m Zerstören oder Verbarrikadieren ders'Brücken ist man bereits fertig- und nur der leichste hölzerne Steg zwischen Lindesmühle und Villa Vay ist noch belassen- um nicht allen Verkehr abzuschneiden. Sobald es ernst Wirch bricht man auch den ab. Auf der Terrasse des Sinn berges^ dem Kaskadentale gegenüber, östlich vom Stein hofe, sollen vier Zwölfpfünder von der Batterie Schuster auffahren, so daß das ganze Saaletal und die Brückcnaucr Straße Von dort bestrichen werden kann. Eine Schwadron der Chevaulegers wird als Bedeckung dienen, und viel leicht steckt Tein Neffe bei jener Eskadron. Nun, was sagst Tu zu Liesen Dispositionen?" /Herrlich, vortrefflich t" ereiferte sich Wildenfels. „Tie kaiserliche Hauptarmee hat bei Königgrätz zu Kreuze krie- chsen müssen, aber wir Bayern werden uns schon holten." „Hoffen wir das Bestes meinte Wendelhorst und trat nun seinen eiligen Rückzug an. Ter alte Herr ging nachdenklichen Schrittes durch das Zimmer. Inge, den Kops auf die gefalteten Hände ge stützt, verharrte sie regungslos in der Stellung, wie sie den Mitteilungen des Majors gelauscht hatte. Ihre Wangen glühten, und die verschiedensten Gedanken jag ten ihr durch den Kopf. Kein Zweifel, die nächsten Tage schson müßten einen Kampf bringen, den sie in unmittelbarer Nähe miterleben sollte. Tas ivar Grund genug, ihr Blut in unruhige Wallung zu versetzen. Aber nvch ein brennender Wunsch! beschäftigte sie. Mutter Gertrud hatte sic neulich beim Abschied gebeten: „Komm bald wieder, Töchterchen, die Kräfte lassen bei mir jetzt rasch! nach. Ich meine imwer, ich mache es nicht mehr lange, und möchte noch so manches mit Tir besprechen." Tieser Tage war es Inge unmöglich gewesen, sich frei zu machten. Ter Onkel,! der von seinen Schmerzen geplagt gewesen war- hatte sic nicht von der Seite gelassen, und heute, wo er sich wieder wohl fühlte,, behielt er sie ebenso entschieden um sich, erfand alle möglichen Dienste für sie- hatte ichmer Neues mit ihr zu besprechen und erklärte ihr, daß sie ihm jetzt unent behrlich sei. Inge hatte das mit hoher Befriedigung er füllt, aber es fesselte sie zugleich so fest an den alten' Herrn, daß es immser schwieriger für sie wurde, ihrem Verlangen, Mutter Gertrud aufzusuchen, nachzukommen. Wendelhorstis Mitteilungen drängten sie zu raschem Han deln. Morgen schon konnte der letzte Steg abgerissen wer den, der über die Saale führte, und dann war für sie jeder Verkehr mit der Lindcsmühle abgeschnitten. Mutter Gertrud aber mußte und wollte Inge noch sprechen, bevor sie mit dem! Onkel Kissingen verließ. Tie Tage- die hinter einem Gefecht lagen, waren gänzlich unberechenbar, also nur rasches Handeln konnte zu dem erwünschten Wiedersehen führen. Morgen in alter Frühe wollte sie nach) der Lindesmühle gehen- dann dachte sie, zwischen acht und neun Uhr schon zurück zu sein, Ter Onkel, der seine Brunnenpromenade stets allein machte- würde sie keinen Augenblick vermissen. So konnte sie ihrer Pflicht genügen und zugleich Mutter Gertruds und den eigenen Wunsch befriedigen. Zu diesem Entschlüsse ivar sie eben gekornsinen, als'der Onkel an sie herantrat. /Inge- die Geschichte hat mich doch aufgeregt, die Schmerzen nchld'cn sich schon wieder. Rufe mir den Johann- daß er msichj auskleidet! Nach her komm herein und lies mir Dor/ bisher Schlaf sich einsteklt. Es tut mir gut- Teine Sfimjme zu hören, Du hast in Deinem Organ etwas Nervenberuhigendes!" Es währte noch Stunden- bis Inge den alten Herrn verlassen und sich in ihre Zimnchr zurückziehen konnte. „Mädchen, weißt Tu, was Du mir List?" hatte er ihr kurz vor dem Einschlafen gesagt/ ,/mtein Brompulvcr. Wenn Du um Michi bist und für mich sorgst, das gibt mir mehr Ruhe als die Pillen und Pülverchen der .Herren Tvktoren!" Kurz nur ivar der Schlaf gewesen, den Inge sich ge gönnt hatte. Bei Tagesanbruch stand'sie auf, verstän digte sich mit Johann/ den sie erst durch starkes Klopfen an seine Tür aus denk Schslafe reißen mfußte/ und ord nete an, daß er dem Obersten Mitteilüng von ihrem Gange machen sollte, falls sie nicht pünktlich zur Früh- stückszeit zurück wäre. Taufrisch! war der Morgen des 10. Juli, und hell leuchtete die Sonne an einem wolkenlosen Himlmel, als Inge raschen Schrittes' ihrem Ziele zustpÄbte. Tie Saale war durch den Regen der letzten Taget stprk angeschwollen/ und in trüber Farbe stsrömten ihre Fluten dem Main zu. Inge schritt am Ufer entlang, das mit dichtem Strauch werk bewachsen war. ' Am Steg angelängt, zögerte sie einen Augenblick. Ter hock-gehende Fluß überspülte Anfang und Ende der leicht gewölbten hölzernen Brücke. Doch nur eine Mi nute währte das Zaudern- dann nahm Inge ihre Klei der zusammen und "eilte hinüber. Von der Lindesmühle aus hatte Man sie kommen sehen- und Grete eilte ihr entgegen. /Gräfin, heute ist es nicht geheuer. Heute hätten Sie nicht; kommen dürfen", rief sie ihr zu. „Jeden Augenblick kann die Brücke abge- - 119 - lrvchen werden. Mein Mann ist draußen/ uckl zu er fahren, ob was von den Preußen zu sehen ist, ob es heute schson losgeht! Du lieber Himmel! Soldat konnte er nicht werden wegen seines Plattfußes, aber heute will er nicht müßig zusehen. Irgendwo wird cs'schon für ihn etwas geben/ wo er zugrcifcn kann." Tie junge Frau hatte in ihrer Erregung so hastig gesprochen- daß Inge noch gar nicht zu Worte gekom men- sondern ihr nur schjweigcnd die Treppe herauf ge folgt war. „Und Mutter Gertrud- wie geht cs der?" fragte sie jetzt, eine Pause benutzend. „Schwach und müde,, aber lieb und gut wie immer," lautete die Antwort. „Hier- sic sitzt beim Kleinen und weiß noch gar nicht- daß Sie da sind." Grete öffnete die Tür des Wohnzimmers und ließ ihren Gast eintrcten/ folgte aber nichst. Am Fcnsher, das' Enkelkind aus den Armen, das sic hin und her wiegte, faß Frau Werner im Lehnstühle. Sck-rcck und Freude zugleich malten sich in ihren sanf ten Zügen,, als sie Inge erblickte. /Mein Komteßchenkind! Rein, diese Ucberraschsung! Aber du lieber Gott, heute hätte es doch nicht sein sollen!" Tie junge Gräfin war schon an ihrer Seite, strei chelte ihre Hände und sah sie mit einem glücklichen Lächeln an. „Laß gut sein, Mutter Gertrud, ich hatte Sehnsucht nach Tir, und Tu wolltest mich sprechen, da mußte ich es doch schon möglich machen, herzukommcn. Habe keine Angst um mfich/ich bleibe nicht lange, und ehe der Onkel sich zum Frühstück setzt- bin ich schon wieder daheim." Cie hatte der alten Frau gegenüber Platz ge nommen und nickte ihr herzlich zu. Tiefe aber schüttelte nvch besorgt den Kopf. „Wenn cs nur alles gut abläuft,! und Tu Tir um meinetwillen keine Schelte zuziehst!" „Weißt, Mutter Gertrud, das ist in den paar Tagen alles sehr anders geworden," behauptete Inge. „Da ist niemand, der nfir ein böses Gesicht'macht. Ich bin mit dem Onkel allein, und seitdem ist er wie umgewandclt mit mir. Nachher erzähle ich Dir davon, jetzt aber muß ich erst wissen, was Tu mir nvch zu sagen hast." Mit der Liebe einer Mutter sah Frau Gertrud das schöne Mädchen an. /Nicht viel- mein Komteßchenkind, und doch genug, um darüber nachzudenken. Meine alten Augen täuschen sich nicht, wenn ich Tir wiederhole, Tein Vetter Hans hat Dich lieb, sehr lieb. Solch ein recht schaffenes Menschenkind nnd ein so treues Herz, wie das seine, findest Tu so leichtt nicht wieder. Tas be denke wohl und weise ihn nicht ab, weil Du Tir vielleicht in Deinem Köpfchen irgend etwas anderes ausgemsalst hast, etwas Absonderliches, das bei Licht besehen doch nicht standhält neben dem herzlichen wackeren Rciteroffi- zier, dem Hans." Inges Haupt hob sich stolz. „Es ist alles' wahr, Mut ter Gertrud, alles, und ich weiß auch- ich brauchte nur die Hand aufzutun, dann flöge das Glück, wie Tu cs meinst, hinein. Aber befriedigen würde es mich nicht, kreuzunglücklich könnte ich dabei werden- und dem Hans, denk armen Jungen/ würde ich das' Leben verbittern. Nein, nein, das Lieben denke ich mir eben anders, und ohne dieses Lieben will ich nun einmal nicht Meine Frei heit hingeben." „Behüt Tich Gott, Komteßchen, daß Tu nicht einmal Deinem verkehrten Liebesrauschje nachjagst; und dabei ein treues Herz übergehst. Es könnte geschahen- wenn Du Tir den Kopf gestoßen hättest, daß Tu dann wie ein flügellahmes Vögelchen zurückflatterst und Tich nach einem stillen Neste sehnst, wo Tu, von treuer Liebe ge borgen, sicher ruhen kannst." Bevor Inge antworten konnte, tönte cs wie dumpfer! Tvnner zu ihnen herüber. Aber kein Gewitter türmte sich auf, wolkenlos, von Sonnenschein durchglüht/zeigte sich der Himmel. „Estschützfcucr!" rief die junge Gräfin und sprang auf. „Ich muß weg/ sonst! reißen sie die Brücke ab!" „Tas ist schson geschehen," wurde ihr geantwortet. Gretes Mann, der die letzten Worte gehört hatte, war eingctrcten. Er sah erhitzt und aufgeregt aus. „Tie Preußen rücken an auf der Straß- von Garitz her! Un sere Geschütze, die auf dem Sinnberge stehen, beschießen den Weg dort. Ter Feind kann nur unter schweren Ver lusten vorwärts kommpn." „Ist es denn gar nicht möglich^ daß ich nvch nach Kissingen zurück kann'?" -forschte Inge angstvoll. /Ich muß notwendig zu meinem Onkels „Ist aber jetzt ganz ausgeschlossen," erklärte der Müller. „Gräfin dürsten an so etwas gar nicht denken! Wenn der Kampf vorüber ist, werde ich die Komtesse selbst zum Hernr Onkel bringen. Einstweilen ist die Lindcsmühle ein ganz sicherer Aufenthalt. Mit Frauen wird kein Krieg geführt- denen krümmst der Feind kein Haar. Ich muß jetzt weg, denn ich habe versprochen, wenn es losgeht,' mit für die Verwundeten zu sorgen. Hierher wollen wir etliche schaffen. Grete und die Mut ter werden sie verbinden- und Gräfin helfen vielleicht dabei." Inge nickte mechanisch. Ter Müller war schon an der Tür und Wolke sich entfernen. Ta drehte er sich um und wies' hinaus. „Tas ist Kleingewehrfeuer/" rief er und lauschst« gespannt. „Von Kissingen kommst der Schall nnd von den Höhen der Saale-Ufer — auch bei Friedrichshall knattert's! Es geht eben an allen Ecken los, da fließt Blut, nun muß' mdrr machen, daß man hinkommt." Er war aus der Tür gestürmt! und Inge sah mit klopfendem Herzen aus die zerstörte Brücke, die jetzt ohne Belag einem traurigen Gerippe glicht Frau Werner saß mit gefalteten Händen da, sie flüch tete sich zu dem, der allein der sicherste Schutz ist in schwerer Zeit. Trittes Kapitel. Am frühen Morgen des 10. Juli hatte der General leutnant von Goeben Garitz mit der Avantgarde erreich^ Tie Brigade Kummer marschierte an der Spitze,Brigade Wrangel folgte mit dem 15., 19. und 55- Infanterie- Regiment und dem Bataillon Lippe-Tetmvld. Auf den westlich bei Kissingen gelegenen Höhen hielt jetzt der Divisions-Kommandeur, er ließ den General Wrangel zu sich rufen und gab ihm den Befehl, mit seiner Bri gade über Garitz fortzugehen. Er sollkd sich als GoebenS rechter Flügel betrachten und je nach den Umständen energisch eingreifen. Da die zwei Batterien des Generals von Kummer an der Südspitze des Adus-Waldes aufgefahrcn waren und! mit einer starken bayerischen Batterie, die bei Winkels stand, kämpften, und Abteilungen desD3. Regiments noch dem Saaletale vorgeschoben waren, um Kissingen zu be schießen, so erteilte Wrangel, nachdem er düchen Ucber- Llick gewonnen hatte, seine Befehle dementsprechend. Er ließ das Gelände nach dein Saale-Ufer hin aufklären, warf mehrere Kompagnien in die bewaldete Kuppe des! Altenberges und schickte die Batterie Evestpr auf die nordwestlichen Abhänge dieser Höhe. Ein heftiger Geschützkampf entspann sich sofort- und zugleich prasselten aus den bewaldeten Höhvn zahüoftj Schüsse auf die vorwärts rückenden Preußen nieder. Bataillon Lippe wurde beordert, den ganzen Wald' gründlich von allen Schützen zu reinigen. Tie anderen