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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-07-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192907060
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19290706
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19290706
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-07
- Tag 1929-07-06
-
Monat
1929-07
-
Jahr
1929
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 06.07.1929
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! ISS, 440, 441, 442, 448, 417 und 418 von Blatt 2» und Zu« chretbung ,u Blatt 4« des Grundbuch» für Rteberröder«, die Abschreibung de» Flurstückes Nr. 808 von Blatt 80 und Zuschreibung zu Blatt 28 de» Grundbuch«» Mr ßttatzam rüder«, die Abtrennung de» Flurstücke» Nr. SS» von dem Grundstück Blatt 84 des Grundbuchs kür «ckönfeld, bi«. Zergliederung des Grundstückes vlatt »4 für Zabeltitz und die unentgeltliche Veräußerung von Gemeindeland an Mar Paul Kühler in Zschiesche«. Z«r Zeit abgesehen wurde von der Erwerbung der Mitgliedschaft beim Sachs. Landesverband zur Förderung des Bild- und Filmwesens, E. B., und der Gächs. LaudÄb» bildstelle und von der Erwerbung weiterer Geschäftsanteile der gemeinnützigen Bau- und Siedlungs-Genossenschaft Gröditz e. G. m. b. H., durch den BezirkSverband. Genehmigt wurde weiter das Ortsgesetz über Ruhelohn und Htnterbliebenen-Bersorgung für die Arbeiter der Stabt Radeburg, das Gesuch der Gemeinde Rümhrttz um Auf nahme eines kurzfristigen Zufatzkredtte» von 20000 RM. bet der Girozentrale und der Nachtrag zur Gebührenord nung für die Heimbürginneu-Berbände. Der Herr AmtS- hauptmann wurde ermächtigt, die Nachträge von sich aus zu genehmigen. Bedingungsweise Genehmigung fand die Satzung de» Zweckverbandes für die Verbandssparkasse im Amtsgerichts bezirk Radeburg zu Berbisdorf, während bas Ausscheiden der Gemeinde Kalkreuth aus dem Feucrlöschverband Gühra, und Vereinigung mit dem Kammergut Kalkreuth, sowie di« Satzung genehmigt wurden. Ucber das Bezeigungsgeld für Benzinzapsstelle« be richtete Herr RegiernngSrat Härtel. Der Bezirksaus schuß beschloß nach kurzer Aussprache der Herren Abgg. Erster Bürgermeister Ho top und Dr. Trott, dem Vor schlag des Berichterstatters zuznstimmen und den Gemein den die Sätze von Radeburg mitzuteilen. Die Aufnahme eines Hypothekendarlehns von 18 000 GM. bet der Sparkasse Cvöwia zur Finanzierung de» neu erbauten Sechs Familienwohnhauses und zwar je 6500 GM. aus die Grundstücke Blatt 1016 und 1057 des Grundbuches fitr Radeburg seitens der Stadt Radeburg wurde einstim mig genehmigt, ferner mit einigen redaktionellen Aende- rungen das OrtSgcsctz der Gemeinde Promnitz über Be- Kübnisbeihilfe. Bezüglich der Jnventarübcrnahme der Nebenstelle Großenhain des Arbeitsamts Riesa wurde beschlossen, den Herrn Amtshauptmann zu ermächtigen, das Inventar für 4000 NM. abzutreten. Aus das Gesuch der Gemeinde Röderau, Aufnahme eines Austauschdarlehcns von 20 000 NM. bei der Sparkasse Wurgwitz zum Straßenbau und zur Abdeckung von Kauf- geldforderungen betr., wurde nach Bericht deS Herrn AmtS- hauptmann Fellisch und den Ausführungen deS Herrn Ersten Bürgermeister Hotop beschlossen, dem Ministerium vorzuschlagen, von den Bedingungen nicht abzugehen und das Darlehen nicht zu genehmigen. Befürwortet bezw. ge nehmigt wurde der Nachtrag zum OrtSbaugesetz für Rüsch« ritz. Ucber das Fernverkehrs-Straßennetz in Sachse« berich tete Herr Abg. Baron von Rochow. Der Herr Bericht erstatter schlug vor: 1. Die Straße Berlin—Dresden muß Nicht über den Auer, sondern über Moritzburg—Radeburg gehen. 2. Sachsen bedarf aus der dichtest bevölkerten Gegend um Chemnitz einer möglichst direkten Verbindung mit Ber lin, und zwar in der Linie Chemnitz—Döbeln—Riesa- Elsterwerda. 3. Die Ost-Wcstverbindung beruht sür den Verkehr Breslau—Leipzig ausschließlich auf der Straße «autzen-DreSden. Ein großer Teil diese» Verkehr» Netz, sich ab Bautzen «her Kamenz—KöntgS-rück-Äroßenhaiu— Riesa letten, ohne Dretzden zu berühren sMefseverkehrj. »et dm, vorgefchl»ß«e« Straße» find «roße rette sch», ausgebaut und bedürften nur «och kleinerer Ausbauten. Er bitte den Herrn AmtShauptmanu, beim Finanzministerium sich dafür einzusetzem daß di, Vst-Seh»erbtüdmm durch Großenhain gehe. Rach weiterer Aussprache der Her,«« Erster Bürgermeister Ho top, Abgr Gretzschek «ch Amtshauptmann Fellisch, in der hauptsächlich betont wurde, daß die Herstellung einer Straß« Bautzen—Kamenz —Königsbrück—Oraßeichii»—Riesa da» allernotwendtgft« sei, wurden die Vorschläge unter 2. und tz. einstimmig gut- geheißen! auch mit dem Vorschlag unter 1* die veuutzuug der Auerftraße, erklärt« sich »er Bezirksausschuß etnver- staude». Bo« der Tagesordnung abaefetzt wurden zwei Punkte. «S folgte «och uich«öffe»tliche Sitzung. KMHiSklssklilMM-UlW. Di« Verhandlung in einem der letzten Tag« t« ve- trugsprozeß gegen den »Betriebsanwalt" Winter bildete ohne Zweisel den Höhepunkt in dem ganze» Verfahren. Man hatte den Eindruck, daß der Kamps Winter» einmal losgelöst war von seiner Person, baß im Gegensatz zu der Verhandlung in der ersten Instanz hier einmal völlig in die Tiefe de» ganzen Problem» der Notenaufwertung ober Einlösung eingedrungen würde. Zunächst war eS der RetchSgertchtörat Zetler, der vernom. men wurde. Er kennt, wie er angab, Winter persönlich nicht, aber auch er hat sich als Jurist mit dem Problem Noteneinlvsung und Reichsbank befaßt und ist unter gewis sen Voraussetzungen, wie Altbesitz usw. zu der Auffassung gekommen, daß eine Aufwertung ftattfinde« müsse. Der Führer der «olkSrechtpartet t» Reichstag SenatSpräsident a. D. Dr. Lobe erklärt, daß man unter- scheiben müsse zwischen alten und neuen Banknoten. Bet den neuen komme eine Aufwertung nicht in Betracht, man könne höchstens Schadenersatzansprüche geltend machen, und er halte es für bedauerlich, baß das Reichsgericht anders entschieden habe. Hier liege eine Rechtswidrigkeit vor. Bei de« Baukuote« der Vorkriegszeit liege «ach der all» gemeinen Meimmg der Rechtswissenschaft kein Zweifel vor, daß die ReichSbank z«r »olle« Etulbs««« verpflichtet sei. Bei den jetzigen Finanzverhältnissen sei allerdings an eine volle Aufwertung nicht zu denken, doch halte er «S nicht für richtig, daß gar nicht aufgewertet werbe. Man hätte mindestens nach den Grundsätzen der individuellen Aufwer tung handeln müssen. Theoretisch bestehe so ein Anspruch, praktisch sei er allerdings nach der Entscheidung des Reichs gerichts nur durch eine Gesetzesänderung zu erreichen. Auf diesem Standpunkt stehe auch die BolkSrechtpartet, doch dürfe man sich über die Stimmung im Reichstag keinen Il lusionen hingeben, jeder Realpolitiker müsse die Möglich, keit in Rechnung stellen, 4taß die Frag« ab calenbaS graecaS vertagt werde. Auf Fragen der Verteidigung über die Möglichkeiten der Gesetzänderung erklärte -er Zeuge, daß Recht bei unse ren GesetzeSmachern nicht immer das Maßgebende fei, Tre« und Glaube« verlauge die. Aufwertung. wer di« Finanzlage kenne, werd« aber der Ueberzeugung sei», daß zum mindesten in diesem Reichstag nichts geschehe. Da »je Note« Jnbaderpaviere feie«, komme «» bet der Auf. «ertuna auch nicht daraus a«, ob jemand dt« Nöte« gehan. b«lt hab«. Aus die Frage, ob dem Leuge» bekannt sei, baß «ch UW emd 10» Rote« »tt alte« Datum au»gegrbe« worden seien, erklärte er unter lebhafter Bewegung im Haale: .. sogar i« Seite« »e, Rchmblik mit de« Kaiserlichen . Dr. Wel,er fragt» «etter, ob nicht auch da» Reichsgericht mehrfach von frühere« Meinung«, abge- aange» fei. SenatSprästdent Dr. Lobe bestätigt« die», lehttaber hinzu, daß da» RetchSaertcht tnnverhin auf dt« politisch« und wirtschaftliche Lage Rücksicht nehm«. LanbgertchtSdtrektor Dr. Saar au» Landshut erklärt«, daß er keine Banknoten besitze, aber sich immer für die Ein- .sösuna eingesetzt habe. Leider beschäftige« sich viel zu wenig Juristen mit Reser wtchttge« Krage. RetchSgertchtdrat Hüfner entwickelte sehr eingehend feine Auffassung von der Emlö- su«g»pflicht der Retchsbank. Er habe selbst fett Juni 1028 vor- träge für die RetchSbankglSubtger gehalten. Au» de« Be such der Bersammlungen habe er erkannt, daß e» sich um eine Volksbewegung handle. E» feien ihm auch Kanbtba- turen für den Reichstag und den Sächsischen Landtag ange boten worden, die er aber abgelehnt habe. In erster Linie müsse man die Kernfrage, ob dt« BorkrtegSnoten durch dt« Inflation entwertet seien, verneinen. Er hab« immer be tont, baß der Richter Nicht nur StaatSdtenrr, sonder« auch Priester de» Rechts sein müsse. Wenn seinerzeit die Revt- fion vor dem Reichsgericht keinen Erfolg gehabt habe, so offenbar deswegen, weil dem Senat nicht genug Material unterbreitet worden sei. Man hab« auch di« Menschen da- mit geschreckt, baß man von einem neuen Ehao» der Infla tion gesprochen habe. Gr glaube, Material in den Hände» zu haben, aus dem schlüssig hervorgehe, baß die Banknote« täglich fällige «erbindlichkette» »er Reichs»««! feien. ES seien Verbindlichkeiten in Gold ober GolboLlt- gationen. Das Gesetz vom 4. August 1914 entbinde die Reichsbankhauptkasse nur bis auf weiteres vo« der Pflicht zur Einlösung. Auch a«S dem mit Rußland in Brest Litowsk geschlossene» FrtedenSvertrag gehe hervor, baß man die Reichsbanknoten noch als Golbnoten angesehen habe. Dr. Schacht habe auch selbst geraten, baß die ReichSbank ihre Pflicht gegenüber den Gläubiger« erfüllen oder eine« Vergleich schließ«» solle. Damit könnten nicht nur die AuSlanbSgläubiger ge meint sei. Nach längeren Ausführungen schloß ReichSae- richtSrat Hüfner mit den Worten, baß doch Recht wies« einmal Recht werden müsse. Auf Vorhalt de« Vorsitzenden erklärte Zeug«, daß er seine Ueberzeugung dargelegt habe, auch nach Ansicht seiner Kollegen sei seine Auflassung durchaus nicht unmöglich. Auf Befragen von Rechtsanwalt Dr. Gack erklärte der Zeuge weiter, daß er sich gefreut habe, daß Winter den IV. Senat nach seinem Urteil in Schutz genommen habe, an diesen Richtern hafte kein Makel, man müsse auch die Not- zett deS Vaterlandes berücksichtige«. Er komme aber zu dem Schluß, daß seine Auffassung die richtige sei. ES kamen noch andere juristische Meinungen z« Gehör, die für Winter durchaus nicht ungünstig waren, -um min desten hinterließ dieser VerhandlungStag — ohne btt Rechtsfindung vorgreifen zu wollen — daß dem Angeklag ten der gute Glaube in Hinsicht auf die Rechtmäßigkeit fei ner Ziele wohl nicht abzusprechen sein dürfte. dieser zierlichen, an Stelle des früheren edlen Elfenbeins aus Galalith gefertigten Chips oder Svielmarken zum Dorschein. — 2n diesem Augenblick hob das eigentümlich Rinne Klingen eines Glöckchens an. Wehmütig spitzte der Greis die blutleeren Lippen. »Hören Sie, chere Baron . . . das ist in der letzten Woche das andere Mal. Niemand vermag es diesem steinatten. irre gewordenen Monsieur Bankeur mtt Erfolg zu verbieten. Selbst die hohe Polizei richtet nichts aus. Seitdem seine beiden Söhne sich hier . . . aus Versehen erschossen, läßt er jedesmal dies schreckliche Ding ertönen, sobald einer diese Luft hier mit dem Leben bezahlt. Zufällig erfuhr ich von dem Portier Näheres über den Fall. Der neue Mann hat nicht nur sehr viel Ausweise bei sich gehabt, sondern auch noch Bargeld. Ein Herr Lahberg aus Berlin übrigens. Erinnern Sie sich, den Namen hier gehört zu haben? Ich Nicht. Gehört also wohl nicht zu unserem Kreis . .." .Lahberg ... so, so!" wiederholte der neue Jürgen oon Kerst und lachte dabei laut auf. . . Der Alte streifte ihn Mit einem furchtsamen Blick. „Sie sehen schlecht aus, Baron. Das fiel mir schon vor «in paar Stunden in der Halle auf. Was haben Sie?" „Fieber," antwortete Kerst leichthin, „eine Kleinigkeit Fieber . . ." „Sie schwanken ja, Baron . . ." „Wirklich? Nun, da werde ich umkehren und mich Ms Veit begeben . . ." „Und morgen nicht abreisen. Denn glauben Sie mir, junger Freund, es gibt keine Sache, die übermorgen nicht ebenso gut gebessert werden könnte, als heute oder morgen." Endlich. Mit kleinen hüpfenden Schritten entfernte sich der Alle, damit einer dringend geäußerten Bille entsprechend. Langsam kehrte der Baron in das Hotel zurück. Einen Augenblick kam ihm der Gedanke, ob er nicht auf der Reede oon Monaco — anstatt nach Berlin — mtt einem der neun unddreißig Dampfer der White Star Line oder der Canadian Pacific, etwa mtt der „Adriatic", die in den allernächsten Tagen einlaufen mußte, in die Ferne unter tauchen sollte... für immerl Aber der blitzartig austauchende Gedanke vermochte nicht ... zu haften. Er wurzelte Mit jeder Faser M seinem Deutschland. Da», was er in einer ihm nicht mehr verständlichen Verwirrung begangen hat, entbindet ihn noch nicht von dem freiwillig geleisteten Treuschwur, der sich zum Dienst am Baterlano oerFflichtet. Dies Treugelöbnis wird nur mtt seinem letzten Atgmzua eingelöst. Solange blieb die Verpflichtung be stehen. Ja ... er fühlte deutlich, daß sie durch das furcht bare Geschehnis noch gewachsen ist . . . fick verdoppeln . . . verdreifachen... ins Unendliche schließlich steigern muß. Was bedeutet im Grunde genommen dann auch der Name? Ein Aushängeschild, da» freilich sein muß, damit sich die verschiedenen Käufer von fremder Kraft, fremdem Rat und fremden Ideen leichter zurecht finden . . . Sonst nur einen Klang, dem einzig der Träger — der einzelne — die Bedeutung aufprägt... Er fror wieder. Seine Knie zitterten. Ein ohnmächtiges Gefühl von Hunger brannte in ihm. Daran merkte er erst, daß er fett gestem keinen Bissen zu sich nahm. Das Qualvollste aber — die Reue über das Begangene — war verschwunden. Ein gespannter starker Wille, der diesmal noch alle körperliche Schötchen überwand, sammelte sich zur neuen Gestaltung seine» äuße ren Lebensrahmen». 2m Grunde genommen war der be deutungslos. Lediglich Gewohnheit und Sitte stempelten ihn ßpr WichttgkeG Di« harte Wettchett-eine» atten Züchters, die ihm in allen früheren schweren Zeiten zum Stab ge worden, stützte ihn wieder: „Wer nicht geschunden wird, wird nicht gescheit!" Damit schloß er seine Vergangenheit ab. Das kläglich dünne Sterbeglöckchen des unglücklichen Vaters behielt Recht: „Friedrich Laßbevg war tot! — Sanft ruhe seine Asche!" „Wo der wohl schon am frühen Morgen und noch dazu im D-Zug zu diesem prima Rausch gekommen ist", wundert« sich der Führer der Kraftdroschke, welche Jürgen von Kerst — auf dem Anhalter Bahnhof angelangt — bestieg. Dieser Zustand war böser als alle Nachwirkung unmäßigen Alkohol genusses. Er entrückte Kerst im Augenblick sogar seiner Verpflichtung, an das Gepäck zu denken. Der gemütliche Träger sorgte aber väterlich und verständnisinnig für alle». „Ra . . . wohin wollen wir uns denn nun einschiffen", versuchte der Chauffeur das Ziel dieser Fahrt zu erkunden. Der Befragte hatte aber stark die Empfindung, al» drehe sich das Karussell, dem er sich anvertraute, viel zu schnell. Er war um die Antwort verlegen. Schwindelgefühl — Uebelkeit und Angst vor einem Sturz in die Tiefe, der ihm beschlossen erschien, verwirrten ihn. „2ch kann nicht mehr", stöhnte er heraus. „Ein außerordentlich steifer Mokka und ein paar Kognak» werden besser helfen, als saurer Hering oder kalt« Umschläge mtt Zanke von Mutter", folgerte der Chauffeur, kurbelte kurz entschlossen den Motor an, fuhr los und lenkte, als es so weit war, zu Casö Iosty hinüber. Diese Mittel erwiesen sich in der Tat als ausgezeichnet. Die wilden Drehungen verlangsamten sich, um schließlich auf zuhören. Die Furcht vor dem Zerschmettertwerden in bodenloser Tiefe verlor sich gleichfalls. Nur die Uebelkeit verblieb. Immer besann sich Jürgen von Kerst jetzt wieder ganz genau auf das, was er vorhatte. „Fahren Sie mich zur Deutschen Lank in der Mauer- stratze und warten Sie auf mich , gebot er. Denn das Geld, von dem er bereit» unterwegs im Auftrag de» verstorbenen Friedrich Lahberg zur Deckung der für Andreas Triffberg geleisteten Bürgschaft die volle Summe an den Geldgeber überwiesen hatte, mutzte vor allen Dingen, bi» auf eine Kleinigkeit, in Sicherheit gebracht werden. — Damit verging eine geraume Zeit. In den geschlossenen Räumen der Lank wandelte ihn abermals ein Trennungsgefühl von dem sicheren Loden, auf dem er doch stand, an. Ein neben ihm vor dem nämlichen Schatt« harrender Kunde schob ihm zur rechten Zett «inen Stuhl unter. — Aber auch diesmal ging e» verhältnismäßig schnell vorüber... um wtederzu- kommen, ihn zu würgen und zu peinigen, als er seinen Namen — zum erstenmal den neuen Namen — schreiben sollte. — Er batte noch allerhand Wichtiges zu er- ledigen vorgehabt. Da» mußte unterbleiben. Ihm blieb nicht» übrig, al» nunmehr ungesäumt in seine Wohnung — Dorotheenstraße — zu fahren. Die Schlüssel befaß er ja! Irgendwelche neugierige Fragen von Domestiken hatte er nicht zu fürchten. P. A. Krumbholz belobt« ihn ausdrücklich wegen der Entlassung de» Diener« in seinem sonst nur tadekttden Brief. Immerhin könnte es möglich sein, daß der Zufall jemand au» der Familie seiner . . . Braut — viel leicht gar diese in eigener Person — zu der Stund« I«tn«r Ankunft in f«tn Junggesellenheim führte. Denn, obschon Krumbholz keinerlei Antunstsmeldung oon ihm «hatten, mochte er die Rückkehr de» Schwiegersöhne» dennoch in diesen Tagen erwarten und di« »raut ebenso. Vielleicht wurde gerade, al« er die« entsetzt in Betracht «ine Las« oon ihr mtt Rosen gefüllt . . . Da» Unbehagen, diese Woh- nuim bereits in der nächsten halben Stunde betreten zu müssen, verschärfte sich zum Grauen. Er fühlte sich zurzeit auf kehien Fall der Rolle gewachsen, die durchzuführen doch Lebensbedingung für ihn geworden war. „Fahren Sie mich noch nicht sogleich zur Dorotheenstratze/ rief er, jedes Wort mühsam formend, dem Chauffeur zu. „Wohin denn nun aber," ratschlagt« er sorgenvoll. „Mir völlig gleich. Nur langsam... müssen wir voran — ganz langsam . .. Damit griff er in die Tasche und schob jenem einen scheinbar bereitgehaltenen Zwanzigmarkschein nach vorn. Die Braut des Chauffeurs war in der Ziegelstraße beschüf- ttat. Mehrmals aus seinen Fahrten, al» der Führer de» Wagen» dies nicht in Betracht gezogen, hatte er sie — — mtt Netz und Markttasche — leichtfüßig in dem Gewicht des Verkehrs erspäht. Gar zu gern hätte tzr heute mtt ihr für einen der Ochsten Abend« eine feste Verabredung getroffen. Deshalb nahm er den Weg dorthin. Unhörbar sanft glitt der Wagen über die stolze Monbijoubtücke. Der hoheitsvolle Kuppelbau de» Kaffer- Friedrich-Museums warf einen dunkel irrenden Schein nach dem Wasser hinüber. Das ehemalige Kasino de» fast schon zur Sage gewordenen Kaiser Alexander-Garde-Grenadier- regiments — mtt den einstigen Kasernen zur Rechten — zeigte seine niederen, ehrwürdig und altertümlich wirkenden Um risse. Lin Stück traditioneller Vergangenheit, da» der Segen- wart geschickt angevaßt war, glitt vorüber, vor der Kasern«, dem Heim der Schupo, standen jetzt ein paar blonde, kraft volle Polizisten, die unbedingte» Vertrauen in die öffentliche Sicherheit einflößten. Die untere Fensterreihe de» einstigen Kasino» zeigte «ine modern eingerichtete Schreibstube. E» war alle» m Ord nung, nur die leichtfützige Liebste wollte sich heute nicht zeigen. Hinter der Brücke begann das Gewirr aller Strichen. Wild brandete der von allen Seiten zusammenlaufende Ver kehr. Krankenwagen rollten aus weichem Gummi ihren Zielen entgegen. In der Lust ding «in unbestimmbarer Geruch. Ein Gemisch an» brodelndem Lee, unverkauft gebliebenen Fischen — fauligen Gemüseabfällen und Les- mfektionsmiüeln jeder Art. Die Kolosse der Kliniken standen piche beieinander. Aus einem mächtigen Schornstein schwoll dicker, schwarzer Rauch gen Himmel. „Da» fft hier die Frauenklinik, glaubte der Chauffeur erklären zu müssen, „do hat im vorigen Jahr meine Lene lange liegen müssen." Dafür schien sein Fahrgast keinerlei Interesse zu haben. Veletdlgt sparte M der Gutmütige wettere Erklärungen und nahm ein schnellere« Tempo, bk» er, hart hinter feinem Rücken, ein deutlich« Röcheln vernahm Jürgen von Kerst war zur Hälfte von seinem Sitz herab- geglttten. Da» Röcheln entrang sich seinen ichmerzverzogenen Lippen. — Blitzschnell überlegte der erschrockene Lhemffeur: „Line Unfallstatton, in die er von recht»- und ltnk»w«gen reingehörte, ist nun ja di« Universitätsklinik gerade nicht Aber sie find da keine Unmenschen. Der alte Geheimrat Sold auf der ln. Medizinischen hat mich schon zweimal vom Tod errettet. Der ist wirklich von reinem Sollt. Und die Ober- Ickwester — sie hat sich zwar nun auch «inen Bubikovi schneiden lassen, was mein« Lene nicht darf . . . aber ihr hey ist gut, und klug ist sie sehr ... Wo soll ich denn wohl sonst auch mtt dem Unglückswurm hin? — Man lo» — man lo» . . ." — und er wendete und lenkte seinen wagen dort- hin. So durste Jürgen von Kerst für ein« Weil« oon dem Wirbelsturm ausruhen, in den ibn iene AbaMttmden von Monte ^>7^? oerUen hatten
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