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184 .Ich habe keine Lust mehr, mit meinem Gelbe Deine Leidenschaften z« fördern." Einen Augenblick stand Jordan sinnend, zögernd da. Er fühlte wohl, daß Franz ihm überlegen war, daß er bei dem ge- heünen ehrlosen Kampfe den Kürzeren zog. Plötzlich zuckte es in seinen Augen auf. Ein Gedanke, ein Ausweg, nein, eine Möglichkeit, doch noch zu siegen oder doch sich rächen zu können, stieg im Innern dieses verworfenen Mannes auf, der durch die Leidenschaft des Spiels von Stufe zu Stufe hinabgedrängt worden war und nun vor der Verzweiflung stand. »Du bleibst also bei Deinem Entschlüsse, mir nicht helfen zu wollen?" fragte er. .Es muß allem zwischen uns ein Ende gemacht werden," antwortete Franz und wandte sich ab, „diese Räume sind für immer für Dich verschlossen! Wir haben nichts mehr mit eii'- ander zu theilen!" „Dann sollst Tu mich kennen lernen!" drohte Jordan bleich vor Zorn, „Du wirst Deine Worte bereuen!" Er schritt aus dem Zimmer. Als er aus dem in nächtlicher Stille daliegenden Palais in's Freie trat, fiel Helles Mondlicht auf seine Gestalt und auf sein Gesicht. Jordan lächelte gehässig. .Das wird eine Ueberraschung geben," murmelte er, „und wer weiß, was da sich Herausstellen wird!" Er schritt zu einer entfernten Stelle hin, wo ein Wagen hielt. Auf dem Bocke saß ein Kutscher, der auf ihn wartete. Nun stieg Jordan auf den Wagen und rief dem Kutscher den Befehl zu, nach Wildenfels zurückzufahren, wo der Kutscher ousspannen sollte. Gleich darauf zogen die Pferde an, und der Wagen rollte auf dem nach Wildenfels führenden Wege schnell dahin. Es mochte zwei Uhr des Morgens sein, als die Pferde vor dem Gasthofe zur Post anhielten, in welchem nun bereits lqngst Stille und Dunkelheit herrschte. Die große Thür war verschlossen. Jordan stieg vom Wagen und zog an der Hausglocke. Eine geraume Zeit verfloß, bis endlich die Hausthür auf geschlossen wurde. Der alte Andreas, eine brennende Kerze in der Hand haltend, stand vor Jordan. .Sie sind cs, Herr Jordan?" fragte er. .Schon wieder zurück von Rudelsburg?" .Ich bin müde und will hier bei Ihnen einige Stunden schlafen, Andreas morgen früh fahre ich weiter nach der Stadt; es würde auch für die Pferde zu viel werden, wenn ich ihnen zumuthen wollte, jetzt noch dm weilen Rückweg anzutreten." Ter Kätscher war vom Bock gestiegen. .Ich komme gleich," rief Andreas ihm zu, dann wandte er sich an Jordan, »ich will Sie hinaufführen, das Fremden zimmer oben ist in Ordnung, Sie können sich da sogleich zur Ruhe niederlegen." Beide stiegen die alte, breite Treppe hinauf. Oben öffnete Andreas eine Thür. Es war ein hübsches, zweifenstriges Zimmer mit einem Bett und einfacher, aber sauberer Einrichtung, in welches Andreas seinen Gast führte. Er zündete die Kerzen an, dann wünschte er Jordan eine gute Nacht und entfernte sich, um den Kutscher und die Pferde mm ebenfalls unterzubringen. Jordan schien mit seinem Plane zrifrieden zu.sein , denn er lächelte vor sich hin, als er sich zur Ruhe begab und die Kerzen auslöschte. Am andern Morgen befand. Andrea- sich bereits uitten in der Gaststube, als er Tritte auf der Treppe vernahm. Er legte die Zeitung, welche der Postbote ihm soeben überbracht hatte, und seine Brille bei Seite und erhob sich. Jordan trat ein »nd nickte Andreas zu. „Guten Morgen , Herr Jordan," sagte dieser, „wünsche wohl geruht zu haben," und nun holte Aydreas selbst den Kaffee auf einem blitzenden Brett für dm Gast herein, der sich an einen der Tische gesetzt hatte. „Ich habe da noch einen Auftrag für Sie» Andrea-," wandte Jordan sich an den Alten, während er sein Frühstück einnahm, „der Baron hat eine Ueberraschung vor. Ich habe ihm von dem neuen Musikanten erzählt, der hier bei Jhnm spielt — wie heißt er doch?" „Hildebrand, Herr Jordan." „Na, ja, meinetwegen, Hildebrand also," fuhr Jordan fort, „der Baron will, daß dieser Hildebrand heute Abend im Palais erscheinen und dort spielen soll." „Wohl weil der Mann dem Baron Hellmuth so ähnelt?" „Ja, der Baron will ihn um jeden Preis heute zum Polterabend im Palais haben, und er läßt Ihnen daher sage», daß Sie dm Musikanten hinschicken sollen. Der Baron wird ihn selbstverständlich ansehnlich dafür bezahlm." „Das wird Hildebrand sich gerne verdienen!" „Ich denke das auch, Andreas, man muß einem solchen armen Schlucker etwas zuwenden, wenn man kann. Ich würde ja selbst zu ihm gehen und ihm die Bestellung überbringen, aber meine Zeit ist knapp." „Das ist auch gar nicht nöthig, Herr Jordan, ich werde Hildebrand gleich nachher herrufm lassen und ihm den Wunsch des Herrn BaronS mittheilen. Hildebrand kommt da uoch in Ruf und wird ein berühmter Mann, nun er hier spielt und be kannt ist. Na, ich gönne es ihm. Er ist ein stiller, ordent licher, fleißiger Mann. Ich freue mich darüber, daß ich ihm das zuwenden kann." „Also sorgen Sie in jedem Falle dafür, daß er hingeht! Der Baron rechnet bestimmt darauf. Er will ihn sehen uud spielen hören. Es soll das wohl so etwas Mi» eine Ueber raschung werden. Ich binde Jhum die Sache daher auf die Seele, hören Sie, Andreas?" „Sie können sich ganz auf mich verlassen, Herr Jordan. He, Johann!" rief der alte Andreas. (Fortsetzung folgt.) Denk- uud Tirmsprüche. O wäge nicht Ein rasche» Wort! Im Scherz entfloh'» dem Munde, Beklagt, bereut ward'» in derselben Stunde; Wa» nur der Mund, nicht auch die Seele spricht, Da» wöge uicht. Pass arge. Wer zwingen will die Zeit, den wird sie, selb« zwingen, Wer sie gewähren läßt, dem , wird sie Rosen bringen. Laß' ungebraucht die Stunde nicht vergehen, Vielleicht will keine zweite dir beginnen; Laß ungebrochen keine Ros« stehen, Vielleicht mußt vor der Rose du von hinnen. F. E roß, Herz, traue deinem Retter, Der seine» Buud» schenkt, Und Sonnenschein und , Wetter Und Trost in Thränen schenkt. K., Uerok. Druck von Langer L Winterlich tu Riesa. Für die Redaktion verantwortlich: H. Schmidt in SW-. CrMer an der Llbe. Belletrist. Gratisbeilage za» Messer Tageblatt". «r. 4«. Niefa, de« 1«. Roueueder 18GL. LS. -ßchdW. Das Irrlicht vou Wildeufels. Original-Roman an» unseren Tagen von B von Brühl. (Fortsetzung). „Morgm ist doch Polterabend drüben in Rudelsburg, große Festlichkeit, und zwei Tage darauf ist Hochzeit," fuhr Andreas fort. „ES ist ja Alles in der Stadt bestellt wordm, die theuerstm und seltensten Gerichte, indische Vogelnester, Schildkrötensuppe, Austern, Hummern und wer weiß, was Alles noch. Und di« Kuchen und die Torten! Da ist ein Baum kuchen bestellt, auf dem stehen auf dm Zacken lauter kleine Fi guren, welche sich bewegen, und oben ist eine Krone darauf, und ein Bienenkorb von Macronen, dm umschwtrren lauter Bienen." Jordan'- Gesicht hatte sich zu einem spöttischen Lächeln verzogm. .Dann heirathet der Baron Franz also wirklich die arme Tochter des Rendanten?" fragte er. Ich glaubte immer noch, daß nichts daraus werde« würde. Da ist er ja diesmal or dentlich standhaft and beständig gewesen. „Na, Sie kennen den Herrn Baron doch am besten, Herr Jordan, Sie find ja lange genug da im Comptoir gewesen," meinte Andreas. „Ja, eine lang« Zeit." „Und da haben Sie sich so viel gespart, daß sie jetzt schon seit Jahrm fein und sorgenlos in der Stadt leben, Ihr Leben genießen können." „Man hat sich ja auch gequält gmug!" . Ra, die Herren haben «S doch nicht so schwer gehabt," schmunzelte der alte Andreas, „der junge Baron hat immer große Stücke auf Sie geholten, Sie warm doch so zu sagen mit ihm befreundet —" „DaS bin ich auch heute noch." „Wenn der Baron Franz ausritt, dann war toch Herr Jordan auch mit dabei, «nd wenn irgmdwo ein Fest war, dann war Herr Jordan doch immer mtt dem Baron da." „Baron Franz und ich, wir warm immer sehr mg ver bunden." „Da fällt mir ein, Herr Jordan —." Andreas näherte sich dem Gaste ganz, „von dem grünen Zimmer ist wohl immer noch nichts heraus?" Jordan zuckte die Achseln. „Wenn Sie etwa nichts wissen —" antwortete er. „Die Untersuchungen sind damals im vorigen Jahre alle vergeben» gewesen, wie ich gehört habe." „Ich glaube, die Leute zerbrechen sich da ganz unnütz den Kops." Die Töne der Geige schallte» wieder durch dm Saal. Der Tanz begann »« Neuem. „Wie meinen Sie, Herr Jordan?" fragte Andreas neu gierig. „In dem grünen Zimmer ist garutchts! Das grüne Zimmer ist auch g-rwicht Schuld daran, daß der alle Döring und dann Hellmuth da dm Tod gefunden haben, daS hängt noch ganz ander- zusammen!" Jockwn trank aus dem Glase, welche» Andreas, ihm ge reicht hatte. „Ganz anders?" wandte dieser sich an Jordan, „aber wie denn nur? Es weiß ja noch keiner etwas!" „Die Sache ist meiner Meinung »ach ganz einfach, An» dreas. Der alte Baron hat etwas eingenommen. Gift meine ich. Und Hellmuth hat vielleicht von dem übrig gMichmw» Gift noch etwas geftmdm, uud al» er sah, daß sei« Sache schief ging, hat er e» wie sein Later gemacht." „Das glauben Sie?" „Wie soll es denn auch ander» zusammenhäng«?' fuhr Jordan fort. „ES geht im Leben alle» natürlich zu, alter Freund! Was soll eS denn da in dem grünen Zimmer geb«?" „Die Leute sagm immer, der TodrSengel da in dem grünen Zimmer —" „Lassen Sie sich doch mit solchem dmmnen Zeuge nicht auSlachm, Andreas!" „Dann wissen Sie wohl garnicht, daß auch der Polchri- kommifsar damals und kurze Zeit darach auch Fräulein Asdeth fast in dem grünen Zimmer um'S Leb« gekommen wär«?" „Die hat Hellmuth geliebt, da» ist da» Ganze, «d Hckl- muth —." In diesem Augenblick verstummte Jordan. Er hatte zufällig durch den Saal z« dem MchGant« hinübergesehen. Nun hosteten seine Blicke ach demselben , wie wenn er heftig erschrak. „Eh, daS ist ja merkwürdig," sagte er. „Wick für eine» Spieler haben Sie denn da, Andrea»? der sieht ja fast so au» wie —." „Wie Baron Hellmuth, nicht wahr?" ergänze Audvea», „ich hab' da» auch schon gesund«. Der Spicker ähnelt dem Verstorbenen sehr. Und er hat auchDa» ganze eruste/ptlle Wesen von ihm." „Wie heißt denn der Mensch und wo ist er her?" „Er muß weit hergekommen sei», HiGebrand hckßter." „Es ist ein merkwürdiger Zufall, daß er gerade so auS» sieht wie der Baron Hellmuth, etwas älter nur, und verwildert sieht er aus —." Da begegnet« die lauernden Bücke Jordan'» dauhrchge» des Spieler». ES war, als schoß «in düster nchlodandevSsttz au» dm Augm deS Spielers zu Jordan hin. DaS ließ diesen noch mehr stutze». Doch jetzt sah Hildebrand sch« wich« fock und Lest fei« Augen träumerisch über die tanzend« Paare hiugleitm.wte wmn ihn hier nichts sonst kümmerte. „Hm," brummte Jordan, „da» ist mir dochfcktsam »nd eigenthümlich." „Ich nahm ihn« eigentlich nur a», weil « dem-siWM Baron ähnelt und well er mir leid that," sagte Wchomß, -zmck nun ist da» sehr zu meinem Bortheil anSgchchlag«. Seitdem Hildebrand hier spielt, ist mei» Saal a»1chim Smmchg^wL." „Aber Sie schein« ihn schlecht Pi bi^hl«, B»d«A.- „Was der Vorig« bekomme» hat, da» bekmumt er auch. Er braucht nicht viel für sich, wie e» scheint, er pntzbHch mech nicht, aber sauber «nd anständig sieht er immer an»." Jordan leerte sein Gla». „Sie wollen wohl heute noch nach NndckSbupgwMkr^ Herr Jordan?" fragte der alte Andrea».