Volltext Seite (XML)
Riesaer G Tageblatt 48. Jahr« Da« Ries,« Logeblatt «rfchriut jrd« Log Abends mit AuSmchme der Sonn- und Festtage. Biertrljöhrlicher vezugSprei» bet Abholung tn den Expeditionen tu Ries« und Strehla, den Ausgabestelle«, sowie am Schalter der kaisrtt. Postanstaltm 1 Mark 2S Pf., durch die TrSger frei in» Hau» 1 Mark SV Pf., durch den Briefträger frei tn» H«u» 1 Mark 6S Pf. Un-eigrn-Ammhme für die Nummer de» Ausgabetage» bi» Bormtttag v Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer » Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kaftauleustraße SV. — Für di« Redaktion verantwortlich: Herma«» Schmidt in Riesa. Die deutsche überseeische Handelsflotte hat sich in den letzten Jahrzehnten in ungeahnter Weise ent» wickelt. Sowohl die Zahl, als auch die Größenverhältnisse unserer Handelsschiffe haben sich gewaltig gehoben. Erfreulich ist, als ein Zeichen der vlüthe der heimischen Industrie, daß der Bau vornehmlich die deutschen Wersten beschäftigt hat. Wie enorm die Summen sind, die hier in Frage kommen, kann man daraus sehen, daß allein der Norddeutsche Lloyd in den letzten zehn Jahren an deutsche Werften für theil« auSgrführte, theils bestellte Neubauten und größere AuS- besserungen etwa 80 Millionen Mark bezahlt hat. Im Ganzen find seit dem Jahre L88S vom Lloyd 21 große überseeische Dampfer und außerdem 13 kleinere Dampfer auf deutschen Werften gebaut worden. Auf englischen Werften sind während dieser Zeit nur wenige Dampfer für deutsche Rechnung hrrgestellt, und zwar nur dann, wenn ein sofort zu befriedigendes Bedürfniß vor lag. Denn darin sind uns di« Engländer noch voraus, daß sie schneller bauen können. Da England im Besitz der größten Handelsflotte der Welt ist, so hat es auch natürlich den größten Bedarf an Neubauten, und diesem ist auch die Leistungsfähigkeit des Schiffbaues und vor Allem die Stahl- und Eisenindustrie angepaßt. Unsere heimischen Hüttenwerke konnten sich naturgemäß auf Lieferung so großer Mengen Schiffbaubedarf nicht einrichten, weil der Gesammtbedarf unserer Werften gegenüber den englischen wesentlich geringer ist und daher die vortheilhafte Ausnutzung größerer Anlagen zur Herstellung von Schiffsmaterial nicht gewährleistet erscheint. Je mehr sich aber der deutsche Schiffbau entwickelt, desto mehr wird sich auch die Leistungsfähigkeit der deutschen Hüttenwerke nach dieser Richtung hin ausbilden und de« Bedarf entsprechend anpaffen. Die deutschen Reichs postdampfer sind schon fast durchweg aus deutschem Stahl gebaut worden, der von ersten deutschen Firmen, wie Krupp und Hörde, stammte ; bei den anderen Dampfern mußte aber vielfach englisches Erzeugniß herangezogen werden, weil außer der schnellen Lieferung auch doch die Preisfrage maßgebend war. Sowohl die Rhedereiea wie die Werften find aber bestrebt, auf Mittel zu sinnen, wie man auch in Zukunft den heimischen Hüttenwerken die gesamutte Materiallieferung zu wenden kann. Die Hebung unserer Handelsflotte ist aber nicht nur für die deutsche Arbeit von große« Werthe, auch zu der Stärkung unserer Kriegsmacht hat sie nicht unwesentlich bei getragen. EinegroßeAnzahlunsrerSchnelldampfervomLloyd und der Hlwburg-Amerika-Linie find jetzt schon vertragsmäßig für den Kriegsfall in den Dienst de- Reiches gestellt, und durch die kürzlich bestellten Neubauten wird diese Hilf-flotte eine sehr werthvolle Verstärkung erfahren. Ts ist ferner zu be denken, daß durch die Ausdehnung unserer überseeischen Fahrt der Kriegsmarine eine ausgezeichnete Ergänzung an Offizieren und Maschinisten geliefert wird. Für die Offiziere ist die Fahrt «it ihren großen, in strenger Disziplin geführten Dampfern eine vorzügliche Schule und eine bester«, als sie auf den «ehr oder minder patriarchalisch geführten Segel- schiffen erzielt werden kann. Und dann die Maschine, die heute die Seele der Schifffahrt ist! Wo sollen wir den kriegsrrsatz an Maschinisten finde», der die so ungemein komplizirten Maschinen der Kriegsschiffe zu lenke» und zu bedienen vermag, wenn wir nicht auf unseren großen über seeischen Dampfern eine Schule haben, auf der unter unge fähr gleichev Verhältnissen gearbeitet wird? Jeder große Schnelldampfer bedeutet also für unsere Wehrkraft znr See eine Bereicherung und Verstärkung, die nicht unterschätzt werden darf. ES braucht wohl kaum noch besonders hervorgehobea zu werde«, daß unsere große und starke Handelsflotte da» An sehen de» deutschen Namens i« Auslande gestärkt hat. Die Macht de» «eiche» wird jenseits des großen Ozean» nicht nur nach seinen Kriegsschiffen beurtheilt, die sich doch nur selten in allen Häfen zeigen können, sondern auch nach seinen Handelsschiffen, die ebenfall» die Sröße des Vaterlandes in fernen WeUgegenden vertreten. sich in Frankreich, Spanien, Oesterreich und Rumänien be finden, die Brieffperr« eingeleitet w»rden. Die dabet in Betracht kommenden Firmen oder einzeln«« Personen wohnen hauptsächlich in Pari», Montpellier, Bordeaux, Barcelona, Pest, Bukarest und Wien. Diese Maßregel soll hauptsäch lich auf Betreiben der Staatsanwaltschaft in Potsdam zu rückzuführen sein. Die neu errichtete russische Gesandtschaft am großherzog lich hessischen Hofe zu Darmstadt wird, nach russischen Blättern, au» einem Minister-Residenten und einem GesandtschaftSsekre- tär bestehen. Ersterer ist auf einen Etat von 8000 Rubeln gestellt, letzterer auf einen solchen von 2500 Rubeln. Der letzte Bankkrach wird in der Presse noch eifrig er örtert und man sucht allerwärtS nach den Schuldigen und nach den gründen, die zu dem krach Veranlassung gaben. So lesen wir z. v. in der „Post": Unter den Gründen der in den thatsächlichen Verhältnissen nicht begründete» Häufle der meisten börsengängigen Papiere an der Berliner Börse hat ohne Zweifel die sichere Erwartung der Konversion der preußischen Konsols eine große Rolle gespielt. Die KourS- Preisen beim Eintritt der Konversion aus der Zahl derer, welche sich mit einem herabgesetzten Zinsfüße nicht begnügen könn n oder wollen, noch Käufer zu finden. Diese Hoffnung wäre nack den Erfahrungen früherer Jahre nicht unberech tigt gewesen, und in der hierin liegenden Gefahr für den Nationalwohlstand ist ohne Zweifel eines der schwerstwiegen- den Bedenken gegen die Herabsetzung des ZinSstiße» so großer Summen, wie sie die Reichs- und StaatSkonsolS zu 4 repräsentiren, zu erkennen. Kürst Hohenlohe hat sich ein un bestreitbares Verdienst dadurch erworben, daß er durch seine AeußeruNgen über die Zinsherabsetzung diesem Treiben einen kalten Wasserstrahl applicirte. Derselbe hat freilich die ein mal in« Rollen gekommene kugel nicht aufhalten und den jetzt so jäh eingetretenen Niederbruch nicht verhindern können. Soweit darüber noch Zweifel bestehen konnten, ob trotz jener Aeußerungen des Fürsten Hohenlohe da» Schwergewicht der Thatsachen nicht doch noch zu einer Zin-Herabsetzung wenig stens auf s^/,°/o drängen werde, so find diese Zweifel durch den Börsenkrach vorläufig beseitigt. Jetzt ist vor der Hand an eine Zinsherabsetzung der vierprozentigen Reich»- und Staatspapiere nicht zu denken. Auch die Konversion der landschaftlichen Pfandbriefe, welche zum Theil bereit» i« Gange ist, wird durch die Lage de» Geld«arkteS wenigsten» für den Augenblick unendlich erschwert, wenn nicht ganz ver hindert werden. Wie die durch denkrach der Börse bedingte Erhöhung de» Wechseldiskont» Handel und Industrie schädigt, so werden daher durch die Sünden der Börse auch die In teressen de- Grundbesitzes geschädigt: Ein Grund mehr, in nerhalb der durch die Interessen de» Erwerbsleben» gezoge nen Schranken dem Mißbrauche der Börse zu reinen Spiel zwecken einen Riegel vorzuschieben. Jedenfalls ist es nur eine gerechte Strafe, wenn durch die Ueb-rtpekulation der Börse selbst und deren Folgen die große Zinsherabsetzung, an die sie so große Hoffnungen knüpfte, vereitelt oder doch in weitere Ferne gerückt ist. Insofern jetzt die Besitzer der 4prozentigen Konsols mit voller Ruhe sich ihre» Besitze» er freuen und auf längere Zeit der Zukunft mit Ruhe entgegen sehen können, liegt mithin tn de« Mißbrauch« der Börse doch auch ein Moment der Beruhigung für wette kreise soliden Kapitalbesitzer. In Breslau begann gestern Vormittag die Beryand- lung gegen den Abgeordneten Liebknecht wegen Majestäts beleidigung. Der Zuhörerraum war überfüllt. Nach Schluß der Verhandlung beantragte der Staatsanwalt ein Jahr Gesängniß, Aberkennung de» ReichStagSmandat- und sofortige Verhaftung. Der Lertheidiger Rechtsanwalt Frrudentbal beantragte Freisprechung. Der Gerichtshof verurtheilte Liebknecht zu vier Monaten Gefängniß; auf Verlust des Reichstagsmandat» wurde nicht erkannt. Wie nach der „voff. Ztg." au» London verlaute^ schwebea auf Anregung Oesterreich« - Ungarn» zwischen de« Großmächten Unterhandlungen behuf» Erzielung eine» einigen vorgehen» gegenüber de« Zuständen in der Türkei. Die Unterhandlungen nähmen einen günstigen Verlauf und wür den voraussichtlich zu einer Verständigung führe», die zwei Punkte umfasse: keine Macht solle allein im Orient etwa» unternehmen, unabhängig von den übrige«, ferner alle Schritte sollen nach vorheriger Verständigung gemeinsam ergrifft» Errichtung von Handwerkerkammern und den Entwurf «ine» Gesetze« über Aenderungen und Ergänzungen des verichts- BerfaffungSgesetzeS und der Strafprozeß - Ordnung den zu ständigen Ausschüssen. Der Entwurf des Gesetze« über den Reichs Jnvaliden-Fond zum ReichShauShaltSetat für 18S6/S7 sowie die Ausschußberichte über die Entwürfe von Etat» zum ReichShauShaltSetat für 1896/97, und zwar de» Reichsschatz, amte- und de» Reichsamtes des Innern, wurden genehmigt Das Erscheinen Sr. Majestät de» Kaisers in der vor- gestrigen Sitzung der Kommission für die zweite Lesung de» Bürgerlichen Gesetzbuch» ist ein neuer Beweis für da» große Interesse, da» Se. Majestät dem nah« bevorstehenden Ab schluß de» großen nationalen Gesetzgebungswerkes widmet. Seine Majestät traf nicht, wie ursprünglich die Absicht ge wesen, bereits um 4 Uhr, sondern erst um S Uhr Nachmittags im Reichsjustizamt ein. Der Kaiser wurde vielmehr länger, als erwartet war, im Reichskanzlerpalai» aufgehalten, wo Se. Majestät mit dem Reichskanzler, und dem Staatssekretär de» Auswärtigen Amtes konferirte. Im Reichsjustizamt wurde Se. Majestät vom Staatssekretär Nieberding em- - ... pfangen und in den Sitzungssaal der Kommission geleitet. ^tteibereigab sich der Hoffnung hin, selbst zu den^überhohen Nach der Vorstellung der Mitglieder der letzteren gab der " " * " Staatssekretär einen Ueberblick über die bisherigen Arbeiten der I. und II. Kommission; der darauf stattfindenden Be- rathung der Bestimmungen, Vie in da» Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch bezüglich des AnerbtnrechtS bei väaer« lichenZBesitzungen aufzunehmen sind, folgte Se. Maj stäl mit gespannter Aufmerksamkeit. Ohne selbst da« Wort zu er greifen, bezeigte Se. Majestät der Kaiser wiederholt bei Aeußerungen, mit denen er sich an den Staatssekretär und an den Vorsitzenden der Kommission wanne, wie lebhaft ihn die Reden der Vertreter der verschiedenen Standpunkte in- teressirten. Um 7 Uhr mußten die Verhandlungen abge brochen werden und man ging zu Tische. Vorher ließ sich Se. Majestät der Kaiser die ebenso wie der Reichskanzler, der Justizminister und die Staatssekretäre von Boetticher, von Marschall und Graf Posadow-ky geladenen Mitglieder des RcichSjustizam S vorstellen. Bet Tische saß Se. Majestät der Kaiser zwischen dem Reichskanzler zu seiner Rechten und dem Staatssekretär Nieberding zu seiner Linken, ihm gegen über hatte der Staatssekretär Dr. von Boetticher seinen Platz, rechts von diesem saß der Vorsitzende der Kommission. Der Kaiser war, der „Post" zufolge, fortgesetzt sehr munter und knüpfte in der Unterhaltung wiederholt an Fragen der voraufgegangenen Verhandlung an. Da» geschah auch noch, al» die Tafel aufgehoben worden war, wo der Kaiser sich «it verschiedenen Mitgliedern der Kommission in sehr ange regter Weise in eine Diskussion einließ. Um 9 Uhr schied Se. Majestät au» dem Kreise der Versammelten und drückte dem Staatssekretär Nieberding in huldvoller Weise seine Befriedigung über den Verlauf des Abend» au». Durch die Blätter geht nachträglich die Mittheilung einer Rede, die der bisherige Landrath de» Kreise» Jauer, Frhr. v. Richthofen, bei Gelegenheit einer ihm zu Ehren gegebenen AbschiedeSfeier gehalten hat. Der Redner gab eine warme und humorvolle Schilderung seiner Thätigkeit al« Landrath, die zugleich in so vortressilcher Weise die ge sunden Ueberlirferungen de» altpreußischen Beamtenthum« wiederspiegelt, daß wir die folgendeu Stellen auch unserer seits mittheilen möchten. Nachdem er dem KreiSauSschuß und dem Kreistage seinen Dank für opferwillige und ein- müthige Unterstützung ausgesprochen hatte, fuhr er fort: „Meine Herren, ich habe Sie oft mit Schreibereien mehr öden müssen, al« mir lieb war. Je mehr ich mich aiS Landrath einarbeitcte, ein desto größerer Feind wurde ich der Ueberhandnahme dr« Schrribwesen«. Freilich lag r« nicht in meiner Macht, hier wirtlich Abhilfe zu schaffen, mir scheint», Ueb-rstürzung und mitunter last zu hastige Einführung neuer Gesetze und Verordnungen brachte r« mit sich, daß eine unglaubliche Masse Papier verschrieben werdrn mußte. Berfiändntß habe ich deshalb für den AuSrus eine« Amt«- vorstrher«, der einmal bet mir seinem gepreßten Herzen mit den Worten Lust machte: „Ach, wenn doch alle Papierfabriken aus ein mal abbrennen möchten!" (Lebhafte» Bravo!) Unsere Zeit krankt unter Anderem an dem Uebermaß de« Schreiben«. Wenn nicht bloß Anti-Sklaverei-, sondern auch Antt-Schreibrrei-Leretne jetzt hm und her im Lande gegründet würden, ich glaube, da» könnte begeisterten Anklang finden. Wie die „Vchles. gta." erfährt, ist in der Angelegenheit der Unterdrückung de» Handels mit unzüchtigen Schriften vom Auslande nach Deutschland von der Staatsanwaltschaft gegen eine große Anzahl von Firmen und Personen, welche ««A A«r»rs»r M Äqchkt). Amtsblatt -LT" der König!. AmtShauptmannschast Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Rtesa. 267. Freitag, IS. November 18SS, Abend«