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Beilage zum „Riesaer Tageblatt". A17 «ch ImbW »» laag«, » »laiaettch v» »les» - sltk »t, »Me«M »ii>M»>»lllch: «chmlb» l» »lel» Freitag, 18 Teptember 1SVS, abeabs. s«. Aad"." Auf der Balkanhalbinsel find die Dinge mehr und mehr dem Punkte zugetrieben worden, wo der Kriegsgott seine Rechte fordert. Bul garien nimmt allen Warnungen der Mächte zum Trotz Rüstungen vor, die nicht ander- mehr denn als Kriegs- Vorbereitung gegen die Türkei gedeutet werden können. Auch offiziös lüftet man fetzt den Schleier in Sofia und tut, wie schon gemeldet, der Welt durch eine Auslassung der „Agence telegraphique Vulgäre" offen kund, daß man den Krieg wolle. Die türkische Regierung hat ohne Säu men auf die bulgarische Note eine weitere Verstärkung^ ihrer militärischen Rüstung angeordnet, indem das 4. Armeekorps in Erzingjan und das 6. Armeekorps in Bagdad Befehl zur Mobilmachung erhielten. Nachdem Bulgarien einen Teil seiner Reserven zu den Waffen gerufen hat, konnte der Sultan nicht anders handeln. Tie Hauptgefahr liegt in Bulgarien, beziehungs weise in der mazedonischen Agitation in Bulgarien, die im Lande Oberwasser hat und zum Kriege treibt. Ter Fürst will keinen Krieg, aber er ist vollkommen macht los und fürchtet für sein Leben. Jetzt erfährt man erst, so schreibt man den „Münchu. N. Nachr." aus Wien, daß er halb gezwungen in sein Land zurückgekehrt ist. Als er auf dem Gute seines Bruders, Puszta-Mezö in Ungarn, weilte, soll ein Vertrauensmann des Zaren bei ihm er schienen sein, der ihn zur unverweilten Rückkehr nach So fia aufforderte. Fürst Ferdinand gehorchte — seufzend und voll Todesahnungen. Dem Abgesandten des Zaren soll er gesagt haben: „Sie bringen mir mein Todesurteil!" und seiner Umgebung gegenüber sprach er offen die Ueber- zeugung aus, er werde nicht mehr lebend aus Sofia wie derkehren. Er fürchtet namentlich den Grimm Boris Sara- fows, der erklärt hat, er wolle den Fürsten töten, und diese Drohung ist in idjer Tat gefährlich; denn bisher hat Savafvw alle seine Drohungen auch wirklich ausgeführt. Ueberdies führen auch die Zankowisten eine drohende Sprache gegen den Fürsten. So hält sich dieser in Euxinograd, wo er sich sicherer glaubt, als in Sofia eingeschlossen, als Gefangener seiner eigenen Untertanen. Zu seinem Glück ist noch die Mehrzahl der Armee leid lich treu. Indessen zankt sich Petrow mit dem türkischen Vertreter herum, wenn er nicht gerade Europa mit Noten bombardiert. Aehnlich schlimm steht es in Serbien. Dort ist König Peter gänzlich in den Händen der Königsmörderpartei und kann keinen Schritt ohne diese machen. Die "letzten Ereignisse haben dies vollauf dargetan. Ueberdies soll das persönliche Auftreten des Königs im Lande keinen guten Eindruck gemacht haben, und die Not in der Staats kasse wie.in der Privatkasse des Königs ist gleich groß. Hilfe vom Auslande ist vorderhand nicht zu erwarten, da sich sowohl Rußland wie Oesterreich-Ungarn sehr kühl verhalten. Es ist daher unabsehbar, wohin die Ereignisse treiben. Es wird daher nicht geringe Mühe der Großmächte kosten, um die Ruhe aufrecht zu erhalten. Daß alles, was ohne eine direkte Intervention möglich ist, aufge wendet werden wird, ist sicher. Die Hauptaufgabe be steht darin, Bulgarien vom Kriege abzuhalten, und so wohl der österreichische als auch der russische Vertreter in Sofia lassen es an fortgesetzten nachdrücklichen War nungen nicht fehlen. Daß die beiden Mächte, durchaus gleichartig vorgehen, ist nicht zu bezweifeln. Wenn man in gewissen jlavischen Kreisen immer noch auf eine Unterstützung Bulgariens durch Rußland hofft, so ist das vollkommen Irrig. Rußland will keinen Krieg im Orient; wollte es den Krieg, so hätte eS die Ermordung seiner beiden Konsuln nie und nimmer so ruhig hingenommen. Rußland will aber auch keine Vergrößerung Bulgariens, denn eS paßt, wie schon öfter betont worden ist, nicht in das russische Konzept, daß sich ein großbulgarisches Reich wie eine Barriere vor Konstantinopel legt. Wenn die Bulgaren glauben, Rußland werde ihnSü' helfen, Mazedonien zu erwerben, so sind sie sehr im Irrtum. Und wenn sie sich wider Willen Rußland in einen Krieg entlassen, so wird man in Petersburg ruhig zusehen, wie die Türkei Bulgarien niederschlagt. Das ist den Bulgaren schon deutlich gesagt worden und wird ihnen immer von neuem gesagt. Weitere Be schlüsse über die Balkanpolitik werden wohl anläßlich der Kaiserbesuche in Wien gefaßt werden. Daß das im De zember des vorigen Jahres gelegentlich Lamsdvrsfs An wesenheit in Wien entworfene Refiormprogramm nicht mehr genügt, ja, daß diese Aktion ganz vergeblich ge blieben ist, sieht man allenthalben ein. Deshalb sollen jetzt neue, gemeinsame Schritt« beraten und beschlossen worden sein, wobei vorderhand eine bewaffnete Inter vention ausgeschlossen bleibt Inzwischen rückt vielleicht der Winter ein und fördert die Friedensbestrebungen mehr als es die Großmächte vermögen. TageSgeichichte. Newyorker Blätter, die aus der Hetze gegen Deutsch land Nutzen ziehen, hatten die Nachricht verbreitet, das Deutsche Reich beabsichtige, Kriegsschiffe nach Südamerika zu entsenden, um dort Schulden beizu treiben. In Südamerika bauschte man diese Meldungen weiter auf und berichtete von Annexionsgelüsten Deutsch lands. Graf Bülow nahm daher in einem Interview, das er denr Berliner Korrespondenten eines brasilia nischen Blattes gewährte, gern Anlaß, zu erklären, daß unsere auswärtige Politik, wie im allgemeinen, so auch gegen Südamerika stets friedlich und loyal sei und sich jedes Uebergriffes enthalte. „Ich denke — sagte der Reichskanzler — daß man meine bestimmten Erklärungen über diese Frage im deutschen Reichstage am 19. März und meine Feststellung der Verbreitung derartiger Ge rüchte als Verleumdung, als offizielles Dementi an sehen sollte. In Südamerika, wo man die Bedeutung der parlamentarischen Institution so hoch stellt, sollst man erst recht die öffentliche und unzweideutige Erklärung in der deutschen Volksvertretung als feierliche Kundgebung anerkennen. Ich gestehe gern ein, daß diese Erklärung überhaupt in erster Reihe den Zweck hatte, in Südamerika volle Klarheit über die Freundschaftlichkeit unserer Ge sinnungen zu schaffen. Ich stehe aber nicht an, Ihnen nochmals zu erklären, daß jede Besorgnis, Deutschland könne an die Aneignung südamerikanischen Gebietes denken, ohne Grundlage ist. Wenn man aber von uns Handlungen verlangt, die unsere Friedfertigkeit bewei sen sollen, so können wir das nur auf dieselbe Weise tun, wie ein ehrlicher Mann beweist, daß er kein Dieb ist: er stiehlt eben nicht, und wir nehmen eben in Süd amerika nichts." — Auf die Bemerkung, daß man - in Südamerika die Besorgnis hege, Deutschland wolle durch Förderung der Einwanderung nach Brasilien und durch Bemühungen um Erhaltung des deutschen Nationalitäts gefühls und der deutschen Sprache bei den deutschen Kolonisten in Südbrasilien gewissermaßen einen Staat im Staate schaffen, entgegnete der Kanzler mit Lebhaftig keit: „Hier wird verfängliche» Falsches und unverfäng liche- Wahres durcheinander geworfen. ES ist falsch, daß wir die Einwanderung nach Brasilien fördern. Wir fördern überhaupt die Emigration nach irgend einer Gegend der Welt grundsätzlich nicht; das würden unsere Militärs und unsere an Arbeitermangel laborierende» Landwirte auch gar nicht gestatten. ES bestehen aber in Brasilien seit Jahrzehnten starke deutsche Kolonien, die nicht durch uns, sondern durch die eifrigen Bemühungen der früheren brasilianischen Machthaber geschaffen wor den sind. Da entspricht es nur dem physikalischen Ge setze der Anziehungskraft, wenn Angehörige und Freunde von Kolonisten, die durch ihre Arbeit zu einem gewissen Wohlstände gelangt sind, ihre Schritte auch dorthin lenken. Dasselbe ist in noch viel stärkerem Maße bei der Auswanderung nach den Vereinigst» Staaten der Fall. Mr wollen auch rn Brasilien keinen Staat im Staate bilden, und wir erwarten, daß die Deutschen drü ben nützliche Glieder ihrer neuen Heimat werden; diese Lehre hat der Bruder des deutschen Kaisers den Deut schen Nordamerikas gepredigt, und das gilt für die Deutschen der ganzen Welt. Richtig aber ist e-, daß eS unseren Wünschen entspricht, wenn die Deutschen in Bra silien, wie überall, ihre Mutstrsprache nicht vergesse» und die Anhänglichkeit an die alte Heimat nicht ver lieren. Wer schnell das Land vergißt, das seine Vor fahren Jahrhunderte hindurch geschützt und genährt hak, wird ein unzuverlässiger Einwohner der neuen Heimat sein. Umgekehrt wird derjenige, dessen edelste Empfin dungen, Treue, Dankbarkeit und Pietät, wacherhalten wer den, seiner neuen Heimat ein verläßlicher Bürger sein." — Der Kanzler schloß: „Dies sind unsere ideellen Be strebungen, und ich denke, daß sie keinerlei Gefahr für irgend einen südamerikanischen Staat in sich schließen;, Politische Aspirationen haben wir in der Neuen Weit überhaupt nicht; wirtschaftlich aber wollen wir alS Staat mit einer sehr hoch entwickelten Industrie so viel wie möglich am südamerikanischen Handel Anstil neh» men. Wir wissen aber, daß Handelsbeziehungen gefördert werden durch Frieden und Vertrauen, nicht durch Furcht und Mißtrauen. Ich; hoffe, daß die Ueberzeugung von un serer freundschaftlichen Gesinnung in Südamerika eine» festeren Fuß saßt und sich nicht mehr erschüttern ILM durch verleumderische Versuche, die von Absichten auS- gehen, die nicht nur üns feindlich und schädlich sind." »«ttfch-» «eich. Der Kaiser wird am 21 September zur E thülluag er» DevkwaiS Kaiser Wilhelm» I in Danzig elntttss.n. Bei dieser Gelegenheit wird di« Arbeiterschaft der staatlich«: Betrieb« dem Kaiser vor dem Generalkommando ein« Huldigung dar» bringen. Hieran wird sich, wegen Platzmangel», rrue der Ar» briterauSjchuß beteiligen. Wir d m Grauder-zrr .Geselligen" geschrieben wird, bringt die Arbeiterschaft di« Huldigen« ar.»' eigenem Antriebe, »ich! etwa aus Veranlassung du Tikekckon dar. ES sind dazu gewählt: von der Köaigl. Werst, König!. Artillerie» vnkstat! und König! Gewehrsabrik je 16 B-rtrrter, vom Ar» ltllttie», sowie Traindrpot je «In Vertreter. Ein Sprecher wird dem Kaiser dir Gesühlr der Arbeiterschaft auSdrücken. Fun« wird bekannt, daß während de» Aufenthalts dcS Kaiser» in» Generoliommondo eine militärische Konferenz Pot findet. Se. Majestät der deutsche Kaiser beendete gestern abend seinen Austnthalt im südungarischen Jagdrevier und wollte le-te zum Brfuch Sr. M.jchät Kaiser Franz Joses» in Win» einireffin. „Unsere Komteß!" S) Original-Novelle von Luise StraNl-Jung. Fo tsetzung. Von Auguste sprachen sie niemals, doch wußte die Komteß, daß er rroch vor einem halben Jahr an beson deren Tagen in die Residenz fuhr, um Auguste im Theater zu sehen! Sie sah es mit blutendem Herzen, wie er dann tagelang verstört und bleich umherging, wie er sich mühst, sein Gleichgewicht wieder zu finden. Tas Bild der schönen Erzieherin lebte auch wirklich lange unvergeßlich in seiner Seele. Die Vorwürfe, die er sich ob seiner Zaghaftigkeit und ewiger Bedenken machte, schienen, ihm nur zu gerecht! Ihre Blicke im Theater gingen kühl über ihn weg. O, sie sah ihn nur zu gut von ihrer Loge aus, wo sie in ihrer stolzen Schönheit neben ihrer Herrin thronst! Aber sie wollte ihn nicht sehen! — Mit Wonne hätte er jetzt alle Bedenken in den Staub getreten, aber es war zu spät. — Er litt, und nur das hohe Ziel, das er vor Augen hatte, die Begeisterung, die ihn dafür erfaßte, waren fein Trost. In der Komteß fand er eine ihm verwandte Seele — sie wurde sein „guter Kamerad", wie er sich sagst. Aber er war noch jung, das ofte Beisammensein, ihre gleichen Interessen machten die Kluft zwischen dem guten Kameraden und der Geliebten immer enger; Au- gusst's Mld erblich langsam — und die wohltuende Ruhe, die ihn in Valeriens Nähe stets umfing, umschmeichelte immer süßer sein Herz. Wir sahen heust Komteß Valerie von ihrer Besitzung Keimkehren und den Oberverwalter freudigst an ihre Seite eilen. Die Komteß, durch seine letzten Worte nach- deutlich gestimmt, sah zur Erde und auch Lassen ging schweigend einher. Erst als sie in die lauschige Buchenallee einbogen und unwillkürlich etwas gedrängter gehen mußten, blieb Lassen stehen und wendest sich zu „Mirza", die er am Zügel führte: „Bitte doch, deine Herrin, daß sie mich wieder lieb ansieht! Ich bin so ein arger Bösewicht gewesen rind habe deine Herrin durch üble Laune gelangweilt!" Die Stute drängte sich an ihre Herrin, als wollte sie die Botschaft ausrichten. Darüber mußten beide herzlich lachen. Freundlich sahen sie sich in die Augen. „Sind Sie müde, Komteß! Er zog ihren Arm durch den seinen. Meinetwegen legen Sst den weiten Weg zu Fuß zurück!" Seine Stimme klang jetzt Warm und schmeichelnd. So gingen sie heiter plaudernd durch die träumerische Abenddämmerung — zwei in sich selbst er starkte Menschen, die ihre Charaktere durch gegenseitiges Anlehnen und Emporstreben zu Ä>ler Vornehmheit durch rangen. Wohl lastest noch auf Valeriens Seele eine be engende Fessel! Aber die Mahnung, dieselbe zu zer sprengen, wurd» immer dringender, sie fühlst ihre Kräfte wachsen und den Danton der Sinnenlust immer schwächer werden im Kampfe mit der Liebe — der gro ßen, heiligen Liebe. Der Graf kam dem jungen Paar entgegen. Auf seinem edlen Antlitz lag em feierlicher Glanz. „Da hätten wir denn wieder einmal alles daheim, lieber Oberverwalter!" „Und wie steht es auf dem Angerhof, gnädigste Herrin?" wandte er sich scherzend zu seiner Tochter. Wäre ich nicht dringend verhindert worden, hätte ich Dich gerne mit meiner Inspektion überrascht! Hab' immer meine Freude, wenn ich auf den Angerhof komme!" Innig sah er sie an. „Fcnnvse, kleine Landwirtin Du", flüsterst er ihr neckend ins Ohr. Lassen gab Valeriens Arm frei und sie hängte sich nun traulich an ihren Vater. Man war beim Schlosse angelangt Der Oberverwal ter übergab ,Mirza" einem Reitknecht und verabschiedete sich von den Herrschaften. Noch ein herzliches Händeschüt teln, und jedes ging seiner Wohnung zu. IV. Komteß Valerie stand vor der Staffelei. Ten Kops zurückgebogen, die Augen halb geschlossen, sah sie prüfend auf ihr Werk. Die wenigen Mußestunden, die ihre reiche Tätigkeit ihr übrig ließ, benutzte sie eifrig zur Ausbildung ihrer Talente, und besonders war es die Malerei, die von ihr begünstigt wurde. Sie trug auch beständig ihr Skizzen buch bei sich, jedes sie interessierende Mld wurde in flüchtigen Zügen festgehalten, um dann später sauber aus gearbeitet zu werden. Tie herrlich romantische Gegend um Eibenhorst mit ihren dunklen Forsten, wilden Schluchten und lieblichen Tälern, mit ihren sagenhaften Ruinen auf den sonst anstei genden Bergen bot ihrem Künstlerauge stets neue Nah rung. Da sie alles mit Energie und Fleiß anfing und mit Ausdauer vollendest, ragten ihre Leistungen weit über den gewöhnlichen Dilettantiswus hervor. Ihr letztes Bill» stellte die Verkörperung einer sagenhaften Frau dar, die allnächtig durch die Ruinen ihres einstigen Schlosse- schleicht und nach dem geliebten Gemahl au-späht, der von seinen KriegSsahrten nicht mehr heimkehrte! Mit bewundernswerter Naturtreue erstand unter Va leriens Hand die waldumkränzte Höhe mit jener sagen haften Ruine auf dem Gipfel, die im bleichen Licht des Mondes gar seltsam phantastisch aus dem wilden Ge sträuche empvrragte. Und auf einem erkerartigen Vor sprung des Gemäuers stand eine wunderbare Frau, iik schleierartige Gewebe gehüllt und sah mit sehnsüchtige» Augen suchend in die Nebelhafte Ferne. . . .