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A. I 8° x,Du verwöhnst sie, Hugo." 7,Ra ja, sie gleicht Dir allzusehr, Manschen." r,Schmeichler!" Frau von Schorn drohte mit dem Finger, und ihr Mann küßte sie wieder; dieses Mal auf die rundliche Hand. Eben kam Elfriede aus der Küche. Sie trug einen Teller mit goldgelbem, duftendem Kuchen und sah erhitzt und fröhlich aus. Auch sie hatte ein Helles Waschkleid an, darüber eine große Schürze. Das lockige Haar etwas verwirrt, die dunkelblauen Augen glänzend, k— so sah sie allerliebst aus. „Wir können gleich Kaffee trinken!" rief sie, „ich habe Gustavs Lieblingskuchen zu seinem Empfange ge backen! Um sechs kommt er; ich darf ihn doch von der Bahn abholen?" Fortsetzung folgt. Des Brockcvgestzenst. Das Phänomen jener merkwürdig beleuchteten Nebel bilder, die man zunächst auf dem Brocken beobachtet hat und die davon den Namen „Brockengespenst" erhalten haben, bietet ein so phantastisch grandioses Schauspiel, lvie es sich die Phantasie nicht wunderbarer und zauber hafter vorstellen kann. Der Brocken, seit altersher der Mittelpunkt mythologischen Hexen- und Teufelswescns, legte den Gedanken nahe, daß sich in diesen riesigen, schattenhaften Gebilden der Geist des Zauberbcrges er hebe, der im Morgengrauen oder in der Abenddämme rung über seine Gipfel schreite. Aber das Brockengespenst iit nicht etwa nur auf den Schallplatz der Faustischen Walpurgisnacht beschränkt, son dern findet sich überall in der Welt, hauptsächlich auf Bergen; es hat auch andere Namen erhalten, wie z. B. „Kreis von Ulloa", nach den sich bildenden eigentüm lichen Lichtringen. Das erste Mal, daß dies atmosphärische Phänomen beobachtet wurde, ist wohl in das Jahr 1744 zu setzen, wie I. Loisel in einem Aufsatz über das Brok- kengespenst in der Nature ansührt. Die Reisenden Bouguer und la Condamine beobachteten eine solche Er scheinung während ihres Aufenthaltes in Peru auf dem Gipfel des Pambamaroa. „Eine Wolke, die uns zunächst ganz eingehüllt hatte und sich dann zerstreute, ließ uns die aufsteigende Sonne sehen, die sehr strahlend leuch tete. Eine Nebelwand wogte von der anderen Seite her über; sie war nicht dreißig Schritt entfernt, als jeder von uns seinen Schatten auf ihr projiziert sah und zwar nur seinen eigenen, weil die Wolke keine einheitliche Oberfläche darbot. Die geringe Entfernung erlaubte uns, alle Teile des Schattens zu unterscheiden: man sah die Arme, die Beine, den Kopf; aber was uns in Erstaunen setzte, war, daß dieser letztere Teil des Körpers mit einem Lichtschein oder einer Aureole geschmückt war, die wieder anS drei oder vier kleinen konzentrischen Lichtkroncn von höchst lebhafter Färbung bestand. In einiger Entfernung sahen wir dann noch einen großen weißem Kreis, der das Ganze umrahmte. Es war wie ein Schauspiel der Apotheose für jeden Betrachter." Seitdem ist die Erscheinung des Brockengespcnsts zu Ende des 18. Jahrhunderts auf dem Brocken beobachtet worden, und im 19. Jahrhundert auf Bergen in allen Meltgegendcn. Besonders gut ließ cs sich auf einigen SchweizerjBergen, -em Rigi, Pilatus, Faulhorn, erkennen: Scoresby beobachtete cs in den Polargegenden; Namond in den Pyrenäen; Saussure auf dem Montblanc; Bous- singault in den Cordilleren; Tyndall auf dem Fiustcraar- horn; Bruiihcs und David auf dem Gipfel des Puy de Dome. Tie beiden letzten Gelehrten haben bei verschiede nen Wiederholungen des Phänomens bis zu vier Licht kronen gezählt, die die Körper umgaben, ohne dabei die gelblich weiße Hanptaureole zu rechnen. Am 8. August 1895 glückte cs dem französischen Forscher Moureaux, das Brockengespenst auf der Terrasse des Observatoriums des Pie du Midi zu photographieren. Es war das erste Mal, daß man eine Photographie des Brockengespenstes er langte. Die Erscheinung findet sich vielfach in den Bergen,- wenn der Beobachter zwischen der leuchtenden Sonne und! einer Nebelwand steht. Die riesenhafte Vergrößerung des Schattens rührt daher, daß man ihn in großer Entfer nung wahrzunehmen glaubt. Die merkwürdigen Licht ringe oder Aureolen entstehen durch Beugung der Licht strahlen an den Wasserkügelchen, die im Nebel in der Atmosphäre enthalten sind. Aus derselben Naturerschei nung ist auch der große gelblichweiße Kreis herzuleiten,- der die ganze Vision umgibt und den man manchmal den Namen „Kreis von Ulloa" beilegt. Dieser seiner Farbig keit beraubte Regenbogen ist besonders gut von E. A. Märtel vom Groß-Glockner aus am 20. August 1882 be obachtet worden. „Ich war auf dem Grat des Felsens) den Rücken dem Groß-Venediger zugewendet: ein dichter Nebel überdeckte die Fläche des 1200 Fuß unter mir liegenden Pasterzgletschers. Nach kurzer Zeit überflutete die Sonne dieses Chaos mit ihrem Licht. Sogleich zeich nete sich auf dem beleuchteten Nebel wie auf einem Licht schirm ein ungeheurer Schatten ob, zuerst von einem völlig runden, Hellen Regenbogen umgeben, um den herum danu noch ein zweiter, viel größerer, konzentrischer er schien. Völlig überrascht machte ich dem Führer ein Zei chen, der Schatten bewegte den Riesenarm wie ich: Es war das Brockengespenst. Ich gestehe, daß die Seltsam keit dieses Phantoms einen fast furchtbaren Eindruck auf mich machte: ich sah mich und fühlte mich über den Gletscherspalten Hängen, die in der Tiefe des Abgrunds gähnten. Die Vision dauerte zwanzig Minuten; von den fünf Erscheinungsformen, die sie annahm, war die dritte die erstaunlichste: Ein dritter ungeheurer weißer Licht kreis bildete sich um die beiden anderen. Meine beiden Führer und ich, die in einer Gruppe zusainmenstandcu- konnten zugleich die Konturen unserer drei Köpfe wahr nehmen, aber ganz deutlich und genau sah jeder von uns nur seinen eigenen Schatten, drei- bis viermal größer als er selbst, und jede geringste seiner Bewegungen wie derholend." ' Das Brockengespenst ist nicht , nur im Gebirge, son dern auch in der Ebene beobachtet worden, und zwar vor etwa 20 Jahren von Lancaster zu Uccle in Belgien. In der Nacht vom 80. zum 31. Juli 1892 war ein Dichter Nebel gefallen; gegen 1 Nhr morgens bemerkte Lancaster, als er sich einem offenen Fenster im zweiten Stock seiner Wohnung näherte, ein ziemlich großes und lebhaftes weißes Licht am Himmel, das sich als eine leuchtende Nebelwand erwies, aus der sein Schatten erschien. Der Nebel wirkte ganz wie ein Lichtschirm, wie eine Art Mauer, auf die der Schatten projiziert war. Denk- und Sinnsprüche. Tein bestes Glück, o Menschenkind) Berede dich mit Nichten, Taß es erfüllte Wünsche sind, Es sind erfüllte Pflichten! Gerok. * Denkst du nur immer au dich, an die nicht, die dich umgeben, Fragen, die um dich sind, bald Wohl nicht mehr nach dir. T. Alfred. -» Was Gott dir gibt, das wahr' als Pfand Bon seiner Gnad' und Treue, Und schling darum der Liebe Band Mit jedem Täg aufs neue. Und was er nimmt, das laß ihm gern- Es ist wohl aufgehoben; Einst kommt die Zeit, wo du den Herrn Auch dafür lernest loben. I. Sturm. Druck und Verlag von Langer L Winterlich, Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. SSI SlSsVSZtzTS! KZ, CrMr an der Clbr. Belletr. Gratisveiloge zum „Mefaer Tagedlatt". Rl, 4 Nies«, -en 28. 1S11 84. AchrW? Sonueusehnsncht. Roman von Freifrau Gabriele von Schlippenbach. (Herbert Rivuket.) Fortsetzung. „Gut, Herr Baron! Also ich stehe nm sechs Uhr auf." „Sommer und Winter?" „Natürlich. Mutti muß sich ausschlafen; ich besorge alles im Hause für sic. Wir haben nur eine Auf wärterin — von 9 bis 12 Uhr. Ernst, das ist mein Bruder, der hier ist, und Willi, unser Jüngster, müs sen uni sieben ihren Kaffee haben. Dann gehen sie beide fort: Ernst in das Burcau von Schrader u. Comp-, Willi zur Schule. Bis Mutti um 8 Uhr aussteht, müß alles in der Stube blitzblank sein, alle Einkäufe gemacht. Nach dem ich Mutti begrüßt habe, gehe ich zur Schule; es ist eine Stunde bis dahin." „Aber Sie können doch die Straßenbahn nehmen." „Wozu? Das kostet Geld, und ich bin eine gute Fußgängerin. Ich könnte den ganzen Tag laufen, ohne müde zu werden." „Sie wären ein guter Soldat geworden," lachte Schorn. Emmys hübsches Gesicht leuchtete förmlich. „Ja," sagte sie begeistert, „das wäre ich geworden, wäre ich ein Junge gewesen! Väterchen sagte oft: „Madel, in dir stecrt Soldatenblut!" Es war ihm immer ein trauriger Gedanke, daß unser armer Ernst es infolge feines Gebrechens nicht werden konnte. „Ihr Bruder hinkt, lvie ich bemerke." „Ja, er fiel als kleiner Knabe, unh seitdem Hat er auch eine höhere Schulter. Er war sehr kränklich als Kind und ist auch jetzt nicht stark; er leidet an nervösen Kopfschmerzen und muß' doch als Buchhalter so angestrengt arbeiten. O, wenn Sie wüßten- wie Ernst edel und lieb ist! Er erhält das Haus, ist der Mutter Stütze nud Berater und hat Willi und mich erzogen, uns die Liebe zur Arbeit und das Pflicht gefühl eingeimpft." Emmys Stimme zitterte vor Erregung Aber sie beherrschte sich und erzählte weiter, wie sie bis 1 Uhr in der Schule beschäftigt war, und wie ihr Täg weiter verlief. Nach Tisch gab es auch viel zu tun: sich für den nächsten Tag vorzubereiten, englische und französische Privatstunoen zu geben, der Mutter beim Nähen zu Hel sen und den Haushalt zu besorgen. „Wie ich nach einer solchen arbeitsreichen Woche den Sonntag genieße, das weiß niemand," schloß Emmy glücklich. „Sie gehen dann wohl ins Theater oder in ein Konzert?" fragte Bruno. „Sehr selten. Und allein macht cs mir keine Freude; wenn ich Willi und Mittler nicht mitnehmen kann, bleibe ich lieber zu Hause oder gehe mit ihnen in den Tiergarten. O! und zuweilen machen ivir alle einen Ausflug nach Grünau oder nach einem andern Vergnügungsort an der Spree! Das ist zu schön! „Sehen Sie, Herr Baron, Gott hat den Menschen, die sich Vergnügen oder etwas Schönes nur selten erlauben können, ein verfeinertes Vermögen zum Genießen ge geben. Die liebe Sonne schüttet ihre Strahan ver schwenderisch über die stolze Rose ans; vielleicht ist sie nicht so dankbar dafür, wie die Blume, die im Schatten steht und dennoch erblüht und ihr bescheidenes Dasein dankbar HinnimMt." „Sie find Philosophin, Fräulein Ludolfs." „Ernst sagt, es hilft uns über vieles hinweg. Aber nun hörte ich auch gern, tvie sich das Leben eines Leut nants abspinnt. Es ist heute das erste Mal, daß ich mit einem Offizier spreche." „Wirklich? Nun, ich will Ihnen in Kürz« sagen, was wir zu tun haben: Dienst, Dienst und dazwischen viele freie Stunden, mit denen man nichts anzusangen weiß, die man oft ungelebt wissen möchte." „Aber warum?" rief Emmy. „Jede Stunde ist ein Geschenk, für das wir Gott dankbar sein müssen, von der wir einst Rechenschaft ablegen sollen." „Ich weiß cs wohl," sagte Bruno. „Rein, lassen Sie mich lieber schweigen, Sie sind zu jung und un schuldig, um —" Er beendete nicht nnd blickte zu Boden. Er dachte an die vielen schlecht verbrachten Tage und Rächte am Kartentisch oder noch anderen Leidenschaften frönend, an das Gefühl der Leere und des Ueberflusses nach solchen Augenblicken des Lcichtnnns, an das Geld, das er als reicher Sohn seines Vaters vergeudete. Und nebeH ihm das zarte Mädchen, das so pflichttreu und froh seinen Weg ging, das ihn tick beschämte durch sein ernste-- zielbewußtes Wesen. Bruno von Schorn war kein schlech ter Mensch, nur leichtsinnig, verwöhnt und dem heitern Lebensgenuß ergeben. Er hatte sich nie ein hohes Ziel gesteckt; er hatte auch nicht den Ehrgeiz, die Kriegs akademie -u besuchen, um cs in seiner Karriere zu etwas zu bringen. Einige Jahre noch wollte er da- schöne Berlin in dem bevorzugten Offistersstande genießen, da« wollte er heiraten, selbstverständlich nur ein reiches, adli ges Mädchen. Sie würden ein Gut kaufen, womöglich mit wildreichen Forsten: der Stammbaum der Freiherren von Schorn sollte fortgeführt werden. Sechzehn Ahnen von jeder Seite, anders war es ja undenkbar. — „Ich möchte zu meiner Mutter zurück, Herr Baron," sagte da eine weiche Mädchenstimme an seiner Seite. Bruno erwachte aus seinen Zukunftsbetrachtungen. Ein kleines bleiches, aber unendlich liebliches Gesicht sah zu ihm auf. „Ja, gewiß!" Er sagte es kurz, fast schroff. — Ernst nnd Elfriede schienen auch eben erst zu den älteren Leuten zurückgekommen zu sein. Frau Ludolfs erhob sich auf einen Wink ihres Sohnes. „Bleiben Sie doch noch," bat Frau von Schorn, ,4vir speisen hier." Die Einladung wurde höflich, aber fest abgelehnt. Es widerstand den Armen, sich von den Reichen frei halten zu lassen, und selbst zu bezahlen, überstieg ihre bescheidenen Mittel. Die große Fontäne erstrahlte in» bunten, elektrischen Licht. Das herrliche Farbenspück fesselte Ludolsfs; sie blieben eine Weile stehen. Emmy hatte den Arm in den der Mutter gelegt und war merkwürdig still. Auch Ernst sprach erst, als Fra« Ludolfs sagte: „Schorns wollen uns morgen einen Besuch machen." „Wozu?" fragte Ernst kurz. „Der Baron war doch ein Kriegskamerad Teines guien Vaters, lieber Sohn; ich finde es sehr artig von Schorns." „Einen Umgang können wir doch nicht anknüpfen, Mutter." „Nein, wir leben in zu verschiedener Sphäre, mein Kind."