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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192211251
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19221125
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19221125
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-11
- Tag 1922-11-25
-
Monat
1922-11
-
Jahr
1922
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1922
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auch di« TtaatSmänner der Kleinen Entente seien glück- lickerweise in allen Hauptfragen einia mit Großbritannien. Aba. Verksitz fährt« an«, man könne die anaenblirkliche Lage auf dem Festlande nur mit der mößten Besoranls be trachten. Ueberall sehe man eine Nation im Ruin oder «ine Nation, di, in den Ruin gezogeu werde. Die Laae der festländischen Währung werde immer schlechter. Alle« deute ans di» Notwendiakeit ernsten internationalen Zusammen wirken« hin al« Vedinquna skir eine Bessern««, der Laae. Aba. Fisher erklärte, kein Vertraa mit der Türkei würde vom britischen Volk als befriedigend anaesrben werden, der nicht in angemessener Weife die Freiheit der Meerengen sichere. Die Frage der Reparationen sei von überragender Bedeutuna. da ans sie zahlreiche kommerzielle und indnstrielle Schwierigkeiten siir England znrlickziifvhren seien. Gr freue sied, daß Bonar Law bald mit Poincarö zusammen- treffen werde, um zu einer Lösung dieser Frage zu ge- langen. Fisber fragte, ob der Premierminister im Unter haus« einen Tag zur Erörterung der ReparationSfrage be stimmen werde. Roel Buxton wie« darauf bin, das; die Arbeiterpartei die Lage in staatsmännischer Weise anicbe «nd ihren Standpunkt in einer großen Anzahl auswärtiger Fraaen sehr eingehend dargelegt habe. Staatssekretär MeNeill erwiderte, da» erste Ziel, das Lord Curzon in Lausanne verfolge, sei die Zusammenarbeit der Entente. Curzon verliere die Frage der Freiheit der Meerengen in Lantanne nicht au« den Augen. Auf die Frage Fishers erklärte MeNeill, Curzon sei der Ansicht, daß so bald wie möglich die ReparationSfrage erörtert werde» müsse. Abg. Morel erklärte, die Arbeiterpartei werde einen unablässigen Druck ausüben, bis sie di« von ihr geforderte Kontrolle über die auswärtigen Angelegenheiten gesickert habe. Die europäische Lag, sei das unmittelbare Ergebnis der sog. FrtebenSverträge und diese FriedeuSverträae selbst seien das Ergebnis von Geheimverträgen und Abmachungen, die hinter dem Rücken des Parlaments und des Landes während des Krieges von der liberalen Regierung abgeschlossen worden seien. Die Erklärung, das, Deutschland zahle» werde, sei der grösste Bluff, der dein Lande jemals znge- mutet worden sei; sie sei znm größten Teil von den Kreisen vorgebracht worden, die befürchteten, für die während des Krieges von ihnen erzielten Gewinne besteuert zu werden. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Der bayerische Innenminister über die National, sozialiste«. Wie berichtet, stand dieser Tage in, bayerischen Landtage die sozialdemokratische Jnteroellation über die Nationalsozialisten zur Verhandlung. Aus den schon kurz erwähnten Ausführungen, die hierbei dec Minister des Inner», Dc. Schwarzer, machte, teilt jetzt die „Deutsche Zeitung" noch folgende Stellen mit: „Seit dem Staatsstreich Mussolinis ist die nationalsozialistische Bewegung plötzlich für viele der Brennpunkt aller Hoffnungen und Gegenstand stürmischer Begeisterung, für andere Grund zu Sorge geworden. Seit Mussolinis Erfolg hat die National- sozialistische Barte, einen groben Aufschwung genommen. Der Zuzug soll ganz besonders sehr stark aus den Links parteien sein. Der Grund dieser ausstcigcnden Bewegung liegt in der Bedrückung des deutschen Boltes durch den Friedens vertrag, zu dessen Annahme sich das deutsche Volk seinerzeit, irregeleitet durch den Trugschluß internationaler Phrasen, bereitfinden ließ. Mit elementarer Gewalt kommt dem ganzen deutschen Volk immer mehr der wirkliche Sachverhalt zum Bewußtsein, und diese Teile des Volkes wenden sich von den bisherigen Führern ab und suchen jetzt nach neuen Propheten und neuen Evangelien. Ohne der preußischen Regierung bei ihrer Auflösung der nationalsozialistischen Verbände zu nahe treten zu wollen, darf ich aber doch wohl sagen, datz sich andere Bewegungen schon in viel gefähr- kicheren Formen in Preußen geäußert haben, ohne daß zur Auflösung geschritten morden märe. Das viel verschriene Bayern ist hier in der Gewährung der jeder Partei zu- stehenden verfassungsmäßigen Rechte freier und weniger ängstlich als der Norden Deutschlands. Die Gerüchte, die in der lebten Zeit über die Nationalsozialisten und über die Reaktion ausgetreten sind, können mich nicht veranlassen, an diesen, meinem Standpunkt etwas zu ändern. Unter nehmen, die für Putsche in den letzten Wochen angesagt wurden, sind abgerufen, ohne daß wesentlich Ruhe und Ordnung gestört worden wären als nur durch die Gerüchte selbst und durch die Vorbereitungen von links zur .Abwehr" dieser angekündigten Putsche." Das braunschweigische Laudcsschulamt für das Volks- schulwesen hat eine Versagung erlassen, in der sämtlichen volksichulpflichtigen Kindern des Landes die Teilnahme an Etrabendemonstrationen verboten wird und die Eltern der Kinder sür die Besolgung des Verbotes verantwortlich ge- macht werden. Der Staatsgerichtshof setzte den Termin zur Haupt verhandlung gegen die des Mordversuchs au Oberbürger meister Scheidemann „„geklagten Hustert und Oelschlager auf den 4. Dezember an. Der Prozeß, zu dem vierzehn Zeugen und zwei Sachverständige geladen sind, wird etwa drei Tage in Anspruch nehmen. — Die Beschwerde gegen das Verbot der Vereinigung „Brüder vom Stein" verwarf der StaatSgerichtShos als unzulässig. Das deutsch-polnische Bergwerksabkommc«. Der 41. RelchStagsausschutz beschäftigte sich mit dem Gesetz- entwurf, der das deutsch-polnische Oberschlcsien-Bcrawcrks- abkommen betrifft. Die neue Landesgrenze zwischen Deutsch, land und Polen durchsch,leidet in Oberschlesien insgesamt 120 Bergwerke, darunter 55 Steinkohlen-, sowie 43 Zink- und Bleibergwerke, von denen 43 in Betrieb stehen. 34 dieser Bergwerke werden von der neuen Grenze mehrfach durch schnitten. Der Ausschuß stimmte dem Abkomme», das eine Bereinbarung zwischen dem Deutschen Reiche und der Republik Polen über die hoheitsrechtlichen Verhältnisse der durchschnittenen Bergwerke darstellt, in allen Teilen zu. Republik Oesterreich. Di« drei Genfer Protokolle aenehuiigt. Der National- rat erteilte gestern nach kurzer Debatte in namentlicher Ab stimmung mit 103 Stimmen der Christlich-Sozialen, der Großdeutschen und der Deutschen Bauernpartei gegen 08 Stimmen der Sozialdemokraten den drei Genfer Proto kollen die versassungsgemäße Genehmigung. Der Bundes kanzler stellte im Lause der Debatte unter Hinweis auf die verschiedenen Acußerungen ausländischer Staatsmänner, die zu Gunsten Oesterreichs lauteten, das Vertrauen seit, das sich seit dem Abschluß der Geuser Vereinbarungen gezeigt habe, und erklärte, auf Grund dieses Vertrauens wachse der Mut, an das große Werk der Selbsthilfe, das „ach Er langung der Auslandshilfe durchgesührt werden müsse, mit I allem Ernst beranzutreten. — Hleranf begann Re zweite Lesung des WirderansbaugesetzeS. Wie Sultan Mohammed ItL ftoh. Auf romantische Welse hat der 87. Sultan au- bem Hause Osmans sein Reich verlassen und eine neue „Hedschra" oder Flucht vollzogen, wie sie einst der Prophet zum AuStz gangöpuntt seiner neuen Religion machte. Nähere Einzel heiten über diesen einzigartigen Vorgang in der Geschichte der osmanischen Herrscher teilt der in Konstantinopel weilende englische Berichterstatter Ward Price mit. Mo hammed VI. hatte großes Glück, daß es ihm gelang, die Wachsamkeit der nationalistischen Offiziere zu hintergehen, die von dem Poltzeipräfektc» Raset Pascha in Uildiz statio niert waren, um ihn zu bewach«,,. Diese Offiziere erfuhren von der Flucht erst, als sich der Herrscher bereit- an Bor des britische» Kriegsschiffes „Malaya" befand und waren darüber ganz verzweifelt. Raset war wütend und tele graphierte die Neuigkeit mit tiefstem Bedauern nach Angora. Die britischen Regierungsvcrtreter hatten zwar erklärt, dem Sultan den von ihm erbetenen Schutz alS dem Kalifen aller Muselmänner zu gewähren, aber sie weigerten sich, ihm eine Wache i» den Palast zu schicken; sie hätten dies für eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegen heiten der Türkei gehalten. Der Sultan mutzte also allein seine Vorbereitungen treffen und auf eigene Faust die Fahrt bis zum Haken unternehmen, wo ihn der hohe Kommissar Nevile Henderson erwartete. Ter Sultan packte eigenhändig seine persönlichen Jiiwelcnschätze, seine FeldmcrrschallA- uniforin und die Abzeichen der höchsten türkischen Orden in ein paar Koffer, und dies tat er erst um Mitternacht, al- die nationalistischen Wachen schliefen, dann lieh er seine Frauen wecken und nahm von ihnen Abschied. Mohame med Vl. besitzt drei offizielle Frauen. Tie älteste, die heute etwa 60 Jahre ist, heiratete er, als er ein Gefangener seine- Nrnbers Abdul Hamid war; er hatte von ihr zwei Töchter, von denen eine mit dem Sohn seines Vetter- Abdul Medschid, des neuen Kalifen, verheiratet ist. Seine zweite Frau, eine grotze schöne Erscheinung, ist 32 Jahre; von ihr stammt sein einziger Sohn, der 10jährige Prinz Erpoghrul, den der Sultan auf die Flucht mitnahm. Um die dritte Fra» ist ein Schleier des Geheimnisses gebreitet. Er soll sie erst vor zwei Monaten geheiratet haben; sie ist die blendend schöne Tochter eines Gärtners, die erst 16 Jahre zählt, während er 61 ist. Stutzer diesen Gemahlinnen weilen noch etwa 200 Frauen im Haren, von Mldiz KioSk; e- sind Sklavinnen und Nebenwciber, die znm großen Teil von -en verschiedenen Provinz-Gouverneuren dem Sultan zum Ge schenk gemacht wurden. Seinen ganzen Harem, auch die drei rechtmäßigen Frauen, ließ der Sultan zurück. Sie werden jetzt von einer jungtürkischen Negerwache Tag und Nacht beaufsichtigt, und niemand weiß, was aus dieser Schar schöner, verlassener und in strengen Gewahrsam gehaltene» Frauen werden wird. Der Sultan hatte in der Nacht vor der Flucht einen Schlafraum gewählt, der direkt nach dem Garten hinausgeht, und hier empfing er noch einmal seine Frauen. Es begleiteten ihn außer seinem kleinen Sohn zwei Kammerherren, der Oberst der Palastwache, ein Arzt, der Diener, dessen Pflicht es ist, den Gebetsteppich de- Sultans auSznbreitcn, und ein paar persönliche Diener. Sie alle verließen am Morgen unbemerkt durch den Garten und ein verstecktes Pförtchen den Palast, und hier warteten auf sie vier englische Kraftwagen. Der Wagen des Sultan fuhr zuerst ab, aber da die Autos verschiedene W«ge fuhren, kamen die andern Wagen früher am Hafen an, und es war eine Zeit peinlicher Ungewißheit, da man fürchten muhte, der Sultan sei im letzten Augenblick noch von den JungtürkM, ergriffen worden. Zehn Minuten später aber kam auch sein Wagen glücklich an, da der Chauffeur zur Vorsicht einen Unrweg gemacht hatte. Ei« Charakterbild des «eue« Salife«. Der neue Kalif, Abdul Medschid, der nach dem Erb- folgegesetz der osmanischen Herrscher als bas älteste männ liche Mitglied des osmanischen Hauses nach dem bis herigen Sultan von der Nationalversammlung gewählt worden ist, war früher, wie alle Thronerben d«r Hoben Pforte, lange Zeit in strenger Abgeschlossenheit gehalten worden, und es ist nur wenig von seiner Persönlichkeit bisher bekannt geworden. Ein intimer Kenner seines Wesens entwirft nnn in einem englischen Blatt sein Charakterbild. Der neue Kalif ist 54 Jahre alt und ein Sohn von Abdul Aziz, jenem Sultan, der nick einem kurzen Besuch in einigen westlichen Ländern Europas mit den Worten nach Konstantinopel zurückkehrte: „Ick habe in diesen Staaten nichts lernen können." Aeußerlich ist der neue Kalif klein und stick: seine frühzeitige Kahl heit rührt vielleicht von dem beständigen Tragen de- Fez her, den er als strenggläubiger Mohammedaner im Hause wie außer dem Hause trägt. Er hat eine frische, gesunde Hautfarbe, lebhafte blaue Augen, eine leicht ge bogene Nase, und wenn er lächelt, zeigt sich hinter dem grauen Schnurrbart eine Reihe von Zähnen mit Gold kronen. Er ist von sehr energischem und nervösem Tem perament, sticht durch seine Tneulust von den sonst so passiven Tiirken vorteilhaft ab. In seinem Auftreten ist er liebenswürdig und höslich, zugleich geschäftlich und sachlich. Er hat die Türkei nie verlassen, da ihm jede Reise früher streng verboten war. Viele Jahre seines Lebens hat er in der Einsamkeit seines Palast-Gefäng nisses am Bosporus verbracht Auch er war ein Opfer Abdul Hamids, der sich dadurch vor dem Sturz zu schützen suchte, daß er alle möglichen Anwärter auf den Thron hinter die eisernen Gitter eines Palast-Gefäng nisses setzte. Auch der damalige Kronprinz Abdul Mcd- schid wurde auf das sorgfältigste bewacht, war stets von Spionen umgeben und durfte zur Außenwelt in keine Beziehung treten. In dieser langen Zeit seiner erzwun genen Zurückgezogenheit beschäftigte sich der Prinz mit dem Studium der europäisclum Geschichte und ist daher über die Regierungsformen und die politisck>en Verhält nisse des Abendlandes ganz gut unterrichtet. Er wird als ein besonderer Freund Englands geschildert, und einer seiner Lieblingswünschc soll sein, ernmal London zu besuchen. Während der Zeit seiner Gefangenschaft suchte er sich durch angelegentliche Beschäftigung mit den schönen Künsten zu zerstreuen. Er erhielt die Erlaubnis, bei einem Musiklehrer und bei einem Maler Stunde zu nehmen, und seitdem ist besonders das Malen eine Lieblingsbeschäfti gung AbdulS geblieben. Er hat eine große Anzahl von Ge mälden geschaffen, darunter sehr figurenreiche Kompost- tivnen und Werke, die geschichtliche Stosse darstellen. leb kmlltz nack »Klo Mr Wsrr l.Mo« -nnn» *«. Scoklag«, 24 »Iwcke . . . . lIUv Slökim IIsliebM onnnn 4. zcnslar«, 18 »tlocke. . . . SV vvv Lelprlx, lküolgictr»«« 23. Bezirks - Wohlfahrts - Besprechung. Im Sitzungssaale der 'Amtshauptmannschaft Großen hain wurde am Donnerstag vormittag von 11 Uhr ah eine Versammlung abgchalten, die zum Zwecke hatte, jene Kreise, die sür die amtliche oder die frei willige Wohlfahrtspflege tätig sind, zu einer sozialen Arbe'.tsge- mcittsckmst zusammen-,»führen. Der hierzu ergangenen Ein ladung war, wie das „Großenh. Tageblatt" berichtet, aus dem ganzen Bezirke sehr zahlreich Folge geleistet Vor- den, sodaß der Saal völlig besetzt war. Herr Amtshauptmaun Kühn begrüßte die Erschie nenen im Namen des Wohlfahrtsamtes der AmtShanPt- mannschast auf das Freundlichste und legte dar, daß e- das erste Mal lei. daß der Versuch gewacht werde, die amtliche Wohlfahrtspflege organisatorisch in Verbindung zu bringen mit der freien Liebestätigkcit. Das Wohlfahrts- aesetz vom 30. Ma> 1918 bilde den Rahmen für einen derartigen Zusammenschluß. In den Städten und ebenso in Gemeinden mit starker industrieller Bevölkerung sei schon lange da- Bedürfnis nach der Zusammenfassung der amtlichen und der freien Wohlfahrtspflege erkannt worden, während der Wohlfahrtspflege an sich aus dem platten Lande noch, nicht das so nötige Interesse entgegen gebracht werde. Die Landbevölkerung habe dem Problem der Wohlfahrtspflege mit gewisser Gleichgültigkeit gegen- übergenandcn; sic sei von dem GesichsSpunNe ausge- gangen, daß, solange die körperliche Rot der LandbevüÜe- rung nicht allzu stark in Erscheinung tritt, das Gebiet der Wohlfahrtsvflege als weniger wichtig zu behandeln ist. In allen Landbezirken, so auch in Großenhain, zeigen sich aber Ansätze einer gewissen Tätigkeit auf dem Gebiete der freien Liebcstätigkeit. Diese betätige sich aber in der Hauptsache meist in örtlichen Grenzen, so daß sie fick im Rghmen der Gemeinde selbst abspielt, da sie jeder organisatorischen Zusammenfassung entbehrt. Es müsse offen ausgesprochen werden, k«ß diese Organe der freiwilligen Liebestütigkeit nicht das Verständnis haben, die Sympathie der breiten Masse des Volkes, vor allem derjenigen, die die Wohlfahrtspflege in Anspruch neh men müssen, zu erringen. Es ist oft genug beobachtet worden, daß der wenig bescheidenere Teil es verstanden hat, alle Einrichtungen für sich in Anspruch zu nehmen, meist zum Nachteile der klebrigen, sodaß ost der Bedürf tigere, zugleich aber Bescheidenere, der Geschädigte war. Dadurch entstand schließlich eine gewisse Abneigung gegen all das, was unter den Begriff Wohltätigkeit, Wohlfahrt fiel. Den Gründen hierfür nachzugehen, sei heute nicht die Ausgabe. Heute gelte es vielmehr, das Gebiet der Wohl fahrtspflege und der freien Liebestätigkeit zusammenzu fassen. Mit zunehmender Not werde sich auch das Ver hältnis auf dem Lande verschieben, das Bedürfnis nach ausgedehnter Fürsorge wird dann auch auf dem Lande hervortreten. Mit dem Bedürfnis nach weitgehender Für sorge gehe das Bedürfnis nach weitgehender Aufklärung über das Wesen oder die Art der Wohlfahrtspflege im allgemeinen Hand in Hand. Auch hierzu gibt das Gesetz den Rahmen. Don der Jugendpflege ausbauend beginnend und zusammenfassend zu einheitlichem Werke, das letzten Endes gekrönt werden soll durch Las Hilsswerk sür die Alten, die Sozialrentner, für alle diejenigen, d>e keinen Rentenbezug zu erwarten haben, die kleinen Gewerbe treibenden, die nicht versicherungsvillchtig sind, auch auf keine Dermögensrente zu rechnen haben. In die Wohl fahrtspflege greift ein die Säuglingsfürsorge, die Klein kinderpflege, der Mutterschutz, Stillvrümien, Erholungs heim-Fürsorge für Kinder, älterer und alleinstehender Personen. Diesen Aufgaben gerecht zu werden, könne nickt allein der amtlichen Wohlfahrtsvflege obliegen, sondern es seien dazu alle Kräfte des Volkes berufen. Hier han delt es fick um ein rein neutrales Gebiet, be§ dem fick in der Mitarbeit alle Schickten des Volkes, welcher Weltanschauung der eine oder andere auch ange- böre, zusammennnden sollten zu dem gemeinsamen großen Werke, den Hilfsbedürftigen zu helfen nack Kräften und nach Möglichkeit. Wenn diese erste Zusammenkunft nur ein ganz klein wenig die gegensätzlichen Anschauungen näher zusammenführe, so sei schon ihr Zweck erreicht. Nach den Eröfsnungsworten erhielt dis erste Referentin Frau Landtagsabgeordnete Prof. Eva Büttner da- Wort. Diese behandelte in einstündigem Vortrag da- Thema: „Amtliche und freiwillige Wohl fahrtspflege". Die Vortragende leitete ihre Dar legungen ein mit dem Hinweis, daß sie wohl wisse, vor Vertretern verschiedenster Weltanschauungen und ver schiedenster Stände zu sprechen, doch für jeden Mensche» müsse als Höchstes im Menschenleben gelten die hilf reiche Tat. Tiegcgenseitige Hilfe führe zur höchsten Ent wicklung der Menschen. Mit kleinen Mitteln lasse sich nicht helfen, es müssen die Wirtschaftsgesetze erforscht wer den, ohnedem ist in das ChaoS deS Wirtschaftslebens keine neue Ordnung in der ganzen Welt zu bringen. Es sei kein Neuland, was bearbeitet werden solle, eine lange Entwicklung sei vorausgegangen, wir stunden in der Wohlfahrtsvflege auf den Schultern früherer Genera tionen. Die Vortragende verwies auf die Gesetze der Juden, auf die Gesetzgebung der Griechen, der Römer, in der das Recht der Armen anerkannt war. Auck das Christentum mit seiner mehr nach innen gerichteten Wohltätigkeit ist die Grundlage der neuzeitlichen Wvbl- fahrtSbestrebungen, nur sei da die staatliche Fürsorge bei Seite geschoben, es werd« zu kiel oem guten Herzen über lassen. Auf Einzelheiten ihres Themas eingehend, führte die Vortragende aus^ daß man mit dem Stande der Wohl fahrtspflege im Rerche durchaus nickt zufrieden zu sein brauche. Wohl bewege sie sich in der Richtung, wie sie gewünscht werde, aber in der Durchführung lasse sie noch viel zu wünschen übrig. Es fehle noch an einem großen Rahmengesetz, das alle die Träger der Wohlfahrts pflege zusammenfvßt zu einer einheitlichen Regelung oes gesamten Wohlfahrtswekens für das Deutsche Reich. TaS Reich zähle die Wohlfahrtspflege nicht za den lebensnot wendigen Bedürfnissen, obwohl dem entgegenzuhatten sei, datz es kein notwendigeres Bedürfnis gibt, als die Men schen gesund zu erhalten von Geburt bis zum Älter. Das ist nicht einfach charitative Fürsorge, sondern Kultur politik, Aufbau. Das Reich hat für diese Zwecke gewisse Mittel bewilligt, aber lange nickt genug. Das erste prak tische Werk, was geschaffen wurde, ist das Jugendfür- sorgegcsetz. Dieses muß den Ausgangspunkt bilden, um die Jugendwohlfahrt im ganzen Reiche zu Umfallen. Um die Armenfürsorge und das Fürsorge-Versichrrrin'Swcfcn inhaltlich zusammenzufassen, müssen die Gewerkschaften mit großen Mitteln eingreifen, ebenso der Staat, das Reich. Auch für die nächste Zeit werden für solch' Zwecke keine großen Mittel vom Reiche zur Verfügung gestellt werden können, das werde schon unmöglich durch die Be stimmungen des Friedensvcrtrages von Versailles. Ein» erfreuliche Tatsache ist es, daß die Fachleute der Mei nung sind, daß die Art, wie in Sachsen die Wohlfahrts pflege aufgezogen ist, die vorgeschrittenste in: ganzen Reiche sei. Durch die Verordnung vom 4. Februar 1919 wurde die grotze Organisation geschaffen, durch die Sachsen in Pflegebezirke eingetcilt worden ist. ES sind deren NI, darunter 29 Bezirks-Verbände. 9 bezirksfreic Städte, einige Gemeindevcrbände, ein LandgeinLindcvcrvand. DaS sind die eigentlichen organischen Träger der Wohlfahrtspflege, die weiter ausgebaut werden müssen. Innerhalb der Pflegebezirke sind das Hauvtorgan die Bezirks-Pflege rinnen. In jedem Bezirk befindet sich eine, wenn meh rere angestellt werden können, nm so besser. Auf die Persönlichkeit der Bezirksvftcgerin komme cs sehr viel an. Ihre yanze Betätigung, die viele äußerliche Anstrengung mit sich bringt, muß wirklich von sozialem Geiste ge tragen kein. Für die vielseitige Arbeit der Bezirkspslegcrin müsse die Unterstützung durch die Aerzteschast noch mehr als bisher herangezogcn werden, vb amtlich oder als frei willige Hilfe, bleibe dahingestellt. Bel den schwierigen gesundheitlichen Fragen müsse sie gehört werden. Das Amt einer Wohlfahrtspflegen» richtig zu verwalten, fetze wertvolle Kräfte und Erfahrungen, viel Wissen und Kennt nisse voraus. In Sachsen sind jetzt drei Stellen vor handen, an denen die Ausbildung von Wohlfahrtspflege- rinnen erfolgt. Auch Persönlichkeiten aus dem Volke, die gew-issen Kreisen sehr nahestehen, soll der Zugana »u Kes« Lütjgksil Et «bsklLvittv» werden. ik-jM
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