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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192211251
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19221125
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19221125
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-11
- Tag 1922-11-25
-
Monat
1922-11
-
Jahr
1922
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1922
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O 274 Vella«« zum Riesaer Tageblatt. Sannaben», 8». R»vem»er inrr, avenvs. 7». Aayrg. Die NegiermtliserklSniug im Reichstag. Deutscher Reichstag. «tb. v « rlin. 24. Nov«u,»ae. Kaak und Tribünen sind dicht besetzt, al« Reichtktmzler Lu«, zur Atzure einer Regier«»,-erklSr««- sich erbebt. ,, Der Reichskanzler weist zu Beginn seiner Rede darauf bin, das» der Reichspräsident ihm die Aufgabe gestellt habe, in freier Auswahl der Männer und der Verteilung der Ressort» die Regierung zu bilden und gibt alsdann die Ministerliste bekannt. Er dankt der alten Regierung und insonderheit dem früheren Reichskanzler Wirth sur di« Hingebung, mit der sie ihre besten Kräfte dem Reiche gewidmet hätten. Dazu berufen, auf dem durch di» Brr- faffung gegebenen Boden der revudltkantsche« TtaatSform die Regierung zu führen, hätte die neue Regierung es begrüßt, wenn Mitglieder der größten Fraktion dieses Hause« sich zur aktiven Mitarbeit im Kabinett bereit- gefunden hatten. Redner gibt aber der Hoffnung Ausdruck, daß es »um Besten de« Lande«, zn einer der Gesamtlaae entsprechenden verständnisvollen Zusammenarbeit mit dem Kabinett kommen werde und daß der Geist positiver gemeinsamer Arbeit alle staatSerhaltenden Kräste auf einem Boden »usammensühren werde. Deutschland solle wieder ein sich selbst bestimmender und aus eigener Kraft lebender Staat werden, nach außen im Einklang des nationalen Selbftbestimmungsrechtrs mit dem gleichen Recht der andern Völker, nach innen als «in Staat voller ans Leistung begründeter Wohlfahrt, guter deutscher Gesittung und Kultur, des sozialen Friedens und der Freiheit des religiösen Bekenntnisses. Redner gibt alsdann ein Bild des heutigen Deutschlands und führt weiter auS: Heute sei die Frage der Srsüllungswöglichkeit und ihrer Grenzen geklärt. In Cannes, Genua und später hätten sich die in der Reparationskommisstoa vertretenen Mächte über- zeugt, daß die Deutschland auferlegte Last unerschwinglich sei. Aber obwohl Gläubiger und Sachverständige erklärt hätten, daß Deutschland nicht zahlen könne, seien uns nur die Gold zahlungen für Reparationen und Besatzung und auch nur bis Ende dieses Jahre» gestundet. Das Schwert der Unge- wißheit hänge drohend über Deutschland und den besetzten Gebieten. In den drei rechtsrheinischen Städten, die ohne einen im Friedensvertrag gegebenen Titel besetzt wurden, stehe immer noch eine Armee, die wesentlich gröber sei als das deutsche Heer. Die Abtrennung wichtiger landwirtschaft licher und industrieller Gebiete im Osten, Westen und Norden habe Deutschlands Produktionskraft aufs tiefste ge schwächt, die Wegnahme unserer Auslandsvermögen, -er Kolonien und unserer Flotte unsere Zahlungsbilanz passiv gestaltet. In enger Verstrickung von Wirkung und Ursache ist im Innern die deutsche Leistung und der Wirkungsgrad der deutschen Arbeit erheblich gesunken. Die Mark ist bis auf einen winzigen Bruchteil deS Friedenswertes gesunken. Dadurch wird die Einfuhr notwendiger Lebensmittel und Rohstoffe geschmälert, und die Preise im Jnlande schnellen sprunghaft in die Höhe. Die Folge ist trotz des auf die Papiermark gegründeten irreführenden Scheines von Pro sperität mancher Unternehmungen eine fortschreitende Äin, dernng der Substanz, steigende Kredituot «nü Tötung des alten Sparsinnes. Es liegt im Wesen der Wirtschaftsgesetze, daß der wirtschaftliche Zustand Deutschlands bei fortwirken- dcn Ursachen weiter finke« maß. Es wird Preiserhöhung zur Lohnerhöhung, Lohnerhöhung zur Preiserhöhung. Die Verdreifachung des Brotpreises, das Anschwellen der Kohlen preise, die Tariferhöhungen der Eisenbahn sind die besten Beispiele für die Zwangsläufigkeit dieser Entwicklung. DaS ist das Deutschland, für besten Regierung das neue Kabinett nunmehr die Verantwortung übernimmt. Im Vordergründe unserer Verantwortung steht die Ne» parationssrage, und so sehr die Regierung es als ihre Pflicht betrachtet, alles dazu beizutragen, um ein gerechtes Urteil über die Schulbsrage herbeizuführen, so sehr betrachtet sie eS als notwendig, für die nach diesem verlorenen Kriege Deutschland auferlegten Verpflichtungen, insbesondere für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete Frankreichs zu leisten, was nach Deckung der deutsche« Lebe«sbedürf«iffe möglich ist. Diese Begrenzung entspricht auch dem Vertrage von Versailles, ebensowie den durch die Wirtschaftsgesetze be gründeten Notwendigkeiten. Kein Gläubiger, dem die Repa rationsfrage eine Wirtschaftsfrage ist und nicht etwa ein Instrument machtpolitischer Absichten, wird dieser Politik entgegcntreten können. Redner hofft, -atz die Einsicht vou der Notwendigkeit einer solch nüchternen Behandlungswetse der Frage sich auch in den Ländern unserer früheren Gegner immer mehr Bahn brechen wird und rechnet hier besonders mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Hinsichtlich des bedeutsamen Schrittes, den die vorige Negierung durch ihre Note vom iS. November an die Nepa- rationskommission getan hat, erklärt Redner, Satz die neue Negierung ohne Einschränkung aus den Bode» dieser Note trete und fest entschlossen sei, das in ihr enthaltene Pro gramm zur Durchführung zu bringen. Um einen Zu sammenbruch zu vermeiden, müssen wir mit allem Ernst alle Voraussetzungen der Note ausnehmen. Deutschland muß ans drei bis vier Jahre von allen Bar- und Sachleistungen aus dem Vertrage von Versailles befreit werden, wobei die Sachleistungen für den Wiederaufbau insoweit ausgenommen sein sollen, als sie ohne Vermehrung der schwebenden Schuld bestritten werden können. Außerdem mutz Deutschland weiter für die Stützungsaktion einen ausländischen Bank kredit von SM Millionen Goldmark erhalten. Die Annahme dieser Vorschläge wäre nur die logische Folge der Erkenntnis, die Ministerpräsident Poincars in seiner letzten Kammer rede selbst zum Ausdruck gebracht hat. Poincars sagte, die Ausnahme einer oder mehrerer Anleihen im Auslände werde das einfachst« Mittel zur Zlbhtlse sein, vorher aber müsse die Mark stabilisiert werden. Die Regierung stimmt dem Gedanken einer Auslandsanleih« durchaus zu, stimmt abeZ mit den Sachverständigen darin überein, daß die Mark nicht stabilisiert werden kann, solange die Politik der Ulti maten Deutschland keine Wirtschaft auf lange Sicht und der Welt kein Vertrauen aus die deutsche Wirtschaft erlauben. DaS mutz da» Ausland etnsehen. Für «nS aber gilt es, jede« Augenblick ,» ««sie«, «m die Wirtschaft z« höhere« Leistung«« zu führen. Wir erwarten die Steigerung der Leistung von allen Teilen, von Unternehmern wie von den Arbeitnehmern aller Berufe. Wir haben ««produktive Arbeit in Staat, Volk und Privatwirtschaft. Stück um Stück wird dieser Abbau an,«streben sein. DaS liegt auch im Interesse der Konsumenten, zumal die Möglichkeit staatlichen Zwange» zum Zweck« der PreiSrrgelung eng begrenzt ist. Die Bekämpf»«« des Wucher» bleibt «ine dringende Auf gabe. Da, wo mächtig« Bereinigungen von Industrie untz Handel durch unbillig« Preis» und Absatzbedingungen die Freiheit de» Wettbewerbe» unterdrücken, soll die Ge««tt»ehr her ««rarbeiter u«b Verbraucher notfalls ««terftfitzt werben. Dabei dürfen Gesetzgebung und Gesetzesanwendung nicht dazu führen, die Erhaltung der Betrieb« im inneren wirt- Wlllche» Bestand« gefährden. Damit will die Re ¬ gierung besonders auch de» Wünsche« de» Handwerk» ent gegenkommen. Al» wirtschaftliche Notwendigkeit ist berrit» anerkannt, batz da» Arbeitszritrecht alsbald gesetzlich, und »war unter Festhaltung de» Achtft««be«ta»eS u«b Zulaffuug gesetzlich begrenzter Ausnahme« geregelt werden mub. Di« Anspannung aller Kräfte ist angesichts der schwierigen Er» «ährungSlage besonder» dringlich für unsere Landwirtschaft. Redner appelliert an die Landwirtschaft» der VolkSgemetn- schäft weiter ihr Opfer zu bringen und die Ablieferung der fälligen Getreideumlage möglichst zu beschleunigen. Bei der Preisfestsetzung für die weiter »u liefernden Getreide mengen ist die Negierung bereit, den veränderten wirtschaft lichen Verhältnissen Rechnung zu tragen: aber trotz aller Bemühungen um die Gesundung unserer Wirtschaft wtrb von weiten Kreisen unseres Volkes Entbehrung nicht fern, zuhalten sein. Aber auch das verarmte deutsche Volk wird die Pflicht bestmöglicher Hilfe denen gegenüber erfüllen, die, wie die Kriegsbeschädigten, selbst ihr Beste» für Deutschland gegeben haben, wie die Sozialrentner und endlich wie weite Kreise des in Kummer und Sorge dahin sinkenden alten Mittelstandes. Jufolge der Not des Reiches werden diele Mittel begrenzt sein, aber mit den Ländern zusammen wird der Zersplitterung in der öffentlichen Fürsorge zu begegnen sein. Doch der Staat kann nicht alles Notwendige leisten. Ich rufe alle auf, nach besten Kräften den notleidenden Volksgenossen zu helfen, vor allem den deutschen Kindern. Bon Herzen bankt das deutsche Volk menschenfreundlichen Spendern aus anderen Länden. Gegen die Wohnungsnot müssen wir durch Verbilligung und Vereinfachung des Baues wenigstens ein beschränktes Bauprogramm durchführen. Die Not der deutlche« Geistesarbeiter ist auch aus dem Auslande in hochherzigen Spenden anerkannt worden, für die unser Volk dankbar ist. Auch das Reich wird die kulturellen Güter Deutschlands schützen und seine geistigen Schätze vor dem Verfall bewahren. Die größte Sparsamkeit wird die Regierung im öffent liche« Staatshaushalt durchführen. Die Behörden werden bis auf das unbedingt Notwendige abgebaut werden. Tie staatlichen Betriebe sollen zu höchsten Leistungen bei gering möglichem Kräfteverbrauch wettergeführt, Gehalts- und Lohnpolitik sollen dem Aufstieg der Tüchtige« dienstbar ge macht werden. Zur höchstmöglichen Steigerung der Retchsein- nahmen wird die Steuergesetzgebung die Veranlagung und Erhebung vereinfache«. Die Steuern sollen möglichst an der Quelle erfaßt, die Veranlagung zuverlässiger gemacht, die Einziehung beschleunigt werden. Dem säumigen Schuldner sollen aus verspäteter Zahlung mit schlechterer Mark keine Vorteile erwachsen. Auch schwerste Opfer der Leistuugs» fähige« dürfe« nicht gescheut werden. So wollen wir in der Wirtschaftspolitik die Gebote der wirtschaftlichen Vernunft mit warmem Sinn für Bolkswohl und sittliche Erfordernisse anerkennen. Den nationalen und kulturellen Zusammenhang mit Len abgetretene« Gebiete« im Auge wird die Regierung ihre Kraft dem friedlichen Zusammenleben mit den Völkern widmen, aus deren wirtschaftlichen Beziehungen Deutschland nicht ohne schwersten Schaden der anderen Völker gestrichen werden kann. Das gilt für alle Länder Europas ohne Aus nahme. Ebenso wirb die Regierung alle überseeischen Be ziehungen pflegen, insbesondere mit den großen Nationen, mit denen entzweit zu werden das Unglück Deutschlands und Europas war. Mir persönlich wird es eine Freude sein, die vertrauensvollen Beziehungen, die ich mit Wirtschafts führern des Auslandes gewonnen habe, nun unmittelbar für den Dienst des Reiches fruchtbar zu machen. Die Aus ländsdeutschen müssen wir entschädigen in einer Weise, die die Wiederaufnahme kultureller und ökonomischer Pionier arbeit ermöglicht. Wir wollen eine ehrliche, schlichte deutsche Politik treiben, die nichts mit den Schlagworten einer Lst- j und Westpolttik zu tun hat. Solche Gegenüberstellung er- ! weckt den Anschein, als wollten wir den Osten gegen den Westen oder den Westen gegen den Osten ausspielen. Aus dem Unfrieden anderer Mächte wird Deutschland keinen Vorteil ziehen, sondern lediglich verhängnisvolle Nachteile erfahren. Die Welt und die Weltwirtschaft brauchen nicht Uneinigkeit, sondern Einigkeit und Arbeit. Deutschland insbesondere braucht Len Blick ins Freie und in eine bessere Zukunft. Gewiß kann keines der deutschen Länder im Herzen von Deutschland abgetrennt werden, aber cs gibt Bestrebungen jenseits der Grenzen, die auf neue Bedrückun gen und Eingriffe abzielen. Mit Sorge blicken wir auf die schwergeprüfte Bevölkerung der besetzten Gebiete am Rhein, die mit harten Leiden eine Besetzung trägt, deren Art viel fach dem Kulturempfinden der gesitteten Welt widerspricht. Wir danken unseren deutschen Landsleuten für ihre Treue und wollen ihr Los nach Kräften erleichtern. Ich wieder hole, waS Minister Rathenau zwei Tage vor seinem tragischen Ende hier erklärte: Die Negierung wird niemals bereit sein, besetztes deutsches Gebiet, das Rheinland oder die Pfalz oder das Saargebict, preiszugeben, ihre Befreiung zu gefährden oder auch nur einen Tag hinauSschiebcn zu lassen. Jetzt ist keine Zeit zu Versassungsstreitigkciten. Wem Deutschland Herzenssache ist, stellt sich mit uns auf den Boden unserer Rcichsverfassung, dieses unseres deutschen Staates. Aufruhr und Gewalt würden nichts bessern, son dern die Not dieses Winters steigern. Ich bitte alle, die Einfluß haben, sich für Ordnung einzusetzen. Kein Staat kann ohne Autorität sein. Die Sorge für die Staatsbiener, die die Autorität auszuüben haben, wird die Regierung immer leiten und mir eine persönliche Herzenssache sein. Reichswehr und Neichsmarine haben ein Recht aus gleiche Fürsorge und Achtung. In der Rechtspflege ist die Er haltung einer unparteiischen, v.om Vertrauen des Volkes getragenen Rechtsprechung erstes Gebot. Die Rechte der Länder wird die Regierung aus Ueberzeugung wahren, ihre verfassungsmäßige Mitarbeit pflegen und Wünsche nach voller Entfaltung möglichst erfüllen. Für diese unsere Arbeit werben wir bei Ihnen» über die Fraktionen dieses Hauses hinaus bei unserem ganzen Volke, baß alle lebendigen Kräfte sich zur Rettung Deutsch lands vereinigen. Deutschland ist in schwerster Gefahr. Wir wissen nicht, ob ihm aus übermächtigem Willen der vor herigen Kriegsgegner neue Not beschiedcn oder ihm er möglicht sein wird, den Weg der Gesundung zu beschreiten. Lassen Sie uns unsere innere Einheit aufreckterhalten. Deutschland kann bedrückt werden, aber es kann nicht ««ter» gehen, wen« eS sich «icht selbst anfgibt. Der Reichskanzler fand Beifall und Zustimmung be sonders bet den Stellen, in denen er davon sprach, daß ge arbeitet und nicht geredet werden müsse und daß eine Zu sammenfassung aller Kräfte notwendig sei, sowie bet der An führung der letzten Worte Rathenaus über das besetzte Gebiet, da» Deutschland niemals pretsgeben werde, und bei den Schlußworten: Deutschland kann bedrückt und bedrängt werden, aber eS kann nicht untergeben, wenn es sich nicht selbst aufgibt. , Die Aussprache über die RegieruugSerNSrun, wird eingeleitet durch . Abg. Tr. Breitscheid lSoz.). Er wirft «inen Rückblick aut di« Entstehung der Regierung«- kris», die dadurch kervoraernfe» wnrde, daß dl, bingerticken Dartelen angelichtS de» wachsenden Selbstgefühls de« Kapitalismus bestrebt waren, ihren Einfluß in der Reale« rnna zu stärken nnd den der Sozialdemokratie zurück- »ndränarn. Als sich nach der Ermordung Rathenau« die Unabbängiaen bereit erklärten, zum Schutz der Republik in die Mealernng »inzutrrten, beantworteten die bürgerlichen Koalitionsparteien den Zusammenschluß der beiden sozial demokratischen Fraktionen durch ein Bündnis sreier Liebe mit der Dentlchrn Volksvartei. Das Ersuchen, die Volks partei in di» Reai.erung auszunebmeu, mutzte von der Sozial demokratie abarlebnt werden. So kam da? Kabinett Wirth zu Fall. Nicht ans ira-nd welcher persönlichen Vorein- aenommenbeit gegen Lr. Wirth oder «m dem Zentrum einen Affront anzutun. sind wir so vorgeaaugen, sondern aus rein sachlichen Erwägungen. Mit der Volksvartei konnten wir nicht zusammen regieren, weil wir sie mit Herrn StiuneS identifizieren müssen, der für den Zehustundeiitaa und gegen die Stabilisierung der Mark kämvft. Freilich sitzen bei den Demokraten viele MItalieder, die sich vou Herrn Stinnes kaum unterscheiden. Aber mit dieser kleinen Partei in der Regler»»« konuten wir leichter fertig werden als mit der stärkeren Volksvartei. Das Kabinett Cuno ist nnr ein Not behelf. Auch ist eS mit dem parlamentarischen Sostem kaum vereinbar, daß rin Nichtparlamentarier zum Reichskanzler bestimmt wurde. Auch ist die Legende bereits zerstört, daß das Kabinett Cuno ein Kabinett über den Parteien fei. Herr Cuno ist nur das Feigenblatt, mit dem die Blöße der Arbeitsgemeinschaft verdeckt werden soll. Cs wäre besser gewesen, wenn die Kanzlerrede kurzer und inhaltsreicher gewesen wäre. Das fetzt so besonders notwendige Bekennt nis zum Schuß der Republik wurde nur in einem kleinen Nebensatz erledigt. Wir billigen eS, daß die neue Regierung die Reparatlonsnote des Kanzlers Wirth übernimmt nnd hierin den Kurs der vorigen Negierung weiter verfolgen will, drücken damit aber nicht das Vertraue» aus, daß dec neue Reichskanzler dielen Kurs einzuhalten imstande ist. Wenn er von diesem KnrS abweicht, wird er nusern leb haftesten Widerstand finden. Ebenso, wenn er den verhäng nisvollen Versuch machen sollte, die Zwangswirtschaft voll ständig zu beseitigen. Tie Steigerung der Produktion ist eine alte sozialdemokratische Forderung, gegen jeden Versuch jedoch, am Achtstundentag zu rütteln, werden wir entschieden ankänipfen. Redner unterzieht alsdann die einzelnen neuen Minister einer Kritik und greift den ErnöhrnugSininistec Müller-Bonn heftig an, weil er nicht nur ein Vertreter der agrarischsten Interessen, sondern der anZgesprochcne Führer der rheinischen Sonderbündler sei nnd fordert den Reichs kanzler aui, allen Vorwürfen gegen den Minister nachzu- aehen und zu prüfen, ob Herr Müller überhaupt in dec Regierung der deutschen Republik sitzen dürfe. An Tr. Becker schätze er seine Ehrlichkeit und Kampfbereitschaft, weil er aber als Freund HelsscrichS genau das Gegenteil der Wirt schaftspolitik der früheren Regierung treiben werde, werde seine Partei ihn anis schönste bekämpfen. Für den Außen minister von Rosenberg sei eS keine Emvftb'.mm. daß man ihm nacheiihme, sich die diplomatilchen Sooeen n den Ver« handlimaen von Brest-Litowik imd Bukarest verdient zu haben. Tie Legende, daß das Ausland eine:!'eg:c:iing dec VoikSporlci mit Jubel begrüßen würde, ist beee iS zerstört. Jetzt wird die weitere Legende zu zerstören ftiu, daß in Tcutschland ohne oder gar gegen die Sa^aldemokratie regiert werden kann. (Beifall bei den So u Abg. Tr. Marx 'Z.i polemisiert gegen die Aenßerungen des Vorretn--'?. Wir hätten im Rücken einen anderen Feind als den K.zft! KiSmuS nnd die Arbeitsgemeinschaft. Henie stehe der Feind vor den Toren, mährend h er Parleigc-änk e.cieieben werde (Händeklatschen bei den bürgerlichen Parieien«. Gerade die Sozialdemokraten hätten durch iür Aur.'chciden an- der Koalition die RegiernngSkri''e herbeiae-ül-i k. Hier mußte angesichts der Gemhr iür unser Volk einmal da; Vaicrland über die Partei gestellt werden. Tr. Breiischcid hat Herrn Tr. Wirth so gerühmt, nm so uuverauüvortlichsr ist eS, daß die Sozialdemokraten das Kabinett gestürzt haben. Tie sachlichen Gründe dec Sozialdemokraien gegen die Große Koalition mit der VolkSpartci find kaum ver ständlich, nachdem in mochenlangcn Vorberatungen in Gegenwart und mit Zustimmung der Sozialdemokratie die Wege siir das gemeinsame Programm geebnet waren und zumal ja in Pi rußen die Große Koalition besteht. Redner protestiert gegen die Behauptung Breiticheids, daß eS sich nm den Versuch bandle, eins Herrschaft des Kapitalismus herbeizuführen. Mit den» gleichen Rechte könnte man ja sagen, daß die Sozialdemokratie mit ihrem Verhalten ihre Herrschaftüberdie bürgerlichenParteien habe errichten wollen. Auch das Scklagwort, daß dieses Kabiuett ein Kabinett der bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft sei, weise ec zurück. Seine Partei habe dem Reichskanzler aus dessen Anfrage lediglich geantwortet, daß sie ihren Mitgliedern den Eintritt in sein Kabinett nicht verwehren würde. Als Partei sind wir bei der Bildung des Kabinetts nicht befragt worden. Tamit entfällt anck die Frage Breiticheids, ob wir die Verant wortung für Tr. Müller-Bonn übernehmen. Tas deutsche Volk ries in seiner höchsten Not nach seinen WirtschaitZ- führern, die so ost Kritik a» den früheren Regierungen geübt haben: diese haben es abgelehnt, ihre Fähigkeiten der Regierung zur Verfügung zu stellen. Tamit haben sie sich das Recht auf Kritik der Negierung verscherzt. Wir danken dem bisherige» Kanzler für seine Arbeit, die er als echter Deutscher zum Wohle des Volkes geleistet bat. TaS Bekenntnis zur Reichseinheit, das der neue Kanzicr unter gleichzeitiger Wahrung der Eigenart der Länder abgegeben habe, begrüße Redner mit großer Freude. Ein zentralistischer Staatsausbau sei für Deutschland nickt angängig. Redner sckließt seine Ausführungen mit der Fordcrnng an die Regierung, gegen Sckleminerei und Luxus energisch vor- zugehen. (Beisall im Zentrum.) Abg. Tr. Herst (Tnat.) verliest eine Erklärung seiner Fraktion, in der es heißt r Die Zusammensetzung der Reichsregierung nnd die Geschickte ibrrr Entstehung weisen neue Züge auf, die für eine Besserling der politischen Verhältnisse von wesentlicher Bedeutung werden können. TaS Kabinett Wirth ist an der Sckmäche seiner Politik zusaiiimengebrocken. Der Fort- letzung einer Ersüllnngspolitik auf Kosten der Substanz des deutschen Volksvermögens werden wir unter keinen Umständen »»stimmen. Wir halten es für eine» Fortschritt, daß die Kabinettsbildung ohne die Sozialdemokratie vor- arnominen ist und erwarten von der neuen Regierung, daß sie Ordnung nnd Autorität des Staates gegen Aufruhr «nd Gemalt, wo immer sie sich finden, schützen wird. Sie wird dabei unsere Unterstützung haben. Endlich muß gleiche« Recht für alle geschaffen werden durch Beseitigung der AuSnabmegesetze. Wir find bereit, der neuen Regierung die verfassungsmäßige Möglichkeit zur Führung der Ge- schäfte zu geben. Immerhin müssen wir es uns se nach der Tätigkeit der Regierung Vorbehalten, in der Opposition zu bleiben und so auch weiterhin positive Arbeit zu leisten. tBeifall rechts. Lachen Unk-^
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