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Drei Arbrit« Die Kinder von Parma Von Maxim Gorki gratis keine DewähvMgHrMk" meint er. der diese Straße. Ts ist eine der iveranrwonttch: «.»lhelm Pankow, veww. dee Tauentzienstraße. liegt das Prunk tst so finnlos wie jein zu zu die Arbeiter in den Ausstand nicht nachgeben, die Lage der Darum haben sie ihre Kinder, begannen, zu ihren Genossen Genau mußte ein als das und Am nächten Meder wurde zahlen. Tr kann nicht bezahlen. wird er Wer de« Aryemointrr rm Gefängnis Der Margen ein Stückchen Skat verordnet. Winter im Anzug / Au" B °nd Auf dem Heinen Bahnhofplotz in Genua Hot sich ein dichter Dalkshausen versammelt. Ls sind vorwiegend Arbeiter, auch viel solide gekleidete, wohlgenährte Personen darunter. An der Spitze des Haufens stehen die Mitglieder der städtischen Verwaltung. In der Lust flattert die schwere, kunstvoll mit Seide gestickte Hahne der Stadt und neben ihr glitzern die bunten, farbigen Hahnen der Arbeiterorganisationen. Die Quasten, Fransen, Schnüre und die Spitzen der Hahnenstangen glänzen von Gold, die Seide knistert, und wie ein halblaut singender Chor ertönt das Gesumme der feierlich gestimmten Menschenmenge. Ueber ihr auf hohem Sockel ragt die schöne Gestalt des Kolumbus*) empor, dieses Träumers, der soviel leiden mutzte, weil er glaubte, und der den Sieg davontrug, weil er glaubte. Auch heute noch schaut er aus die Menschen herab, als wollten seine Mamorlippen sagen: „Nur die siegen, die da glauben!" Rings um den Sockel, zu feinen Hützen. haben die Musikanten ihre Messingtrompeten ausgestellt, und das Messing glänzt in Sonne wie pures Gold. Das schivarze Marmorgcbäude des Bahnhofs steht wie offener Halbkreis da und hat seine Hlügel ausgebrcrtet, wollte es die Menschen umarmen Aus dem Portal dringt dumpfe Keuchen der Lokomotiven, Kettengeklirr, Gepfeife Geschrei; aus dem mit heitzem Sonnenlicht übergossenen Platze ist es ruhig und druckend heitz. Aus den Balkons und an den Henstcrn der Häuser stehen hellgekleidete Hrauen mit Blumen in den Händen, festtäglich geputzte Kindergcstalten, die selbst wie Blumen aussehen. Da pfeift eine Lokomotive, die sich dem Bahnhof nähert. Die Menge gerät in Bewegung. Schwarzen Vögeln gleich fliegen einzelne Hüte in die Lust, die Musikanten greisen nach ihren Instrumenten, ein paar ernste ältere Männer treten hervor, wenden sich mit dem Gesicht der Menge zu und sprechen, eifrig mit den Händen fuchtelnd, auf sie ein. Schwer und langsam weicht die Menge auseinander und läßt einen breiten Ausgang nach der Stratzc frei. „Wen erwartet man hier?" Dort, unten in Parma, waren getreten, die Unternehmer wollten Arbeiter wurde immer schwieriger, die schon vor Hunger zu kränkeln nach Genua gesandt. Hinter den Säulengängen des Bahnhofs kommt jetzt eine sonderbare Prozession von kleinen Menschen hervor; sie sind nur halb angckleidet und sehen in ihren Lumpen wie seltsame, zottige Tierchen aus. Sie marschieren zu fünf in einer Reihe, sich fest an den Händen haltend, . . . seltsam, klein, verstaubt und sichtbar ermüdet. Ihre Gesichter find ernst, aber die Aeuglein glänzen lebhaft und klar, und als die Musik ihnen zu Ehren den Garibaldi- marsch anstimmt, huscht ein fröhliches, zufriedenes Lächeln über diese mageren, spitzen, hungrigen Gesichter. Die Menge begrüßt diese Menschen der Zukunft mit ohren betäubendem Geschrei; die Banner neigen sich vor ihnen, die Trompeten schmettern. Die Kinder sind von diesem Empfang ein wenig verwirrt, sie weichen einen Augenblick zurück, aber auf ein mal haben sie die Reihen geschlossen, sich zu einem Körper zu- sammengedallt, und Hunderte von Stimmen, die aus einer Kehle zu kommen scheinen, brechen in den Ruf aus: „Hoch die Soltdarität!" „Ts lebe das junge Parma!- schreit die Mange, die auf sie -dstürtt. „Acht-Uhr-Abcndblatt" meldet: Die Arbeitslosen brauchen nicht zu fürchten, daß die Unterstützungsdauer herabgesetzt wird. Bericht ist offenbar amtlich beeinflußt, ist die Unterstützungsdauer herabgesetzt. Sie Konzern rieb empor Im Westen der Stadt, in Restaurant „Rio Rita". Sem Name. Arbeiter kommen fvkte« kl Amüsierstratzen der bankrotten Bourgeoisie. Ich stehe vor „Rio Rita". Ls ist abends zehn Uhr. Bald sind die Theater aus. Da kommt ein Luxusauto. Tine „Dame" steigt aus. Ein Herr dahinter. Cie verschließen da» Auto und gehen hinein in das Restaurant. Ein zweiter Wagen rollt an. Teuerste amerikanische Marke. (Deutsche, kauft deutsche Kraftfahrzeuge! heißt eine der Not losungen der Großkapitalisten, die für sie selbst nicht gilt.) Eine Dame steigt aus. Schwarze Seide bis zur Erde. Spitzen rieseln hervor. Ein kostbarer Pelzmantel bedeckt die empfindliche Puppe. Speisekarte von Rio Rita: Ein Gedeck kostet soviel, wie ein Wohlfahrtsunterstützungsempfänger im Monat bezieht, — mit seiner Hamilie. Aber die kommen ja hier nicht her. Reichssinanzminister Dietrich sagte: Wir müssen uns wieder emporhungern. Guten Appetits Ilie Vulorelilupim »uetrt Im Norden der Stadt, in der Brunnenstratzc, liegt das Restaurant „Gulaschkanone". Seine Bescheidenheit ist ebenso be zeichnend wie fein Name. Bourgeois kommen selten in diese Straße. Es ist eine der trostlosen Amüsierstraßen des Proletariats ohne Geld. Ich gehe in die „Gulaschkanone". Es ist mittags zwölf Uhr. Die ersten Gäste kommen. Der Wirt der „Gulaschkanone", der inzwischen schon fünf Hilialen eröffnen konnte, bringt Gedecke zu 18, 27 oder 50 Pfennig. So billig bann kein« Hausfrau kochen. Der Wirt verdient an einer Portion für 18 Pfennig 1 Pfennig, an einer für 27 Pfennig 2 Pfennig. Er verdient am Tage ein paar tausendmal einen, ein paar tausendmal zwei Psennige. Viele Wenig machen ein Viel. Der Wirt verdient an der Not ganz gut. Seine Hallen sind kaum leer. Die Magen feiner Gäste werde« nicht voll. Aber feine Tasche wird immer voller. Man muß eben die Konjunktur erkenne« und ausnuhen. Noch weiter im Norden liegt eine genossenschaftliche Siedlung. Sozialdemokraten ketten sie. Di« Genossenschaft eröffnet «inen Mittagstisch für erwerbslose Mitglieder. Die Mieten betragen „Evviva Garibaldi!" rufen die Kinder und dringen wie k grauer Keil in die Menge hinein, um dort zu verschwind-> In den Henstcrn des Hotels, aui den Dächern der na r ' flattern, gleich weißen Vögeln, unzählige Tücher; ein regen ergießt sich von dort aus die Köpfe der Menge, fröhlich , laute Ruse ertönen. Alles sieht festtäglich aus, alles lebt aus, selbst der gra c Marmor blüht in Hellen Harden. Hahnen flattern. Hüte und Blumen fliegen durch die über den Köpfen der Erwachsenen tauchen kleine Knrde-lor' aus, kleine, braune Pfötchen fahren durch die Luft, greisen n:' den Blumen und begrüßen die Menge. Und alles weit übertöne ' klingt ununterbrochen der machtvolle Ruf: „Viva il focialismo!" Jedes Kind fühlt sich ergriffen, auf die Schulter der Li wachfcnen gehoben, von rauhen, schnauzbärtigen Mannern an d Brust gedrückt. Die Musik ist bei dem allgemeinen Lärm, de n Lachen und Schreien kaum noch zu hören. Man sieht Hrauen durch die Menge schwirren, die die übri'» gebliebenen Kinder an sich nehmen wollen. Mar. hört sic rufen „Sic nehmen zwei, Annita?" „Ja, Sic auch?" „Und eins für die lahme Marguerita." Ucberall begegnet man fröhlich erregten, festtäglichen Ge sichtern, feuchten, freundlichen Augen. Hier und da sieht m die Kinder der Streikenden bereits ein Stück Brot kauen „Zu unserer Zeit dachte man nicht an so etwas!" sagte em Greis mit einer Vogelnasc und cincr schwarzen Zigarre im Munde. „Und wie einfach ist doch das?" „Ja! So einfach und so vernünftig!" Der Alte nimmt die Zigarre aus dem Munde, betrachtet nachdenklich das eine Ende und streift seufzend die Asche ad. Gleich darauf sicht er zwei Kinder aus Parma, offenbar zve! Brüder, neben sich stehen, macht ein grimmiges Gesicht, stülpt den Hut über die Augen und breitet die Arme weit aus. Die Kinder die ihn ganz ernst anblickcn, schmiegen sich aneinander und weichen mit ängstlichem Gesicht zurück. Der Alte duckt sich plötzlich und sängt laut zu krähen an. Die Kinder lachen fröhlich aus uim Hüpfen mit den nackten Beinchen auf dem Pflaster herum. D r Alte steht aus, rückt den Hut zurecht und entfernt sich unsicheren Schrittes, offenbar in der Meinung, seine Schuldigkeit getan zu haben. Ein hochgewachsencr Mann mit nackten, ungeheuren Armen und einem Lederschurz hält ein sechsjähriges Mädchen aus seiner Schulter und spricht zu der neben ihm schreitenden Hrau, die einen Knaben mit feuerrotem Haar an der Hand fuhrt: „Du verstehst, wenn sich dieser Brauch Eingang verschafft, wird es schwer sein, uns unterzukriegen, he?" Und er lacht mit lauter, tiefer, triumphierender Stimme, seine kleine Last in die blaue Luft emporwcrfenh: „Evviva Parma!" Die Leute verschwinden, die Kinder mit sich sorttragend oder -führend. Auf dem Platz bleibt nichts zurück als ein paar zer drückte Blumen, Konfcktpapier, eine fröhliche Gruppe von-blauen Dienstmännern, und über ihnen die edle Gestalt des Mannes, der die neue Welt entdeckte. Aber aus den Straßen, die gleich ungeheuren Röhren avf dem Platz münden, erschallen fröhliche Rufe von Mensche«, die dem neuen Leben entgegenschreiten. <«u« der AeMchNst „rrtluma»*» Und wenn nicht die Notverordnungen wären, 'önn:-: manche interessante Vermutung über jein Ende ausjch:-,-- llrei liml eins gleich «irr Etwa jeder vierte Berliner ist erwerbslos müssen von ihrem Lohn eine vierte Hamilie durchsüttern. Am 30. September erließen Brüning und Hindenburg ein? Notverordnung, die die Löhne cincr Arbeitcrkategorie senkte H.: gleichzeitig kam die Kürzung der Unterstützungsdauer für die C: werkslosen. So wird cs noch ein Weilchen weitergchen: Wenn -ie dr,i Arbeitenden weniger verdienen, bekommt auch der Vierte, den i mitcrnähren. weniger. Die Kaufkraft sinkt. Die Produktion - gedrosselt. Menschen werden erwerbslos. Bald wird.jeder 7"rn. erwerbslos sein. Dann müssen immer zwei einen Dritten ernähren Dieses Rcchener.empcl hat dann ein Ende, wenn das Resnlr.t -u l So beginnt der große Krisenwinter in Berlin. So dc. i i er im ganzen deutschen Reich. Es tst, um mit Brüning zu r. der schwerste Winter seit IW Jahren. Ü28 lempll äkl llvlvklülünungen Im Wohlfahrtsamt des Bezirksamts Schöneberg sitzen I- -i Beamtinnen um einen Tisch. Eine von ihnen har die n x'-Vt die sie für einen Notleidenden zuviel beantragt hatte aus- Tasche bezahlen müssen. Nun sitzen sie täglich über den Nolvcr^- nungcn. Jeder Hall ist schwierig. Aus jeden einzelnen reimen sich ein paar von Brünings eisernen Dekreten. In allen Behörden schwitzen die Beamten Blut und Sic können sich durch die täglichen Verordnungen nicht mehr du:§ finden. Brüning ist schneller als sie. Er überholt sich selbst. Das Berlin, im Oktober. In einem kleinen Lokal im Herzen der Stadt, dort, wo die großen Geschäftshäuser stehen, quält sich ein kleiner Casöbesitzer um feine Existenz. Im Norden Berlins sitzt einer von den vielen er werbslosen Musikern, denen Tonfilm, Grammophon und East» haussterden ihre Existenz raubten. Beide kommen zusammen. Der Musiker verpflichtet sich, für 2W Mark im Caföhaus am Epittel- marlt einen Weltrekord aufzustellen, der darin besteht, daß der Mann ununterbrochen 7s Stunden lang Klavier spielt. Der Cafehausmann verspricht sich dadurch eine Belebung seines Ge- schästs. Die Sache geht los. Zwanzig Gäste — zufällige und absicht liche — schauen zu. Der Musiker sieht aus, als hätte er schon achtzig Stunden hintereinander gespielt. Tiefliegende Augen, hohle Backen, nervöses Zucken. Er hat aber nur gehungert. Länger als achtzig Stunden. Er spielt zehn Stunden. Hinter ihm sitzt ein« Hrau, die ihm den Kops einreibt, den Rücken massiert. Er spielt schlecht. Aber er spielt. Zwanzig Stunden. Dreißig — vierzig — fünfzig — sechzig — da endlich spricht der Casöhausbesitzer das erlösende Wort: Sie sind für einen Monat bei mir eingestellt. Endlich wieder einmal Arbeit. „Kapellmeister" Rodenbusch - hat vier Wochen Lohn und Brot. Tapfer fpielt er seine 75 Stunden Ende. Er macht den Weltrekord, um vier Wochen Arbeit kriegen. Dann ist er kaputt. Wird er seine Stellung überhaupt antreten können? Sie ecren MisszMe In Wittenberge ax der Elbe, der Stadt, in der Tausende von Proleten täglich die berühmten Singer-Nähmaschinen Herstellen, Haden wildgcwordene Kleinbürger den Weltrekord im — Schlag fahneessen gebrochen. Frau Melchior, die am besten abschnitt, wurde ein Diplom überreicht. Sie hatte, wie man hört, lange trainiert, nm dt« Leist»«- vollbringen zu könne«. kikks 8vM VÄmmg Lin Erwerbsloser steht vor de« große« Warenhaus Tietz am Alexanderplatz. Es regnet. T» ist ksthl. Der Mann ist durch näßt. Es ist spät abend». Der Man« friert. Er sieht sich die Auslagen an. Bi« er «ine« Trrtfchluß gefaßt hat: Er wickelt sich ein Taschentuch um di« Feucht und haut gegen di« Scheib« des großen Schaufensters. Sie klirrt ein wenig. Spaziergänger werden aufmerksam. Der Mm» haut «ochmals zu mit aller Kraft, di« er crufdringen Ham». Die Scheibe geht in Trümmer. Polizei kommt. Der Mann wird gefesselt. Er ist ganz ruhig. Tr hat die Tat mit voller Seberlegung vollbracht. Er wird ab geführt. Endlich! sagte er. Dieses Wort heißt: Endlich werde ich ein Dach über de» Kopf und eine warme Suppe im Magen haben. Die Obdachlosenasyle sind überfüllt. Dort muß man außerdem Nun verpflegt. ..Nur Taufende Reubmnoohmrage« stehe« leer. Eine große Spiegelscheibe kostet einig« hundert Mark, so viel, wie dem Ma«n für de« Winter gefehlt hat. Er erst ein Verbrechen begehen, nm Logis und Esten zu bekommen. Das ist sinnlos? Zvos ist denn in diesem System nicht sinnlos? 82 Mark für Arbeitende und Erwerbslose. Die Mieten werden nicht gesenkt. „Das geht nicht", sogt man. Aber Wohltätigkeit — das geht. lliester uiui MtMstigtzeit Wohltätigkeit überall. Die Bourgeoisie hat wieder einmal ihr Herz entdeckt, weil es gesährlich wird, kein Herz für die Not zu haben. Weil es billiger ist, hundert Mark freiwillig zu geben, als taufend Mark mehr an Löhnen zu bezahlen. Wohltätigkeit: Das Kabarett der Komiker gibt tausend Frei karten an Erwerbslose. „Winterhilsc" steht daraus gedruckt Winterhilfe ist, wenn man mit knurrendem Magen die Späße prominenter Komiker über den Hunger anhören dars, Winter- hilse ist, wenn man neben zahlreichen Bourgeois sitzen darf. Winterhilfe ist, wenn man sich üher die Not weglachen darf. Bis der Magen wieder einmal zu laut knurrt. Wohltätigkeit: Die großen bürgerlichen Blätter werben für geistige Winterhilfe. Die ohnehin leeren Theater beeilen sich, die Eratisklatscher gratis ins Theater zu lasten. Die Berlage geben Bücher umsonst, die keinen Marktwert mehr haben außer dem als Altpapier. Konzerte werden gratis veranstaltet. Kurse werden gratis gegeben. Der Nobelpreisträger Thomas Mann liest bei den Bankiers aus eigenen Werken zum besten armer Schriftsteller. Wohltätigkeit: Die „Berliner Morgenpost", das größte Blatt des größten Zcitungskonzcrns von Deutschland verteilt täglich tauend Brote an Erwerbslose. Am gleichen Tage baut man den Gewinn der Händler dieser Zeitung um zehn Prozent, ihre Pauschale um 50 Pfennig ab. Die Händler bezahlen Ullsteins Reklamcwohltätigkeit. — In den gleichen Tagen werden dem technischen und redaktionellen Personal des Konzerns zehn Prozent des Gehaltes gekürzt. Das wird aber nicht öffentlich ausgeschüttet. Das ist Wohltätigkeit und Winterhilsc für die Aktionäre und Generaldirektoren von Ullstein.