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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.04.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140408011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914040801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914040801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-04
- Tag 1914-04-08
-
Monat
1914-04
-
Jahr
1914
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Morgen - Ausgabe ISS. Jahrgang >Ur Leipzta und Vorort, Surch unser, rrttaee veAUgSprei^e. unüSp,Kteurermaltä»»chtn»hou»gedrochtr monatlich 1.2» M-, viortiljährlich Z.7» M. Sei »er chrschäftostoll«, unser» Ztliole» und stuogadrsteUrn abzrholt: monatlich 1M., virrtrlISHrlich r M. Vurch Str Post: tnnerkold vrutschlanü« unü S,r Seutschrn «olont,» monatlich 1.S» M., oiertrliührlich «.LS M., auoschlirtzllch poftdrstrllgrlS. va» Leipziger ragrdlatt rrschrint werktago rmal, Sona- u. Zetertag» Imal. In Leipzig, Scn Nachbarorten und Srn Drten mit eigenen Zillaien wtrS Sir fld«»Sau»gade noch am slb«nL ür» Erschein«,» in» yau» g,tiefer«, i erliner NeSoktion:IaürnZrlt»n17. ZrrnspreG'NnfttiiuA: Moabit Nr.447. /trntsblaü des Rates und des pokreüuntes der Stadt Leipzig NrSaMoa unS SeschiittofteU,: ^»honutsgaff« Nr.». » Zernsprrch-NaschluH Nr. 14S42. 14S4Z unü 14644. >ür Inserat, au» Leipzig unü Umgebung St» /iNAerAeNpreife. ,spaltlg,Petit,eile2»Pf.. St, »»Name,eile 1 m.. ooa aoowSrt» ro Pf., Neklomen >.2S M.. Iltetn, stazrigen ütepetttzrile nur 20ps.b.wirüerbol.Nab.,Inserate ooaSrbörSea im amtlichenLetl St« Petit zeil« SS Pf. Seschiifloanzrtgrn mit playvorschrist im Preise rrhShl. Nadatt nach karif. Seiiagra- Sesamtousi.SM. Sa» Lausen- aa«sch>. poltgedühr. Anzeigen-ftunadme: Z»hanm»gass,z. bei sämtlichen Zilialen üe» Leipzig« Logedlatte» unü ollen ftaaonc»n-<r,pcüitton»n Se» la- uaS stuoioaSe». SeschSftosteU«fürverllna.üi«pr.vranüendurg vtrrkttonwaltrrZiiegrl, Vertin D i» Margaretkrnstroße ». Zernsprrct»» Anschluß! Lüyow »47> 1914 Miliwoch, Sen S. April. M. 178 Vas Wichtigste. * Zur Erinnerung an die Eröffnung der ganzen strecke der Lcipzig — Dresdncr Eisen bahn vor 75 Jahren fand gestern in Leipzig eine öffentliche Feier statt, bei der Syndikus Dr. strcscmann die Festrede über Friedrich List hielt, (S. Bcr.) * Kaiser Franz Joseph erfreut sich nach glücklichem Verlaus einer Erkältung wieder besten Wohlseins, (S. Ausl.) * Präsident Poincar« trifft am 22. Juli in Kronstadt als Gast des Zaren ein. * Die A u f st ä n d i s ch en in Korissa sind ent waffnet und ins Gefängnis geworfen worden. (S. Ausl.) der zweite Warnungsruf Svea heöin's. Von Johannes Paul. „Es ist, als ob der junge Frühling widerhallc vom Klange dumpfer Kirchenglocken. Schweden, horcht auf? Was künden die Töne? Läuten sie das Gericht ein oder rnfen sic zum Siegcsscste? Er schallen die dröhnenden Glockenschläge, um die Schlafenden aus ihren Träumen zu wecken, weil eine Feuersbrunst ausgebrochen, oder ermahnen sie das Volk zur Danksagung- für Rettung aus Not und Ge fahr? Verkünden sic einen Trauerzug — ist es ein vieltausendjähriges Reich, das inan zu Grabe führt? Oder singen sie die Auferstehung eines Volkes, das aus einem zwei Jahrhunderte langem Schlafe zu er wachen beginnt?" So beginnt Sven He d i n seinen „Zweiten War- nungsrus. der vor ungefähr einer Woche in einer Auflage von einer Million Exemplaren in Schwein verbreitet wurde, nm vor den jetzt beginnenden Reichstags mahlen das Volk noch einmal auf die Bedeuinng des allenthalben in Schweden wider hallenden Rnics hinzuweiscn: Försvarct främst! Die Wehrsrage zuerst. Um die zetzt durch ganz Schweden gehende Er regung zu verstehen, mutz man sich die politischen Er eignisse in Skandinavien mährend der letzten Jahre vor Augen führen. Leider werden diese in Deutsch land viel zu wenig verfolgt, obgleich wir vielleicht eher, als uns lieb ist, gezwungen sein werden, dazu Stellung zu nehmen. Während des 19. Jahrhunderts hatten in Skan dinavien eigentlich nur die Norweger ein festes po litisches Ziel vor Augen: Lösung der Union mit Schweden. Im grössten skandinavischen Staate jedoch glaubte man die Zeit des tausendjährigen Friedens gi bereits angebrochen, wenigstens hielt man es für ausgeschlossen, datz Schweden jemals wieder in Kricgsabenteuer gestürzt werden könnte, bis der Unionsbruch von 1905 das Volk jäh aufrütteltc. Voller Wut wollte man sich damals auf den schwäche ren Unionsbruder stürzen, aber der alternde König Oskar tl. gebot Einhalt. Zähneknirschend fügte sich Schwet-cn in die friedliche Lösung der Union: heute wird das Eingreifen des Königs allgemein als seine weiseste Regierungshandlung gepriesen. Er erkannte schon damals die dunkle Wetterwolke, die gegen Skandinavien heranzog; hatten doch die Russen schon lange mit den schärfsten Schwcdenhasscrn in Nor wegen Fühlung genommen, sic heimlich unterstützt und die Verblendeten teilweise bereits gefunden, die russische Hilfe durch Land.rbtretungen am Varan- gcrf)ord zu erkaufen. Durch die Trennung der Union glaubte Russland beide Staaten dauernd geschwächt und einander ver feindet zu haben. Es ging daran, langsam aber sicher, Finnland zur Operationsbasis für einen An griff auf Skandinavien aus zu gestalten. Russisches Militär wurde in immer grösseren Massen ins Land gezogen und vor allem ein ganzes Netz strategischer Eisenbahnen in Angriff genommen, um einen schnellen Aufmarsch mit der Front nach Westen zu ermöglichen. Gleichzeitig wurden die bekannten An griffe auf die finnische Selbstverwaltung unter nommen. Dem Auslande gegenüber behauptete man, die Befestigungen und Truppenverschiebungen wären nötig, um einen: Angriff Deutscklant-s zu begegnens!), und merkwürdig: die Schweden schenkten diesen plumpen Ausflüchten lange Zeit Glauben, und selbst heute noch wird die von Rutzland drohende Gefahr von einigen linksstehenden Politikern geleugnet. Die innerpolitische Lage in Schweden erinnert in manchen Punkten an t<ic Preutzens während der Kon- fliktszcit, zvm mindesten haben die schwedischen Libe ralen viel mit den preutzischc» Gesinnungsgenossen gemeinsam. In ihrem Streben nach Einschränkung der Königsmacht, nach Einführung des englischen Parlamentarismus haben sie zum grossen Teile völlig den Blick für die zunächst liegenden Forderungen der nationalen Selbsterhaltung verloren. Sa war es noch 101k möglich, datz die liberale Partei in engem Bündnis mit der Sozialdemokratie für Verminde rung der Ausgaben für Heer und Flotte in den Kampf ging und mit Hilfe Ws neuen Proportional- und Listenwablsystems einen vollkommenen Sieg über die Konservativen errang. Den Höhepunkt erreichte diese Politik, als der neue Reichstag ein schon bewilligtes Panzerschiff wieder strich. Da brach der Sturm los, der sich seit dem noch nicht wieder gelegt hat. Durch freiwillige Sammlungen wurk-.n binnen kurzem 17 Millionen Kronen zum Bau des vom Reichstage abgelchnten Panzerschiffes aufgebracht, und fast gleichzeitig stellte WWDDMgMWMWWRWWWm» das kaum 5fs Millionen Einwohner zählende Land be trächtliche Summen für eine Flugspende zur Ver fügung: das alles zu einer Zeit, da Deutschland stolz darauf war 0 Millionen als Zeppelinspenw gesammelt zu haben. Eine gewaltige Agitation zu gunsten einer Heeresverstärkung setzte ein, und Männer wie Sven Hedin und Pontus Fahlbcck traten au ihre Spitze. Damit erschallte der erste „War nungscus" Sren Hcdins, womit der Forscher seinem Vatcrlanw das grösste persönliche Opfer brachte, das er bringen konnte, indem er sich durch sein mann haftes Auftreten gegen den Feind seines Volkes ein für allemal den Zugang zu seinen asiatischen For schungsgebieten verschlotz. Bekanntlich waren die Russen kleinlich genug, Sven Hedin aus der russischen Akademie der Wissenschaften auszustotzcn und ihn in russischen und fran.zösischen Zeitungen auf das ge hässigste anzugreifen. Die zunehmende Bewegung im Volke zwang auch den Reichstag, zur Frage der Landesverteidigung Stellung zu nehmen. Es wurden Kommissionen ge wählt. Da jedoch die ganze Entwicklung den anderen herrschenden Parteien höchst unangenehm war, griff man zu dem beliebten Mittel der Verschleppung. Zwei Jahre lang liehen die Kommissionen nichts von sich hören. Man hatte erwartet, das Volk würde sich beruhigen; das Gegenteil trat ein, da die Un ruhe des Volkes neue Nahrung erhielt durch weitere militärische Massnahmen der Russen in Finnland und immer häufiger werdende Spionagefälle, in die sogar die russische Gesandtschaft in Stockholm ver wickelt war, so daß der russische Militärattache flucht artig das Land verlassen mutzte und der russische Ge sandte schleunigst versetzt wurde. Als im Dezember des vorigen Jahres der Mi nisterpräsident Staaf eine weitere Verzögerung der Heeresfrage ankündigtc, rafften sich die schwedischen Bauern zu einer der grossartigsten Volkskundgebungen auf: 40 000 Bauern aus allen Provinzen Schwedens zogen zu ihrem König nach Stockholm, um ihm zu sagen, datz sie nur auf seinen Ruf warteten und zum Schutze des Vaterlandes gern vermehrte persönliche und materielle Lasten tragen wollten. Und Schwe dens König trat, wie schon verschiedene seiner Vor gänger, auf die Seite der Bauern. Er nabm ihr Programm auf und versprach dessen Durchführung, noch in diesem Jahre. Diese Vorgänge vom 0. Februar benutzte der Mi nisterpräsident Staaf, um einen Verfassungs konflikt zu konstruieren Er verlangte vom König eine Anzahl Erklärungen und zuletzt ein heim liches Versprechen, nie wieder ohne seine Zu stimmung öffentlich aufzutreten. Das verweigerte König Gustav, und das Ministerium Staaf nahm seinen Abschied. Das neue, parteilose Ministerium Hominarskjölo arbeitete sofort eine Heeres- und Flottenvorlage aus und löste den Reichstag Anfang März auf. In diesen Tagen beginnen nun die Wahlen, von denen es abhängen wird, ob Schweden eine seiner gefährdeten Lage entsprechende Wehrmacht erhalten soll. Der bisherige Reichstag war zusammengesetzt aus 65 Konservativen, 101 Liberalen und 64 Sozial demokraten: in der Ersten Kammer sitzen ausserdem bb Konservative, 49 Liberale und i:> Sozialdemo kraten. Nach der schwedischen Verfassung finden, falls sich die beiden Kammern über diejenigen Fra gen, die mit Geldbewilligungen verknüpft sind, nicht einigen können, gemeinsame Abstimmungen statt: es würden also den 156 konservativen Stimmen 227 der Linksparteien gegenüberstchen, d. h. die Konservativen müssten jetzt bei den Wahlen min destens :!7 Sitze gewinnen, um ein Gleichgewicht her zustellen. Nun haben zwar in den jüngsten Zeiten nationaler Begeisterung die konservativen Organi sationen allenthalben zugenommen, auch zeigten die letzten Landthingswahlcn einen unverkennbaren Zug nach rechts. Trotzdem ist es zweifelhaft, ob die Kon servativen über 57 Sitze erobern werden, obwohl es nach dem Ausfälle der Stockholmer Wahlen keines wegs ausgeschlossen scheint. Doch das ist, um die Heeresoorlagc zu sichern, gar nicht nötig: denn die nationale Begeisterung hat auch die Liberalen er griffen, und die „liberale Einigungspartei" hat sich gespalten. Die Rüstungsfreundlichen stimmen mit den Konservativen zusammen für „Försoaret irüinst", für sie sofortige Erledigung oer Wehrfrage, während die alte Gruppe, geführt von dem ehemali gen Ministerium Staaf, zuerst die Vcrfassungsfrage erledigen und nach der Demütigung des Königs allerdings auch eine Heeres- und Flotten vermehrung erwägen will: denn ohne ein Heeres- r-rogramm kann sich gegenwärtig eine bürgerliche Partei in Schweden nicht in den Wahlkampf be geben. Trotz der veränderten Stellung zur Heercsver- mehrung hat die alte liberale Partei wieder in vielen Wahlkreisen mit den Sozialdemokraten ein Bündnis abgeschlossen, die für „Verminderung der Ausgaben für Heer und Flotte bis zur Abrüstung" in den Kampf gehen und ganz offen auf die Republik zustcuern. In welchem Verhältnis sich die liberale Partei gespalten hat, lässt sich jetzt noch nicht absehen. Es darf jedoch so gut wie sicher angenommen werden, dass „Försoaret främst" Sieger bleibt. Dann wird das Volk Karls XII. auch für Russland wieder ein Gegner, mit dem cs nicht leichtsinnig anbindcn darf. Die Bewegung, di« das schwedische Volk jetzt erfasst hat, zeigt unzweideutig, dass cs den Willen zur Be hauptung nationaler Selbständigkeit hat, und dass es auch fähig ist, dafür Opfer zu bringen, das haben die grossen Sammlungen gezeigt, zu denen sich im ver gangenen Monat noch eine Sammlung zur Be schaffung von Maschinengewehren für den Landsturm gesellt hat, die bisher schon rund eine Million Kronen ergeben hat. Von grösster Wichtigkeit ist, dass sich auch Nor wegen zu regen beginnt. Auch dort Kat sich der bekannteste Forschungsreisende des Landes, Fritjof Nansen, in den Dienst dec Rüstunqspropaganda gestellt, und nach Beendigung des schwedischen Wahl kampfes wird Sven Hedin auch in Norwegen Vor träge halten. Schweden und Norwegen, die vor neun Jahren bereit waren, sich gegenseitig zu vernichten, beginnen sich unter dem Drucke Russlands näher und näher zusammenzuschliessen, wovon der Neutralitäts vertrag der skandinaois.hen Staaten das erste sicht bare Zeichen war. Das erfreulichste ist jedoch, dass Schweden allmäh lich auch zu erkennen scheint, dass es sich in den po litisch bewegten Zeiten nicht mit einer Isolation begnügen darf. Schon Pontus Fahl- beck hat vor zwei Jahren einen Anschluss an Deutsch land als das für Schweden Natürlich« hingestellt, und denselben Gedanken vertritt jetzt noch schärfer Sven Hedin in seinem „Zweiten Warnungsrus". Ein starkes Schweden kann uns ui der Tat ein wert voller Bundesgenosse werden, denn die letzten Wochen haben uns hoffentlich endgültig von Russlands „freundschaftlichen" Absichten überzeugt. Ein starkes Schweden, vereinigt mit Deutschland in dem Be streben, die gegenwärtige Machtverteilung in den Ostseeländern aufrcchtzuerhaltcn, ist die beste Gewähr für die Aufrechterhaltung des Friedens in Nord europa. Herr Geheimrat Gpitz über -ie nationalliberale Partei. Wir erhalten auf die Ausführungen des Herrn Dr. Niethammer in Nr. 171 des Leip ziger Tageblattes eine Erwiderung des Herrn Geheimrats Opitz, die wir wegen ihres zum Teil schwer verletzenden Inhalts abzulchiieu im Rechte wären, die wir aber unseren Lesern nicht entziehen wollen, da sie für die politische Denk weise des Verfassers ausserordentlich bezeichnend ist. Herr Geheimer Hofrat Opitz schreibt: „Auf meinen Artikel: „Getrennt marschie ren, vereint schlage n" in den „L. N. N." hat auch der Landtagsabgeordnete Herr Kommerzienrat Dr. Niethammer das Wort ergriffen. Unver kennbar hat bei seinen Ausführungen („Leipz. Tage blatt'.'Nr. 171) «in gewisses Gefühl der Entrüstung die Feder geführt. In der Tat ist Entrüstung in den gegenwärtigen Zeitläuften auch durchaus am Platze. Nur freilich hat Herr Dr. Niethammer seine Ent rüstung an die falsch e Adresse gerichtet. Niemand konnte doch darüber in Zweifel sein, dass, w«nn ich aus Anlass der Stichwahl im Bornaer Reichstags wahlkreis auf die Notwendigkeit einer reinlicken Scheidung gegenüber der Sozialdemokratie hin gewiesen. dieser Hinweis sich unmöglich auf die jenigen Liberalen beziehen kann, die bei jener Stich wahl in loyaler Weise für den nationalen Kandidaten eingetretcn sind, sondern dass er schlechterdings nur gegen die sich richtet, die sich bei dieser Wahl nicht bloss der Abstimmung enthalten — das schon würde ja unverzeihlich genug gewesen sein —, sondern die sich auch nicht gescheut haben, geradezu dem sozial demokratischen Kandidaten ihre Stimme zu geben. Alle Wohlgesinnten im Lande wie im Reiche sind einmütig gewesen in der schärfsten Verurtei lung eines solchen Verhaltens. Sie haben sämtlich daraus den Schluss gezogen, dass es so nicht sortgehen dürfe, dass vielmehr, wenn man die Sache der Ord nung vor fernerer schwerster Schädigung bewahren wolle, die, die sich in solcher Weise auf die sozial demokratische Seite geschlagen, bei künftigen Wahlen auch den Sozialdemokraten gleichzustellcn seien. Allen voran hat sich in diesem Sinne das halbosfiziöse Organ der Reichsrcgierung, die „Norddeutsch« All gemeine Zeitung", ausgesprochen. Anstatt nun, wie dies doch offenbar im Interesse der nationalliberalcn Sache gelegen hätte, seine Entrüstung gegen jenen Teil der Liberalen zu richten, die die liberale Sache in so offensichtlicher Weise blossaestellt, beliebt cs Herrn Dr. Niethammer, die ganze Schale seines Zorns auf mich, also auf den auszugicssen, der dock bloss das ausgesprochen, was sonst olle Wohlgesinnten ein schliesslich der nationalliberalen Organe selbst aus Anlass der Bornaer Wahl zum Ausdruck gebracht haben. Es ist eine „Ungeheuerlichkeit", so lässt sich Herr Dr. Niethammer in seinem Artikel aus, anzunehmen, dass Liberale in die Reihen der reichsfeindlichen Sozialdemokratie treten könnten. Ja, ist denn aber diese „Ungeheuerlichkeit" bei den 2500 Liberalen, dte bei der Bornaer Stichwahl ihr« Stimme dem sozial demokratischen Kandidaten gegeben haben, nicht eben bereits zur Tat und Wahrheit geworden'? „Herr Opitz weiss, in wie scharfem Kampfe sich die national liberale Partei jederzeit zur Sozialdemokratie be funden hat", führt Herr Dr. Niethammer weiter aus. Leider muss ich darauf erwidern: ich weiss das Zwar von der nationalliberalen Partei vor der Auf lösung des Kartells, von der Zeit nach Auflösung des Kartells weiss ick aber nur das Gegenteil, s!) Denn seit dieser Zeit Kat dte nationalliberale Partei im Reiche wie in Sachsen unter dem bekannten Losungsworte: „Der Feind steht rechts!" das Schlachtbeil gegen die Sozialdemokratie nicht nur fast völlig begraben, sondern auch in zwar nicht ausgesprochenem, aber doch stillschweigendem Kartell mit der staatsfeindlichen Sozialdemokratie die Kampfessront nahezu allein gegen die rechtsstehenden Parteien gekehrt. Was endlich die persönlichen Spitzen in dem Artikel des Herrn Dr. Niethammer gegen mich an langt, so ist meine wie der gesamten konservativen Partei Stellung zur Frage des Kampfes im bürger lichen Lager von vornherein eine ebenso bekannte wie völlig zweifelsfreie gewesen. Als dieser un selige Kampf drohte, haben wir von konservativer Seit« nichts unterlassen, was zu seiner Verhütung geschehen konnte. Nachdem der Kampf uns aber dennoch aufgcnötigt worden, haben wir ihn zwar ausgenommen und mit aller durch die Sache ae- kotencn Entschiedenheit geführt, aber, mitten selbst im heissesten Kamps, nie verabsäumt, zu erklären, dass wir diesen Kamps als einen brubcrmörderischen an sehen und jederzeit bereit seien, unsererseits die Hand zur Versöhnung zu bieten Ja, wir sind hierin — man denke nur an die Zeit zwischen den letzten beiden Landtagen — sogar so weit gegangen, dass man unser immer wiederholtes Erbieten zum Entgegen kommen von liberaler Seite selbst als Zeichen der Schwäche bespötteln zu sollen glaubte. Als man sich dann bei der Wohl der Präsidenten der Zweiten Kemmer im gegenwärtigen Landtage endlich auch liberalcrseits zu e'ner Wiederannäherung bereit zeigte, wurde von konservativer Seite sofort in die dargcrcichte Hand eingeschlagen, freilich nur mit negativem Erfolge. Denn nicht nur. dass liberalerseits der Kampf alsbald mit der alten Heftigkeit wiederaufaenoinmen wurde, so stellte man auch trotz der bedenklichst liegenden Verhältnisse im Bornaer Rcichstagswahlkreise dem konservativen wieder einen liberalen Kandidaten entgegen, auch schloss man mit der Fortschrittspartei ein Wiahl- bnndnis ab, und zwar ein Wahlbündnis nicht bloss in der Form eines Ztichwahlbiindnisscs, sondern ein Bündnis auch für die Hanptwabien. also rin Bündnis in Gestalt eines förmlichen, noch eben vom Liberalismus als Grab aller lebhafteren politischen Betätigung so scharf verpönten Kartells »!). Deut ljcher konnte doch kaum bekundet werden, dass der nationalliberalen Partei eine Wiederannäherung an die konservative Partei gegenwärtig ferner liegt als fe. Wie seltsam also: man will von jener Seite den Krieg, will ihn durchaus, und nun er da ist, beklagt man sich und entrüstet sich darüber, dass, wo Holz gehackt wird, Späne fliegen." Sv Herr Geheimrat Opitz. Wir haben uns schon so oft mit feiner Auffassung beschäftigt, das; es tauui noch nötig ist, daraus eiuzugehen, zumal da es zweifellos ganz vergebene Mühe sein würde, Herrn Opitz zu veranlassen, endlich einmal den nationalliberalen Standpunkt sach lich nachznprüfcn. Aber die diesmalige Ver- ösfentlich'.iug enthält doch eine so unerhörte Be hauptung, dass zwei 'Worte darüber gesagt wer den müssen. Während Herr Opitz sonst, wenn er die liberalen Parteien des Umgangs mit der Sozialdemokratie zeiht, ebenso vorsichtig ivie umfassend seinen Vorwurf gegen „die Libe ralen" zu richten liebt, beschuldigt er diesmal direkt die nationalliberale Partei, seit Auslösung des Kartells die Sozialdemokratie nur lau bekämpft zu haben; ja er spricht von einem „stillschweigenden Kartell" der uatio- nalliberalcn Partei mit der staatsfeindlichen -So zialdemokratie gegen rechts! Also so weit hat sich seine einseitige Denkweise verdichtet, daß er die nationalliberale Partei, die er doch, wie er selbst in seinen weiteren Ausführungen von neuem bestätigt, für ein Zusammengehen mit seiner eigenen Partei von Herzen gern ge winnen möchte, bereits des geheimen Einver ständnisses mit der Sozialdemokratie zn be schuldigen wagt. Das wagt er nach zwei Wahlen, die die nationalliberale Partei mit allem nur möglichen Aufwand an Kräften gegen die So zialdenwtratic geführt hat, — in dem Lausitzer Landiagswahlkreise Grossschönau gemeinsam mit der Fortschrittlichen VoltSpartei und unterstützt von den Konservativen bekanntlich mit dem Er folge, dass der Sozialdemokratie ein Mandat wieder abgenomincn werden konnte! Herr Opitz weiss ferner — er in n ss es wissen — das; die Kandidatur Nitzschke in Borna Pegau in erster Linie gegen die Sozialdemokratie gerichtet war, und dass Herr Nitzschke persönlich ivie der Wahlausschuss und alle nationalliberalen Redner den Kamps Hegen diese Partei auch dort in schärfster Form anfnahmcn und durchsührtcn. Wir sagen, das w e i ss Herr Opitz, und überlassen das Urteil über seine Verdächtigung den Lesern. Eines Hai Herr Opitz durst) seine Erläu terung seiner Saminlungspvlitit besonders deutlich herausgesteckt. Er zeigt, worauf es ihm und der konservativen Partei bei dem Streben nach einein neuen konservativ nationalliberalen Kartell so nebenbei ankam. Er beklagt sich heftig über den Kampf nach rechts, wie er infolge der vorletzten Steuerreform und des Zusammen bruchs des Blocks — bekanntlich eine geschichtlich feststehende Schuld der Konservativen — Platz griff. Seine Meinung ist also, dass es einen solchen Kampf nach rechts nicht geben darf: denn er ist „brndcrmörderisch". Aber kein Wort des Tadels hat er für die konservative Politik, die diesen Kampf verschuldete! Der konservativen Partei muss es gestattet sein, ihre Politik in jedem Fall durchzusetzen, auch d a n n , wenn darüber ivie im Fahre IKOst eine konservativ-liberale Ar bcitSgemeinschast in die Brüche geht. Wenden sich aber nachher die liberalen Parteien gegen die Konservativen, so ist das ein „Brudermord". Wir glauben nach allem, das Ideal des Herrn Opitz sehr gnt zu verstehen: das von ihm er sehnte Kartell soll die Konservativen und Natio nalliberalcn ans eine Kampflinie festbindcn, der konservativen Partei soll es aber Vorbehalten sein, nackig wie vor ihre ureigene Politik zu machen. Sollten wir Herrn Opitz unrecht tun, nun so käme cs ja nur auf eine Frage an; die nanoualliberale Landtagsfraktion brauchte Herrn Opitz nur zu fragen, ob seine Partei etwa bereit sein würde, die nationalliberalcn Forde rungen zur Reform der Ersten Kammer und zum Volkssstnilgesetz zu den ihrigen zu mackzeu, oder auch nur ihren seitherigen Standpunkt in den wesentlichen Punkten entgegenkommend zu ändern. Wir wetten, die Antwort wird ans ein: Xon po.^um»^ hinauskonnnen. Ist es aber dann nicht eine höchst naive Zumutung, der national liberalen Partei und überhaupt dem Libcralis-
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