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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.04.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-04-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140423012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914042301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914042301
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-04
- Tag 1914-04-23
-
Monat
1914-04
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 203. Morsen-Nusgave. Leipziger Tageblatt. Donnerstag, 23. llprtt lS14. Heuerstellen, wodurch etwa 6500 Seeleute neue Stel lungen fanden, und die Einzahlungen von IV2 Mil lionen Mark Hcuerersparnissen bei den Stationen, wovon 700 ONO in die Heimat gingen. Aus diesen Zahlen entnimmt man den Wert und die Bedeutung der Seemannsheime, die vor allem auch in natio nalem Sinne wirken, indem sie durch Vorträge. Auf klärungen und Belehrungen die Liebe zum Vater lande pflegen. vergebliches fibleugneo. Die „Natt. Korr." schreibt: Es ist nachgerade eine feste konservative Praxis geworden, unbequeme Vorkommnisse tnrzerhand abzulcugnen, auch wenn ihre Rich tigkeit vor aller Welt offen daliegt. Das hat man eben wieder im Fall Rübling erlebt. Bei dieser Gelegenheit machte jedoch die „Deutsche Tagesztg." auch wieder den schon früher von uns zurückgewiesencn Versuch, den gleichlicgcnden Fall Strekies von sich und der konservativen Partei abzuschütteln. StretieS, der konservative R'eichstagstandidat für Memel- Hchdekrug 1912, der ebenfalls die sozialdemo kratischen 2lichwahlbcdingttne.cn u n t e r s ch rie ben Hal, soll mit der konservativen Partei nichts zu tun gehabt haben. Demgegenüber möchten wir wiederhole», das; Strekies vor Gericht eid lich erklärt hat, er habe bei seiner Aufstellung gesagt, wenn er einer Partei beitrcte, so werde er sich der sreikonservariven oder der konser vativen Partei anschlicgen. Das genügte den Konservativen, um ihn auf den Schild zu er heben, und jeder Versuch, ihn nachträglich ab- znschütteln, muß an der Macht der Tatsache schei tern: Strekies war der erklärte Kandidat der Deutsch konservativen. Was aber für die Konservativen beim Fall Strekies noch besonders ins Gewicht füllt, das ist, daß die Konservativen um die Unterschrift des Kandi daten unter die Bedingungen der Sozialdemo kratie nicht nur gewußt, sondern ihn sogar noch dazu an gestiftet haben. Das hat Strekies in dem Prozeß Schwabach-Kerhendorsf eidlich erhärtet, und nur durch das Dazwischcntretcn des Gcrichtsvorsißcnden ist er verhindert worden, die Namen seiner konservativen Verführer zu nennen. Diese Erinnerung uröchten »vir bei dieser Gelegenheit ausfrischen. Deutsche» Reich. * Im Hinblick aus die Maifeier hat der Ver band der Metallindustriellen im Bezirk Leipzig seinen Mitgliedern die seit alters gelten den Bestimmungen durch das hiernach abgedruckte Rund,chrcibcn ins Gedächtnis zurückgerufen. 1. Der Verband erachtet die sämtlichen Arbeitgeber für ver pflichtet, mit aller Entschiedenheit und Strenge gegen diejenige» Arbeiter einzuschrciten, die sich an der Arbeitseinstellung am 1. Mai beteiligen sollten. 2. Jedem Arbeitgeber liegt die Pflicht ob, etwaige Gesuche von Arbeitern um Beurlaubung für den 1. Mai abschlägig zu bescheiden. 3. Diejenigen Arbei ter» die den. Mai ganz oder teilweise feiern, sollen entlassen werben. 4. Will ein Verbandsmitglied ejnen seiner Mtlassenen Arbeiter wieder annehmen, sö darf dies' üttch Ablauf von mindestens einer Woche geschehen. Ein anderes Verbandsmitglied soll solche Arbeiter nicht vor 6 Wochen nach dem 1. Mai ein stellen dürfen. Alle auf das Feiern bezüglichen Vor kommnisse sollen unverzüglich dem Vorstände mit geteilt werden. * Kieler Woche und Nordlandreise des Kaisers. Wie die „Inf." von unterrichteter Seite erfährt, wird der Kaiser wie alljährlich seine Nordlandsfahrt in unmittelbarem Anschluß an den Besuch der Kieler Woche antrcten. Da die sportlichen Veranstaltungen der Kieler Woche für das letzte Drittel des Monats meldet, dih die am ertkautfche» rrutztze, »ermttta«» 8 Uhr unter dem Schutze der Geschütze der »rte,»schiff, »«»gerückt setea, uu» die, ei« «te Stadt zu besetze». De« Bericht de» Sansul» zufolge sind det de« geftrigr» llL«»fe» 1LH Mext» kanrr getötet »der »ermundet werde». ———— politische Übersicht /tusstettung ,vas -eutjche Haa-werk", Dresden 1913. Die Leitung der Ausstellung „Das deutsche Hand werk" hatte auf Mittwoch nachmittag die Gruppen- ausschußmitgliedcr zu einer gemeinsamen Besprechung nach dem Ausstellungspalaste geladen. Stabilst Dr. Temper begrüßte die Erschienenen mit einer kurzen Ansprache, worin er die Ziel« und die Be deutung der Ausstellung darlegte. Der Vorsitzende des Sonderausschusses für Handwerk, Buchbinder obermeister U n r a t h, legte im Anschluß daran die Aufgabe der Gruppenausschüsse näher dar, und den Schluß machten zwei Vorträge wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Inhalts. Prof. Kübler von der Technisch» Hochschule zu Dresden behandelte den ..Motor im Dienste des Handwerks", und Dr. Stapf», Syndikus des Deutsch-Amerikanischen Wirtschaftsverbandes, sprach über „Die Industrie und die Dresdner Handwerksausstcllung". In den nun folgenden Ausschußsitzungen wurden alsdann Wahlen und die Konstituierung der einzelnen Gruppen ausschüsse vorgcnommen. Ferner wurde Bericht er stattet über die bisher geleistete Arbeit, und Richt linien für die künftige Tätigkeit wurden entworfen. Am Abend vereinte ein von der Stadt gegebener Bierabend die Teilnehmer im Ausstellungspalask. Einheitliche Organisation -er kriminal» Polizei in üen Sunüesftaaten. Ueber eine einheitliche Regelung des po lizeilichen Erkennungsdienstes schweben gegen wärtig Verhandlungen zwischen den Bundes staaten, die in nicht ferner Zeit voraussichtlich zum Ziele führen dürften. Es handelt sich um eine gleichmäßige Einführung des Fingerabdruck verfahrens nach einheitlichen Grundsätzen für das gesamte Reichsgebiet. In Sachsen sind be reits solche Stellen für das Fingerabdruckver fahren eingerichtet, und beabsichtigt ist, in Preu ßen gleichfalls anitlicl-e Stellen dieser Art bei allen Amtsgerichten einzuführen. Ferner wird zwischen den Bundesstaaten über die Regelung des Fahndnngsverkehrs verhandelt, die das Fest- nahmcersuchen von Polizeibehörden an solche des Fn- oder Auslandes betrifft. Auch über die Frage eines zweckmäßigen und gut funktionieren den triminalvolizeilichen Nachrichtendienstes wer den Verhandlungen gepflogen, und es wurde auch die Gründung eines „Deutschen Kriininalblattes für aktuelle Fahndnngsermittlungen" angeregt. Was die Einführung des Fingerabdruckverfah rens nach einheitlichen Grundsätzen anbctrifft, so sollen die Gerichte gehalten werden, jeden cingclieferten Verbrecher zu dakthlofkopieren, so das; der Erkennungsdienst eine wesentliche Ver einheitlichung und bedeutend größere Verbrei tung als bisher erfahren dürfte. Auch die Ein richtung einer Reichszentrale für dke DastisIV- jkopie der internationalen Verbrecher in Berlin steht in Frage, während für die nicht internatio nalen Verbrecher die einzelnen Landeszentralen als Zentralen beibehaltcn werden sollen. Bezüg lich einer einheitlichen Regelung der Organisa tion der Kriminalpolizei, auf die seinerzeit der württembergische Minister des Innern bei der Begründung einer Landespolizeizentrale für Württemberg hingcwiesen hat, ist zu bemerken, daß die ans Vertretern der beteiligten Bundes staaten zusammengesetzte Kommission der Leitung des preußischen Mnisteriums des Innern unter stellt ist. Diese Kommission, die nach Bedars zu- sammentrilt, hat sich mit cnlsprcck)enden Vor schlägen zu befassen. Ende 1912 wurde unter dem Vorsitz des Ministers v. Dallwitz eine Poli- zcikonferenz in Berlin abgchalten, auf der die einschlägigen Fragen einer ersten Besprechung unterzogen nmrden. Vie Kinematographie im Dienste -er Unfallverhütung. Von der dein Reichsamt des Innern unterstellten Ständigen Ausstellung für Arbcitevwohlfahrt sind eine Reihe kincmalogrsphischer Aufnahmen herge stellt, deren Zweck es ist, dem Arbeiter möglichst ein drücklich die (Gefahren vor Augen zu führen, denen er in seiner Berufstätigkeit ausgesetzt ist, um ihn selbst zur Mitwirkung bei tum Unfällfchutzbe- strebungen anzuregen. Di« Aufnahmen führen mehrere erfahrunigsmüßig häufig vorkommcnd« Un fälle in ihren ganzen Verlaufe vor, dabei wird zu gleich gezeigt, wie die Unfälle verhütet, oder wenig stens abgeschwächt werden könnten. Besonders ein drucksvoll wirkt die Darstellung eines Unfalls an einer Transmifsionswelle, bei der klar und deutlich zum Ausdruck kommt, wie verhängnisvoll es für den Ar beiter werden kann, wenn er di« vorhandenen Schutz maßnahmen nicht beachtet oder nicht benutzt. Ferner sind auch Einrichtungen zur Verhütung von Gesund- heitsscschdigungen in gewerbliichen Betrieben aus genommen. Mehrere Bilder lassen die große Menge Staubes und giftiger Dämpfe deutlich erkennen, die bei der Benutzung einer Schmirgelscheib« und einer Kreissäge sowie beim Beizen oder Abbrennen von Metallen in Salpetersäure entstehen. Wie der Film zeigt, lässt sich auch hier durch sachgemäße Absaugung mit Hilfe von Rohrleitungen und Ventilatoren Ab hilfe "schaßen. Schließlich sind auch eine Reihe von gebräuchlichen keimfreien Schncllverbänden, die der Arbeiter sich bei einer Verletzung selbst anlegen soll, ausgenommen. Die große Anschaulichkeit der Biwer machen sie sehr geeignet zur Benutzung für Vor träge. bei denen einem größeren Kreise von Hörern di« Möglichkeit der Unfallverhütung klar gemacht werden soll. Eine Reihe industrieller Nerbände und Unfallversichcrungsanstaltcn haben bereits um Ueber- lassung der Films zu Vortragszwecken nachgesucht. Vie üeutschen Seeleute im Ausland. Den deutschen Seeleuten, die unter der schwarz weiß-roten Flagge die Meere durchfurchen, deren Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit unter allen Nationen den besten Ruf hat. folgt die Fürsorge der Heimat in mancl-erlci Gestalt. Zwar haben sie, solange sie sich an Bord l^efinden, sicheren deutschen Boden unter ihren Filsen, läuft aber ihr Schiff im fernen Aus land« einen Herfen an oder müssen sic in außer deutschen Plätzen auf Anheuerung warten, io beginnt für fie oft eine an Versuchungen und Enttäuschungen reiche Zeit. Gar mancher unerfahrene junge Mann ist männlichen oder weiblichen „Landhcncn" zum Opfer gefallen. Ost hat er Geld und Gesundheit ein gebüßt. Diesem schreienden Mißstande suchen nun mit stets wachsendem Erfolge die deutschen Seemannsheime abzuhelscn, die aus der Tätigkeit dreier großer Aus schüsse hcrvorqegangcn sind: Des Komitees für die. -deutsch-evangenschc Sccniaunsmifsiori in Großbritäst- nien, des deutsch lutherischen Seemanns-Fürsorge- -vcrhandes und des Komitees für deutsch evangelische Seemannsmifsion in Berlin. Auch von katholischer Seite erfahren diese segensreichen Bestrebungen werk tätige Unterstützung. Daneben finden wir Vereine, Gemeinden und Einzelpersonen als Wohltäter der deutschen Seeleute. Es sind ganz bedeutende An gaben. die sich über die bisherige Wirksamkeit der deutschen Scemannsmission machen lassen. In mehrals 200 Häfen wirken 23 Scemannspastoren und 55 Hausväter, in den 3t Scemannsheimen wohn ten im vergangenen Jahre über 17 500 Gäste. 52 Lese zimmer verborgten 240 000 Besucher mit geistiger Nah rung, an den llntcrhaltungsabenden nahmen bei 30 000 teil. Besondere Hervorhebung verdienen die was wissen wir von Shakespeare!*) Von Professor Dr. Max I. Wolff. Eine Lebensbeschreibung Shakespeares unter scheidet sich in wesentlichen Punkten von einer solchen Goet!>es oder Schillers. Bei diesen Dichtern steht uns ein« Fülle tatsächlichen Materials zu Gebote, aus das wir bei dem großen englischen Dramatiker verzichten müssen. Wir kennen genau ihren Bil- dungs- unÄ Lebensgang, ihre innere und äußere Entwicklung. Freunde haben uns ausführlich über ihr« Erscheinung, über ihre Art sich zu geben, zu fühlen und zu denken, berichtet. Wir besitzen einen umfangreichen Briefwechsel von beiden, in dem fie ihre geheimsten Gedanken aussprechen. Dazu kommt bei Goethe eine große Zahl autobiographiscl-er Schriften, in denen «r cs selber unternommen hat, sein Werden un!d LlZachsen zu erklären. Aus Grund dieser ergiebigen Quellen ist es verhältnismäßig leicht, in ihre Werke «inzudringcn und sich zu deni vollen Verständnis ihrer Gesamtpersönlichkeit zu erheben. Anders bei Sl-akespeare. Wie dürftig siird die spär lichen Angaben über sein äußeres Leben, die der Fleiß von zwei Jahrhunderten aus alten Akten und verstaubten Kirchenregistern zusammengetragen hat. Sie würden ebensogut auf irgendeinen erfolgreichen Schauspieler feiner Truppe, auf Burbage, Heining« oder Condell passen, wie auf d«n größten drama tischen Dichter aller Jahrhunderte. Und was wir von den Zeitgenossen über seinen Charakter er fahren, geht kaum über einige flüchtig« Bemerkungen hinaus, die sein offenes, freies Wesen, seine vor nehme Gesinnung, Liebenswürdigkeit und reiche, un erschöpfliche Arbeitskraft rühmen. Manche Shakespeoreforfcher und darunter solche, die dem Dichter eine große Verehrung weihen, wollen darin keinen Zufall, sondern eine notwendige Folge erkennen: sein Leben und fern Charakter boten eben nichts Besonderes. Nach ihrer Ansicht ging dem Verfasser des „Hamlet" jede persönlich« Eigenart ab; und ein Biograph wie Hazlitt erklärt kurzweg: „Er *>esaß kein« ausgesprochene Individualität, er war ein Mensch wie andere auch, nur mit dem Unterschiede, »»aß er gleich allen anderen sein konnte. An sich war er nicht», außer daß er alles, was andere sind oder zu sein vermögen, in sich umfatzte." * Wir freuni uns, diese Grundsra-e des heutigen siedenk- !.:ge« mit den AuSslihrimien beantworten zu können, di- Mnr .z L) o l s s seiner meisterlichen Lüakeioeurrdionravdir all Uin- ll-itung voranaesiclN l»t. Da« genugrnche Buch erschien kürzlich >n der L. b. Beckschen B«Ua«buchhandl»mo OSlar Bert zu Müucha, i» datier HGa». ' Wir müssen gegen diese Beurteilung des Dichters Einspruch erheben. Es will kaum glaubhaft er scheinen, daß ein Mensch, der selbst gar nichts be deutet, die Gedanken und Wünsche, die Leiden schaften und Empfindungen aller anderen verstecht und in vollendetster Weise zur Darstellung bringen kann. Eine solch« VirtuosenbcMbung, die Shake speare auf den Nang eines geistigen Verwandlungs künstlers hinabdrückt, reicht nicht aus, um Meister werke wie „Hamlet", „Lear" oder den „Sturm" zu schaffen. „Man muß etwas sein, um etwas zu machen," sagt Goethe. Ben Jonson, Shakespeares Freund und Widersacher, stimmt mit ihm überein und erklärt in der Widmung zu seinem Lustspiel „Volpone", der gute Dichter müsse vor allem ein guter Mensch sein. Und dieser gute, große und edle Mensch ist es, den wir in Shakespeare erkennen wollen. Wir fühlen seine Gegenwart deutlich: sein Hauch umweht uns bei jedem Wort der Dramen, aus den Versen seiner schwermütigen Sonette steigt das Bild in dunkeln Umrissen auf; aber cvenn wir zu den kurzen biographischen Notizen zuriickkchren, dann zer rinnt dir Schatten wieder, und cs bleibt nichts als die dürftigen Angaben aus dem Leben eines Lon doner Schauspielers. Shakespeares Zeit lebte voll in der Gegenwart. Alan schätzte und genoß das Erzeugnis des Diclsters, aber selbst wenn man di« Bedeutung des Werkes er kannte, kümmerte man sich nicht um das Leben und die Person des Schöpfers. Der Begriff der Literatur geschichte war noch nicht erfunden. Man wußte nicht oder man wollte sogar nichts davon wissen, daß hinter dem Kunstwerk als höchster Wert und Haupt nenner des Geschaffenen die Persönlichkeit des Künst lers steht. Die Männer des anbrechenden siebzehnten Jahrhunderts glaubten genug für ihren „guten William" getan zu haben, wenn sie sein« Dramen zusammcnstclltcn; von ihm selbst überlieferten sie »ms nur wenig. Durch ein« Reih« unglücklicher Zufälle, verschiedene Brände in London, die Kunstfcindschaft der bald darauf zur Herrsck>aft gelangenden Puri taner, den Ausbruch des langjährigen Bürgerkrieges, der alle literarischen Interessen in den Hintergrund drängte, und die veränderte Kunstrichtung der Restau ration. ist auch das wenige nur stark geschmälert auf uns gekommen. Wir besitzen kein Manuskript, keinen Brief, keine Zeile des Dichters; etwa ein halbes Dutzend Unterschriften auf verschiedenen Dokumenten ist alles, was uns von der Hand geblieben ist, die so Herrliches geschrieben hat. Wir müssen e» tief be klagen. Der Verlust ist ungeheuer, aber dennoch nicht so, daß er eine Erkenntnis der Persönlichkeit des Dichters unmöglich mache. Seine Dramen und Ge dichte bieten einen überreichlichen Ersatz. Dort geht uns das Bild de» Mannes auf, dessen „tausend- fLlttger" Seele uichts Menschliche» fremd war, der alle Höhen und Tiefen dieser Welt durchmessen, der I glühend geliebt, wie nur ein heißes Dichterherz lieben kann, der nach einer mitfühlenden Freundesseele ge schmachtet und nur Enttäuschung gefunden hat. Wir sehen ihn, wie er aus kleinen Anfängen, aus nied rigster Stellung emporwächst zu den Höhen des Er folges, wie er sich, angeekelt von dem Erfolg und den Menschen, im trotzigen Pessimismus in sich selber zu- rückzicht, bis er endlich zu innerer Befreiung durch dringt und, versöhnt mit der Welt, in milder Re signation seinen Zauberstab niedcrlegt. Je öfter wir zu den Dramen zurückkehren, diesen „aufgeschlagenen, ungeheuren Büchern des Schicksales", wie Goethe sie nennt, desto klarer und deutlicher zeichnet das Bild sich vor unserem Auge ab, bis wir endlich Shakespeare, den Dichter, den Denker, kurz den Mcnsüxn in riesenhafter Größe vor uns erblicken, so wie Herder ihn gesehen hat, „hoch auf einem Felscngipfel sitzend. Zu seinen Füßen Sturm, Un gewitter und Brausen des Meeres, aber sein Haupt in den Strahlen der Sonne!" Das ist unser Shakespeare, der gewaltige Sohn eines gewaltigen Zeitalters, des größten, das die Menschheit, soweit wir sie nach rückwärts verfolgen können, je durchlaufen hat. Unbekannte Welten tauchten hinter dem bisher verschlossenen Meere auf, jeder Tag überraschte mit der Kunde ungeahnter Er findungen und Entdeckungen, neue Wahrheiten und Religionen wurden gepredigt, die Künste standen wieder auf, und die Lebenden entdeckten mit frohem Erstaunen die Fähigkeit in sich, Werk« zu schaffen, die denen der berühmten Alten glcichkamen, ja sie noch übertrafen. Ein Taumel der Begeisterung kam über die Menschheit, die zum ersten Male nach zwei tausendjähriger Gefangenschaft ihrer Freiheit, Stärke und strotzenden Gesundheit bewußt wurde. Nichts schien diesem Geschlecht unmöglich, alles erreichbar, selbst das Kühnste und Wunderbarste. Shakespeare ist der notwendige Ausdruck diese« wogenden, hoffen den Zeitalters, seiner trotzigen Kraft, seiner un gebrochenen Lebensfülle, seines gewaltigen Schaffens dranges und seiner kühnen Träume, die vor keiner Endlosigkeit zurllckschrecken. Er ist ein Kind seines Jahrhunderts. In dieser Hinsicht hat Emerson recht, wenn er die Leistungen des Genies nickt für das Werk eines einzelnen erklärt, sondern für das Er zeugnis ausgedehnter gemeinsamer Arbeit von Tau senden, die unter einem gleichen Impulse wirken; aber zur Uebertreibung führt seine Auffassung, wenn er dem Genie jede innere Selbständigkeit abspricht und es nur zu einem Begriffe, zum zufälligen Mund stück vorhandener Ideen hinabdrückt. Bismarck bleibt der Begründer des Deutschen Reichs, Washington der Befreier Amerikas, ob auch Tausende vor und neben ihnen sich für denselben Gedanken begeisterten und nach demselben Ziele hinstrcbten. Alles Große ist da« Werk der Persönlichkeit. Juni angeletzt sind, so ist die Abreise des Monarchen in die nordischen Gewässer für die letzten Tage des Juni zu erwarten. Es sind auch bereit» dahingehende Anordnungen an den norwegischen Lotsen des Kaisers ergangen, sich um diese Zeit für den Kaiserbesuch bereitzuhalten. Die Kieler Woche selbst beginnt am 25. Juni mit einer Seewetisahrt auf der Kieler Förde durch den Kaiserlichen Jachtklub und den Norddeutschen Regattaverein. Für den gleichen Tag ist die erst« Wettfahrt um den Kommodore-Pokal zu erwart«», während die weiteren Wettfahrten um den Pokal auf den 27. und 20. Juni entfallen. Der 26. Juni ist als Tag für die Seewettfahrt des Kaiser lichen Jachtklubs und für Las Handikap der alten Jachten in Aussicht genommen. Am 27. Juni folgt die gemeinsame Wettfahrt des Kaiserlichen Jacht klubs und des Norddeutschen Regattavereins. Am 2b. Juni findet die Seewettfahrt des Norddeutschen Regattavereins statt. Als Termin für die Sonder- klassenwetcfahrten um den Samoa-Pokal des Kaisers sind der 25., 27. und 29. Juni bestimmt. * Prinz Georg von Bayern, der einige Tage den Manövern des 1. Geschwaders beigewohnt hat, hat das Geschwader nach der Ankunft in der Kieler Bucht verlassen und die Heimreise am Mittwoch nachmittag über Hamburg angetreten. * Graf Dallwitz? Eine Zeitungsmeldung will wissen, daß mit Rücksicht auf sein neues repräsenta tives Amt Herr von Dallwitz eine Rangerhöhung erfahren und zum Grafen erhöht werden soll. * Machenschaften gegen den Obersten v. Schleinitz. In der „Germania" batte am Dienstag früh ein Anonymus allerlei Andeutungen über die angeb lichen Rücktritlsgründe des Obersten «.Schleinitz gemacht. U. a. war von dem Anonymus erzählt worden, Herr v. Schleinitz habe als Schutztruppen- kommandeur seinen Oifizieren folgende Instruktion gegeben: „Sie kommen jetzt nach N. aus Posten. Menn Sie nicht binnen Jahresfrist einen Auf stand in ihrem Bezirk haben, kann ich nicht weiter mit ihnen kapitulieren". Die „Kreuzttg.* bestreitet diese Herrn von Schleinitz in den Mund gelegte Aeußerung. Sie schreibt: „Von informierter Seite wird uns erklärt, daß jene Worte Herr von Schleinitz nicht nur nicht gebraucht hat, sondern daß sie seinen ganzen Anchauungen nach auch garnichtgebraucht sein können. Es scheint sich um ganz gewöhnlichen Klatsch zu handeln, auf den der Gewährsmann hereingefallen ist." * Der frühere Zentrumsabgeordnete Hofmann s, Am Mittwoch verstarb der Ortspsarrer von Urlau, Professor Dr. Theodor H o f m a n n, im Atter von 71 Jahren. Der Verstorbene vertrat von 1b96 bis zur Reichstagsauflösung tm Dezember 1906 den württembergischen Reichstagswahlkreis Aalen—Ell wangen. Er gehörte der Zentrumsparlei an. * IV. Internationaler Arbeiter- und Schreker» giirten-Kongreß. Unter dem Protektorat der Kaiserin und dem Präsidium des Prinzen Heinrich zu Schönaich-Carolath findet in der Zeit vom 29. bis 31. August d. I. der IV. Internationale Arbeiter- und Schrebergarten-Kongreß in Berlin statt. Die Vor bereitung des Kongresse» liebst in den Händen des Zentraloerbandes Deutscher Arbeiter- und Schreber gärten und eines größeren Organisationskomitees. Rach der Tagesordnung sollen von hervorragenden Sacl-verständigen aller Kulturländer Einrichtung, Vedeutcnrg und Ziele des Kleingartens für den Mittel- und Arbeiterstand erörtert werden, Fragen, die für Staats- und Gemeindebehörden, Vereine "und alle Gartenfreunde von gleich großem Werte sind. Er stehen u. a. folgende Gegenstände zur Verhandlung: Familiengärten und ihre Bedeutung für die Gemein den; Familiengärten im Rahmen des Bebauungs planes der Städte; finanzielle Träger der Klein gärten; Kleingärten und Polizei; Kleingärten und Wohnung; Anlage, Ausgestaltung und Aus schmückung von Kleingärten; Schülergärten und ihr Einfluß auf die Jugend; Jugendpflege in den Gär ten. Zugleich ist beabsichtigt, eine Ausstellung von Modellen, Plänen und Photographien sowie von Be richten, Zeitschriften und anderen Drucksachen mit dem Kongreß zu verbinden. Eine Veröffentlichung des ge nauen Kongreßprogramms ist demnächst zu erwarten. Auskunft in allen Kongreßangelegenheiten erteilt In Italien steht Lionardo neben Ariost und Pal- ladio, in Spanien Cervantes neben Velasquez und Lcp« de Vega, in Deutschland Dürer neben Luther; in England hat die Renaissance keinen Maler, Bild hauer oder Architekten von dieser Bedeutung hervor gebracht, dort gelangt« nur die Dichtung, und auf diesem Gebiet nur das Drama, zu einer nie üagc- wesenen Blüte. In ihm geht die schöpferische Kraft des begabten englichcn Voltes auf, in Shakespeare und seinen Zeitgenossen. Unser Dichter steht nicht allein, er ist kein Meteor, das leuchtend vom dunkeln Himmel herrned.rgesah- ren ist, um ebenso schnell wieder in der Nacht M ver löschen. Eine stattliche Zahl von Vorgängern, Mit strebenden und Nachfolgern gruppiert sich um ihn. Sic sind Geist von seinem Geist und ihm wcs.nsvcr- wandt. Wenn er sie auch alle um mehr als Hauptes länge überragt, so ist er doch nur ein Glied aus einer großen Kette, allerdings das wichtigste, das der ganzen Kette erst ihren Wert verleiht. Eine Würdigung Shakespeares kann von der Be trachtung der vor und neben ihm lebenden Drama tiker nicht absehen. Statt zu verlieren, gewinnt er dadurch. Wenn wir sehen, wie er die stammelnden Versuche der Marlowe, Lily und Kyd zu herrlichster Vollendung führt, wenn wir seinen Werken die nicht unbeträchtlichen Leistungen eines Jonson, Webster und Fletcher gegenüoerstellen, erkennen wir, was unser Dichter seiner Zeit verdankt und was er dafür aus seinem Eigentum dem Jahrhundert gcgeocn hat. Eilt dann gehl uns die volle Anschauung für seine ganze Bedeutung auf. Als gleichberechtigt tritt er neben die größten Geister, welche die Men chheit hcr- vorgebracht hat, neben Homer, Aeschylos, Dante, Cer vantes und Goethe. Berglcichen wir dann sein Lebenswerk mit dem dieser Männer, so gelingt cs uns, einen Blick in die Seele des Dichters zu werfen, besser und tiefer, als wir cs auf Grund der peinlich sten Ueberlieserung vermocht hätten. Goethes „Faust" biete: ein erschöpfenderes Zeugnis für den Werdegang des Meisters als sämtliche Gespräche des fleißigen Eckermann. Alles, was wir von Sophokles' mil.tä- rischer Tätigkeit wissen, würden wir gern enib.hrcn, wenn sich dadurch eines seiner verlorenen Stücke er kaufen ließe. Von diesem Standpunkt aus können wir es verschmerzen, daß uns nur so mangelhafte An gaben von Shakespeares Leben überkommen sind. Die Zeitgenossen, die seine Bedeutung nicht erkannten, aber auch nicht erkennen konnten, sind uns viel schul dig geblieben, aber seine Dramen sprechen eine be redtere Sprache als alle Berichte und geben eine hin reichende Kunde auch von dem Menschen Shakespeare. Statt über das Fehlende zu klagen, wollen wir den wackeren Männern Heminge nnd Tondell dankbar sein, die uns durch die Herausgabe der ersten Folio- auigabc des Leb.-nswerk ihres Genossen Shakespeare in seiner Gesamtheit erhalten haben. Sie haben den Gedächtnisring, den der Dichter ihnen letztwillig ver macht hat, reichlich verdient.
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