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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.04.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140429017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914042901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914042901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-04
- Tag 1914-04-29
-
Monat
1914-04
-
Jahr
1914
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Morgen »Ausgabe wr Leipzig «ad Vorort» durch uns»», rrdaer VLAUASprklf * » und Spediteur« rmalidgltcd in« hau« gebracht: monatttch t.rs vl., viertehührii» Z.7S M. Sei d»r »eschüftspeUe, unscrn ZUioieu und Nu.gadeNellen adgrholtr monatlich>M.,v>rr»»haI>rltchAM. »urch dl» pal»: innerhalb deutschland» und »er deutfchen Nolonlen monatlich ».5» M., vierteljährlich 4.S» M., auaschlieklich postdeNellgeld. vo» Leipziger Tagediatt erscheint Werktag» »mal.Sonn.u.Zelertagotmal. ?n Leipzig, den Nachbarorten und Sen Orten mit eigenen Ziltalrn wir» die stbendauagab» noch am siden» de» erscheinen» in» Hau« geliefert. SerNner Ncüaktion: 2n Sen Zelten >7. Zcrnlprech-»nschluft: Moabit Nr. «»7. Nr. 214. /lrrttsblockd des Rottes und des Polizei rr rn tes der Etvidt Leipzig Nedaktion und chcschästsNeUe: ^obannlsgasse Nr.». . Zernsprcch-sinschlutz Nr >4»»2. >4d»A und I«dd4. ISS. Jahrgang rc»- dnseral, au» re>p»lg UN» Umgebung dl, /INIkllltnprklfk. ,fpaltigep»t»t,»U»Upt,0i«N»klamr,ri>et m., »vn ou«würt» Pf.. Nrklamen I.roiN.. klein, Nnzcigrn SleprMzrtlr nur L0pf.d.wirarrbv>.Nab.,^nfrrore von VchSrden lm omtlichcnTril Sir Prtil- zeil, SS Pf. ch»schaft«on>r>gcn mit planvorlchrtft >,n Preise erhöht, lladatl nach Larl». Setlagrn, »esamtai.fl.SM.So»2aulcnS auolchi. Poltgeduhr. flnzeigen-Nnnabm, ^ohann»»go!sce. d»> sämtlichen jillalcn oe» Leipzig», ilagedlatte« un» allen tznnoncen-'lxpcSitionen Seo An. unS huslonSr». cheschüft»sl,U»fUr0-rllnu.0»epr.0eanSendurg 0irerrionwaIlrr;lt«gel. Serlin W ,, MargaretkenNrafte 6. Zernsprech. Hnschluft, Luhow S>»7,. Millwoch, Sen 29. Upril. 1914. Vas wichtigste. * Die Erste Kammer erledigte am Dienstag verschiedene Eiscnbahnange legen Heiken. (S. Bei.) * Die Zweite Kammer erledigte am Diens tag die letzten noch übrigen Kapitel aus dem Rechenschaftsbericht, mehrere Etatkapitel und nahm schließlich deu Antrag Clauß auf Ver mehrung der sitze im L a n d e s k u l t u r r a t an. (S. Ber.) * Staatssekretär v. Zagam hat sich in der Bud gctkommissian des Reichstags über die auswär tige Lage ausgesprochen. (S. des. Art.) * Der Reichstag beschäftigte sich in seiner Sitzung am Dienstag mit Petitionen. Dabei kam cs zu lebhaften Auseinandersetzungen über die Impffrage. (S. Art. u. Ber.) * Der preußische Kultusminister van Trott zu Solz gab im preußischen Abgeordnetenhause eine Erklärung über den Kaiscrbrief an die Land gräfin van Hessen ab. (S. Art. u. Ber.) * Den österreichisch-ungarischen Delegatio nen wurde ein Rotbuch über die Balkanpolitik der Monarchie vorgelcgt. sS. Polit. Uebcrsicht.) * Zn der S t a d t M e x i k o scheint sich ein U m - schwung in der amerikafcindlichen Stimmung der Bevölkerung vollzogen zu haben. sS. bes. Art.) Russische Stimmungen. o Berlin, 27. April. Hier und da stützt man neuerdings in deut schen Blättern auf die Auffassung: Die nationa listische, gegen Deutschland gekehrte Hetze begönne in Rußland, abzublassen. Tabei stützt man sich dann ans die eine oder andere russische Preß stimme, die, weil sie der Vernunft nachgibt, er freulich absticht von dem haßerfüllten tähvr, der gemeinhin zu uns über die Grenze schallt. Aber Mahnungen zu Vernunft nnd Einsicht kann man gelegentlich auch sonst in Rußland begegnen: man braucht nur die Debatten des russischen Ncichsrats zu verfolgen, wo — zumal von den Mitgliedern deutsch-baltischer Abtnnst -- gar nicht selten mit einen: ebenso stolzen wie er staunlichen Freimut der herrschenden Meinung widersprochen wird. Nur daß das eben Aus nahmen sind; Stimmen des Predigers in der <r'nste. Private Mitteilungen, die uns gerade in der letzten Zeit durch Briefe nnd mehr noch von durchreisenden Freunden zugingen, zeich nen ein durchaus anderes Bild. Lehren, daß die russische Gesellschaft geradezu von einen: Taumel erfaßt ist, daß die Armee nut finsterer Ent schlossenheit rüstet und — in diesen Blättern haben wir den Gedanken schon des öfteren ans- gesührt — wir auf dem Holzweg wandeln, wenn wir die Herren Russen anpredigen: sie möchten doch gefälligst Vernunft annehmen und die Güte habe,: einznsehen, daß wir nichts von ihnen wollen. So wenig kreuzten sich unsere Interessen, das; wir von Rechts wegen eigentlich Freunde sein müßten. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, daß die chauvinistische Strömung von den russischen Ge walthabern gefördert wird. Die Politik rück sichtsloser Unterdrückung, durch d:e Stolypin den: unglücklichen Lande die Ruhe wiederzugebcn gedachte, beginnt ihre Früchte zu tragen. Alle aufmerksamen und nachdenklichen Beobachter be stätigen es uns aufs neue: Es ist eine dumpfe, schwüle Stimmung, voll mühsam zurückgehalte nen Grolles, die in mehr als einen: Zug an die vor zehn Jahren erinnert. Polizei und Gerichte aber arbeiten noch emsiger als damals. Man veranstaltet Haussuchungen ohne Unterlaß, inan sperrt ein, man verschickt, man läßt zwischendurch wohl auch den oder jenen besonders Mißliebigen lautlos verschwinden. Vielleicht bildet man sich tatsächlich ein, des unheimlichen Gärens an: ehesten Herr tverdcn zu können, wenn man die Unzufriedenheit ablenkt, ihr in dem Haß gegen den alten Landesfeind (das bleibt nun einmal, was wir auch singen und sagen, den Russen der Deutsche) ein neues Ziel gibt. Hand in Hand damit gehen die Miegrüstungen, sic sind uns ja nicht mehr unbekannt; das Wesentlichste davon ist vorm Jahr den Mitgliedern der Budgetkom mission von berufener Seite mitgcteilt worden. Aber auch den: militärisch ungeübten Auge ent geht die unruhevolle Bewegung nicht, die die östlichen Gouvernements durchzieht: Die milt- tärischcn Vorbereitungen haben eine Stärke er reicht, wie sic in jenen Grenzlanden noch u:e wahrgcnommen wurden. Schließlich ist cs auch kein Zufall, daß alle Truppenführcr, all die Offiziere, die im japanischen Feldzug in irgend einem Belang sich auszeichnetcn, in den Weichsel gouvernements untcrgebracht wurden. Der dort kommandierende General v. Rennen kampf aber — einer von der uncrsrculichcn, leider nicht ganz seltenen Spezies von Balten, die im russi schen Militärdienst das deutsche Gemeinschafts gefühl verlieren, nebenbei mehr ein miles choriosus und Skobelewthp als ein ernsthafter Stratege — erklärt jedem, der es hören will: er sc: „erz bereit", nnd brenne darauf in: Klamps d:ese Bereitschaft zu bewähren. Für das ihn: unter stellte Korps glaubt er jede Garantie über nehmen zu können: die Feste Eowno sei schlecht hin uneinnehmbar. Nein, es ist leider gar nicht zu verkenneu: In Rußland treib: man mit einer nicht all täglichen Leichtfertigkeit aus den krieg hin. Diese Leichtherzigtcu findet ihre Stütze in dem Wahn, daß man sich in Rußland unverwundbar hält. Es ist etwas von der Stimmung des Anzen- grnberschen Steintlopferhannes: ^,Es kann d'r nir g'schehen." Tenn — so pflegt inan in Ruß land zu antworten, wenn man die Aktionslusti gen auf die Erfahrungen mit Japan hinweist, auf die Schulung nnd Disziplin der deutschen Truppen und sie bescheiden erinnert, daß zumal die Leistlingen des Trains, weil sie von Eigen schaften, die dem russischen Volkscharakter so asbolut nicht liegen, wie Korrektheit lind Pünkt lichkeit abhängen, möglicherweise nicht ansrcichen tonnten —: was wollen die Deutschen uns? Sic können eine Schlacht gewinnen, vielleicht auch die zweite und dritte. Dann ziehen wir uns zurück und überlassen ihnen den Weg zu gehen, den Napoleon gegangen ist. Der: Weg ins Herz von Rußland hinein, aber auch den Weg heraus. Leider tun wir unser möglichstes, dem russi schen Uebermur zu dieser gletscherhaften Höhe zu steigern. Wo Entschiedenheit vonnöten ist, versuchen tmr'S mit Nachgiebigkeit; wo allein eine sehr nachdrückliche Sprache zum Ziele führen könnte, flüstern wir Beschwichtigungen. In Ruß land versichert man uns, so eigene frühere Be obachtungen bestätigend, ist ganz allgemein die Ueberzeugung verbreitet, wir fürchteten das Zarenreich. Anders vermöge:: die robuster ge bauten sarmatischen Herren sich unsere offiziöse Betulichkeit nicht zu erklären, anders nicht den Gleichmut, mit de,:: wir russische Herausforde rungen hinnehmen, d:e eifrige Beflissenheit, wie wir russischen Wünschen sofort Nachkommen. Es ist nicht angebracht gewesen, nm des Herrn Poljakow willen den Kölner Polizei präsidenten zu opfern und auch ohne wegen des Herrn Berliner gleich „Krieg anzufan gen", hätte es au: Ende Mittel geben müssen, in Petersburg einen Druck auszuüben. Statt den: Frieden und der Versöhnung zu dienen, haben wir so nur den Appetit unserer russischen Nachbarn gesteigert. Auch der unrühmliche Aus gang der türkischen Mission des Herrn Li inan v. Sanders hat unser Ansehen erheblich ge schädigt. Die ist inzwischen, wie wir vernehmen, vollständig kalt gestellt und auSgeschaltct worden und die Russen, die sich eines so restlosen Er folges gar nicht einmal versahen, fragen sich nun: Warum, wenn cs sich nicht schwach fühlt, läßt Deutschland sich das alles gefallen? . . . Nach -er Gsterpause. Parlamentarische Stimmungsbilder. O Berlin, 28. April. Der Reichstag hat sich noch acht Tage Zeit gelassen, ehe er dem Abgeordnetenhause folgte. Da für geht er denn freilich gleich von Anbeginn scharf ins Zeug. Es ist sonst nicht Sitte, daß am ersten Tage nach den Ferien schon die Kommissionen sitzen. Heute versammelte sich bereits früh um die zehnte Stunde die Budgetkommission, um das wich tigste Kapitel, das cs von Rechts wegen für deutsche Männer geben sollte — das unserer auswärtigen Be ziehungen — zu erörtern. Man wird mit Genug tuung feststellen dürfen, daß der referierende Herr Basfermann dem Ernst der Stunde durchaus gerecht wurde. Man mag ja in dem einen oder änderen Stück, in der oder jener Einzelheit anderer Auffassung sein — was verschlägt das gegenüber der Gewissenhaftigkeit, mit der Herr Basfermann diesen Dingen nachging! Leider kann man nicht sagen, daß sich die Aussprache dann auch hinterher noch auf der nämlichen Höhe hielt. Herr o. Jagow äußerte sich, ob er vertraulich sprach, ob ohne Schweigegebot, in der üblichen offiziösen Art. Eine besondere Leistung bot aber jener Volksvertreter, der die deutsch-feind lichen Strömungen in Rußland, diese sozusagen ange stammte Feindschaft. die aus unterschiedlichen Quellen, politischen, kulturellen, ethischen, ihre Nah rung zieht — auf Verstimmungen wegen des allzu agrarischen Handelsvertrages zurückführt. Das gleicht ungefähr der Entdeckung Onkel Bräsigs, daß die Armut von der großen Powcrteb hcrrühre. Im Plenum ließ man sich heute an weniger beträchtlichen Dingen genügen. Im Grunde stritt man sogar um des Kaisers Bart. Man unterhielt sich nämlich über Petitionen von Impfaeg- nein, die zum Teil noch aus dem Jahre 1912 stam men. Dabei ergab sich das seltsame Schauspiel, daß die Redner der meisten Fraktionen sich als Impf gegner bekannten. Wer auch außerhalb der deutschen Reichsgrenzen in der Welt sich umsah, wird zu diesem Eifer den Kopf schütteln. Uebcvall, in Italien, Ruß land, sogar im stammverwandten Oesterreich, stößt man auf Schritt und Tritt auf Pockennarbiae, nur in Deutschland selten. Es ist selbstverständlich nur die Anmerkung eines medizinischen Lacen: Aber sollte unsere Zwangsimpsung wirklich daran so ganz ohne Schuld sein? Indes, man wird diesen Streit dennoch morgen fortsetzcn, wie der Seniorcnkonvent denn über Haupt über die Pcrte'lung der Geschäfte noch gar nickt beschloßen hat. Wohl trat er, entgegen der ursprüng lichen Ankündigung, schon heute am Spätnachmittag zusammen. Aber nur, um über die Beteiligung in einer für den Sonnabend projektierten Fahrt des neuen Hapagdampfers „Vaterland" zu beraten, lieber die Geschäftslage will man erst morgen sich schlüssig werden, lieber das Wesentliche freilich ist man schon heute sich einig: Der Reichstag ist in allen seinen Teilen müde, ihn länger noch als höchstens drei Wochen beisammen zu halten^ ist keine Möglich keit and kein Gesanke. Zweiselhast ist eigentlich nur noch, wie die Regierung das Problem der über die Ferien ausgedehnten freien Eisenbahnsahrt zu lösen gedenkt. Denn immer mehr verdichtet sich die Mei nung. daß sie schließen, nicht vertagen wolle. Derweil hatte das preußische Abgeord netenhaus in gewissem Sinne einen großen Tag erlebt. Es zeigte sich, wie klug gestern Herr von Lampe gehandelt hatte, da er den gefälschten Kaiserbrief zur Diskussion stellte. Denn nun mußte wohl oder übel das Zentrum sich doch zu einer Erklärung herbeilasscn. Herr Dr. Porsch wählte zu diesem Ende zwar die Form eines Angriffs auf die gegnerische Presse, deren Hinterhältigkeit ein paar arme Zentrumsschäflein zum Opfer gefallen wären, aber, was die Hauptsache blieb, der Justitiar und Rachlaßpsleger des verstorbenen Kardinals Kopp räumte unumwunden ein, daß in jenem Brief nichts gestanden hätte, was unsere katholisckzen Volksgenossen zu kränken vermöchte, und er gab ferner zu, daß in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" über diese Dinge die lautere Wahrheit zu lesen gewesen wäre. Diese Erklärung ward unter ein paar höflichen Verbeugungen vom Kultusminister akzeptiert. Dann ließ man die Reihe der Partei redner noch einmal Revue passieren. Darauf ward die Generalaussprache geschlossen und das Mi n i st c r gehalt bewilligt. Staatssekretär von ^agow über -ie auswärtige Politik. In der Dienstagssitzung der Budgetkommission des Reichstags — über deren Beginn hatten wir bereits in der gestrigen Abendnummer berichtet — ergriff nachdemAbgeordnetenBassermann der Staats sekretär des Auswärtigen Amtes v. Jago« das Wort. Er ging in längeren, zum Teil vertraulichen Ausführungen auf eine Reihe von Fragen der aus wärtigen Politik ein. Halbamtlich wird darüber folgendes bekanntgegeben: Die Drcibundmächte arbeiteten dauernd in voller Herzlichkeit und Intimität miteinander. In der Balkan krise habe diese gemeinsame Arbeit sich durchaus bewährt. Ein M i t t e l m e e r a b k o m m e n sei unter den Mächten des Dreibundes nicht ab geschlossen worden. Der Gegnerschaft einioer Mit glieder der ungarischen Unabhängigkeitspartei ge.en den Dreibund könne er kein Gewicht beilegen. Es sei gar kein Iweifet, daß ganz Ungarn wie Oe st erreich fest zum Dreibund stehen. Was die deutsche Militärmission in der Türkei anbetreffe, so habe die Mission in der Hauptstadt ihren Sitz erhalten sollen, weil sich dort die militäri schen Vildungsanstalten befinden. Daraus habe sich dann die Ernennung des Generals v. Liman zum Kommandierenden General des ersten Armeekorps entwickelt, die übrigens nicht als dauernd gedacht gewesen fei. Von russischer Seite seien nicht gegen die Mission an sich, sondern nur gegen das Kommando des erstenKorps Einwendungen erhoben worden. Die Frage sei dann durch eine heftige Preßtampagne, in der sich besonders die „Nowoje Wremja" hervorgetan habe, vergiftet worden Schließlich habe es nur dem eigenen Wunsche des Generals v. Liman entsprochen, aus der Position herauszukommen. Außer der Militärmission habe eine Anzahl anderer Vo. fälle zur Preßverstimmung zwischen Deutschland und Rußland beigetragen. Der bekannte Artikel der „Kölnischen Zeitung" habe keinerlei amtlichen Uriprung ge habt; er habe ihn bedauert. In der Preße sei verbreitet worden, der russische Minister des Aeußern habe sich in der Dumakommission dahin geautzert, daß Deutschland zur Zeit der letzten Handelsvertrags verhandlungen Rußland in politische Schwierig keiten verwickelt habe, um einen günstigen Handels vertrag zu erzwingen. Der Minister habe der artige Aeußerungen strikt in Abrede gestellt und das Kommissionsprotokoll enthalte keine solchen Aus führungen. Im Falle Poljakow habe deutscher seits zwar keine Gesetzwidrigkeit, aber eine z u langsame Behandlung ber Sache vorgelegen. Die deutsche Regierung habe der russischen ihr Bedauern ausgesprochen. Anders liege der F a l l Berliner, auf den der Staatssekretär kurz einging. Ein auf denUebereifer eines'Gastwirts zurückzuführender Miß griff unerheblicher Art sei in Breslau vorgekommen, wo ein rustischer Untertan für einen Spion gehalten, um eine Legitimation ersucht, nach kurzer Zeit aber wieder entlasten worden sei. In der Frage des Po st Verkehrs nach Persien habe ein deutscher Protest in Petersburg Erfolg genabt. Hinsichtlich der bevorstehenden Einführung von Niehl- und Getreidezöllen in Rußland habe der Handels vertrag keine Handhabe zum Einspruch. Bei den finnischen Zöllen ließe sich vielleicht der Sinn, wenn auch kaum der Wortlaut des Vertrages geltend machen. Rußland habe nach Prüfung der von Deutschland vorgcbrachten Argumente erwidert, daß es sich zur Einführung der Zölle für berechtigt halte. Die Behauptungen, nach Venen die russischen Be hörden ein Verbot erlassen haben sollten, daß keine Lieferungen mehr nach Deutschland vergeben werden dürften, würden von der russischen Regierung be stimmt in Abrede gestellt. Zusammensastend erklärte der Staatssekretär, daß die russische wie die deutsche Regierung die alten freundnachbarlichen Bezieh ungen aufrcchterh alten wollen und daß zu hoffen ist, daß trotz einer nicht zu verkennenden Ilntcrströmung und der vorgekominencn Auseinander setzungen in Oeffentlichkeit und Presse das alte Ver hältnis ausrechlerbalten bleiben werde. Hinsichtlich Albaniens hoffe die deunche Regierung, daß der Fürst seine Auf. abe mit Erfolg durchführen und daß Land und Volk prosperieren werden. Nach den Maß nahmen, die von der griechischen Regierung nach llebergabe der Note der Mächte eingeleitet seien, bestehe Aussicht, daß auch der Aufstand in Epi rus bald ab flauen werde. Zur Organisierung des Landes werde der albanichen Regierung eine A nIeihe vo n 75> M i l l i o n e n Francs garan tiert werden. Ebenjv übernähmen die Mächte die Garantie für eine Anleihe non t«> Millionen Francs für Montenegro. Hier wie dort würden sich die Mächte eine Kontrolle über die produktive Ver- wenoung des Geldes tzchern. Dem Reichstag werde darüber nach Abschluß der Verhandlungen eine Vor lage zugehen. Die Regelung der deutschen diplo matischen Vertretung in Albanien solle derart er folgen, daß ein Generalkonsul zugleich als diplomatischer Agent ernannt werde. Der Staatssekretär bemerkte dann, daß über die Kap-Kairo Bahn teine Verhandlungen mit England schwebten. Der deutsch-türkische Handels vertrag werde :n diesen Tagen um ein Jahr ver längert werden. Die Veröffentlichung der vielerörterten Pots damer Rede des Königs von Erie chen- l a n d sei mit Zustimmung beider Souveräne erfolgt. Die Ansprache habe lediglich militärischen Charakter gehabt und >ei eine wertvolle Genugtuung nach den vielen Angriffen auf die deutsche Armee gewesen. Die Erörterung. Ein Sozialdemokrat erklärte, er könne den Optimismus ber Vorredner wegen des Dreibundes nicht teilen. Während des ganzen Balkankrieges sei der einzige wirkliche Erfolg der Dreibundmächte wohl nur die Erwerbung der kleinen Donauinfel durch Oesterreich gewesen. Die Militärmission fei ein vollständig verfehltes Unternehmen, zumal bei den Iungtürken die Absicht bestehe, politisch mißliebige Offiziere durch die deutsche Militärmission beseitigen zu lassen. Ein Fortschrittler widersprach dieser An schauung. Rach der Ansicht aller bürgerlichen Par- icien er örtere tas deutsche Interesse eine starke Tüklei. Ti<» oster rechliche Politik fei allerdings nicht glücklich gewesen, insbesondere nicht die Annexion Bosniens, die zum Ausgangspunkt vieler weiteren Schwierigkeiten geworden sei. Da gegen sei die Selbständigkeit der deutschen Politik in der rumänischen Frage nur zu begrüßen. Die Verschlechterung unserer russischen Begehungen rühre zum guten Teil von den Vorbereitungen des neuen Handelsvertrages t er. Zu wünschen sei eine größere Geneigtheit der deutschen Regierung für den Abschluß von Schiedsgerichtsverträgcn Ministerialdirektor Kriege erwiderte, die deut schen Retterungen seien durchaus nicht grundsätzlich gegen solche Verträge. Im Gegenteil, sie hätten in einzcmen Fällen ein schiedsgerichtliches Streitverfahren selber gewünscht. Aber von allgemeinen Schiedsgerichts vertrügen sei nicht viel zu halten; sie könnten sogar leicht zur Ent wickelung neuer Schwierigkeiten führen. Ein Konservativer bemerkte, mau dürfe die Lage auf dem Balkan nicht optimistisch be urteilen. Nicht berechtigt war es. wenn die deutsche Politik die Revision des Bukarester Friedens ver hinderte. Eine starke Türkei liegt allerdings im Interesse Deutschlands. Die Militärmission wird uns wenig Ruhm und viel Schwierigkeiten bringen. Der aufsehenerregende Artikel der „Köln. Zeitung" über die Beziehungen zu Rußland legt den Wunsch nahe, daß die Regierung in ihren halbojfiziösen Be ziehungen zu einzelnen Blättern vorsichtiger sein sollte. Allerdings sind die deutschfeindlichen Unter töne in der russischen Presse sehr viel stärker als die russenieindlichen in der deutschen. Die freund lichsten Beziehungen zu England haben bisher leider noch zu keinen positiven Ergebnisten geführt. Wie steht es insonderheit mit der Regelung der Schaden ersatzansprüche von Deutschen aus dem Burenkriege? Ministerialdirektor Kriege gab Ausschluß über einige Entschädigungsansprüche aus dem Burenkriege. Ein Nationalliberaler gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß das Auswärtige Am. der Legende entgezengelretcn sei, daß das Deutsche Reich grundsätzlicher Gegner der Schredsgerichtsverträgc sei. Erwünscht wäre eine Mitteilung über den Stand der Verhandlungen betreffend die Londoner See deklaration und über den internationalen Prisen gerichtshof. Huertas Stern im Sinken. Huerta verhielt sich in der letzten Zeit recht still, und das Entgegenkommen, das er den Fremden in Mexiko zuletzt zeigte, ließ auf eine Aenderung seiner Gesinnung schließen. Diese scheint auch tatsächlich unter dem Drucke der jüngsten Ereignisse vor sich ge gangen zu sein. Nach den letzten Meldungen ist ln der öffentlichen Meinung Mexikos ein Umschwung eingetreten. Die Aufregung hat sich gelegt und die Gegner Huertas, die einem friedlichen Vergleiche mit Amerika das Wort reden, scheinen die Oberhand zu erlangen: In diesem Falle wäre die Beseitigung Huertas nur eine Frage der Zeit, und die sütamcrt- kanischen Regierungen könnten auf einen Erfolg ihrer vermittelnden Tätigkeit rechnen. Im einzel nen verzeichnen wir folgende Meldungen: (Litt Ltimtnttttffsnulschwttttg in der Ltadt Meriko. Veracruz, 28. April. Rach Meldungen aus der Stadl Meriko macht sich dort seit zwri Tagen «ine freundlichere Haltung gegenüber den Ausländern bemerkbar. Dies wird teil» darauf zurückgeführt, daß die Anhänger der Insurgen ten bemüht find, in der Stimmung de» Publikum» einen Wechsel herbeizuführen. Es werden Flug blätter in Umlauf gesetzt, in denen das Volk ausge-
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