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SS war jetzt MN Mische« ihnen, nur das Feuer im Herd knisterte, Md die Siche an der Erde schnurrte und rieb sich am Kitte des Alten, um ein Häppket« bittend. Das Sind war auf dem Schatz der Mutter eingeschlafen. Da stand der Pförtner auf, nahm ein riesiges Schlüssel bund und sagte» „Mutz nun die Runde machen auf der Burg, bin bald zurück." Der Svielmann schob seine« Napf beiseite. „Laßt mich wilkommen, Alter." So ginge« sie zusammen die Stiege hinab in de« Hof. SS war Abend geworden, als sie zurückkamen. „Ihr >»erdet müde sein", sagte der Pförtner zu seinem vast, „ich will Such Suren Schlafraum weisen". Der Spielmann schüttelte de« Kopf „Bin noch nicht müde, Alter. Bollen vir nicht noch fchwäften?" Aber der Alte schüttelte unwirsch daS Haupt. ..Wozu? Hier wird früh zur Ruhe gegangen auf dem Hockstein. Dean eS heißt früh wieder heraus. Aber iHv fahrende? Volk kcnnt ja leinen ordentlichen TageSlavf. Kommt, hier geht'S hinauf." Und er klomm eine Vetter hinauf, die zum Bodenraum über der Pförtnerstube führte. ES roch nach Heu da oben. „Hier habt ihr noch eine Decke, damit Ihr nicht Mert, und mm gute Nacht." Der Cvtelmann war ihm nachgeklettert und sah sich in Dem dunklen Raume um. SS war -ter kein Fenster Im Turm und die Luit stickig. Ader er war dankbar für einen warmen Unterschlupf für die Nacht, wickelte sich t« seine Decke und legte sich ins Heu. Er mochte woP zehn Mauten so gelegen haben, da kam der Alte noch einmal die Letter heraufgehumvelt. >LaS Herdfeuer warf eine» matten Schein nach oben durch idle Luke Der Alte beugte sich über ihn. „Da, Gesell, damit Ihr nicht friert. Die Nacht wird kalt" — Und er reichte Ihm einen Becher heiße» WürzweinS. Den schlürfte der Fahrende voll Behagen. Ha, wie das die Glieder wärmte I Aber auch eine bleierne Müdigkeit senkte sich über ihn. Nm Halbschlaf hörte er den Alten Vie Falluke schließen und dann die Leiter fortziehey Warum er das wohl tat? Ader er war zu müde, um darüber nachdenken zu können. Er schltes ein. Unten trat »der Pförtner leise zu seiner Frau. „Der Fremde wird nichts merken die Nacht, ich hab ihm ein Pulver in den Bein getan, daS müde macht. Wenn ^»r morgen seine Straße weiterzieht, weiß er nicht, was Mese Nacht unter Ihm geschehen. Latz die Glut nicht aus- -gehen im Herd, Frau. Wir brauchen Licht." — Es mochte gegen Mitternacht setq, als der Sptelmaun !»den tm Heu erwachte. ES war ihm dumpf im Kopf, er tzatte geträumt, er höre das Murmeln vieler Stimmen. Jetzt war er wach und daS Murmeln hörte doch nicht auf. Er kniff sich ins Ohr, um zu wisse», ob er «och schlafe. Dan« lauschte er angestrengt. Unter ihm war da- Mur meln — ganz sicher! Und manchmal auch dazwischen das Klirren wie von Waffen. Aber alles gedämpft, unterdrückt. Er schob seine« Oberkörper leise zur Luke, die mit einer Falltür verj 'ossen war. Aber e» gab breite Ritzen da- zwilchen. Da legte er sich lang hin und sah durch die Spalten, was da «nteu vorging. Um da» neu entfachte Herdfeuer satzen und standen tm Halbkreis an die zehn Mann. Sie trugen Waffen, manch« sogar mehrere, die sie dem alten Pförtner zur Prüfung zeigte«. Deutlich hörte der Fahrende des Alten Stimme. „Mannen, eure Waffe» sind gut und in Ordnung. Jeden Mond um dieselbe Nachtstimde weift thr sie mir wieder. Nicht» darf rosten, bis Herr Rattmer hetmkommt. Minnen, wir sind allein und herrenlos. Der Böhme ist «ne nicht Herr. Laßt auch nicht» merken vor den Böh men hier tm Hockstein, sonst werden die Wachen ver parkt und der Burggraf gibt u«S noch uehr Böhmen herein. Das darf nM sein. Schwört, datz thr dem Ratimer treu bleibt, bis er kommt." Die Männer hoben die Echwurhand. Roten Schein warf da» Herdfeuer a«f ihre ernste«, vernarbten Gesichter. An der Wand stand der Pförtner mit bloßem Schwert. KaS dielt er ihnen hi» Rckan ein mdi» trat w» «nd legte feinen Schwurflnger auf die Schneide. Im Thor klcmg e» wie fernes Donnergrollen: ,Äet Gott und der hei lig«» Jungfrau schwören wir Treue Ratimer, unser« Herrn." AIS jeder LaS Schwert berührt, fragte einer: „UuV warm kommt Herr Ratimer zurück?" Der Alte wiegte das Haupt. „Wer Sann es wissen? Vielleicht bald, vielleicht währt eS noch Jahre. Aber er kommt. Ihr dürft nur nicht die Geduld verlieren. Und murrt nicht, und leid dem Böhmen untertan, damit er keinen Verdacht schöpft. Roch sind wir zu schwach, noch können wir nichts tun. Wenn aber Her» Rattmer zurückkommt, dann wird er Hilfe bringen." Die braunen Hände des Allen zitterten, al» er da» sagte. Fester umklammerten sie den SHwertknauf. Ach, über vier Jahre hatte er so die Mannen ver tröstet. Lebte Herr Ratimer denn wirklich noch? Da wurden plötzlich mit einem Krach die Hwlzbretter von den Luken gestoßen. Erschrocken sahen sie alle nach oben. Da erschienen erst zwei lange Beine in geflickten Hose«, dann ein Wam» »nd ein struppiger Kopf. Mitten in ihren Kreis sprang der fahrende Spielmann, daß die Geige auf seinem Rücken tanzte. Ehe die Männer sich noch besinnen konnten, hatte er die Fiedel ans Kinn gerissen. „Ich will euch ein Lied singen vom Ratimer, dem Ge- ächteten I" Er sagte eS keuchend und fuhr sich über die Stirn. Und während die Männer um ihn schweigend stan den, aus ihre Schwerter gestützt, lehnte er sich au die Herd- warst» uÄ> sang: »Mühelos Rattmer rettet im Fremdland, Heim seine Seele zum Heimatga« lechzt Aber um RathenS und Hocksteiner Zinnen Heiser der böhmisch Rabe krächzt. Traf wohl Herr Rattmer fern einen Spielmann, Spielmann, zieh heim, wo das Elbwasser schäum^ Schau, ob die Burgen mir beide noch ragen. Wo alle Sehnsucht der Seele mir träumt. Schau, ob die Mannen, die Treu mir geschworen. Heut dem Geächteten treu noch sind. Bis er aus Fremdlands verschlungenen Pfaden Endlich den Weg in die Heimat find'tl" Mil leiser, fragender Stimme hatte der Fremde ge sungen. Immer näher waren die Männer geruckt. Gierig hingen all die funkelnden Augen an seinen Lippen. Al» er geendet, stürmten sie auf ihn ein: „Du — dm weißte wo er ist! Herr Rattmer lebt! Herr Ratimer denkt air rmSl Sag, Fremdling, wo ist Ratimer?" Zitternde Fäuste wollten ihn packen. Fragende Augen durchbohrten ihn. Aber sie fuhren jäh zurück. Losge rissen hatte sich der Spielman»». Frei und stolz stanv er vor ihnen. Seine Brust keuchte. Mit einem einzige» Griff riß er Bart, Haupthaar und Pflaster vom Gesicht. Zwei flammende Augen trafen wie Schwerterblttzen die Männer. »Herr Ratimer I" Der alte Pförtner hatte eS geschrien. Dan« taumelte er. Vorwärts tastete er und kniete nieder vor dem Ge ächteten, sein geflicktes Wanst» küsseist». Die Männer er schauerten. Es ging ein Zittern durch Ihre Reihe«. Dau» knieten sie alle lautlos nieder. Da Hub Herr Rattmer zu sprechen an. „Männer l O ihr Treuen! Wann Ich komme, fragt Hr? Männer, Kampfgenossen, Brüder — da bin ich jat Bin mitten unter euch!" Er streckte ihnen die Hände hin, die sie an die Lippen zogen. „Und du, guter Alter"' — er hob den Pförtner vom Boden — „der du heimlich bei Nacht Schwerter prüfst für deinen Herrn, hab Dank!" Er küßte ihn auf die Stirn. „Aber nun, Männer, hört mich an, denn ich habe euch viel zu sagen. Setzt euch, wo Rauin ist Wir haben nicht «ehr vktl Zett." Sie folgten seinem G-bot und setzten sich flüsternd roch lltrreckd auf Tische, Schemel und Diele. Bartus. de» aue Pförtner, kauerte stm dicht zu Füßen seines Herrn, der aufrecht am Herde stehenblieb. Em stolzes Lächeln ging um sein Gesicht, als er sie alle so andächtig da „Seid ihr denn auch ganz sicher, daß eS der Rattmer ist, der vor euch steht?" Bartus ergriff seines Herrn herabhängende Hand «nd küßte sie. »Herr, wir alle haben Euch gleich erkannt. An Euern Augen, Eurem Blick — an allem! Und dann — an der Stimme. HStt' nimmer gedacht, daß Ihr Eur« Stimme so verstellen könntet." Herr Rattmer lachte auf, hart und bitter. ,Hab'S wohl gemußt all die langen Jahre hindurch In der Fremde." Aus dem Hintergründe kam eine tiefe Stimme. „Seid Ihr schon lange im Land, Herr?" Rattmer schüttelte den Kopf. „Nicht sehr lang. Sell Weihnacht." Der alte Pförtner zahlte an seinen Fingern. „Sell Weihnacht? Das ist ja fast schon einen Mond Her. Wo seid Ihr denn solange gewesen, Herr?" Rattmer wiegte den Kopf. „Bald hier, bald da. Auszuspähen, wie es TÜknVr um mell« Sache. Hab die heilige Weihnacht auf dem Rathen gefeiert als Mönch und dem Burggrafen die Messe ge- lesen. Bin dann weiter gewandert und hab In den Felsen gehaust in einer leeren Bärenhöhle, die mir von früher he, wohlbekannt." „Die an dem Totengang? Wo einem das Grausen den Rücken hinabläuft, wenn man sie von unten liegen sieht?" Einer von den Männern hatte es entsetzt geschrien. Rattmer nickte. „Dieselbe. Sie ist zur Hälfte vollgestaut mit Waffen Md Rüstzeug." Ein Murmeln des Erstaunens ging durch die Schar. „Mit Waffen? Mit Rüstzeug?" «Ich hab einen Waffenbruder jenseits der Grenze. Jobst Warteke. Der schickt mir bei Nacht auf Geheim pfaden zwei Männer, die allemal Rüstzeug unter ihrem Gewand tragen. Das Rüstzeug lassen sie in meiner Höhle. Dann schleichen sie vor Morgengrauen wieder über die Grenze zurück. So geht das schon an dis dreißig Nächte. Noch hat sie keiner aufgespürt." Unter den Männern entstand eine Bewegung. „Herr, und wann schlagen wir drein? Wann werfen Wir die Böhmen aus dem Hockstein?" Rattmer hob die Hand. „Ruhig, Leute! Noch ist es nicht Zeit. Wenn der Tauwind über die Berge geht und das Eis im Strom schmilzt, dann kommt unsere Stunde. Dann kommt Jobst Warteke mit seinen Mannen und steht n lr bei. Bis dahin Geduld Md Vorsicht. Und nun geht wieder auseinander, wie ihr gekommen, daß der Böhme nichts merkt." Sie kamen alle einzeln zu ihm heran und gaben ihm die Hand. Ein stolzes Leuchten stand tn jedem Auge. Und sprach ein jeder, glücklich, tm Fortgehen sein Schwert streichelnd: „Wenn der Tauwtnd weht!" Dann knirschten sie die Stiege hinab tn die Nacht. Herr Ratimer aber saß noch lange mit Sem alten BartuS beim Herdfeuer beisammen. Bon vergangenen Zeiten sprachen sie und von künftigen. Vor Morgengrauen schritt der Spielmann mit der Fiedel Ms dem Rücken wieder über die Bohlen tn den Tannenwald zurück. Ms er jenseits auf der Höhe war, blieb er stehen und fiedelte ein Lied. Die verschlafenen Mannen tm Roßstall hoben lauschend dm Kopf. Ueber ihre Gesichter sprang eS wie ein verhaltenes Wetterleuchten. Da ging überm Hockstetn die Sonne auf. 4. Kapitel. Gurgelnd brach sich Vas Elbwasser an den schweren Holzplanken der Fähre, die unterhalb btt Königsteins von zwei Knechten hinüber zum andern User gerudert wurde. Ste hatten schwere Arbeit heute, denn die Elbe ging hoch. Obm tm Böhmer Land schmolz der Schnee in dm Bergen. Das schaffte viel Wasser tm Tal. Die Männer legten sich in die Riemen^ daß thmn der Schweiß von der Stirne troff. Neben ihrer Stute, die xnruhtg schnaubend In da gurgelnde Wasser iah, stand Frau Javwtg, «tt weichen «Korten tw» gelbiastste ycnter ihr stand der Knecht mit seinem Gaul, dm VT heutige Üeberfahrt weniger aufregte. Jetzt stieß die Fähre an» Ufer. Die Stute hob dm Kopf. Vorsichtig führte Frau Jadwig sie ans Land. Dan» half ihr der Knecht tn den Sattel, und sie ritten lang sam dem Rathen zu. Frau Jadwig atmete tief. Von Westen her kam et« weicher Wind, der nach Tau und Frühling roch. Hastige Wässerletn rieselten vo« dm Bergen zur Elbe, lleder- all küßte die Sonne de« Schnee in dm Höhen. Nur 1« Tal zwischen den Felsen lag er noch, kroch aber verschämt in die engsten uns dunkelsten Spalten, wo der Schatte» am tiefsten war, dm« er schämte sich seiner schmutzigen Frau JadwtgS weiße Wangen waren heute ir-ichcr als sonst Der kommende Lenz pochte tn ihren Adern Md ließ daS Blut schneller kreisen. Ihre Auge« sahen watzh und froh tn die Weite, als hätte das schmelzende ES alle Härte und Bitternis von thr genommen. Der März- »sind fuhr kosend über thr schwarzes Haar und raun« ihr sonnige Lenzweisen ins Ohr. Auf der Burg Ratyen scheuerten, klopften und sonnten die Mägde die Wint«- pelze. ES war ein lautes Lachen und Lärmen im Hof. Den Sommer über war der Burggraf und seine Tochter meist auf dem Rathen, seit er nicht mehr Herrn Ratimer» Eigen. Frau Jadwig wandte den Kopf zum nachtrabendm Knecht. „Sage Herrn Romuald und dem jungen Duda, jo ste nach mir fragen sollten, daß ich noch ein wenig tu dm Wald reite. Bor Abend bin ich zurück." Sie klopste der Stute den Hals und trabte recht»ab in das Waldtal hinein. Wie der Bach geschwollen war zu ihren Füßen l Und wie er sich brausend abhastett, seine gelben Fluten tn die Elbe zu stürzen. Geröll und Baumzweige führten seine brüllenden Wasser mit sich. In dm Kronen der Wettertannen über ihr geigte der Lauwind. Es kam Frau Jadwig ein jubelndes Wohlsein an wie lange nicht. Weich trat das Roß tn de» feuchten Waldboden, wo das grüne Moos, der tasugen Schneedecke ledig, wohlig seine winzigen Aermchen gen Htmmet reckte und dehnte. Sie hob lauschend da- Haupt. Klang oa« nicht hoch obm in der Luft wie der Schrei der W'ld- gänse, die nach Norden flogen? Es war Frau Jadwig, als sei sie das wilde, über- mütige Kind von damals, ehe sie mit dem ungeliebten Gatten von bannen zog. Da war. ste auch von früh bi spät durch die Wälder gestreift, tn jeder einzigen Jahres zeit. Und die alte Trud hatte thr von Nixen und Ziverge« und Elbm erzählt, die tn den Klüften und Tannen rings um hausten. Das Kind Jadwig hatte an ste geglaubt, ebenso wie an die Mutter Gottes Md an den Mann tn Erz, der tm Rathen umging. DaS Kind Jadwig hatte mit den Blumen und Sternen Zwiesprache gehalten und hielt alles und jedes für seinen lieben Freund und Spiel genossen. Auch den jungen Böhmen, der dann aus den Königstein kam und um ste freite. Ste hatte zuerst ge lacht dazu und dann geweint. Ihre goldene Freiheit war ihr lieber als das fremde, unbekannte Land der Ehe. Aber »veil der Vater gerne den reichen Böhmen zum Eidam wollte, fügte sie sich. Da erfuhr sie zum ersten Male tn ihrem jungen Leben, daß es auch harte, kalte, grausame Menschen geben kann. In ihrer Ehe erfuhr sie daS so bitter, daß thr jeder neue Tag zur Qual wurde und sie den Mann haßte, dem sie Weib sein mußte. Wäre er nicht nach Jahres frist M seinem ausschweifenden, zügellosen Leben ge storben, so wäre sie ihm entlaufen. Nun kam sie al- junge Wittib -um Vater zurück. Aber ihr Lachen und ihr Uebermut kam nicht wieder. Es war ihre Seele zu tief verwundet worden, als datz ste sich so schnell davon erholen konnte. Etwa- Herbes, Verschlossenes hatte Frau JadwigS Seele bekommen, was da- Kind Jadwig nie gekannt, und diese- Herbe, Stolze prägte sich auch in ihrem Antlitze aus — immer mehr, je älter sie wurde. Herr Romuald wollte gern, daß sie wieder freite — ste war ja erst tm vterundzwanztgsten Lenz. Aber ste hatte genug davon. So hauste ste den Winter über mit ihre« Vater auf dem Königstein, den Sommer auf dem Rathen. DaS Pferd ging langsamer. DaS Tql stieg unmerk- lich beraan. Enaer schoben sich die Felle« auf betko»