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Lachs, dgß sie nun ihren geselligen Verpflichtungen nach- Lammen mußten. ,Zch wünsche nicht, -aß eS bet unS ander- gehalten wird, wie es hier Eilte ist," befahl der Hauptmann. „Also Kalb-braten und Kartoffelsalat," höhnte Irm gard. „Wenn auch daS nicht, so doch nur zwei Gänge und Dessert." Lörsbach ging zum Dienst. Irmgard schrieb nach Berlin und ließ allerlei Delikatessen kommen: Reh rücken, seltenes Obst, eine große Torte und Konserven. ,Zch bin die Hausfrau," dachte sie trotzig, „und setze meinen Willen durch" Wie aber sollte sie die Speisen Herrichten? Die biedere Köchin au- G hatte nur "für die bürgerliche, täg- Viche Küche ihre Kenntnisse, von den f irren Speisen ahnte sie nicht-. Irmgard stand ratlos da, dann lief sie zu Wests hinüber. Sie hatte sich daran gewöhnt, bei Margarete Rat zu holen. Auch heute erhielt sie ihn. „Rehmen Sie eine Kochfrau; sie wohnt in Königs berg. Schreiben Sie gleich an sie, hoffentlich ist sie frei." Erleichtert atmete Irmgard auf. Was bedeutete eS für sie, daß es eine Mehrausgabe war, ihr Mann hatte e- ja darnach „Reiner wird brummen," dachte sie, „er muß sich fügen." Er tat eS auch waS die Kochfrau anbetraf, das Menu erregte aber seine Mißbilligung. „ES sieht protzig auS," tadelte er. ,Zch habe Dir doch gesagt, daß ich eS einfacher wünsche! Fünf Gänge gibt es hier nirgends, auch bei uns nicht! Ich will es nicht, »erstehst Du?" Irmgard schmollte, aber sie mußte sich fügen. Eie fühlte sich indessen doch geschmeichelt, als die Lasel, mit Blumen geschmückt, im Lichte der GaSlampen strahlte. Elektrisches Acht gab e» in iS. bei ihnen »och nicht, nur in einigen Häusern. Irmgard selbst sah bildhübsch in einer hellseioenen Toilette au», die sie gewählt hatte. Die meisten Damen besaßen nur ein so lide- tzchwarzseidenes, da» immer wieder modernisiert wurde und Jahre vorhalten mußte. Der Hauptmann empfing seine Gäste mit seiner herzgewinnenden Freundlichkeit. Auch Irmgard war als Wirtin tadellos!, sehr höflich und zuvorkommend, aber es fehlten ihr jene Eigenschaften, die ihren Mann so beliebt machten. Heute gab sie sich Mühe, liebens- würdig und aufmerksam za sein, und in gewissem Maße gelang e» ihr auch Entgegen den Bitten seiner Frau hatte Lörsbach leinen Champagner geben lassen; er hielt sich streng an das Herkömmliche, und auch die Zigarren waren dieselben, die man in rauchte. Erst nach dem Souper hob sich dir Stimmung, und schließlich wurde es ganz heiter, selbst Irmgard war belebt und lachte. Tas verschönte ihr Gesicht, der ver drießliche Zug schwand, und sie glich ihrem früheren Selbst, das Ärsbach gefesselt hatte. Run sind die Eheleute allein. Der Hauptmann ist In gehobener Enmmung. Er zieht fein schönes Weib an sich und sagt ihr liebe Borte, Worte, nach denen sie »erlangt hat, die so selten geworden sind. Sie fühlt, daß sie ihren Mann liebt, und sie ist nach langer Zeit wieder einmal zärtlich gegen ihn. Die Liebe glaubt alle-, sie-hofft und duldet alle-! Lörsbach tut eS, und er betet als frommer Christ, daß feine Frau sich ändern und so werden möge, wie er sie sich wünsche. — LS kommen aber immer wieder Rückfälle. Eine Plötzliche Blenderung im Wesen gibt «» nicht, und fFrmgard» Fehler sind zu tief eingewurzelt, um schnell auSgechttet werden zu können. Bei Wests haben die Kinder den Keuchhusten; eS Herrscht strenge Quarantäne zwischen den beiden Nach barhäusern. Irmgard vermißte ihre kleine Nachbarin luehr, al» sie gedacht hatte, war sie doch gewohnt, mit allen ihren Anliegen zu Margarete zu kommen, sich Rat und Trost bei ihr zu holen. Einmal trafen sie sich in einem Laden. 'Irmgard war erfreut, darüber und sagte eS ihr. „Sie sehen aber recht elend aus," bemerkte Frau von Lörsbach. „O, ich bin ganz wohl'. Wenn es nur die Kinder gut überstehen." Margarete sagte nicht, daß sie fünfzehn Mal in der Nacht aufgestanden war, um den hustenden Kleinen beizustehen. „Ich darf nicht müde werden!" -,Nur Mut, sott hilft!" An diesen ihren Lebensregeln richtete sie sich in den Mühsalcn des Lebens als gläubige Christin aus. Nnes Tages bekam Irmgard einen Brief ihrer Freun din Else Ferren. Sie bestimmte sie, nach Berlin zu kom men, die Faschingszeit brächte viel Vergnügen, und meh rere Bälle wären in Aussicht. „Deine Ettern würden sich gewiß auch freuen, Dich wiederzusehen," hieß es weiter. „Elfriede wird vom Grafen Rombeck poussiert, man erwartet ihre Ver lobung." „Reiner," sagte Irmgard schmeichelnd, „bitte, nimm Urlaub, wir wollen auf einige Wochen nach Berlin." „Und die Kinder?" fragte der Hauptmann. „Wir können sie nicht mitnehmen, die Eltern haben keinen Platz für uns alle." „O, das ist aber schrecklich! Ich möchte so gern hin, um für kurze Zeit die Langeweile in G. zu vergessen." „So reise allein," sagte der Hauptmann kurz, „ich bleibe!" Trotz der widerwillig gegebenen Erlaubnis betrieb Irmgard die Vorbereitungen zur Reise mit Eile; sie fürchtete, daß etwas störend dazwischenkommen könnte. Zwei große Koffer wurden gepackt. Dann bat sie Frau West, mit der sie sich in einem Laden eine Zusammenkunft erbeten, ihr ost Nachrichten über die Ander zu geben, und verabschiedete sich von ihr. Zuletzt fiel es Irmgard doch schwerer, als sie gedacht,- sich von Hause zu trennen. ,Lebe wohl und amüsiere Dich," sagte Lörsbach trocken. „O, ich komme bald zurück," entgegnete sie. Der Zug ging ab. Sie beugte sich auS dem Fenster ihres Abteils; ihres Mannes Gesicht sah seltsam ernst aus, wie er da stand und ihr nachblickte. An Berlin atmete sie wie erlöst auf. Das war Hei matluft, die Lust der Großstadt, die sie in G. schmerz lich entbehrte. Die Eltern freuten sich, sie wiederzusehen, aber Frau Marie hatte doch einige Bedenken, daß die Kinder allein waren. — Else Ferren nahm die Freundin in Beschlag. In ihrer Gesellschaft hatte Irmgard sich sonst wohl ge fühlt, jetzt sand sie die oberflächliche Frau doch zuweilen recht leer und eitel. „Ob ich auch schon Kleinstädterin geworden bin," dachte Irmgard. „Vieles, was mir sonst Vergnügen machte, kommt mir jetzt anders vor. Nein, nein, ich will die kurze Zeit hier auskostcn, die Langeweile in G. bleibt mir Vorbehalten." Frau West schrieb häufig, der Hauptmann selten. Er empfand eS wie eine Wohltat, daß es friedlich und still zu Hause war, daß er kein verdrießliches Ge sicht sehen mußte, und die Freude an den Kindern ersetzte ihm manches. Nicht alles, denn er liebte seine lannische Frau trotz aller Fehler. — Elfriede von Schorn kam .egelmäßig zu ihren Stun den; das Freundschastsband zwischen ihr und Emmy be festigte sich immer mehr. Ernst vermied eS nicht, die Baronesse zu sehen. Er fürchtete nicht mehr, daß er sich hinreißen lassen könnte,- Die Buchdrucker«» von LnMtVinteM Langer und H. Schmidt) nicsK G-etheftratzr Rr. 5- HLlt sich zur Anfertigung nach- stehender Drucksachen bet sauberer Ausführung und billigsterPreiS» stellung besten- empfohlen. Avise Adretz- und SeschSftS- karteu BrtefkSpfe, vrtefleistru Bestellzettel Broschüren, VtlletS Deklarationen DaukiagungS- und EtnladuusSdrtefe Einlaßkarten Etiketten aller Art Fakturen, Flugblätter Formulare in dtv. Sorte« Frachtbriefe Gebrauchsanweisungen Frcmdeuzettel Haus» und Fabrik» Ordnungen Geburtsanzeigen HochzettSetnladungeu »Zeitungen und -Gedichte Saftenschilder KosteuanschlSge Kataloge, Kontraktt Kontobücher Lohnlisten, Mahnbrief« Mitteilungen, MenuS Musterbücher, Rota- Plakate Programm« Preiskurante Postkarten, Quittungen Rabattmarken Rechnungen Speisen- und Weinkarte« Statute«, Tanzkartea Stimm-, Theater» und Sackzettel Visite«- und Verlobung-karten Wechsel, Werk« Zirkulare, Zeugnis!« re. re. re. Massenauflagen für Rotationsdruck. ßierser Isgedlstt — Amtsblatt — Fcrnsprechstelle Nr. 20. Trlrgramm-Adreff«: Tageblatt Riesa. mit eiserner Willenskraft zwang er den Schlag seine» Herzens zur Ruhe. Wie gemütlich waren die Stunden am Tische der Frau Majorin, wenn die Damen unter der Hängelampe mit einer Handarbeit saßen, Ernst ihnen vorlas oder an einer Truhe schnitzte, die er in einem Bielliebchen a» Elfriede verloren hatte. Er besaß eine große Knnst- sertigkeit in der Kerbschnitzerei. Schöne Wandbretter zierten das mütterliche Heim, Hocker und Stände bezeug ten seinen Fleiß. — Aus Afrika fehlten seit einiger Zeit die Nachrichten. Frau Maries zärtliches Mutterherz bangte um den Sohn, und mit ihr tat es Emmy, der treue Kamerad des Fernen. Sie war sich ihrer schüchternen Liebe noch nicht bewußt und hielt für Freundschaft, was einen andern Namen verdiente. In den Zeitungen las man von den Kämpfen mit den Herero und Bondelswart; mehr als ein tapferer deutscher Soldat tränkte die fremde Erde mit seinem Blut und starb fern von der Heimat, um in -em heißen Sande der Kolonien ein Grab zu finden. Graf Rombeck war Plötzlich abgereist. Nur Elfriede kannte der, Grund; man munkelte, sie habe ihm einen Korb gegeben. Ost dachte er, daß sie ein anderes Interesse hätte, er fand aber keine Lösung dieser Frage. ,Zch werde warten", sagte Rombeck sich, „vielleicht gewinne ich sie später noch." Irmgard eilte von Vergnügen zu Vergnügen. ES war ihr oft, als müßte sie sich betäuben, als würden durch die Bälle, Konzerte und Gesellschaften die Vor würfe schweigen, die sich sich darüber machte, daß sie länger, als sie beabsichtigt hatte, ihrem Hause fern blieb, denn aus den zwei Wochen waren drei ge worden. — Zufällig hörte sie ein Gespräch zweier Damen, das sie betraf. „Die Lörsbach hat sicy doch sehr verändert," sagte die eine, „sie sieht gar nicht mehr so hübsch wie früher aus." „Ja, das finde ich auch," lautete die Antwort, „sie Wird bald passee sein." Irmgard fühlte sich getroffen und in ihrer Eitelkeit gekränkt. Sie musterte sich aufmerksam im Spiegel und entdeckte um Augen und Mund jene ersten feinen Zeichen schwindender Jugend, und in ihren, dunklen Haare schimmerten zwei weiße Fäden. Auch der Teint hatte nicht mehr die Frische der ersten Jugend. Das war eine traurige Entdecumg, und sie war doch erst achtundzwanzig. Wenn nun das Atter kam und sie der Reize ent kleidete, auf die sie so großen Wert legte?" Was blieb ihr dann?" Zum ersten Mal in ihrem Leben dachte sie ernstlich über sich nach. — Am Donnerstag sollte ein lang besprochener Ball bei dem Freiherrn von Sprottner stattfinden, am Montag bekam Jrmgaro einen Brief von ihrem Manne. Mit keinem Wort bat er sie heimzukehren; am Schluß erwähnte er, daß er sich erkältet fühle. Eine un bestimmte Unruhe befiel sie, aber es fiel ihr nicht ein, früher nach Hause zu fahren, sie mußte diesen Ball mitmachen. Am Sonnabend würde sie dann nach G. zurückkehren- in das langweilige, verhaßte Nest, das ihr nach dem Aufenthalt in Berlin doppelt öde er scheinen mußte. Sie kleidete sich an und fuhr mit Elfriede zum Ball; Fran Marie war froh, ihre Pflich?- ten als Ballmutter abtreten zu können. Als Irmgard spät in der Nacht nach Hanse kam, ziemlich mißvergnügt, denn man hatte sie ihrer Meinung nach zu wenig beachtet uns die Jüngeren vorgezogen, fand sie, als sie ihr Zimmer betrat, aus dem Tisch eine Drahtnachricht vor. „Ihr Mann sehr krank, bitte, gleich kommen. West." - Wie ein Blitzstrahl traf sie die Nachricht. Gebrochen sank sie amf einen Stuhl und starrte vor sich hin. Aber sie mv.ßte jetzt handeln. Mit bebenden Händen packte sie die Koffer- achtlos warf sie die koswaren Kleider! hinein. Der Zug nach Ostpreußen über Königsberg ging erst am Morgen. Welch endlose Zeit, bis sie im Abteile saß! Sie wußte später nicht, wie sie sich von den Ihrigen verabschiedet, wie sie fortgekvmmen war. Die Reise erschien ihr endlos, die Stunden wurden zu Ewigkeiten. In ihrer Ecke zusammengekauert saß sie da, und der quälende Gedanke: „während du auf dem Balle warst, lag dein guter Mann krank darnieder", dieser Gedanke bohrte sich wie glühendes Eisen in ihr Herz. „Königsberg!" Noch drei lange Stunden bis G-, bret Stunden end loser Qual. Nun hielt der Zug. Der Bursche holte sie ab, denn sie hatte ihre Ankunft telegraphisch gemeldet. Sein rotes ehrliches Gesicht sah sehr ernst aus. Auf Irmgards hastige Frage: „Wie geht eS?" zuckte der treue Mensch die Achseln. „Schlecht, gnädige Frau, der Herr ist sehr krank." Nun liegt das Haus vor ihr, das Haus, das sie schlecht verwaltet als ein ihr anvertrautes Pfand, das sie ver lassen hat, um den: Vergnügen zu frönen. West tritt ihr entgegen. Auch sein Gesicht ist sehr ernst. Irmgard fragt, was ihrem Manne fehlte. „Nervenfieber," lautet die Antwort. „Er fühlte sich schon, seit Sie fort waren, nicht wohl und Nagte über Kopsweh. Eine heftige Erkältung im Dienste lam hinzu- seit mehreren Tagen liegt er bewußtlos da." „Was sagt der Arzt?" West zögerte; dann sagte er: >,Er gibt wenig Hoffnung." Da brach Irmgard laut weinend zusammen. —- West hob sie auf; ihm sielen Margaretens Worte ein: „Nur Mut, Gott hilft!" Er sagte sie bewegt, dann führte er Irmgard in das verdunkelte Krankenzimmer. Das zweite Bett war sortgerückt, eine Kranken pflegerin saß am Fußende. West winke ihr und ging mit ihr hinaus; bei diesem ersten Wiedersehen mußte Irmgard allein sein. Sie stand vor dem Leidenden und preßte das Taschen tuch vor den Mund, um nicht laut aufzuweinen. War das ihr Reiner, ihr stattlicher, immer gesunder Mann? Die Züge gelb und eingefallen, die kräftigen Hände abge magert, das Haar feucht von der Fieberhitze! Aus dem Kopfe lag eine Eisblase, und die Augen waren weit ge öffnet. „Reiner!" Sie kniete neben dem Bett und legte das Hanpt auf seine glühende Hand: ein krampfhaftes Schluchzen schüttelte sie. „Reiner, mein guter, lieber Mann, erkennst Du mich nicht?!" Es schien, als weckte die geliebte Stimme ihn aus seiner Bewußtlosigkeit. Für eine Minute wurde sein Blick klarer; verwundert sah er auf die Knieende, dann murmelte er abgebrochen: „Irmgard — bist Du zurückgekommcn — eS geht schlecht." Schon im nächsten Augenblicke schwand das glim mende Fünkchen des Bewußtseins; er stieß sie von sich mit matter Abwehr. „Schwester, kommen Sie, er stirbt!" rief Irmgard, denn Totenblässe bedeckte deS Kranken Gesicht. West und die Pflegerin eilten herbei. Ein beleben des Mittel wurde angewandt, dann sagte West wieder dieselben Worte: „Nur Mut, Gott hilft!" Irmgard hatte noch nicht nach den Kindern gefragt. West zog sie aus dem Krankenzimmer. Margarete stand'