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nebenan, sie hielt an jeder Hand eines der Kinder und führte sie der Mutter zu. „Hier ihre kleinen Engel, die Gott Ihnen gegeben," sagte Frau West. Irmgard kniete vor den Kinder,, und umschlang sie. Sie barg das Gesicht in Aennchens Armen und fühlte ihre kleinen Arme sie umschlingen, mährend Fritzchen fragte: „Bleibst Du jetzt bei uns? Muß Vater sterben?" „Gott kann ihn Euch erhalten, Du mußt darum beten, Bubi," sagte Margarete tief ergriffen. Sie hatte fürsorglich eine Mahlzeit für die Heim kehrende bereitet. Irmgard weigerte sich,- etwas zu essen. „Sie müssen sich Ihre Kräfte erhalten," sagte West bestimmt und legte ihr von den Speisen vor. „Wie soll ich Ihnen danken," sagte Irmgard gerührt beim Abschiede. „Betrachten Sie uns als Geschwister, liebe Frau von Lörsbach," bat Margarete. „Wir haben eine große Verehrung für Ihren Mann, mit Gottes Hülse bleibt er am Leben!" Um 8 Uhr abends kam der Arzt; mit ängstlicher Miene forschte Jrmgaro in seinem Gesichte. „Keine Veränderung, tvir müssen warten." So lautete der Bescheid. Warten am Krankenlager eines geliebten Menschen! Warten, ob er uns erhalten bleibt, ob er uns ge nommen wird! Welche Qual liegt darin! Und sie, die bisher nur an sich gedacht, sie lernte kennen, was es heißt: (Fortsetzung solgt-l Die Toilette »er Blumen. Man hat die Kinder Florcns, die sich jetzt mit dem Beginn des Frühlings wieder zum Erscheinen in all ihrer Pracht rüsten, so oft mit schönen Frauen verglichen. Man kann diesen Vergleich noch weiter ansdehnen und sagen, daß die Toilette der Blumen ein nicht minder kompli ziertes und langwieriges Geschäft ist, als die einer Dame, die sich mit allen Waffen der Koketterie und Verführung schmückt. In einer graziösen Plauderei des Pariser Cosmos führt H. L. A. Manchs,, eine solche Parallele durch und gewährt uns einen Einblick in die Geheimnisse eines Toilettentischs für Blumen, der nicht minder merkwürdige und vielgestaltige Instrumente enthält als der Ankleide raum einer eleganten Mondäne. Die Toilette der Blumen hat ganz dieselben Zwecke n ie die der Frauen; sie will kleine Unvollkommenheiten der Natur verbergen, Jugend und Leben verlängern, und sie verfährt dabei gerade so wie eine Frau, die ihre ersten grauen Haare entfernt und das Gesicht pudert. Tie Werkzeuge, deren sich der Blumenvcrschönerer bei seinen verschiedenen Manipula tionen bedient, bestehen in feinen Scheren von allen For men nnd Größen, in kleinen Pincetten, Brenneisen und einem ganzen Lager von Pinseln, Bürsten, Fläschchen usw. Ein Korb von Rosenknospen ist eben frisch gepflückt worden, und in der zarten, duftigen Pracht gibt es einige Blüten, die nicht ganz so find wie sie sein sollten. Ein einziges schlechtentwickeltes oder herabhängendes Blumen blatt kann die entzückende Harmonie einer sonst voll kommenen Knospe zerstören. Mit einer zierlichen Zange fährt der Operateur rasch über jede Blume, bringt die Blumenblätter in die richtige Lage und entfernt die schlechten. Dann erscheinen die also behandelten Blüten ganz so fehlerlos wie ihre Gefährten. Bei Buketts ist es wichtig, daß die Knospen ihre Form behalten und nicht welken; jede von ihnen muß also getrennt behandelt werden. Möglichst nahe der Stelle, wo die Blüte auf dem Stengel aufsitzt, werden feine Drähte eingesührt, die durch die Mitte der Knospe gehen und die Blumenblätter zusammen halten. Für die Toilette der Chrysanthemen ist eine Verschönerung durch das Brenneisen vonnöten, ganz so wie bei einer eleganten Damenfrisur, damit die Blätter recht elegante und bi- sarre Krümmungen erhalten. Manche der schönsten Blumen haben sehr schwache Stengel, sodaß sie in der dekorativen Gesamtwirkung nicht immer ihren Platz kraftvoll und sicher genug ausfüllen; die Schwäche dieser zarten Wesen wird also durch Draht gestelle unterstützt, die aber mit so viel Kunst angebracht sein müssen, daß sie höchstes dem scharfen Auge des Kenners sichtbar sind. Aber nicht nur der Natur muß nachgeholfen werden, indem man ihre zufälligen Fehler gutmacht, sondern der Blumenverscbönerer ist auch be strebt, das unvermeidliche Schicksal, das nach ewigem Naturgesetz alles Lebendige erwartet, aufzuhalten. Blumen, die nicht selten einen sehr hohen Wert dar stellen, sollen so lange als möglich ihre Frische und ihren Glanz bewahren. So gibt es denn bei der ToilettS der Kinder Florens Methoden, die das Reifen und Wel ken der Blume hemmen und die Blätter vor dem Ab fallen schützen sollen. Wenn die Befruchtung stattge funden hat, dann ist das Ende der Blume nahe heran gekommen, sie welkt und vergeht. Durch die Verhin derung der Befruchtung kann das Leben der Blume ver längert werden. Zn diesem Behufs genügt es, die Staub beutel abzuschneiden, um das Ausstreueu der Pollen zu verhindern. Das geschieht ganz leicht mit Hilfe von feinen Scheren, die in das Herz der Blumenkrone fahren. Manche Blumen, wie z. B. die Azaleen, Rhododen dren, Pelargonien, einfachen Dahlien, verlieren ihre Blumenblätter und Kronen schon bevor sie zu welken beginne,:. Das wird dadurch verhindert, daß man die Blumen zusammenklebt, indem ein Tropfen von besonde rem Blumengummi auf den Boden der Krone gelegt wird, sodaß er sie an dem Kelch fenhält. Betrachtet man eins jener herrlichen Azaleen mit ihren Hunderten von Blüten knospen, so kann man ermessen, daß es keine leichte und eine recht langwierige Aufgabe ist, jede dieser Blüten auf solche Weise zu behandeln. Geschieht es aber nicht, so ist es gar bald nm den Anblick dieser farbigen Wunder fülle geschehen, und die Blumen zerflattern, verwehen ins Nichts. Eine Toilettcnfragc ist es auch, Blumen, die bereits dem Schicksal des Wellens verfallen zu sein scheinen,- neue Frische und Jugend eiuzuhauchen. Die beste Methode besteht darin, sie für etwa fünf Minuten in sehr warmes Wasser zu legen und dann eine Stunde lang in einem dunklen und kühlen Raum zu lassen. Dann werden sie mit Wasser besprengt nnd haben nun wieder den ent zückenden Reiz unberührter Taufrische. Jedenfalls spielt die Toilette wie bei der Fran so auch im Blumenlebeg eine wichtige Nolle. Denk- «ud Sinnsprüche. Still geh' du deinen stillen Pfad Und achte nicht des Lohns der Erstes Froh hoffend, streue deine Saat, Daß sie dereinst gedeihen werde.- Brichst du auch selbst die Früchte nicht . Ml deiner Sorgen, deiner Mühen: Die Seligkeit erfüllter Pflicht Wird dir aus Kampf und Not erblüh en.^. A. Triebler.- Lern' den eignen Schätz behüten; Doch was andre tief ersonnen. Sei dir neuer Weisheit Bronnen,- Der sich unerschöpflich weist; Sammelnd fremden Geistes Blüten/' Sammelst du den eignen Geist. Druck und Verlag von Langer L Winterlich, Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. ErMler an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage;«m „Riesaer Tageblatt". Rl. IO. am«, » » 11. «Ur, ISN. »t. »qq. Souncnsehnsucht. Roman von Freifrau Gabriele von Schlippenbach. (Herbert Rivulet.) Fortsetzung. Lörsbach hatte für seine Frau allerlei Nützliches gekauft und ein schönes Gemälde für den Salon. Sie schien enttäuscht und dankte ihm kühl. Fritz und Annchen verdarben sich den Magen und zerbrachen die teuren Spielsachen, die Dienstboten bekamen Geld. Am zweiten Feiertage Laten Wests die Nachbarn, Herüberzuk'ommen. Schon wochenlang vorher hatten die Eltern, während die Kinder schliefen, allerlei für ihre Lieblinge ge arbeitet. Kurt und Heinz bekamen eine prächtige Burg, die der Vater kunstvoll gezimmert und angemalt hatte, dazu eine Kanone und Soldaten -- auf Pappe geklebt. Sonst nur nützliche Schulsachen und jeder einen von der Mutter genähten Malrosenanzug und selbstgestrickte Strümpfe, auch Handschuhe und einen Teller mit eigen gebackenen Pfefferkuchen, rotbackigen Aepfeln auS dem Garten und Nüssen, die die Eltern mit Gold- und Silber schaum bezogen Hatten. Die beiden kleinen Mädchen jubel ten über ihre Puppen, die Frau West angezogen hatte, auch zwei Bettchen hatte der Oberlehrer gezimmert. Dann gab es noch zwei nette einfache Kleidchen, Schürzen und Käppchen, die in Mutters Werkstätte entstanden waren. Es roch nach Honigkuchen und Tannenbaum, als Lörsbachs kamen. Fritz und Annchen, mit den neuen Kleidern ausstafsiert, spielten munter mit den vier Nachbarskiudern, und der kleine Reiner krähte in seinem Wagen. Der Kaffee und der selbstgebackene Weihnachtsstollen, auch ein Produkt der kleinen, rührigen Hausfrau, luden zum Mahl ein. Die Kinder saßen dabei, und ihr Lachen, ihre unschuldige Heiterkeit halfen sogär, Irmgards Laune Zu verbessern. „Vater," sagte der kleine Fritz Lörsbach, „die Burg ist wunderschön; sie gefällt mir viel besser als meine Spielsachen." Später wurden die Lichtchen am Weihnachtsbaum angezündet. Es waren nicht so viele wie an dem Baume der Nachbarn, es hingen nur Aepfel, vergoldete und versilberte Tannenzapfen nnd Nüsse an den Zweigen und bunte Papiernetze und Ketten, dazwischen leckere Pfefferkuchen, und au der Spitze glänzte ein großer gol dener Stern, während sich ein Band durch die Zweige schlang, mit der Inschrift: ;,Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!" Frau Margarete setzte sich an das alte Pianino und stimmte ein Weihnachtslied an, die Hellen Kinder stimmen fielen ein, und des Oberlehrers Baß fehlte nicht. Auch Lörsbach sang mit. Diese schlichte Feier er innerte ihn an daS Elternhaus in Danzig. Damals kannte man den übertriebenen Luxus nicht, der vielen jetzt unentbehrlich erscheint. Lörsbach sah das alte, schlichte HauS deutlich vor sich, die weißhaarige» Eltern, sich selbst in der Kadettenunisorm, die Geschwister, die weit verstreut lebten. Es quoll dem Hauptmann heiß in die Augen, unwillkürlich suchte er die Hand seiner Frau und zog sie an sich Irmgard erwiderte den Druck und schmiegte sich in einer augenblicklichen Aufwallung an den Gatten. War doch auch sie bewegt und fühlte sich in festlicher Stimmung. DaS Abendessen bestand nur aus einem Kalbsbraten und kaltem Kartoffelsalat, dazu gab es eine leichte Mosel bowle und die Weihnachtsnäschereien. — Die Kinder wurden zu Bett gebracht, und Frau Margarete betete mit ihnen, küßte sie und trat einen Augenblick ans Fenster. Millionen von Sternen leuch teten am Himmel, friedlich schlief die Erde unter normen der Schneedecke. Frau West faltete die Hände. „Ich danke dir, lieber Gott, für mein glückliches. Heim," dachte sie, „für meinen guten Mann und meine liebe, kleine Schar." — Es lag ein stiller Abglanz des himmlischen Frieden aus ihrem Gesicht, als sie zu ihren Gästen hinunter ging, jenes Friedens, den die Welt nicht gibt. „Mutting hat wieder gute Gedanken gehabt," sagte West, als seine Frau in das Zimmer trat, und er! umfaßte und küßte sie innig. Um 11 Uhr gingen Lörsbachs' nach Hause. „Das war ein schöner, harmonischer Abend," sagte der Hauptmann. „Ja, es sind brave Leutchen," entgegnete Irmgard! etwas herablassend. „Ich wünschte, wir wären ebenso glücklich," dacht» Lörsbach. — Nachdem der Hauptmann und seine Frau bei bett Honoratioren in G. ,uno beim Major von Brunne» Besuche gemacht, erfolgten die Einladungen, die Irm gard mit sauer-süßer Miene wohl oder übel annehmeu mußte. Sie war denn doch so weltklug, daß sie aus ihrer hochmütigen Reserve heraustrat und sich liebenswürdiger gab; auch wählte sie eine einfachere Toilette. Ihr Man» war ihr dankbar und umarmte sie herzlich, was lange nicht geschehen war. Es ging nach Irmgards Begriffen höchst ärmlich bei solchen „Abfütterungen", wie sie die Gesellschaften nannte, zu. Zwei Gänge und Hinterher eine süße Speise oder Obst. — Kaum zurück im eigenen Haufe, machte Irmgard sich über ihre Gastgeber lustig, hechelte alles durch und' reizte ihren Mann durch ihre häßliche Kritik. „Ich kann die Kalbsbraten und den Kartoffelsalat kaum mehr essen," sagte sie eines Abends gähnend. Sie waren bei dem Bürgermeister eingeladen gewesen. „Wie spießbürgerlich geht es her! Die gute Stube ist voll gepfropft, und es wird geraucht. Morgen habe ich wieder meine Migräne." „Ich finde es häßlich, daß Du über die Mensche» losziehcst, bei denen Du eben Gastfreundschaft genösset hast," tadelte Lörsbach. „Sie geben es, so gut sie können; es sind Leute, die nur ein bescheidenes Jahreseinkommen haben." „Ja, das ist es eben? Ich kann mich mit diese« Kleinstädtern nicht einlebeu." „Du willst es nicht! Das' ist richtiger. Bei West gefällt cs Dir doch Frau West ist eine ideale deutsche Frau!" „Wie oft wirst Du mir das noch sagen?" rief Irmgard gereizt. „Schade, daß Du sie nicht geheiratet hast. Tu wärest mit ihr glücklicher geworden." „Das weiß ich/' lautete die Antwort. So erweiterte sich die Kluft zwischen ihnen mehr und mehr. Nachdem einige Zeit vergangen war, fühlten LorA