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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 20.10.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-10-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192510205
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19251020
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19251020
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-10
- Tag 1925-10-20
-
Monat
1925-10
-
Jahr
1925
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 20.10.1925
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und verwirrt. es dauerte nickt ungestüm gegen vor Sen belastete den Angeschuldigten unter Eid, aber auch nach jeder Richtung in überaus ernster Weise. Zur Herstellung von Wurst, die dann in der Markthalle zum Berkaus ge langt ist, habe Flade von seiner Wirtin einen Topf ve» nutzt, in dem auch die Wäsche gekocht worben sei. Weiter fand ein Eimer mit Verwendung, mit dem beispielsweise auch die Treppe gereinigt wurde. Im Somlner vergangenen IahreS habe Angeklagter zu einem Sommerfest in Bor stadt Trachau die Würstel geliefert, etwa 5» Stück seien ver täust, die anderen aber, weil ganz verdorben, in ein Korn feld geworfen worden. Eine weitere Zeugin, Frau Giro», belastete Angeklagten ebensallS unter Eid überaus ernst. Tiefe Zeugin hat einmal gesehen, wie frische Wurst in einem ganz verschmutzten Eimer gekühlt worden ist, auch habe ihr die Wirtin die Kammer des Flade gezeigt, wo ganz verschmutzter Talg ausbewahrt wurde. Erst vor wenigen Tagen hätte man die Wohlsahrtspolizei Herbeirusen müssen, weil stinkendes und mit Maden behaftetes Fleisch wieder nach der Wohnung gebracht worben sei, aus dem sicherlich auch Wurst bereitet werden sollte. Zeugin will nur des halb mit ausgetreten sein, um die Mitmenschen vor der artigen Schmutzereien zu schützen. Frau Wicßner, die 71 Jahre alte Wirtin, versuchte Angeklagten zu entlasten, sie blieb wegen Verdachts der Mittäterschaft unvereidigt. Bei Vernehmung dieser Frau kamen durch Vorhalte der Zeugin und ehemaligen Geliebten Lommatzsch Vorkommnisse zu tage, die sich gar nicht wiedergeben lassen und die sich auch ans gegenseitige Ansteckung und sogar Abtreibungen erstreckten. Staatsanwalt Tr. Korn forderte eine beträchtlich höhere Strafe als im Strafbefehl bisher ausgcworfen worben ist, der Verteidiger plädierte vergeblich für Freisprechung seines Mandanten. Tas eine Woche nach dem Verhand lungstermin verkündete Urteil lautete auf 1 Woche« Ge fängnis! Amtsgerichtsrat Tr. Müller führte in der Ur teilsbegründung u. a. aus, nach den beschworenen Aus sagen der Zeugen seien Schmutzereien als sestgeüellt zu er achten, die eine ganz andere Ahndung erforderlich machten. Ter Käufer, überhaupt das Publikum, müsse nachdrücklichst vor solchen Unsauberkeiten, wie sie hier unter Eid bekundet worden sind, mit allen Mitteln geschützt werden. Die Klage der Stadt Berlin gegen die Hochbahugesell- schast abgewieseu. Gestern mittag sand im Landgericht I Berlin die Urteilsverkündung in dem Prozeß statt, den die Stadt Berlin gegen die Hochbahngesellschait wegen der Auf hebung der 50 090 Lchutzakticn angestrengt hatte. Tie Klage wurde, wie wir bereits gestern kurz meldeten, kostenpflichtig abgewiesen. In der Urteilsbegründung wird u. a. ausgeführt, daß die Schutzaklien sittenwidrig seien, wie der Vertreter der Stadt im Prozeß behauptet hatte, treffe nicht zu. Bei ihrer Schaffung im Februar 1923 bestand der Zustand der Inflation und die Gefahr einer Uebersremdung konnte für dringend gehalten werden. Es sei Pflicht der Verwaltung gewesen, durch die Schaffung der Schutzaktien dieser Gesahr zu begegnen. Ans der dabei abgegebenen Erklärung gehl eindeutig hervor, daß sie kei nerlei geldlichen Nutzen für ihre Inhaber und keine Be nachteiligung für die übrigen Aktionäre mit sich brächten. Ferner, baß sie an die Deutsche Bank nur als Treuhänderin gegeben waren, baß sie zum Einstandspreis zurückerworben werden können und schließlich, daß ihr Stimmrecht im Ein vernehmen mit dem Aussichrsrat ausgeübt werden durste. Für den Aufsichtsrat ist aber die pslichtmäßige Wahrung der Interessen der gesamten Aktionäre der sührende Leit stern. Auch die Aufrechterhaltung bei der Umstellung sei nicht sittenwidrig. Eine Uebersremdung konnte auch durch Jnlandskäufe erfolgen. Tie Kapitalskraft der Stadt Ber lin ist über jeden Zweifel erhaben, und wenn sie ihren Be sitz von 3 Millionen im Jahre 1923 auf 86 Millionen im Jahre 1925 vermehrt habe, so stand zu befürchten, daß sie im Hinblick auf den nahen Ankausstermin eine weitere Ver mehrung vornehmen würbe. Tas Gesamtinteresse der Aktionäre erfordere einen angemessenen Kaufpreis, der durch einen maßgeblichen Einfluß der Stabt aus Vorstand und Aufsichtsrat herabgedrückt werden konnte. Tie Stadt Berlin hat auch die Aktien selbst nicht als sittenwidrig angesehen, denn sie hat selbst in ihrem Schreiben vom 25. April d. I. eine Beteiligung an den Schutzaktien gewünscht. Gegen die Ausübung des Stimmrechts in der Generalversammlung durch die Inhaberin der Schutzaktien, die Elektrische Licht- und Kraftanlagen-A.-G., bestehen keine Bedenken. Die Teuerung und ihre Bekämpfung. Von F. H. Die Frage der Teuerung ist keine rein deutsche Ange legenheit. Sie ist vielmehr eine der Folgeerscheinungen des Weltkrieges, die sich nicht nur über die kriegführenden Na tionen, sondern auch auf die überseeischen Länder erstreckt hat. An der Spitze der Länder mit erhöhten Preisen stehen zurzeit Schweden und England, ihnen folgen die Schweiz, Norwegen, Holland, Deutschland, die Bereinigten Staaten von Amerika, Kanada, Finnland, die Tschechoslowakei, S Tabletten für Sanger/ Spoctsleute, Raucher „Hilst nichts nen Herrn. Ick „ ... .... wird man wohl beschallen können uob für meinen Herrn wird in eurem großen schönen Haus noch Platz lein!" „Geht zu eurem Kommissarius, sagte Peier Schönborn streng und gesatzt," sagt ihm, daß wir schon zwei Mann an- wir ans keinen Familienchronik. Es gibt zahlreiche Familien, die von der Geschichte ihre» Geschlechte» to gut wie gar nichts wissen. Nicht selten herrscht schon Dunkel darüber, wer und was die Urgroßeltern waren nnd woher sie stammen. Eine Ausnahme in dieser Hinsicht machen fast immer die AbelSaeschlcchter, in denen der Fa miliensinn seit alterS her mehr gepflegt worben ist als in der bürgerlichen Gesellschaft. Wird manchmal noch der Ber- such gemacht, über die Ahnen Zuverlässiges festzustellen, so ist «» häufig schon zu spät, da diejenigen gestorben sind, die al» Wegweiser hätten dienen können. Daß e» sehr wünschenswert ist, wenigstens das wichtigste über bi« Borfahren mit Sicherheit zu wissen, zeigt sich sehr häufig bei Erbschaftsangelegenheiten, wo cs manchmal nur schwer möglich ist, nabe verwandtschaftliche Beziehungen rechtlich einwandfrei zu belegen. Schon aus diesem Grunde empfiehlt eS sich, eine Familienchronik zu führen, worin alle her Familie angehörigen Personen oder sie betreffende Er- eigntsse zusammengeschrieben werden. Wenn darin auch nur das wichtigste für jeden und jeder Zeit zum Lesen ausgezeich net wird, wa» sonst nur im günstigsten Falle stückweise oder unsicher in der Erinnerung einzelner Familienmitglieder hastet, so ist der Zweck einer Familienchronik schon zu einem rrhebltchen Teile erfüllt. Di« Art, wie eine Familienchronik angelegt und geführt wird, kann sehr verschieben sein. In zahlreichen Familien ist e» Gitte und Brauch, in Bibeln ober Gesangbüchern wenigstens die Geburtstage und Namen ber Kinder, später auch den Tag der Konfirmation, ber Berlobung, Hochzeit, Sterbetag usw. einzutragen. Besser noch ist es, ein beson deres Buch von gutem Papier und Einband anzuschasfen. Darin läßt man zweckmäßig die ersten Blätter für etwaige Nachträge über ältere Angehörige seines Geschlechts aus Kirchenbüchern oder sonstigen Ouellenwerken frei, schreibt die Familien mit Vornamen der Großeltern, Eltern, Ge schwister, Kinder, Enkel, Tanten und Onkel von väterlicher wie mütterlicher Seite übersichtlich zusammen und fügt bei jedem Geburtstag und Todestag, Geburtsort, Beruf und noch weiteres hinzu. Dabei tut man gut, bei jeder eigenen Familie ein neues Blatt anzufangen und stets die Rückseite für Nachträge und gelegentliche genauere Angaben frei zulallen, wie über den Besitz, Familienereignisse usw. Unter allen Umständen sollte man sich bet solchen grund legenden Angaben niemals auf bloße Erinnerungen und mündliche Ueberlieferungen verlassen, sondern sich immer nur auf zuverlässige amtliche oder wenigstens schriftliche Quellen stützen. Wem eine solche mehr stammtaselartige Anlage nicht paßt, kann seine Aufzeichnungen auch nach der Zeit geordnet, oder jedesmal wenn ihm etwas der Nieder schreibung wert erscheint, ohne besondere Ordnung machen. Wer mehr darauf verwenden will, wird vielleicht auch Bil der von Personen oder Sachen an der betreffenden Stelle beigeben, ganze Lebensbeschreibungen, Zeitungsausschnitte, Grabreden usw. Im groben und ganzen ist das Führen einer Familien chronik weder mit Kosten noch mit Zeitverlust verbunden, und sollte daher von niemand versäumt werden. Denn sie gilt unseren Liebsten, unserer Familie, die durch Kenntnis und Pflege ihrer Geschichte wie die der Vaterstadt nur ge hoben und gefördert werden kann. In unserer schweren Zeit, vielleicht der schwersten, die unser Land und Volk in seiner zweitausendjährigen Geschichte durchzumachen hat, kommt eS auf die wichtige Pflege gesunden Familien- und Heimatsinnes mehr als je an. Auch die Familienchronik kann einen Stein znm Wiederaufbau unseres Volkes Vaterlandes liefern. . -," entgegnete der Reitknecht, „s ist kur mei- Jch bin zufrieden mir 'ner Schurre Srroh, die Frankreich. Auch in manchen ber von der Teuerung be troffenen anderen Ländern sind Untersuchungen angestellt worden, um die Ursachen der Teuerung kestzustellen und Vorschläge zu deren Behebung auszuarbeiten. Der Bor- schlag eines englischen Untersuchungsausschusses gebt dahin, über die Preisbildung aus dem Lebensmittelmarkt scharse Kontrolle eiuzurichten. In den Vereinigten Staaten von Amerika wurde durch den Untersuchungsausschuß eine un verhältnismäßig große Teuerung der Lebensmittel durch Vertriebs- und Verteilungsspesen festgestellt. Die Spanne vom Erzeugerpreis zum BerkaufSprcis sei unverhältnis mäßig hoch. Allgemein zu berücksichtigen bleibt, daß die Weltteuerung im Zusammenhang mit der internationalen Entwertung des Goldes besteht. Der Wert des Goldes hat sich im Anschluß daran allgemein verringert; seine Kaufkraft ist nicht mehr die frühere geblieben. ES ist klar, dast in Deutschland die sür eine Teuerung bestimmenden Faktoren sich besonders bemerkbar machen mußten. Dabei sprechen nicht nur die Folgen des unglück lich verlaufenen Krieges mit und die ans dem verlorenen Krieg erwachsenen Verpflichtungen, sondern in stärkster Weise die Folgen der überwundenen Inflation. Es braucht nicht daran erinnert zn werden, in welcher Weise durch die unaufhaltsam steigende Inflation in den verfloßenen Jah ren jede Möglichkeit einer Preisfestsetzung oder einer Geld- bewertung genommen war. Was au diesen Erscheinungen besonders bedenklich war, ist der Umstand, daß sic sich jahre lang hinzogen und auch nach Ucberwindung der Infla tion in weiten Kreisen -cs Volkes psychologisch nachwirkren. Mit Recht hat der Reichsbankpräsident seine Ansicht über die Ursachen der Preissteigerung dahin zum Ausdruck ge bracht, baß uns heute noch zu viel „Jnslationsrost" anhafte und daß der Leistungsapparnt -er Wirischait noch immer zu stark aufgebläht sei. In dieser unnatürlichen Aufblähung -es Verteilungsapvarates, der sich in einer übermäßigen Verteuerung -es Produktes aus dem langen Wege vom Erzeuger bis zum Verbraucher ausmirkr, liegt, wie in den „Rädern" ousgeführt wird, ein Hauptgrund der Ver teuerung. Tie von Staatswegen beschlossenen und nunmehr zur Durchführung gelangenden Maßnahmen bestehen zunächst in der Herabsetzung -er Umsatzsteuer. Vom 1. Oktober ob ist die Umsatzsteuer von 1,5 Prozent auf 1 Prozent herab gesetzt worden. Ta sich die Umsatzsteuer auf die einzelnen Stufen der Verteilung einer Ware prcisvertcuernd be merkbar macht, wird diele Minderung der Umlatzsteucr. wenn auch erst allmählich, zu einer Senkung der Selbst kosten führen müßen und daher zu einer Ermäßigung der Preise beitragen. Erforderlich für die Auswirkung dieser Maßnahmen ist allerdings, daß Erzeuger und Händler die Herabictzung der Umsatzsteuer dem Verbraucher zugute kommen laßen. Sodann sind Maßnahmen ,ur Bclämpiuna von Auswüchsen des Kartellwclens genossen worden. Tie Kartelle, die möglichst alle Unternehmer oder Händler einer gleiche:'. Branche zwecks Festsetzung gemeinsamer Produt- rions- oder Verkaufsbedingungen zuiammensaiien, haben ihre zweifellos große volkswirtschaftliche Bedeutung. Erst Uebcrspanuungcn im Kartcllweien ruien Wirkungen hervor die im Jntcreiic der Versorgung der breiten Maße der Vcr- braucherschakt vermieden werden müßen. Jir dieser Be ziehung ist die Regierung bestrebt, mir den ihr zur Ver- sügung stehenden Mitteln, sei cs durch unmittelbaren Ein griff, fei es über Las Kanellgericht, gegen Ucbcrlpannungcn im Kartcllweien cinzugrenen. Weitere Maßnahmen bezwecken, das Wirricka'islebcn von Jnilationsruckständen zu reinigen. In dieser Be ziehung ist den gesetzgebenden Körperichasicn ein Geietz- entwurs zur Aufhebung der Geichänsauisichr zugcgangcn, da es sich bei der bisherigen Handhabung der Ge'ckälts- aussicht berausgcstellk bar, daß hierdurch die Möglichkei: gegeben ist, wirtschaftlich schwache Betriebe künstlich zu er halten. Es sind ferner Maßnahmen getroffen, die öffent lichen Gelder des Reiches io zu bewiriickanett, daß keine Steigerung der privaten Geldiätzc cinrrin, vielmehr ein Anreiz sür deren Senkung gegeben ist. Am schwierigsten ist cs, die angcstrebte Herabsetzung der Preise aus dem Lebensmiitelmarkie durchzusuoren. Tie von verschiedenen behördlichen Stellen cinpcleitcren Untersuchungen über die besondere Uriackc der Teuerung sollen diesem Zweck dienen. Besondere Maßnahmen, eine Senkung der Lebensmiirelpreiie zu erzielen, sind getroiicn, können sich aber erst allmählich auswirken. Tieiem Zweck dient unter anderem die Maßnahme, ein erhöhtes Kon tingent von Gefrierfleisch für die Einfuhr zuzulaßen. Tie fortlaufende Veröffentlichung von Listen der Groß- uied Kleinhandelspreise wird vornehmlich eine psocholcgi'che verzeiht! Ich muß mit fort in den Krieg! Gen Prag führt man uns, der österreichischen Kaiserin entgegen. Zürnt mir nicht, wenn Gott will, kehre ich wieder! Euer Geert." Tann hatten sie nichts wieder von ihm gehört. Die Mutter kränkelte seitdem und Peter Schönborn hatte schlohweißes Haar bekommen, denn wie die Zeit dahinging, schwand ihre Hoffnung immer mehr, den Sohn noch einmal wieüerzusehen, auch der Frieden von Breslau brachte ihn nicht zurück. Und heute war Martinstag und all die Wun den bluteten von neuem, wenn die jungen Schüler das wohl bekannte Liedlein sangen. Die Kreuzschüler waren reich beschenkt weitergegangen, die ewtggleiche Melodie LeS NovembersturmeS tönte wieder durch die menschenleeren Straßen. Da wurde Hufgetrappel und daS Rufen lauter Männerstimmen vernehmbar, es wa- ren Quartiermacher, die für eingezogene Truppen Unter kunft suchten. Schnell änderte sich bas Bild der stillen Stadt. Seit dem Frieden von Breslau hatte sich Maria Theresia um Sachsens Gunst beworben, so waren auch Dresdens Sühne mit ihr vereint gegen Preußens König gezogen und der Tanz hatte von Neuem begonnen. Trüben Auges schaute Peter Schön born dem kriegerischen Treiben zu, da trat sein Weib herein. „Wir werben Einquartierung bekommen," Frau, sagte er freundlich. Aber sie lächelte. „Zwei Leute sind schon gemeldet, ich habe die Hinterstube zurechtgemacht. Wir werben unruhige Zeit bekommen, Peter. Aber was Hilsts?" Unten wurde eine tiefe Stimme hörbar. „Ein Offizier mit Reitknecht, jawohl! Was fragt ihr lange? Schaut den Ouartierzettel!" „Schon alles belegt," entgegnete der Hausdiener. „Schert euch weiter mit eurem Zettel!" „Hier bleiben wir," schrie die fremde Stimme. „Bin der HanS Sporneaut, und wo der steht, geht er nimmer weg! Gib den Weg frei, du Hund! Mein Herr ist besseren Emp fang wert! „Werde mit dem Hausherrn selbst reden!" Peter Schönbor» öffnete die Tür. „Was gibiS? Was wollt ihr noch?" rief er «inem vier schrötigen Kerl zu, der mit seinen großen Reitersttefeln die Treppe herausgcstapft kam, gefolgt vom HanSdiener und einigen lachenden Mägden. „Habt ihr denn nicht gehört, daß wir schon Einquartie rung baben?" Die Einquartierung. Erzählurm aus Dresdens Vergangenheit. ES war am MartinStag. Durch die Straßen Dresdens /egte kalter Novemberwtnb und peitschte winzige Eiskristalle den wenigen Fußgängern um die blaurot gefärbten Wan- gen. Doch die braven Kreuzschüler ließen sich davon nicht stören. Sie zogen, angetan mit dürftigen schwarzen Mänte lein, von Haus zu Haus, wo ihr Gesang begehrt worden war und stimmten, gegen den Sturm so viel wie möglich sich schützend, ihr Lied an: „Den Vesten Bogel, den ich weiß, Das ist ein« Gan», Die hat zwei breite Füße, Dazu einen lärmen Hal» ..." So ging «S noch eine Weile fort, bis ber Angesungene oder dessen Ehefrau die Bürschchen hereinrief, sie bewirtete und beschenkte. Jetzt hatten sie sich auf ber Wilischengasse vor dem stattliche» Hau» des Tuchhändlers Peter Schön born aufgestellt und begannen ihren Gesang. Der reiche Herr, besten Haar, trotzdem er kaum das halbe Jahrhundert erreicht hatte, schon grau war wie LaS eines Greises, zuckte schmerzlich zusammen und seufzte. Wie gern hatte er den lustige» MarttnSgesang früher angehört! Zuerst, wo sein einziger Junge, der blauäugige Geert, selbst mit unter den Schülern war, dann in Erinnerung an diese Zeit, wissend, wie fleißig und frisch der Jüngling seine Studien vollendet und schon beim Rate einen Schreiverposten in Aussicht hatte. Lustig war der Junge und brav, aber er lernte nur, weil eS so für ihn bestimmt war und er den Eltern keinen Verdruß bereite» wollte. Biel lieber wäre er hinausgeritten in den grünen Wald, der fast bis an die Häuser von AltenbreSben sein« Arm« streckte. Ein Forstmann zu sein, jagen und schießen zu können, war seine Freude, aber noch mehr gc- lüstet« ihn das frische, sret« Soldatenleben. Ost hatte der Vater seinen Jungen beim Lesen von Abenteuerbüchern erwischt, wo die Freuden des Krieges, bas ungebunden« Leben des Feldlagers, so wie es im 80jährigen Krieg geübt worben, in heiteren Farben geschildert war. Und obgleich hundert Jahre darüber hingegangcn, Krieg und Kampf gab es immer wieder, bald gegen Russen, dann wieder gegen Oesterreicher nnd Polen. Da war Geert eines TageS aus Dresden verschwunden. Striae Abschiedsworte batte er zurückaelaffen: „Liebe Eltern, Gerichtssaal. Ekelerregende Dinge kamen in einer Verhandlung dem Amtsgericht Dresden zur Sprache, die sich gegen 1885 zu Reichenau bei Frauenstein geborenen, in Dresden- Altstadt, Johaunftraße IS wohnhaften Fleischermeifter Fried rich Herbert Flade richtete. Der Angeklagte hatte einen Strafbefehl über 80 Mark erhalten, dagegen aber Einspruch erhoben und Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er war beschuldigt worden, daß er in der Wohnung seiner Wirtin, einer Witwe Wießner, wiederholt Wurst hergestelli, dazu ganz ungeeignete Gefäße benutzt und die fragliche Wurst bann in seinem Stande in der Neustädter Markthalle verkauft habe. In ber Verhandlung führte Flade aus, er habe nur für eigenen Bedarf Wurst hergestellt, was er sonst für geschäftliche Zwecke usw. benötigte, habe er in den BetrieSSräumen zweier anderer befreundeter Dresdner Fleischermeister hergestellt. Die ganze Anzeige rühre nur von seiner ehemaligen Aufwärterin und Geliebten her, die ihm Rache geschworen habe, weil er eine andere zu heiraten ge denke. AlS erste Zeugin wurde die 37 Jahre alte Arbeiterin Martha Anna Lommatzsch gehört, die eine ganze Anzahl Jahre mit Angeklagtem verkehrt ist und auch besten Stand in der Neustädter Markthalle gereinigt hat. Die Zeugin genommen haben. Mehr Leute brauchen Fall aufzunehmen." Ter Reitknecht ging brummend. Aber lange, so kehrt« er zurück und trommelte die verschlossene HauStür. „Hilft euch nichts. Leute! Macht auf! Bin nochmals hcr- gewiesen und mein Offizier wird auch gleich da sein." Man mußte ihn einlassen. „Unerhört!" ärgerte sich Peter Schönborn. „ES wird immer schlimmer und der friedliche Bürgersmann ist nim mer Herr im eigenen Haus!" „Verzeiht," tönte da eine tiefe männliche Stimme in be- scheidener Rede. „Man hat mich wieder hierhergrwiesen, doch bin ich ein stiller Gast, ber euch nicht znr Last fallen will." Der Tuchhändler starrte nach ber offenen Tür, in der ein schmucker Reiterofsizier erschienen war. Ter Mann kam ihm so sonderbar vor, die Stimme bekannt, alle Saiten des Herzens erklingen lastend. „Wer seid Ihr? Wie ist Euer Name?" stammelte er verwirrt. „Ich heiße Geert Schönborn!" „Geert! Junge! Bist du eS?" riesen Vater und Mut ter ,n gleicher Zeit. Dann sprach keines mehr, sie Hatter, ihn umschlungen, den Sohn, nm den sic gebangt und gebetet hatten. Später erzählte Geert, wie es ihm ergangen, wie er ge kämpft und was er erlebt hatte und wie er manches tapfere Stück vollführt, fo daß er rasch vorwärts gekommen war. Aber plötzlich steckte HanS Spornegnt den Kopf zur Türe herein und rief lachend: „Wie istS halt, ihr Herrschaften! Wollt ihr uns immer noch fortschicke»?" „Mit Nichten," entgegnete glücklich lachend der HauS- Herr. „Komm herein, Hans und hilf deinem Herrn die MartinSaans verzehren!" Reaina Berthold.
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