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— 146 — entlasse», und sie schenke, wie vordem, selbst da» Mer. Aber eine Freude war'- ihr nicht. So sehr sie dem Wurz« alle- Böse wünschte, hindern that sie'S nicht, laß ihr Mann in seinem Auftrag nach Sturz bach fuhr. Einmal wußte sie, daß S gescheit war mit dem Wurzer, der den Stern mit großen Schuldscheinen in der Tasche hatte, nicht in offene Feindschaft zu gerathen. Zum Zweiten warf'S ei» Stück Geld ab, denn bei solcher Gelegenheit läßt sich der Bauer nicht lumpe», und zum Dritten paßte ihr's recht, wenn der Wurzer ein Weib nahm. Um so fremder wurde er dem Benedikt dadurch, und um so williger würde dieser in ihre Arme zurückkehren, wenn keine Andern da waren, die ihn in der Heimath warm empfingen, und eS wirklich geschah, daß sie zeitig Wittwe wurde, wie ihr die Mutter tSglich jammernd prophezeite. Die Alte konnte sich an Klage» nicht genug Ihm», daß der Wirth so arg an seinem eigenen Verderben arbeitete. Der Wirth hatte dem Wurzer für ein gute- Stück Geld fest versprochen, sich für den Tag nüchtern zu halten, und fuhr am nächsten Morgen ab. Er blieb den gauzen Tag fort, und kehrte erst spät Abends und, wie Lenei eS vorauSgesehen, völlig betrunken heim. Seinen Auftrag aber hatte er erfüllt. DaS war ihm freilich nicht schwer geworden, denn er hatte Alles bei sedier Schwester in Erfahrung gebracht, was über die Dirn im Umlauf war. „Möchst wohl so gescheit sein und ihm erzählen, wie'S steht?* fragte Lenei ihren Mann, als er ihr am folgenden Morgen erzählte, waS er in Erfahrung gebracht hatte, mit boshaft funkelnden Augen. »Rimmer thust' das!* fuhr sie drohend fort und setzte ihm so lauge zu, bis er versprach, dem Wurzer nur das Gute, was er von der Dirn gehört, zu überbringen. Ihrem rachsüchtigen Herzen konnte ja nichts gelegener kommen, als diesen geheimen Stoß gegen den Stolz und die Ehre d«S WurzerS zu führen, der sicher in rasenden Zorn grrieth, wenn'S ihm später zu Ohren kam, sein Weib habe vorher mit einem Anecht eine Liebschaft unterhalten. Daß er aber darum erfuhr, dafür würden die getreuen Freunde und Nachbarn schon sorgen. So geschah'-. Der Wirth erzählte seinem Auftraggeber uur das Allerbeste von seiner Zukünftigen und der Familie, in die er hineiaheirathen wollte, und sprach nur nebenher davon, daß »S der Vater uwc darum so eilig mit der Heirath habe, daß kein Unrechter ihr unschuldiges Herz bethöre. Einem solchen Schwiegersohn gegenüber, wie der Wurzer, war's wohl nicht zu verwundern, wenn er jetzt noch eine besondere Elle zur Schau trug. DaS leuchtete dem Wurzer ein und beschwichtigte alle seine Bedenken. Da er selbst großes Gefallen an dem Dirndl gefunden, schickte er den Franzl noch an demselben Tage hinüber, für ihn selbst war's nicht passend, unter der Woche hinzugehrv, und ließ ihn auSrichten, der Bauer möchte, wenn'S ihm recht wäre, schon für den nächsten Sonntag da- erste Aufgebot bestellen. Er käme Sonntag zum Versprach, da wolle er gleich Alles wegen der Hochzeit besprechen, die dann am dritten Sonntag stattfinden könne. Der Franzl richtete seinen Auftrag gut auS. ES ging Alles glatt. DaS Dirndl nahm dm Wurzer freundlich, wenn auch et» bissel gedrückt und schm als künftigen Eheherrn an, wie'S einer gehorsamen Tochter zukam, als der Vater sie zusammmsproch, und der Wurzer schwebte fortan im siebent« Himmel, sodaß er dm Tag, da sein Glück voll- kommen werd« sollte, kaum erwart« Knute. Mit dem Wirth stand er sich jetzt wieder gut. Es lag ihm gar zu sehr am Herzen, sich gegm Jemanden über sein Glück aussprechen zu können, und dämm verging kein Tag, an dem er ihn nicht rufm ließ, um bald dies, bald jenes mit ihm zu besprechen. In seinem Glückseifer verhieß er ihm alle- mögliche Gute, daß er an ihm thun wolle, und daß er ihn mit den Schulden und ZinSforderungen nicht drücken werde, «eil er sich jetzt schon so oft als sein getreuer Freund er wiesen habe. Der Wirth ließ das still über sich ergehen und fragte sich nur im Geheimm, waS wohl der Wurzer mit ihm anfangm werde, der im Guten die Schuldverschreibungen immerfort im Munde führte, wenn er dahinter kam, daß er ihn geflissentlich hintergangen. Daß seine verrätherische Handlungsweise endlich an den Tag kommen würde, daS konnte er sich an den Fingem ab zählen. WaS jedes Kind in Sturzbach wußte, daS konnte ihm doch nicht mtgangm sein, der mit dem Auftrag hingr- kommen, dm Leumund der Dirn auszukundschaften. Den Streich würde ihm der Wurzer aber nicht vergrssen und ver geben. Dazu kannte er dessen Dünkel und Hochmuth zu gut. Zu der übrigm Gewissenslast gesellte sich nun noch dieser Kummer. Noch mehr als sonst nahm er jetzt zum Trünke Zuflucht. Aber die verzweifelte Angst, daß ihn der Wurzer mit dm Schuldscheinen in der Hand auf der Stelle von HauS und Hof treiben konnte, ließ sich doch nicht beschwichtigen, und eines Abends, eS war einen Tag vor deS WurzerS Hochzeit, ließ er sich im Rausch gegen die Lenei darüber aus. Sie fiel vor Schreck und Zorn, als sie die ganze Noth- läge ihres ManneS erfuhr, schier in Krämpfe. Daß es so schlimm mit ihm stand, daß er schier gar nichts mehr sein eigen nannte, auf das der Wurzer nicht seine Hand legen und sagen konnte: „das ist mein,* das hatte sie bis zur Stunde noch nicht gewußt. Die ganze Nacht weinte und jammerte sie und wir wie auS dem Häuschen, daß der Wirth, trotz seines Rausches, kein Auge zuthat und sich vor Aufregung und Verzweiflung keinen Rath wußte, denn sie schwor's hoch und theuer, daß sie nun nicht mehr bei ihm bleiben werde. An den Bettelstab wollte sie mit ihm nicht kommen, und daS könnte jeden Augenblick geschehen, sobald eS dem Wurzer einfiel, sein Geld zu verlangen. Gleich morgen wollte sie sortgehm und sich einen Dienst suchen. Da sei sie noch immer besser dran als bei ihm. Sie schalt ihn einen Lügner und Betrüger. Wenn sie es gewußt, wie rS um ihn stände, nimmer wär'S ihr eingefallen, dem Benedikt die Treue zu brechen, um den sie sich jetzt die Füße blutig laus« wollte, wenn sie ihn damit zurückgewinnen könnte. So schrie und klagte sie unaufhörlich und schlief erst gegen den Morgen endlich ein. Dem Wirth war arg schlimm dabet geworden. Er konnte kein« Schlaf mehr finden und wälzte sich, völlig ernüchtert, krummgesoltert aus seinem Lager. Wenn die Lenei ihr Wort wahr machte und ihn verließ, dann warS's ganz auS mit ihm, und die Wkrthschast ging völlig zu Grunde. Dann verliefen sich die Gäste, und die Schenke blieb leer, die jetzt ein schönes Stück Geld einbrachte und sie Beide gut ernährt hätte, wenn ihre Einnahmen nicht zugleich die große Zinsenlast an den Wurzer decken mußten. Der Wurzer nahm ihm zwar jetzt nicht mehr ab, als ihm von Recht und Gewiss« zukam, aber daS war auch noch grade genug, um ihm keinen steten Athemzug zu lassen. Ec hätte ein fleißiger Bauer und Tag und Nacht hinter Allem her sein müssen, wenn er dabei aus einem grün« Zweig bleiben vollst, 147 — DaS konnte er aber nicht, dazu war er zu schwach im Charakter geworden. Keiner wußte daS besser al» er. DaS befleckte Gewiss« ließ ihm keine Ruhe, und darum trank er, und daS würde nicht Anders werd«, well seine That nicht ungeschehen zu mach« war. Wenn wmigstenS sein Weib, an dessen Habgier er doch gedacht, als er die unglückselige Schandthat billig, gut mit ihm umgegangm wäre. Vielleicht hätte ihn daS noch aufrecht erhalten und vor dem gänzlichen Zusammenbruch bewahrt. Aber cs war gerade so, als wenn er durch sie, um die er zum Dieb« und JudaS geworden, auch die Strafe find« sollte. Jetzt wollte sie ihn gar verlass« und dann bllcb ihm nichts — nicht- mehr. „Wenn die Wechsel nicht wärm, dann wär'S schon recht.* Der Gedanke formte sich zum klar« Begriff auS all dm verworrenen Vorstellungen, die sein Hi« erfüllten und mar terte». Bis zum hell« Morgm lag er wach und überlegte, ob kein AuSwrg vorhanden war, seine Lage zu verbessern und sein Weib mit den Verhältnisse» auSzusöhneu. Aber kein rettender Gedanke wollte ihm komm«. Und doch, wenn der Wurzer erfuhr, wie hinterlistig er von ihm bezogen war, dann richtete er ihn ohne Erbarm« zu Grunde. „Wenn die Wechsel nicht wärm!* ging eS ihm immer wieder durch den Kopf, daß er die Worte, wie von lebendiger Stimme gesprochen, vor seinen Ohren summen hörte, bis er mit wirrem Kopf und verzagtem Herzen ausstand. Eine schreckliche Unruhe trieb ihn vom Lager. Es war Sonntag. Im Stern war's noch still, aber der Helle Tag lag schon auf der Straße. Jetzt war der Wurzer schon fort. Hmt war ja sein Hochzeitstag, und bald war daS ganze HauS drüben lrcr. Die Knechte und Mägde gingen zur Kirche, wie'S ihnm am Ehrentag ihres Herrn zukam, und nur die taube Vroni büeb am End daheim. „Leer war daS HauS drüben,* siel'- ihm immer wieder ein. Es war ihm, als wenn ihn Jemand am Rock zerrte und ihm inS Ohr raunte: „Sternwirth, jetzt ist da- HauS bald drüben leer, und Du weißt'-, wo der Wurzer dm Schlüssel versteckt.* Die Stimme setzte unverdrossen immer wieder ein, so sehr er sich auch mühte, an etwa- Anderes zu denken. Sie sprach zu ihm, während er seine Morgmsuppe löffelte, daß eS ihm wie Angstschweiß über dm Rücken lief, und fitzte auch nicht aus, als sein Weib eintrat und die Glocken anhuben, zur Kirche zu läut«. Einen zitternd« Schreck in dm Gliedern sah er verstohlen nach ihr hin. ES war ihm, als müßte sie die schreckliche Stimme, die zu ihm sprach, auch hörm. Lenei aber saß mit bleichem Gesicht am Fenster und starrte verdrossen in den Hellen Sonnenschein hinaus. Er trat hinter sie. Er wollte etwas sagen und wußte doch nicht was. Er sand ja auch nimmer die rechten Worte, um seinem Weibe Trost zu sprechen» wenn er nicht gleich dabei einen Haufen Geld vor sie htnlegm und sagm könnte: „Jetzt bist' reich, Lenei, so reich, wie Du'S als deS Benedikts Weib geworden wärst.* DaS wußte er, und darum schwieg er lieber. Eine Welle starrte er, wie sie in dm schönen Sommertag hinaus. Dann trieb rS ihn fort auS der Stube. Er ging in dm Hof hinaus und schaute dort, wie er'- lange nicht mehr gethau, in die Ställe hinein. Da er dort Niemand« fand, seine Leute waren auch zum Kirchgang fort, schlenderst er in j>fn Gart«, i Dort ging er eine Welle unter dm dichtbelaubt« vämn« hin und her, sah nach der Straße hinüber und spichte hkcker sich, bis er vor dem WurzerhauS stand. Er blickte durch die Scheiben, wie er'S sonst that, «he er durch die Thür schritt. Die Stube war oatürüch hent Ker. „DaS ganze HauS ist leer,* raunte eS wtter vor sein« Ohrm, dann hatte er plötzlich, er wußte gar nicht, wie'S Ge schehen, die Thürvinke in der Hand und daun stand « t» Flur, der durch eine Mittelthür vom Vordereingang de» Haust- abgeschnitten war. Er ging bis zu Reser Thür vor, horchte, fließ sie ans und blickte durch. Die vordere HauSthür, die »ach de» Host führte, war verschlossen, der breite Riegel leuchtete auS de» Halbdunkel herüber. Gewiß hatte daS der Just, der Groß knecht besorgt, damit Niemand herein konnte, während die Leute in der Kirche warm. Dmn die taube Vroni kovutr als Wächter nicht gezählt werden. Auf leisen Sohlen ging er wieder zurück. Noch «in scheues Zöge«, dann drückte er die Thür auf, die in drt WurzerS Stube führte, zog sie leise hinter sich zu und ver riegelte si-. Darauf ging er in die Sterbestube «nd öffnete einen Fensterflügel. Wenn'- der Vroni loch einfiel, jetzt hier Herrin zu wollen, war ihm der Rückzug durch den Gart« gesichert. In die andere Stube zurückgchmd, trat er vor die große Uhr, wie damals, als die Wurzerin nebenan als Leiche grkgen. Leise kreischend drehte sich die kleine Thür auf und «tt zittern den Fingem tastete er in dm Holzkastea hinein. Die Hand war ihm so schwer, daß er sie kam» big ob« heran heben konnte, und der Schlüssel hing doch ganz ob« dicht unter drm Werk, wenn ihn der Kurzer »och a» der alt« Stelle aufbewahrte. Endlich kam es ihm zwischen die Finger. ES wurde ih» dunkel vor den Aug«, bis er sie nach der Fmstersette zurück wandte, wo der grelle Sonn«schein, durch daS grüne Blätter werk der Bäume gedämpft und gebrochen, tu hüpfend« Lichtem auf der weißgescheuerten Diele spielte. Wie ein Schwindel kam's über ihn, daß er eine Welle wie gebannt, auf da- Geflimmer hinstarreu »ußte. „Die Sonne bringt rS an den Tag,* hörte er eine Stimme sagm. Sie kam auS seinem Innern und eö war« seine Gedanken, er hatte die Worte einmal wo gelesen. Ater eS war ihm doch, als wmn ih» etwa- würgmd au der Kehle packte, daß ihm der Athem sortblieb. Die Lichter schien« plötzlich eine Sprache zu hab«, dmn er hörte eS jetzt deut lich über die Diele wispern und wlaselu: „Die Sonne bringt eS an dm Tag.* Da packte ihn ein wüthendrr Trotz. „Ich will schon sorge», daß eS im Dunkeln bleibt und Dein Licht nicht hi» kann.* Er streckte die geballte Faust drohmd «ach de« Sonnen schein auS. Dann griff er aufathmmd, wie auS eine» TamnA er wachend, an seine Stim, auf der große, kalte Tropf« perlt« und sah schm nach der Nebmthür. „Würde er'S schaffe»?* Die Beine war« ihm so schwer, wie Blei, aber sie brachten ihn doch vorwärts. Und dann stand er vor dem Schrank. Et» Kists Knirsch« uud die Thür war off«. MU zitternd« Finger« wühlte er rin« Welle in den schtchtenweise übereinander gAegtm Papier« herum, endlich hatte er dcS richtige Packet in dm Händen. „Wechsel und Schuldscheine deS StewwirthS,* stand t» ungelenken Zügen auf dem grobm Papier, daS als Umschlag um daS Packet gewickelt und mit einer Schnur befestigt war. Er stopfte eS in die Tasche. Dam griff er ohue yrher»